A. Problem und Ziel
- Das deutsche Recht und die deutsche Justiz genießen international hohe Anerkennung. Der Gerichtsstandort Deutschland leidet jedoch darunter, dass in § 184 GVG immer noch nur Deutsch als Gerichtssprache bestimmt ist. Ausländische Vertragspartner und Prozessparteien schrecken davor zurück, in einer fremden, für sie nur im Wege der Übersetzung indirekt verständlichen Sprache vor einem deutschen Gericht zu verhandeln. Das hat Auswirkungen nicht nur auf die Wahl des Gerichtsstandes, sondern auch auf die Frage der Rechtswahl. Das deutsche Recht wird trotz seiner Vorzüge kaum gewählt, wenn als Gerichtsstand ein Gericht in einem anderen Staat vereinbart ist, vor dem in englischer Sprache als "lingua franca" des internationalen Wirtschaftsverkehrs verhandelt werden kann.
- Die Begrenzung der Gerichtssprache auf Deutsch trägt damit dazu bei, dass bedeutende wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten entweder im Ausland oder vor Schiedsgerichten ausgetragen werden - zum Nachteil des Gerichtsstandortes Deutschland und deutscher Unternehmen.
B. Lösung
- Der Gesetzentwurf ermöglicht die Einrichtung von Kammern für internationale Handelssachen bei den Landgerichten, vor denen Rechtsstreitigkeiten in englischer Sprache geführt werden können. In Deutschland gibt es zahlreiche Richterinnen und Richter, die die englische Sprache - einschließlich der Fachsprache - hervorragend beherrschen.
- Viele von ihnen haben im Ausland einen LL.M (Master of Laws) erworben. Sie sind - zumindest nach einer ergänzenden Fortbildung - in der Lage, in englischer Sprache verfasste Schriftsätze und Dokumente zu verstehen, eine mündliche Verhandlung in englischer Sprache zu führen und auch Beschlüsse und Urteile in englischer Sprache abzufassen.
- Durch Kammern für internationale Handelssachen wird aber nicht nur sichtbar werden, dass die deutsche Justiz über höchstqualifizierte Richterinnen und Richter verfügt, sondern auch über Kaufleute als Laienrichter, die große praktische Erfahrungen und oft hervorragende, im internationalen Wirtschaftsverkehr erprobte Sprachkenntnisse besitzen. Das deutsche System der Kammern für (internationale) Handelssachen steht damit für eine Konzentration von Sach- und Fachkompetenz, die weltweit nur in wenigen anderen Staaten anzutreffen ist.
- Der Gerichtsstandort Deutschland wird durch die Einführung von Englisch als Gerichtssprache in hohem Maße an Attraktivität gewinnen. Deutsche Kammern für internationale Handelssachen werden bedeutende wirtschaftsrechtliche Verfahren anziehen, die bisher entweder vor Schiedsgerichten oder im englischsprachigen Ausland verhandelt werden. Die zunehmende Vereinbarung des Gerichtsstandortes Deutschland wird auch die vermehrte Wahl des deutschen Rechts als auf internationale Vertragsverhältnisse anwendbares Recht nach sich ziehen. Das ihnen vertraute Rechtssystem bietet deutschen Unternehmen dabei den wertvollen Vorteil der erhöhten Rechtssicherheit im internationalen Wirtschaftsverkehr.
C. Alternativen
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
1. Bund
a) Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
b) Vollzugsaufwand
- Finanzielle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt sind nicht zu erwarten.
2. Länder
a) Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
b) Vollzugsaufwand
- Bei einigen Landgerichten sind Kammern für internationale Handelssachen einzurichten. Der Vollzugsaufwand ist begrenzt. Er besteht im Wesentlichen in der fremdsprachlichen Fortbildung des richterlichen und nichtrichterlichen Personals. Das zu erwartende Gebührenmehraufkommen wird den insoweit erforderlichen Mehraufwand zumindest ausgleichen.
E. Sonstige Kosten
- Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
F. Bürokratiekosten
- Keine. Es werden keine zusätzlichen Informationspflichten geschaffen.
Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kammern für internationale Handelssachen (KfiHG)
Der Bundesrat hat in seiner 869. Sitzung am 7. Mai 2010 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kammern für internationale Handelssachen (KfiHG)
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Das Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
Die Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
Artikel 3
Änderung des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung
Nach § 37 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 310-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird folgender § 38 eingefügt:
" § 38
- Auf Verfahren, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über die Einführung von Kammern für internationale Handelssachen vom ... (BGBl. I S. ...) anhängig sind, finden die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften Anwendung."
Artikel 4
Inkrafttreten
- Dieses Gesetz tritt am ... [einfügen: Datum des ersten Tages des zwölften auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalendermonats] in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll für bestimmte Rechtsstreitigkeiten die englische Sprache als Gerichtssprache im deutschen Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht eingeführt werden. Es wird die Einrichtung von Kammern für internationale Handelssachen ermöglicht, vor denen - neben normalen Handelssachen - Verfahren in Handelssachen mit internationalem Bezug in englischer Sprache durchgeführt werden können.
I. Ausgangslage
Das deutsche Recht und die deutsche Justiz genießen international hohe Anerkennung. Der Abstraktionsgrad und die systematische Stringenz des deutschen Rechtssystems und die Effizienz, die Leistungsfähigkeit sowie die niedrigen Kosten der deutschen Gerichte sind weltweit bekannt und dienen als Vorbild für Reformen insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern.
Die Attraktivität des deutschen Rechtssystems und der deutschen Justiz für Rechtsstreitigkeiten mit internationalem Bezug leidet jedoch darunter, dass in § 184 GVG immer noch nur Deutsch als Gerichtssprache bestimmt ist. Ausländische Vertragspartner und Prozessparteien schrecken davor zurück, in einer fremden, für sie nur im Wege der Übersetzung indirekt verständlichen Sprache vor einem deutschen Gericht zu verhandeln. Dies gilt insbesondere, wenn ihnen ein deutscher Vertragspartner bzw. Prozessgegner gegenüber steht, der sich - zumindest dem Anschein nach - bei einer Verhandlung in seiner Muttersprache prozessuale Vorteile verschaffen kann. Zwar kann bereits nach geltendem Recht die Zuziehung eines Dolmetschers unterbleiben und teilweise in einer Fremdsprache verhandelt werden, wenn die beteiligten Personen sämtlich der fremden Sprache mächtig sind (§ 185 Absatz 2 GVG). Die Reichweite dieser Ausnahme ist jedoch begrenzt. Die Abfassung von Schriftsätzen, die Verhandlungsleitung, die Verkündung von Entscheidungen, die Vorträge der Rechtsanwälte und die Protokollführung sind in deutscher Sprache vorzunehmen (vgl. Kissel, Gerichtsverfassungsgesetz, 5. Aufl. 2008, § 185 Rnr. 9; Zöller-Lückemann, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 185 GVG, Rnr. 1).
Nachteilig kann eine Verfahrensführung in deutscher Sprache auch sein, wenn Gegenstand der Rechtsstreitigkeit in englischer Sprache abgefasste Verträge sind. Ihre Auslegung ist in vielen Fällen streitentscheidend. Ein Sprachbruch zwischen Vertrags- und Verfahrenssprache ist hier - auch bei noch so guter Übersetzung - ein zusätzliches Hindernis zur Klärung von Auslegungszweifeln.
Die Attraktivität des Gerichtsstandortes hat Auswirkungen auch auf die Frage der Rechtswahl. In vielen Verträgen des internationalen Wirtschaftsverkehrs wird vereinbart, welches Recht auf das Vertragsverhältnis anwendbar sein soll. Dabei ist die Deckungsgleichheit von gewähltem Recht und vereinbartem Gerichtsstandort von großer Bedeutung. Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts wird trotz seiner Vorzüge kaum gewählt werden, wenn als Gerichtsstand z.B. ein Gericht in England vereinbart ist.
Die Begrenzung der Gerichtssprache auf Deutsch trägt daher dazu bei, dass bedeutende wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten entweder im Ausland oder vor Schiedsgerichten ausgetragen werden - zum Nachteil des Gerichtsstandortes Deutschland und der deutschen Wirtschaft. Unternehmen, die im grenzüberschreitenden Handel tätig sind, ihre Verbände sowie die sie beratenden Rechtsanwälte weisen deshalb in letzter Zeit vermehrt darauf hin, dass deutsche Gerichtsverfahren in englischer Sprache ermöglicht werden sollten, zumindest aber vor deutschen Gerichten in englischer Sprache verhandelt werden können sollte (vgl. hierzu Graf von Westphalen, AnwBl 2009, 214; Calliess/Hoffmann, ZRP 2009, 1, 3 f.; dies. AnwBl. 2009, 52 ff.).
II. Zielsetzung und wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs
- 1. Der Gesetzentwurf sieht die Einrichtung von besonderen Kammern für Handelssachen als Kammern für internationale Handelssachen bei den Landgerichten vor, vor denen das Verfahren in englischer Sprache durchgeführt werden kann.
Damit wird ausländischen Parteien und Rechtsanwälten die Möglichkeit eröffnet, zusammen mit den deutschen Parteien und Rechtsanwälten die Verfahren vor den Kammern für internationale Handelssachen entweder in ihrer eigenen Sprache oder jedenfalls der ihnen geläufigen "lingua franca" des Wirtschaftsverkehrs zu führen. Zugleich wird bei Verträgen, die in englischer Sprache abgefasst sind und deren Auslegung Gegenstand eines Rechtsstreits ist, die Kongruenz von Vertrags- und Verfahrenssprache gewahrt. Die Auslegung des Vertrages wird hierdurch wesentlich erleichtert.
Der Gerichtsstandort Deutschland wird durch die Einführung von Englisch als Gerichtssprache in hohem Maße an Attraktivität gewinnen. Die deutschen Kammern für internationale Handelssachen werden bedeutende wirtschaftsrechtliche Verfahren anziehen, die bisher entweder vor Schiedsgerichten (zur Sprachwahl dort vgl. § 1045 ZPO) oder im englischsprachigen Ausland verhandelt werden. Insgesamt wird unter Beweis gestellt werden, dass die deutsche Justiz mit ihren Kammern für internationale Handelssachen nicht nur über höchstqualifizierte, im Ausland ausgebildete Richterinnen und Richter verfügt, sondern auch über Kaufleute als Laienrichter, die - auch im Bereich internationaler Streitigkeiten - große praktische Erfahrungen und oft hervorragende, im internationalen Wirtschaftsverkehr erprobte Sprachkenntnisse besitzen. Das deutsche System der Kammern für (internationale) Handelssachen steht damit für eine Konzentration von Sach- und Fachkompetenz, die gegenüber in anderen Staaten anzutreffenden Einzelrichtersystemen, aber auch einem System von Handelsgerichten, in denen ausschließlich Laienrichter tätig sind, entscheidende Vorteile hat - zum Nutzen der Prozessparteien.
Die Vereinbarung des Gerichtsstandortes Deutschland wird darüber hinaus in vielen Fällen die Wahl des deutschen Rechts als auf internationale Vertragsverhältnisse anwendbares Recht nach sich ziehen. Dies bietet deutschen Unternehmen den großen Vorteil der erhöhten Rechtssicherheit im internationalen Wirtschaftsverkehr. Chancen und Risiken solcher Vertragsverhältnisse lassen sich bereits im Vorfeld angesichts des vertrauten Rechtssystems besser kalkulieren. Dagegen dürfte die Befürchtung, Englisch als Gerichtssprache in Deutschland werde künftig die vermehrte Vereinbarung fremden Rechts, insbesondere des "common law" nach sich ziehen und die entsprechenden Verfahren vor den deutschen Gerichten schwieriger und aufwändiger gestalten, weitgehend unbegründet sein. Für die Parteien wird in der Regel die Einheitlichkeit von gewähltem Recht und Gerichtsstandort im Vordergrund stehen. Wer sich etwa für die Anwendung englischen Rechts entscheidet, wird insoweit auch die Kompetenz der englischen Gerichte in Anspruch nehmen wollen und sich für diesen Gerichtsstandort entscheiden.
Ob die vorstehende Einschätzung zutreffend ist, d.h. in welchem Umfang die Einführung von Englisch als Gerichtssprache angenommen wird, zu Verfahren vor Kammern für internationale Handelssachen und in diesem Rahmen zu einer Wahl des deutschen Rechts führt, wird einige Zeit nach Inkrafttreten der Änderungen zu überprüfen sein.
Die Einrichtung von Kammern für internationale Handelssachen bei den Landgerichten gewährleistet eine zweite Tatsacheninstanz bei den Oberlandesgerichten. Für die Berufungs-, aber auch für die Revisionsinstanz sieht der Gesetzentwurf daher ebenfalls die Möglichkeit eines in englischer Sprache geführten Verfahrens vor. Es macht wenig Sinn, nur die erste Instanz für die englische Sprache zu öffnen, um dann bei der Verhandlung vor den Rechtsmittelgerichten zwingend wieder auf die Gerichtssprache Deutsch zurückzufallen.
Die Einführung von Englisch als Gerichtssprache setzt eine hohe Fremdsprachenkompetenz der Mitglieder der Kammern für internationale Handelssachen voraus. Eine flüssige und ohne Missverständnisse erfolgende Verhandlungsführung und die anschließende Absatzung gerichtlicher Entscheidungen erfordern nicht nur ein hohes Niveau der allgemeinen Fremdsprachenkenntnisse, sondern auch des juristischen Fachvokabulars. Keinesfalls dürfen die Verhandlungsführung und die Qualität der Rechtsprechung unter Defiziten der Fremdsprachenkompetenz des gerichtlichen Personals leiden. Es gibt in Deutschland indes zahlreiche Richterinnen und Richter, die die englische Sprache - einschließlich der Fachsprache - hervorragend beherrschen. Bereits die juristische Ausbildung sieht den erfolgreichen Besuch einer fremdsprachigen rechtswissenschaftlichen Veranstaltung oder eines rechtswissenschaftlich ausgerichteten Sprachkurses vor (§ 5a Absatz 2 Satz 2 DRiG). Darüber hinaus haben viele Richterinnen und Richter im Ausland einen LL.M (Master of Laws) erworben und anschließend über Jahre hinweg, beispielsweise im Rahmen einer international ausgerichteten anwaltlichen Tätigkeit, ihre Fremdsprachenkenntnisse einschließlich des Fachvokabulars erprobt und erweitert. Sie sind in der Lage, in englischer Sprache verfasste Schriftsätze und Dokumente zu verstehen, eine mündliche Verhandlung in englischer Sprache zu führen und auch Beschlüsse und Urteile in englischer Sprache abzufassen. Die bei einem LL.M. - Examen geforderten Arbeiten unterscheiden sich in ihren sprachlichen und gedanklichen Schwierigkeiten kaum von einem üblichen Beschluss oder Urteil. Erforderlichenfalls können die Sprachkompetenzen und die Kenntnisse englischer Rechtsbegriffe durch eine Fortbildung der in Betracht kommenden Richterinnen und Richter erweitert werden.
Dabei wird nicht verkannt, dass englische Rechtsbegriffe in ihrer inhaltlichen und rechtlichen Bedeutung nicht immer mit deutschen Rechtsbegriffen übereinstimmen und daher nicht ohne Weiteres für deutsche Rechtsbegriffe einsetzbar sind. Dieses Problem stellt sich in umgekehrtem Sinne jedoch auch bei in deutscher Sprache geführten Prozessen, in denen in englischer Sprache abgefasste Urkunden zu übersetzen sind. Vor allem aber ist der Inhalt deutscher Rechtsbegriffe durchaus im Wege der Umschreibung auch in englischer Sprache korrekt erfassbar. Dies gilt umso mehr, wenn die beteiligten Juristen mit beiden (Fach-)Sprachen und Rechtskreisen vertraut sind.
Englisch als Gerichtssprache setzt sprachkundiges Personal bei den Gerichten auch im nichtrichterlichen Bereich voraus. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass bundesweit voraussichtlich nur eine begrenzte Zahl von Kammern für internationale Handelssachen eingerichtet werden wird und dementsprechend auch nur eine sehr begrenzte Zahl von nichtrichterlichen Mitarbeitern mit Sprachkenntnissen erforderlich sein wird. In der Regel werden pro Kammer für internationale Handelssachen eine Servicekraft und ein Vertreter ausreichend sein. Oft werden solche Servicekräfte bei den großen Landgerichten, die allein für die Einrichtung einer Kammer für internationale Handelssachen in Betracht kommen, vorhanden sein. Erforderlichenfalls können die erforderlichen Sprachkenntnisse in Schulungen vermittelt werden.
Die einige Zeit nach Einführung von Englisch als Gerichtssprache erforderliche Prüfung wird aus Gründen der Qualitätssicherung auch die Frage umfassen müssen, ob die Fremdsprachenkenntnisse des gerichtlichen Personals hinreichend sind und den Verfahrensanforderungen genügen.
- 2. Die Zulassung der Verhandlung in einer fremden Sprache berührt den Grundsatz der Öffentlichkeit. Die Öffentlichkeit beinhaltet das Zuhören und Zusehen in der Verhandlung aus der Distanz des nicht am Verfahren Beteiligten (vgl. Kissel/Mayer, a.a.O., § 169 Rnr. 52). Sprechen das Gericht und die Verfahrensbeteiligten in einer fremden Sprache, wird die Möglichkeit des Verstehens für einen potenziellen Zuhörerkreis im Vergleich zu einer Verhandlung in deutscher Sprache eingeschränkt. Eine derartige Verfahrensgestaltung muss sich damit an den rechtsstaatlichen Anforderungen des Öffentlichkeitsgrundsatzes messen lassen.
Die zentralen Aussagen zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Grundsatzes der Öffentlichkeit mündlicher Gerichtsverhandlungen finden sich in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen vom 24. Januar 2001 (1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99). Danach ist dieser Grundsatz Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips. Er entspricht zugleich dem allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie (BVerfG, a.a.O., juris, Leitsatz 5a und Tz. 66). Der Grundsatz der Öffentlichkeit gilt nicht einschränkungslos. Das geltende Recht kennt zahlreiche Beschränkungen, vor allem zum Schutz von Persönlichkeitsrechten der Verfahrensbeteiligten und zur Gewährleistung einer funktionierenden Rechtspflege (vgl. §§ 170 ff. GVG, § 48 JGG). Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, den Grundsatz der Öffentlichkeit näher auszugestalten und - unter Wahrung rechtsstaatlicher Anforderungen - gegebenenfalls an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, der Gesetzgeber müsse bei der Ausgestaltung der Gerichtsöffentlichkeit deren Funktion sowie unterschiedliche Interessen berücksichtigen (BVerfG, a.a.O., juris, Leitsatz 5b).
Unter Hinweis auf die historische Entwicklung beschreibt das Bundesverfassungsgericht zwei Kernfunktionen des Öffentlichkeitsgrundsatzes: Er solle zum einen in Gestalt einer Verfahrensgarantie dem Schutz der an der Verhandlung Beteiligten, insbesondere dem Angeklagten im Strafverfahren, dienen. Zum anderen solle dem Volk Gelegenheit gegeben werden, von den Geschehnissen in einer Gerichtsverhandlung Kenntnis zu nehmen und diesen Teil der Staatsgewalt einer Kontrolle in Gestalt des Einblicks der Öffentlichkeit zu unterziehen (BVerfG, a.a.O., juris, Tz. 67). Dem Grundsatz der Öffentlichkeit wird damit eine subjektivrechtliche und eine objektivrechtliche Funktion zugeschrieben. Da die einfachgesetzlichen Vorschriften über die Öffentlichkeit (vgl. insbesondere § 169 GVG) damit auch dem öffentlichen Interesse dienen, sind sie der Parteidisposition entzogen (vgl. Kissel/Mayer, GVG, Kommentar, 5. Aufl. 2008, § 169 Rnr. 19).
Der Gesetzgeber handelt im Rahmen seines Spielraums, wenn er zur Ausgestaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes aus den bereits genannten, gewichtigen Gründen die Möglichkeit einräumt, im Einverständnis der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts den Prozess in englischer Sprache zu führen. Lässt er vor diesem Hintergrund bei Bedarf Englisch als Gerichtssprache zu, genügt er den verfassungsgerichtlichen Anforderungen, die sich aus dem Rechtsstaats- und Demokratiegebot ergeben. Das Bundesverfassungsgericht hat es mit Blick auf die rechtsstaatliche Komponente des Öffentlichkeitsgrundsatzes in dieser Hinsicht für entscheidend gehalten, dass eine öffentliche Kontrolle des Gerichtsverfahrens gewährleistet sei: Die Handelnden dürften nicht in dem Gefühl, "unter sich zu sein", Verfahrensgarantien unbeachtet lassen oder tatsächlich und rechtlich Zudem wird die im rechtsstaatlichen Interesse gebotene Kontrolle einer Gerichtsverhandlung heute vor allem auch durch die Medien vermittelt. Diesen Strukturwandel der Öffentlichkeit kann der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Modalitäten des Öffentlichkeitsgrundsatzes berücksichtigen. Bei einem entsprechenden Publikumsinteresse sichert vor allem die Berichterstattung in den Medien eine kritische Beobachtung der gerichtlichen Verfahren. Sie bleibt gewährleistet, wenn die Medien in den Fällen eines vorhandenen öffentlichen Interesses an einer internationalen Handelssache Journalisten mit ausreichenden Sprachkenntnissen als Berichterstatter einsetzen.
Aus diesem Befund folgt schließlich, dass die Zugänglichmachung von Informationen zur öffentlichen Meinungsbildung in den relevanten Verfahren durch die Medien weiterhin möglich bleibt. Da Kenntnisse und Verbreitungsgrad der englischen Sprache bei Journalisten jedenfalls nicht geringer sein dürften als in der Gesamtbevölkerung, werden in dieser Hinsicht keine unzulässigen Hürden errichtet, wenn der Gesetzgeber in internationalen Handelssachen Englisch als Gerichtssprache zulässt. Soweit der Öffentlichkeitsgrundsatz daher im Demokratiegebot des Artikels 20 Absatz 1 GG verankert ist, wird den sich hieraus ergebenden Anforderungen entsprochen.
- 3. Der Gesetzentwurf setzt die vorgenannten Inhalte um, indem er in § 93 Absatz 2 GVG-E die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung bei den Landgerichten für den Bezirk eines oder mehrerer Landgerichte Kammern für Handelssachen als Kammern für internationale Handelssachen einzurichten. Zur Zuständigkeit dieser Spruchkörper gehören neben den normalen Handelssachen im Sinne von § 95 GVG die internationalen Handelssachen. Sie ist in den §§ 114a und 114b GVG-E geregelt. Voraussetzung ist zum einen das Vorliegen einer Handelssache im Sinne von § 95 GVG. Zum anderen wird an einen internationalen Bezug des Rechtsstreits angeknüpft, z.B. an die Fassung einer vertraglichen Vereinbarung oder gesellschaftsinterner Verträge in englischer Sprache. Des Weiteren ist erforderlich, dass beide Parteien der Verfahrenssprache Englisch zustimmen.
Im Übrigen finden - mit wenigen Ausnahmen - die für Kammern für Handelssachen geltenden Vorschriften auch auf die Kammern für internationale Handelssachen Anwendung.
In § 184 Absatz 2 GVG-E wird sowohl vor den Kammern für internationale Handelssachen als auch den für Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der Kammern für internationale Handelssachen zuständigen Senaten der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs die Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache ermöglicht. Es wird jedoch eine Differenzierung insoweit getroffen, als eine Verfahrensführung in englischer Sprache vor den Kammern für internationale Handelssachen und den zuständigen Senaten der Oberlandesgerichte zum Regelfall bestimmt wird. Lediglich für den Fall, dass die besonderen Umstände des Falles dies erfordern, kann dort das Gericht die Zuziehung eines Dolmetscher oder die Fortführung des Verfahrens in deutscher Sprache anordnen. Dagegen handelt es sich bei der Verfahrensführung in englischer Sprache vor dem Bundesgerichtshof um eine Fakultativ-Regelung ("kann").
III. Auswirkungen des Gesetzentwurfs
1. Auswirkungen auf die Haushalte der Länder
Mit negativen Auswirkungen auf die Justizhaushalte der Länder ist nicht zu rechnen. Etwaige zusätzliche Kosten für die Übersetzung von in englischer Sprache abgefassten Urteils- und Beschlussformeln in die deutsche Sprache sind ebenso als Kosten des Rechtsstreits gemäß den §§ 91 ff. der Zivilprozessordnung von den Parteien des Rechtsstreits zu tragen wie die Übersetzung eines zunächst in deutscher Sprache verfassten Entscheidungsentwurfs in die englische Sprache zur Herstellung
2. Auswirkungen auf die Wirtschaft und das allgemeine Preisniveau
Auswirkungen auf die Einzelpreise und auf das Preisniveau, vor allem auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten. Die Stärkung des Justizstandortes Deutschland wird sich positiv auf international tätige deutsche Unternehmen auswirken. Die Risiken, die mit ausländischen Gerichtsstandorten stets verbunden sind, und die mit ihnen einher gehenden Kosten werden für diese Unternehmen spürbar reduziert.
3. Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung
Der Entwurf hat keine erkennbaren gleichstellungspolitischen Auswirkungen. Grundsätzlich sind Frauen und Männer von den Vorschriften des Entwurfs in gleicher Weise betroffen.
IV. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes.
Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.
V. Zustimmungsbedürftigkeit
Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.
B. Besonderer Teil
Zu den Nummern 1 (Inhaltsverzeichnis) und 2 (Überschrift zum Siebenten Titel)
Folgeänderungen
Zu Nummer 3 (§ 93 Absatz 2 und 3 GVG)
In § 93 Absatz 2 GVG-E werden in Anlehnung an den bisherigen Wortlaut die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung bei den Landgerichten Kammern für Handelssachen als Kammern für internationale Handelssachen einzurichten. Damit wird schon an dieser Stelle - im Zusammenspiel mit § 184 Absatz 2 GVG-E - deutlich, dass Englisch nicht für alle Verfahren neben Deutsch als Gerichtssprache treten soll. Der Gesetzentwurf verfolgt vielmehr einen zielgenauen Lösungsansatz, der Englisch nur dort als Gerichtssprache einführt, wo ein entsprechender Bedarf besteht, andererseits aber auch auf Seiten der Parteien und ihrer Vertreter mit der notwendigen Sprachkompetenz gerechnet werden kann.
Die Formulierung, dass bei den Landgerichten Kammern für Handelssachen als Kammern für internationale Handelssachen eingerichtet werden, stellt klar, dass die neuen Kammern für internationale Handelssachen immer zugleich auch Kammern für Handelssachen sind. Ihnen können daher im Rahmen des jeweiligen Geschäftsverteilungsplanes nicht nur internationale Handelssachen zugewiesen werden, sondern auch "normale" Handelssachen im Sinne von § 95 GVG.
Der Entwurf räumt den Landesregierungen für die erforderliche Bedürfnisprüfung (vgl. hierzu Kissel, Gerichtsverfassungsgesetz, 5. Aufl. 2008, § 93 Rnr. 5) die erforderliche Gestaltungsfreiheit ein. Allerdings wird die Einrichtung von Kammern für internationale Handelssachen nicht bei jedem Landgericht in Betracht kommen. Dies gilt zum einen im Hinblick auf die regionale Verteilung des zu erwartenden Fallaufkommens. Wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten mit internationalem Bezug werden in nennenswerter Zahl voraussichtlich vor allem in den wirtschaftlichen Ballungszentren und den dortigen Gerichtsbezirken anhängig werden. Zum anderen ist gerade bei internationalen Rechtsstreitigkeiten eine gewisse Konzentration der Verfahren zur Bildung und Förderung der notwendigen Sach- und Fachkompetenz des gerichtlichen Personals insbesondere im richterlichen Bereich sinnvoll. Sie werfen spezielle Fragen des internationalen Handels- und Gesellschaftsrechts auf, die der intensiven Ein- und Aufarbeitung und hierauf basierender juristischer Spezialkenntnisse bedürfen. Derartige Kompetenzen können nur aufgebaut werden, wenn durch die Konzentration des Fallaufkommens die regelmäßige Verhandlung von internationalen Handelssachen gewährleistet ist.
Aus den vorstehenden Gründen ermöglicht der Gesetzentwurf eine Konzentration im Sinne einer Einrichtung von Kammern für internationale Handelssachen bei einem oder mehreren Landgerichten. Das schließt nicht aus, bei Landgerichten, die ihren Sitz in herausragenden wirtschaftlichen Zentren haben, mehrere Kammern für internationale Handelssachen einzurichten. Der Entwurf lässt offen, ob die Länder bei der Bestimmung der Zuständigkeitsbereiche einer oder mehrerer Kammern für internationale Handelssachen die Grenzen des jeweiligen Oberlandesgerichtsbezirks überschreiten oder nicht.
§ 93 Absatz 3 GVG-E übernimmt die bisher in § 93 Absatz 2 GVG enthaltene Delegationsbefugnis und erweitert sie um die Kammern für internationale Handelssachen.
§ 93 Absatz 4 GVG-E ermöglicht den Ländern, eine oder mehrere gemeinsame Kammern für internationale Handelssachen zu errichten. Dies wird sich anbieten, wenn sich abzeichnet, dass die in einem Land anfallenden Gerichtsverfahren zahlenmäßig für eine eigene Kammer für internationale Handelssachen nicht ausreichen. Hierdurch können sich Synergieeffekte ergeben.
Zu Nummer 4 (§§ 114a - neu - bis 114c - neu - GVG)
In den Bestimmungen der §§ 114a bis 114c GVG-E werden Zuständigkeit und Verfahren betreffend die Kammern für internationale Handelssachen geregelt.
Zu § 114a
In § 114a GVG-E wird zunächst bestimmt, dass die Kammer für internationale Handelssachen im Falle von (in § 114b GVG-E definierten) internationalen Handelssachen an die Stelle der Kammern für Handelssachen nach Maßgabe der §§ 114b und 114c GVG-E tritt. Daraus folgt über § 94 GVG, der die Kammern für Handelssachen an die Stelle der Zivilklammern treten lässt, zugleich, dass die Kammer für internationale Handelssachen auch an die Stelle der Zivilkammern tritt.
Zu § 114b
In § 114b GVG-E wird der Kreis der internationalen Handelssachen bestimmt, d.h. der Streitigkeiten, die vor den Kammern für internationale Handelssachen verhandelt werden können.
Voraussetzung ist zunächst, dass es sich um eine Handelssache im Sinne von § 95 GVG handelt. Darüber hinaus ist zur Begründung der (sachlichen) Zuständigkeit der Kammer für internationale Handelssachen ein internationaler Bezug erforderlich. Die wohl am häufigsten anzutreffende Konstellation dürften in englischer Sprache abgefasste vertragliche Vereinbarungen oder Vertragsunterlagen sein. Aber auch bei einem Vertragspartner mit Sitz im Ausland ist ein internationaler Bezug gegeben. Gleiches gilt, wenn ausländisches Recht anzuwenden ist. In diesen rechtlich schwierigen Fällen sind der besondere Sachverstand und die besondere Erfahrung der Mitglieder der Kammer für internationale Handelssachen von hohem Wert für die Parteien und die Entscheidung des Rechtsstreits. Ein internationaler Bezug besteht darüber hinaus bei unternehmensinternen Streitigkeiten, wenn die Gesellschaft ihre internen Verträge und ihren internen Schriftverkehr in englischer Sprache führt oder ihren Sitz im Ausland hat. Die Möglichkeit der Verhandlung in englischer Sprache vor der Kammer für internationale Handelssachen kann auch hier erhebliche Vorteile bieten und vermeidet den Sprachbruch zwischen Unternehmens- und Prozesswirklichkeit.
Neben den Kriterien "Handelssache" und "internationaler Bezug" setzt eine internationale Handelssache den übereinstimmenden Willen der Parteien voraus, das Verfahren in englischer Sprache zu führen. Eine große Zahl von Handelssachen weist einen internationalen Bezug in vorstehendem Sinne auf. Dies allein rechtfertigt noch nicht die Einrichtung einer besonderen Kategorie von "internationalen Handelssachen". Zusätzliches kennzeichnendes Merkmal der Kammer für internationale Handelssachen soll vielmehr die dort gegebene Möglichkeit der Verfahrensführung in englischer Sprache sein. Ein solches Verfahren kommt indes nur in Betracht, wenn ihm beide Parteien zugestimmt haben. Der dahingehende übereinstimmende Wille der Parteien wird deshalb als konstituierendes Merkmal der Zuständigkeit der Kammer für internationale Handelssachen ausgestaltet. Aus diesem Grund ist es erforderlich, die Vereinbarung der Parteien über die Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache oder die schriftliche Erklärung der Einwilligung der beklagten Partei, den Prozess in englischer Sprache zu führen, bereits der Klageschrift beizufügen.
Die Anknüpfung an den übereinstimmenden Willen der Parteien ist eine im Hinblick auf den in Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz verankerten Grundsatz des gesetzlichen Richters unproblematische Zulässigkeitsvoraussetzung für ein Verfahren vor einer Kammer für internationale Handelssachen. Nach Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Mit der Garantie des gesetzlichen Richters will Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz der Gefahr vorbeugen, dass die Justiz durch eine Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird.
Eine solche Manipulationsmöglichkeit besteht, ebenso wie bei den bereits nach geltendem Recht eingerichteten Kammern für Handelssachen, nicht. Wie die Kammer für Handelssachen ist die Kammer für internationale Handelssachen ein besonders besetzter Spruchkörper des Landgerichts, dessen Zuständigkeit im Wege der gesetzlich geregelten Geschäftsverteilung geregelt ist. Der übereinstimmende Willen der Parteien zur Verhandlung in englischer Sprache stellt damit nicht eine unzulässige Vereinbarung einer funktionellen Gerichtszuständigkeit durch die Parteien dar, sondern ist, wie die in den §§ 96 bis 101 GVG vorgesehenen Antragsmöglichkeiten für die Verhandlung vor der Kammer für Handelssachen, Zulässigkeitsvoraussetzung für ein Verfahren vor der Kammer für internationale Handelssachen. Die Parteien können durch ihre übereinstimmende Entscheidung, ein Verfahren vor einer Kammer für internationale Handelssachen zu führen, auch keine konkreten Richter oder Richterinnen wählen. Die Möglichkeit, durch den Antrag des Klägers auf die funktionelle Zuständigkeit des Gerichts Einfluss zu nehmen, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden, da er, wie bei der Wahl der Kammer für Handelssachen, durch sachlich legitimierte Gründe gerechtfertigt ist.
Wie die Willensübereinstimmung der Parteien hergestellt wird, ist grundsätzlich nicht von Belang. Dies kann vorab im Rahmen eines zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages geschehen, ähnlich einer Gerichtsstandvereinbarung. Die Übereinstimmung kann aber auch erst im Zusammenhang mit der Einleitung des Rechtsstreits hergestellt werden, z.B. indem der Kläger vor Einleitung des Verfahrens vor der Kammer für internationale Handelssachen das schriftliche Einverständnis des Beklagten zur Verfahrensführung in englischer Sprache einholt. Erforderlich ist jedoch, dass die Willensübereinstimmung zur Verhandlung in englischer Sprache bei Einreichung der Klageschrift hergestellt und entweder die Vereinbarung der Parteien über die Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache oder eine entsprechende schriftliche Erklärung der Einwilligung des Beklagten der Klageschrift beigefügt wird, vgl. § 253 Absatz 3a ZPO-E.
Die Nähe der Sprachwahl zu einer Gerichtsstandsvereinbarung führt zur Notwendigkeit ähnlicher Beschränkungen zum Schutz von Verbrauchern, wie sie in § 38 Absatz 1 und Absatz 3 Nummer 1 ZPO bestimmt sind. Einerseits soll die Wahl von Englisch als Verfahrenssprache gerade auch vor Entstehen einer Streitigkeit schon bei Begründung eines Vertragsverhältnisses mit internationalem Bezug möglich sein. Dies fördert die frühzeitige Wahl des Gerichtsstandortes Deutschland und die bereits bei Vertragsschluss aus Sicht der Vertragsparteien erforderliche Rechtssicherheit. Andererseits sind insbesondere die Aspekte des Verbraucherschutzes in gleichem Maße zu beachten wie im Fall der Gerichtsstandsvereinbarung. Verträge mit internationalem Bezug und Verbrauchern als Vertragspartei sind häufig. In diese Verträge darf zum Schutz der Verbraucher ebenso wenig eine Sprachwahlvereinbarung wie eine Gerichtsstandsvereinbarung aufgenommen werden. § 114b Satz 2 GVG-E beschränkt den Personenkreis einer Sprachwahlvereinbarung, die vor Entstehen einer Streitigkeit geschlossen wird, daher auf die in § 38 Absatz 1 ZPO genannten Personen und Sondervermögen. § 114b Satz 3 GVG-E orientiert sich an § 38 Absatz 3 Nummer 1 ZPO und ermöglicht nach Entstehen einer Streitigkeit eine (ausdrückliche und schriftliche) Sprachwahlvereinbarung auch für Rechtsverhältnisse, an denen Verbraucher beteiligt sind.
Zu § 114c
Die Kammer für internationale Handelssachen ist eine besondere Ausgestaltung der Kammer für Handelssachen. Es bestehen daher grundsätzlich keine Bedenken, die für die Kammer für Handelssachen geltenden Bestimmungen in Bezug auf die internationale Kammer für Handelssachen für entsprechend anwendbar zu erklären. Dies geschieht in § 114c Absatz 1 GVG-E. Die Kammern für Handelssachen und ihre Zuständigkeit werden in zahlreichen Gesetzen erwähnt und geregelt (z.B. in § 148 Absatz 2 Satz 2, § 246 Absatz 3 Satz 2 AktG, § 45a DRiG, § 71 Absatz 1, § 72 Absatz 1, §§ 96 ff. GVG, § 335 Absatz 5 Satz 4 HGB, § 2 Absatz 2 SpruchG, §§ 349, 350, 526 Absatz 4 und § 527 Absatz 1 ZPO). Durch die pauschale Verweisung in Absatz 1 wird eine Änderung der betroffenen Normen entbehrlich.
Soweit Besonderheiten zu beachten sind, ist dies in § 114c Absatz 2 und 3 GVG-E bestimmt. So ist im Falle der §§ 97, 99 und § 104 Absatz 1 Satz 1 GVG neben der Verweisung an eine Zivilkammer zusätzlich die Verweisung an eine "normale" Kammer für Handelssachen zu regeln, wenn es sich zwar um eine Handelssache, nicht aber um eine solche mit internationalem Bezug im Sinne von § 114b GVG oder um eine solche handelt, für die nach dem jeweiligen Geschäftsverteilungsplan eine Zuständigkeit der internationalen Kammer für Handelssachen als "normale" Kammer für Handelssachen besteht. Die Konstellation des § 98 GVG ist um eine Verweisung von der Kammer für Handelssachen an die Kammer für internationale Handelssachen zu erweitern.
Weiterer gerichtsverfassungs- oder verfahrensrechtlicher Sonderregelungen bedarf es nicht. Wie die Kammer für Handelssachen (§ 105 GVG) entscheidet auch die Kammer für internationale Handelssachen in der Besetzung mit einem Berufsrichter als Vorsitzendem und zwei ehrenamtlichen Richtern. Die auf diese Weise mögliche Zusammenführung von juristischem Sachverstand und wirtschaftlichem Erfahrungsschatz hat sich bei den Kammern für Handelssachen seit Langem bewährt. In Bezug auf die Kammern für internationale Handelssachen gilt die Notwendigkeit einer solchen Kombination von juristischer und wirtschaftlicher Kompetenz sowie Praxiswissen in besonderem Maße. Die Erfahrung von Kaufleuten und den weiteren in § 109 Absatz 1 Nummer 3 GVG genannten Personen, die selbst im internationalen Wirtschaftsverkehr oder einem internationalen Unternehmen tätig sind, ist für das Verfahren vor der Kammer für internationale Handelssachen von unschätzbarem Wert. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Industrie- und Handelskammern im Rahmen ihres Vorschlagsrechts (§ 108 GVG) darauf achten, auch international erfahrene Personen mit englischer Sprachkompetenz vorzuschlagen und das zuständige Präsidium des Landgerichts, bei dem eine Kammer für internationale Handelssachen eingerichtet ist, diese Personen nach ihrer Ernennung der Kammer für internationale Handelssachen zuweist (§ 21e GVG). Wird diese Verfahrensweise beherzigt, erübrigt sich eine Erweiterung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Ernennung zum ehrenamtlichen Richter in § 109 GVG um den Gesichtspunkt der Sprachkompetenz. Eine solche gesetzliche Regelung der Sprachkompetenz hätte zudem den Nachteil, dass die Voraussetzungen und ein - gegebenenfalls kompliziertes - Verfahren zur Ermittlung bzw. zum Nachweis der sprachlichen Fähigkeiten der ehrenamtlichen Richter bestimmt werden müssten. Eine Ergänzung von § 109 GVG im vorgenannten Sinne kommt allenfalls in Betracht, wenn sich nach Inkrafttreten der gesetzlichen Änderungen herausstellen sollte, dass die erforderliche Besetzung der Kammern für internationale Handelssachen mit sprachlich kompetenten Handelsrichtern in der gerichtlichen Praxis nicht hinreichend umgesetzt wird. Dafür bestehen indes keine Anhaltspunkte.
Die Anwendbarkeit von § 106 GVG (auswärtige Kammer für Handelssachen) kommt im Falle einer Kammer für internationale Handelssachen nicht ernsthaft in Betracht.
Besondere Regelungen für die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs sind nicht erforderlich. Internationale Handelssachen sind - wie normale Handelssachen - Zivilsachen. Für die Verhandlung und Entscheidung über die entsprechenden Rechtsmittel sind gemäß § 119 Absatz 1 Nummer 2 GVG die Oberlandesgerichte zuständig. Die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus § 133 GVG. Innerhalb der Rechtsmittelgerichte kann eine weitere Konzentration im Wege der Geschäftsverteilung durch das Präsidium gemäß § 21e GVG erfolgen, so dass auch für ihren Bereich die Zuständigkeit nur eines Senates für internationale Handelssachen gewährleistet werden kann. Eine Notwendigkeit für die gesetzliche Regelung der Einrichtung von besonderen Senaten für internationale Handelssachen besteht somit nicht.
Zu Nummer 5 (§ 184 GVG)
In § 184 Absatz 2 GVG-E wird Englisch für bestimmte Rechtsstreitigkeiten neben Deutsch als weitere Gerichtssprache eingeführt. Voraussetzung ist ein Verfahren vor einer Kammer für internationale Handelssachen. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch in anderen Sachen die Verfahrens- oder Verhandlungsführung in englischer Sprache im Einzelfall von Vorteil sein kann. Im Falle von internationalen Handelssachen erscheint eine pauschale Zulassung von Englisch als Gerichtssprache jedoch aufgrund der diese Rechtsstreitigkeiten typischer Weise kennzeichnenden internationalen Bezüge (vgl. § 114b GVG-E) besonders sinnvoll. In anderen Verfahren dürften dagegen der bereits jetzt mögliche Verzicht auf die Übersetzung von in einer Fremdsprache abgefassten Urkunden ( § 142 Absatz 3 ZPO) sowie auf einen Dolmetscher und die Möglichkeit der zumindest teilweisen Verhandlungsführung in einer Fremdsprache (§ 185 Absatz 2 GVG) in der Regel ausreichend sein. Gegebenenfalls kann in einem zweiten Schritt nach Evaluierung der Erfahrungen mit Englisch als Gerichtssprache bei den Kammern für internationale Handelssachen das vorliegende Modell auf weitere Rechtsstreitigkeiten und Spruchkörper ausgedehnt werden.
Ausreichend ist auch eine Beschränkung auf Englisch als weiterer Gerichtssprache. Der Gesetzentwurf führt - modellhaft - in einem ersten Schritt eine Fremdsprache als weitere Gerichtssprache in Deutschland ein. Dies kann nur Englisch sein. Englisch ist weltweit die Sprache des Handels- und Wirtschaftsverkehrs und wird von großen Teilen der an ihm teilnehmenden Weltbevölkerung gesprochen. Zwar mögen in einzelnen Branchen und Sparten auch andere Fremdsprachen eine gewisse Bedeutung haben. Dies rechtfertigt derzeit jedoch noch nicht ihre Einführung als weitere Gerichtssprachen im deutschen Gerichtsverfassungs- und Prozessrecht. Zudem wäre eine Zulassung von Fremdsprachen, die in Deutschland nicht in gleichem Maße verstanden werden wie die "Weltsprache" Englisch, auch im Hinblick auf den gerichtsverfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgrundsatz (§ 169 GVG) bedenklich (vgl. o. S. 10 f.).
Das Verfahren wird nur im Einvernehmen der Parteien in englischer Sprache geführt, weil nur in diesem Fall die sachliche Zuständigkeit der Kammer für internationale Handelssachen gegeben ist (§ 114b GVG-E). Da ein solches Einvernehmen vorausgesetzt wird, sieht § 184 Absatz 2 Satz 1 GVG-E die Verfahrensführung in englischer Sprache als Regelfall vor ("wird"). Die hinreichende Sprachkompetenz des Gerichts als unabdingbare Voraussetzung für eine Verfahrensführung in englischer Sprache hat das Gerichtspräsidium sicherzustellen, indem es die Kammer für internationale Handelssachen ausschließlich mit Berufs- und Handelsrichterinnen und -richtern besetzt, an deren hinreichender Sprachkompetenz kein Zweifel besteht.
Allerdings kann sich auch noch während des Verfahrens erweisen, dass das Verfahren oder einzelne Verfahrensteile nicht für die Durchführung in englischer Sprache geeignet sind. In diesem Fall kann das Gericht - wenn auch nicht nach freiem, sondern an die Nichteignung gebundenem Ermessen - nach § 184 Absatz 2 Satz 3 GVG-E anordnen, dass ein Dolmetscher zugezogen oder das Verfahren in deutscher Sprache fortgeführt wird.
Auch in einem in englischer Sprache geführten Verfahren kann einem Dritten der Streit nach § 72 Absatz 1 ZPO mit der Folge verkündet werden, dass er nach § 74 Absatz 1 ZPO dem Rechtsstreit beitreten kann. Die Kammern für internationale Handelssachen werden nach § 114b Satz 1 GVG-E jedoch nur zuständig, wenn das Verfahren nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien in englischer Sprache durchgeführt werden soll. Der Dritte hingegen wird einen entsprechenden Willen vor der Zustellung des zum Zwecke der Streitverkündung eingereichten Schriftsatzes noch nicht geäußert haben. Tritt er dem Rechtsstreit nach § 74 Absatz 1 ZPO bei darf er hinsichtlich der Gerichtssprache nicht anders behandelt werden als die Parteien. Dementsprechend wird das Gericht auf Antrag des Dritten nach Absatz 2 Satz 4 verpflichtet, einen Dolmetscher hinzuzuziehen oder das Verfahren in deutscher Sprache fortzuführen.
Wird das gesamte Verfahren in englischer Sprache geführt, werden auch die Protokolle und Entscheidungen auf Englisch abgefasst (§ 184 Absatz 2 Satz 2 GVG-E). § 185 Absatz 1 Satz 2 GVG findet insoweit keine Anwendung. Es steht dem Gericht allerdings frei, eine Entscheidung zunächst auf Deutsch zu entwerfen und sie anschließend in die englische Sprache übersetzen zu lassen. Die hierbei entstehenden Kosten sind Kosten des Rechtsstreits im Sinne von §§ 91 ff. ZPO. Maßgeblich ist in einem solchen Fall nicht der deutsche Entscheidungsentwurf, sondern die Entscheidung in englischer Sprache.
Findet gemäß § 184 Absatz 2 Satz 3 GVG-E ein Sprachwechsel statt, bleiben die bereits in englischer Sprache durchgeführten Teile des Verfahrens wirksam und müssen nicht wiederholt werden.
Auch die nach § 142 Absatz 3 ZPO bestehende Befugnis des Gerichts zur Anordnung der Beibringung von Übersetzungen von in fremder (englischer) Sprache abgefassten Urkunden bleibt nach § 184 Absatz 2 Satz 5 GVG-E unberührt.
Soweit in englischer Sprache abgefasste Entscheidungen der Kammer für internationale Handelssachen einen vollstreckbaren Inhalt haben, bedarf ihr Tenor zur Sicherung ihrer tatsächlichen und ordnungsgemäßen Vollstreckung der Übersetzung in die deutsche Sprache. Dies ordnet § 184 Absatz 2 Satz 6 GVG-E an. Die entsprechenden Übersetzungskosten sind ebenfalls Kosten des Rechtsstreits im Sinne von §§ 91 ff. ZPO.
Eine Verfahrensführung in englischer Sprache soll regelmäßig auch vor den für Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der Kammern für internationale Handelssachen zuständigen Senaten der Oberlandesgerichte erfolgen. Es macht wenig Sinn, nur die erste Instanz für die englische Sprache zu öffnen, um sodann bei einer Verhandlung vor den Rechtsmittelgerichten wieder auf eine Verfahrensführung in deutscher Sprache zurückzufallen. Dies gilt umso mehr, als es sich bei den internationalen Handelssachen oft um solche mit hohen Streitwerten und gewichtigen wirtschaftlichen Interessen handeln wird, in denen die unterliegende Partei häufig von den bestehenden Rechtsmittelmöglichkeiten Gebrauch machen wird. Ein in der Berufungsinstanz regelmäßig erfolgender Wechsel zurück in die deutsche Sprache ist in diesen Fällen kaum zu rechtfertigen, erfordert einen erheblichen Übersetzungsaufwand in Bezug auf die bisherigen Verfahrensunterlagen und ist auch im Hinblick auf die beabsichtigte Stärkung des Gerichtsstandortes Deutschland kontraproduktiv.
Etwas anderes gilt hinsichtlich des Bundesgerichtshofes als Revisionsinstanz. Zu einer Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof wird es auch im Bereich der internationalen Handelssachen nur in wenigen Fällen kommen. Zudem sind in der Regel in der Revisionsverhandlung nur die jeweiligen Prozessvertreter und nicht die - gegebenenfalls der deutschen Sprache nicht mächtigen - Parteien zugegen. Die Verfahrensführung in englischer Sprache vor dem Bundesgerichtshof wird daher in § 184 Absatz 3 GVG-E nicht im Sinne eines Regel - Ausnahme - Prinzips, sondern lediglich als fakultative Bestimmung ausgestaltet ("kann").
Zu Nummer 1 (§ 73 Absatz 2 - neu - ZPO)
Nach § 184 Absatz 2 Satz 1 GVG-E wird vor den Kammern für internationale Handelssachen und den für Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der Kammern für internationale Handelssachen zuständigen Senaten der Oberlandesgerichte das Verfahren in englischer Sprache geführt. Dies hat zur Folge, dass der nach dem bisherigen § 73 Satz 1 ZPO zum Zwecke der Streitverkündung einzureichende Schriftsatz in englischer Sprache zu verfassen ist. An die beklagte Partei kann demgegenüber die in englischer Sprache verfasste Klageschrift nur zugestellt werden, wenn ihr eine schriftliche Erklärung der Einwilligung beigefügt worden ist. Die Zustellung eines Schriftsatzes in einer anderen Sprache als der deutschen ist im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs bedenklich und dürfte daher grundsätzlich nicht zulässig sein. Diese Wertung ergibt sich auch aus Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates - EG-ZustVO, ABl. L 324 vom 10.12.2007, S. 79. Daher muss der Dritte vor der Zustellung einer in der englischen Sprache verfassten Streitverkündungsschrift geschützt werden, wenn er diese gegen sich nicht gelten lassen will. Diesem Schutz trägt der neue § 73 Absatz 2 ZPO in Anlehnung an die Regelung des Artikels 8 EGZustVO Rechnung. Nach § 73 Absatz 2 Satz 1 ZPO-E darf der Dritte die Annahme des in englischer Sprache abgefassten Schriftsatzes bei der Zustellung verweigern oder diesen binnen zwei Wochen dem Gericht zurücksenden. Auf diese Rechte ist der Dritte nach Satz 2 in deutscher Sprache durch das Gericht bei der Zustellung hinzuweisen. Dies kann beispielsweise durch einen Hinweis auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftsatzes erfolgen. Die Ausübung eines der Rechte nach Satz 1 hat das Gericht nach Satz 3 dem Streitverkünder unverzüglich bekannt zu machen und diesem eine Frist zu setzen, innerhalb derer er eine Übersetzung des Schriftsatzes in die deutsche Sprache beizubringen hat. Wird diese Übersetzung innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist beigebracht, wirkt nach Satz 4 die Zustellung des Schriftsatzes zusammen mit der Übersetzung in die deutsche Sprache auf den Zeitpunkt zurück, an dem der erste Schriftsatz zugestellt worden ist. Als Frist für die Beibringung der Übersetzung dürfte in der Regel ein Monat ausreichend sein (vgl. Zöller/Geimer, Zivilprozessordnung, 27. Aufl. 2009, Anh II EG-VO Zustellung Artikel 8 Rnr. 7). Die Regelung einer solchen Rückwirkung ist notwendig, da für den Streitverkünder bei Einreichung des in englischer Sprache verfassten Schriftsatzes nicht abzusehen ist, ob der Dritte von einem der Rechte nach Satz 1 Gebrauch macht. Und nur so kann sichergestellt werden, dass der Streitverkünder mittels eines in englischer Sprache abgefassten Schriftsatzes die in § 167 ZPO genannte Frist wahren und die dort genannten Wirkungen herbeiführen kann.
Zu Nummer 2 (§ 253 Absatz 3a - neu - ZPO)
§ 253 Absatz 3a ZPO-E setzt § 114b Satz 1 GVG-E im Hinblick auf das Erfordernis des übereinstimmenden Willens der Parteien zur Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache um. Bereits nach geltendem Recht ist nach § 96 GVG in der Klageschrift neben dem Gericht die Kammer für Handelssachen anzugeben, wenn vor dieser verhandelt werden soll (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl., 2010, § 253 Rnr. 9). Da konstituierende Voraussetzung für die Zuständigkeit der Kammer für internationale Handelssachen nach § 114b Satz 1 GVG-E der übereinstimmende Wille der Parteien ist, das Verfahren in englischer Sprache durchzuführen, sieht § 253 Absatz 3a ZPO-E zusätzlich vor, dass entweder die Vereinbarung der Parteien über die Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache oder das schriftliche Einverständnis der Gegenpartei zur Verhandlung in englischer Sprache der Klageschrift beizufügen ist. Das Einverständnis der klagenden Partei braucht hingegen nicht ausdrücklich erklärt zu werden; dieses ergibt sich konkludent aus dem Antrag der Partei nach § 114c Absatz 1 GVG-E in Verbindung mit § 96 GVG zur Verhandlung der Streitigkeit vor der Kammer für internationale Handelssachen.
Zu Artikel 3 (Änderung des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung)
Auf Verfahren, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits bei einer Zivilkammer oder einer Kammer für Handelssachen anhängig sind, sollen die neuen Bestimmungen keine Anwendung finden. Für diese Verfahren soll der Grundsatz der perpetuatio fori gelten. Da die Vorschrift des § 261 Absatz 3 Nummer 2 ZPO, in der dieser Grundsatz seinen normativen Niederschlag gefunden hat, nicht auf einen Wechsel der Zuständigkeit zwischen zwei Spruchkörpern desselben Gerichts anwendbar ist (vgl. BGH, NJW 1981, 2464, 2465), bedarf es insofern einer ausdrücklichen Übergangsvorschrift.
Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)
Das Gesetz soll zwölf Monate nach seiner Verkündung in Kraft treten.