A. Problem
- Mit Urteil vom 30.06.2004 - 4 C 9.03 - hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) entschieden, dass eine Windfarm im Sinne der Nr. 1.6 des Anhangs der 4. BImSchV auch dann vorliegt, wenn einzelne Windkraftanlagen, die ihr zuzurechnen sind, durch mehrere unabhängige Betreiber betrieben werden. Einer Windfarm zuzurechnen seien danach Windkraftanlagen mit einer solchen räumlichen Zuordnung, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschnitten oder wenigstens berührten. Nach dem gleichen Grundsatz sei zu verfahren, wenn die Zahl der Anlagen nach und nach erhöht werde.
- Damit hat der 4. Senat des BVerwG den Begriff der "Windfarm" neuartig interpretiert und diesen Anlagenbegriff betreiberübergreifend bestimmt. Insgesamt werden damit erhebliche Probleme für die bislang nur mit Baugenehmigung in räumlicher Nähe zueinander errichteten Windkraftanlagen geschaffen und ein tragendes Element des geltenden Immissionsschutzrechts, die Einheit von Anlage und Betreiber, durchbrochen. Der im Immissionsschutzrecht angewandte Grundsatz, dass sich die Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage nur herleitet aus der Anlage selbst und nicht abhängig ist von Anlagen Dritter in der Nachbarschaft oder dem Standort einer Anlage, wurde im Urteil des 4. Senats des BVerwG aufgegeben. Damit werden eine Vielzahl von kaum lösbaren Fragen im Vollzug des Anlagenzulassungsrechts aufgeworfen.
B. Lösung
- Um bei den aufgrund des Urteils des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts aufgekommenen Fragen Klarheit zu schaffen, wird Nummer 1.6 des Anhangs der 4. BImSchV so gefasst, dass nicht mehr - wie bislang - Windfarmen, sondern einzelne Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig sind. Weitere Änderungen betreffen die Klarstellung der Betreiberidentität sowie die Anpassung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung.
C. Alternativen
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
- 1. Ausgaben ohne Vollzugsaufwand
Bund, Ländern und Gemeinden entstehen, soweit sie nicht selbst Windkraftanlagen betreiben, keine vollzugsunabhängigen Kosten.
- 2. Ausgaben mit Vollzugsaufwand
Vollzugsausgaben können nur bei Ländern bzw. Gemeinden anfallen, da diese für die
ländereigene Durchführung zuständig sind. Die Änderung des Genehmigungsrechts wird zu
einer Verschiebung von Vollzugskosten zwischen Bauaufsichts- und Immissionsschutzbehörden
führen. Insgesamt jedoch verbleibt es bei dem bereits bisher anfallenden Vollzugsaufwand;
gewisse Erleichterungen für die Vollzugsbehörden können sich allerdings aus einer Beseitigung
von Rechtsunsicherheiten ergeben.
E. Sonstige Kosten
- Für die betroffene (Windenergie)Wirtschaft sowie z.B. Planungsbüros sind keine Mehrkosten zu erwarten. Denn auch bei den zukünftig als
immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren zu führenden Zulassungsverfahren
(anstelle bisheriger bauaufsichtlicher Genehmigungsverfahren) verbleibt es im Grundsatz
- wie im Baurecht - bei einem Zulassungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung. Für
kleinere Windkraftanlagen ist nach wie vor lediglich das bauaufsichtliche
Genehmigungsverfahren erforderlich, im übrigen wird das förmliche immissionsschutzrechtliche
Genehmigungsverfahren für Windfarmen aufgegeben.
- Auswirkungen auf Einzelpreise bzw. das Verbraucherpreisniveau sind daher durch die Verordnung
nicht zu erwarten.
Verordnungsantrag
des Landes Brandenburg
Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige
Anlagen und zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung
Land Brandenburg Berlin, den 2. Februar 2005
Staatskanzlei
Bevollmächtigter des Landes beim Bund
und für Europaangelegenheiten
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Matthias Platzeck
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung des Landes Brandenburg hat am 1. Februar 2005 beschlossen, den
anliegenden
Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und
zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in den
Bundesrat mit dem Antrag einzubringen, seine Zuleitung an die Bundesregierung gemäß
Artikel 80 Abs. 3 des Grundgesetzes zu beschließen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die
Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 18. Februar 2005 zu setzen. Nach Vorstellung
im Plenum soll der Verordnungsantrag den Ausschüssen zur weiteren Beratung überwiesen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gerd Harms
Entwurf einer
Verordnung zur Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige
Anlagen
und zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung
Die Bundesregierung verordnet auf Grund
- - des § 4 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I S. 3830), nach Anhörung der beteiligten Kreise, sowie
- - des § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. September 2001 (BGBl. I S. 2350) mit Zustimmung des Bundestages:
Artikel 1
Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen
Die Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. März 1997 (BGBl. I S. 504), zuletzt geändert durch Artikel 22 a des Gesetzes vom 6. Januar 2004 (BGBl. I S. 2), wird wie folgt geändert:
In Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. September 2001 (BGBl. I S. 2350), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1359) geändert worden ist, wird die Nummer 1.6 wie folgt gefasst:
- 1.6 Errichtung und Betrieb einer Windfarm mit Anlagen mit
einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 Metern mit
Artikel 3
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am ersten Tage des ersten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft.
Der Bundesrat hat zugestimmt.
I. Allgemeine Begründung
Mit Urteil vom 30.06.2004 - 4 C 9.03 - hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) entschieden, dass eine Windfarm im Sinne der Nr. 1.6 des Anhangs der 4. BImSchV auch dann vorliegt, wenn einzelne Windkraftanlagen, die ihr zuzurechnen sind, durch mehrere unabhängige Betreiber betrieben werden. Einer Windfarm zuzurechnen seien danach Windkraftanlagen mit einer solchen räumlichen Zuordnung, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschnitten oder wenigstens berührten. Nach dem gleichen Grundsatz sei zu verfahren, wenn die Zahl der Anlagen nach und nach erhöht werde.
Damit hat der 4. Senat des BVerwG den Begriff der "Windfarm" neuartig interpretiert und diesen Anlagenbegriff betreiberübergreifend bestimmt. Insgesamt werden damit erhebliche Probleme für die bislang nur mit Baugenehmigung in räumlicher Nähe zueinander errichteten Windkraftanlagen geschaffen und ein tragendes Element des geltenden Immissionsschutzrechts, die Einheit von Anlage und Betreiber, durchbrochen. Der im Immissionsschutzrecht angewandte Grundsatz, dass sich die Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage nur herleitet aus der Anlage selbst und nicht abhängig ist von Anlagen Dritter in der Nachbarschaft oder dem Standort einer Anlage, wurde im Urteil des 4. Senats des BVerwG aufgegeben. Damit werden eine Vielzahl von kaum lösbaren Fragen im Vollzug des Anlagenzulassungsrechts aufgeworfen.
Um bei den aufgrund des Urteils des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts aufgekommenen Fragen Klarheit zu schaffen, wird Nummer 1.6 des Anhangs der 4. BImSchV so gefasst, dass nicht mehr - wie bislang - Windfarmen, sondern einzelne Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig sind. Weitere Änderungen betreffen die Klarstellung der Betreiberidentität sowie die Anpassung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung.
Alternativen zu einem solchen Vorgehen sind nicht erkennbar.
Bund, Ländern und Gemeinden entstehen, soweit sie nicht selbst Windkraftanlagen betreiben, keine vollzugsunabhängigen Kosten.
Vollzugsausgaben können nur bei Ländern bzw. Gemeinden anfallen, da diese für die ländereigene Durchführung zuständig sind. Die Änderung des Genehmigungsrechts wird zu einer Verschiebung von Vollzugskosten zwischen Bauaufsichts- und Immissionsschutzbehörden führen. Insgesamt jedoch verbleibt es bei dem bereits bisher anfallenden Vollzugsaufwand; gewisse Erleichterungen für die Vollzugsbehörden können sich allerdings aus einer Beseitigung von Rechtsunsicherheiten ergeben.
Für die betroffene (Windenergie)Wirtschaft sowie z.B. Planungsbüros sind keine Mehrkosten zu erwarten. Denn auch bei den zukünftig als immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren zu führenden Zulassungsverfahren (anstelle bisheriger bauaufsichtlicher Genehmigungsverfahren) verbleibt es im Grundsatz - wie im Baurecht - bei einem Zulassungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung. Für kleinere Windkraftanlagen ist nach wie vor lediglich das bauaufsichtliche Genehmigungsverfahren erforderlich, im übrigen wird das förmliche immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren für Windfarmen aufgegeben.
Auswirkungen auf Einzelpreise bzw. das Verbraucherpreisniveau sind daher durch die Verordnung nicht zu erwarten.
II. Begründung im einzelnen:
zu Artikel 1
(Änderung der 4. BImSchV)
Zu 1. :
Die Ergänzung des § 1 Abs. 1 Satz 4 beseitigt Rechtsunsicherheiten, die beim Vollzug der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.06.2004 (Az.: 4 C 9.03) hinsichtlich des Anlagenbetreibers entstanden sind. Im Immissionsschutzrecht gilt der Grundsatz, dass sich die Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage aus dieser Anlage selbst herleitet und nicht abhängig ist von Anlagen Dritter in der Nachbarschaft oder dem Standort einer Anlage.
Zu 2. :
Die Klarstellung in § 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen stellt eine Folgeänderung zur Anpassung von Nummer 1.6 des Anhangs dar. Zukünftig ist für Windkraftanlagen, die grundsätzlich dem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterliegen, die Durchführung eines Verfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung ( § 10 BImSchG) erforderlich, wenn dieses Vorhaben auf Grund einer allgemeinen oder standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf. Daher muss die Vorschrift in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe c Doppelbuchstabe aa (alt), d.h. Doppelbuchstabe dd (neu) der 4. BImSchV sowohl an die allgemeine als auch an die standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Abs. 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung anknüpfen. Die Ergänzung des Doppelbuchstabens aa (neu) stellt klar, dass ein Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung auch in den Fällen des § 3b Abs. 1 UVPG erforderlich ist.
Zu 3. :
Um bei den aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.06.2004 (Az.: 4 C 9.03) entstandenen Fragen Klarheit zu schaffen, wird Nummer 1.6 des Anhangs der 4. BImSchV so gefasst, dass nicht mehr - wie bislang - Windfarmen, sondern einzelne Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern genehmigungsbedürftig sind.
Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass Größe und Leistungsfähigkeit einzelner Windkraftanlagen in den vergangenen Jahren erheblich gesteigert wurden. Auch bei einzelnen Windkraftanlagen besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass sie je nach Situation zu erheblichen nachteiligen Effekten für Anwohner oder die sie umgebende Natur führen können.
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c der 4. BImSchV- neu (s. Nr. 2) gewährleistet insoweit, dass das für die UVP erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden kann.
zu Artikel 2
(Änderung der Anlage 1 UVPG)
Artikel 2 passt die Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung für Windfarmen an die Änderung an, welche Artikel 1 hinsichtlich der Genehmigungsvoraussetzungen für Windkraftanlagen vorsieht (Orientierung an der Gesamthöhe der Windkraftanlagen über 50 Meter).
zu Artikel 3
(Inkrafttreten)
Artikel 3 regelt das Inkrafttreten der Verordnung. Der zeitliche Abstand zwischen Verkündung und Inkrafttreten der Regelung soll ermöglichen, dass sich sowohl Betroffene (Investoren/Planungsbüros) wie auch Behörden auf diese Änderung rechtzeitig einrichten können.