A. Problem und Ziel
Das Bundesverfassungsgericht hat am 19. Februar 2013 (1 BvL 1/ 11, 1 BvR 3247/09; vgl. BGBl. I S.428 und NJW 2013, S.847 ff.) entschieden, dass das Verbot der Sukzessivadoption durch Lebenspartner, d.h. das Verbot der Annahme eines bereits adoptierten Kindes durch den Lebenspartner des zunächst Annehmenden, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das Gericht hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 30. Juni 2014 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.
B. Lösung
Der Entwurf sieht vor, dass ein adoptiertes Kind vom Lebenspartner des zunächst Annehmenden adoptiert werden darf. Dazu sollen die betroffenen Vorschriften des materiellen Adoptionsrechts und des Verfahrensrechts angepasst werden.
C. Alternativen
Keine.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Keiner.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Keiner.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten
Keine.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Keiner. Die Länder sind bereits aufgrund der im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 2013 getroffenen Übergangsregelung verpflichtet, bis zur gesetzlichen Neuregelung § 9 Absatz 7 des Lebenspartnerschaftsgesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Adoption des angenommenen Kindes des eingetragenen Lebenspartners möglich ist.
F. Weitere Kosten
Das Gesetz wirkt sich nicht auf die Einzelpreise, das allgemeine Preisniveau und insbesondere nicht auf das Verbraucherpreisniveau aus.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner
Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 13. März 2014
Die Bundeskanzlerin
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stephan Weil
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 24.04.14
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche
Artikel 22 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2494; 1997 I S. 1061), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
In § 9 Absatz 7 Satz 2 des Lebenspartnerschaftsgesetzes vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird die Angabe " § 1743" durch die Angabe "die §§ 1742, 1743" ersetzt.
Artikel 3
Änderung des Adoptionswirkungsgesetzes
In § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 des Adoptionswirkungsgesetzes vom 5. November 2001 (BGBl. I S. 2950, 2953), das zuletzt durch ... geändert worden ist, werden nach dem Wort "Ehegatten" ein Komma und die Wörter "des Lebenspartners" eingefügt.
Artikel 4
Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
In § 188 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586), das zuletzt durch ... geändert worden ist, werden jeweils nach dem Wort "Ehegatte" die Wörter "oder Lebenspartner" eingefügt.
Artikel 5
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Ziel und Inhalt des Gesetzentwurfs
Das Bundesverfassungsgericht hat am 19. Februar 2013 (1 BvL 1/ 11, 1 BvR 3247/09; vgl. BGBl. I S. 428 und NJW 2013, S. 847 ff.) entschieden, dass das Verbot der Sukzessivadoption durch Lebenspartner, d.h. das Verbot der Annahme eines bereits adoptierten Kindes durch den Lebenspartner des zunächst Annehmenden, mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist.
Derzeit ist die Sukzessivadoption gemäß § 1742 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nur Ehegatten gestattet.
§ 9 Absatz 7 des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) verweist bewusst nicht auf diese Vorschrift; der Gesetzgeber wollte allein die Adoption eines leiblichen Kindes durch einen Lebenspartner eröffnen. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, der Ausschluss der Sukzessivadoption von Kindern durch Lebenspartner verletze die betroffenen Kinder in ihrem Recht auf Gleichbehandlung. Das adoptierte Kind eines Lebenspartners werde hierdurch in verfassungswidriger Weise sowohl gegenüber adoptierten Kindern eines Ehegatten benachteiligt, die nach § 1742 BGB vom anderen Ehegatten angenommen werden können, als auch gegenüber leiblichen Kindern eines Lebenspartners, die nach § 9 Absatz 7 LPartG vom anderen Lebenspartner adoptiert werden können.
Die Regelung des § 9 Absatz 7 LPartG verstoße auch insofern gegen Artikel 3 Absatz 1 GG, als sie Lebenspartner im Vergleich zu Ehegatten benachteilige, denen es möglich ist, das adoptierte Kind ihres Ehegatten anzunehmen.
Außerdem benachteilige die Vorschrift Lebenspartner eines Adoptivelternteils im Vergleich zu Lebenspartnern eines leiblichen Elternteils, weil nur Letzteren die Adoption des Kindes des Lebenspartners rechtlich möglich ist. Auch dies sei verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 30. Juni 2014 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Der Gesetzentwurf setzt die Entscheidung um, indem - durch Ergänzung der Verweisungskette in § 9 Absatz 7 LPartG - die gemäß § 1742 BGB bislang nur Ehegatten mögliche Sukzessivadoption auch Lebenspartnern gestattet wird. Daneben werden weitere adoptionsrechtliche Vorschriften angepasst, soweit dies erforderlich ist. Der Entwurf enthält dazu Angleichungen im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB), im Adoptionswirkungsgesetz (AdWirkG) und im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).
II. Alternativen
Keine.
III. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes beruht auf Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (Bürgerliches Recht, Verfahrensrecht).
IV. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen
Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar. Insbesondere steht der Gesetzentwurf in Einklang mit dem Europäischen Übereinkommen vom 27. November 2008 über die Adoption von Kindern (revidiert), dessen Ratifikation durch Deutschland beabsichtigt ist. Nach Artikel 7 Absatz 2, Artikel 8 des revidierten Übereinkommens können die Vertragsstaaten in ihrem Adoptionsrecht zukünftig unter anderem die Sukzessivadoption durch Lebenspartner zulassen. Das für Deutschland derzeit noch geltende Europäische Abkommen von 1967 über die Adoption von Kindern (BGBl. 1980 II S. 1093, 1094) eröffnet die Sukzessivadoption allein Ehepaaren. Die Bundesregierung wird das Übereinkommen von 2008 umsetzen. Von der in dem Übereinkommen eröffneten Möglichkeit, im nationalen Adoptionsrecht die gemeinsame Adoption durch Lebenspartner zuzulassen, wird sie keinen Gebrauch machen.
V. Gesetzesfolgen
1. Nachhaltigkeitsaspekte
Der Gesetzentwurf berührt keine Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie.
2. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand fallen nicht an.
3. Erfüllungsaufwand
Für die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und die Verwaltung entsteht kein messbarer Erfüllungsaufwand. Es werden auch keine Informationspflichten eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.
4. Weitere Kosten
Auswirkungen dieses Gesetzes auf Einzelpreise, auf das Preisniveau und insbesondere das Verbraucherpreisniveau sind nicht zu erwarten.
5. Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung
Der Gesetzentwurf wurde auf seine Gleichstellungsrelevanz überprüft. Die Änderungen beziehen sich in gleichem Maße auf Frauen und Männer.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche - EGBGB)
Zu Nummer 1
Artikel 22 Absatz 1 EGBGB bestimmt das anwendbare Recht für Adoptionen mit Auslandsberührung. Die Anfügung des neuen Satzes 3 dient der kollisionsrechtlichen Anpassung in Folge der Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 2013. Die Annahme als Kind durch einen Lebenspartner unterliegt demnach dem Recht, das für die allgemeinen Wirkungen der Lebenspartnerschaft maßgebend ist, nämlich dem Recht des Register führenden Staates (Artikel 17b Absatz 1 Satz 1 EG-BGB). Im Gegensatz zum bisherigen Artikel 22 Absatz 1 Satz 2 EGBGB ist die vorgeschlagene Regelung in Satz 3 bewusst auf die Annahme durch einen Lebenspartner beschränkt worden.
Zu Nummer 2
Artikel 22 Absatz 3 Satz 1 EGBGB betrifft die Rechtsnachfolge von Todes wegen im Zusammenhang mit einer Adoption. Soweit in der Vorschrift der Ehegatte des Annehmenden genannt wird, ist dies im Hinblick auf die in § 1754 BGB geregelte Wirkung der Annahme von Bedeutung. Da § 1754 Absatz 1 und 3 BGB aufgrund der Verweisung in § 9 Absatz 7 Satz 2 LPartG auch für die Sukzessivadoption gilt, ist die Vorschrift mit Bezug auf Lebenspartner zu ergänzen.
Zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 2013 ist in § 9 Absatz 7 Satz 2 LPartG auch auf § 1742 BGB zu verweisen. Diese Vorschrift regelt, dass ein angenommenes Kind, solange das Annahmeverhältnis besteht, bei Lebzeiten eines Annehmenden nur von dessen Ehegatten angenommen werden kann. Durch die Aufnahme des § 1742 BGB in die Verweisungskette des § 9 Absatz 7 Satz 2 LPartG wird die Möglichkeit einer Sukzessivadoption auch Lebenspartnern eröffnet. Damit ist künftig im Falle einer Einzeladoption eine ergänzende Zweitadoption durch den Lebenspartner des Annehmenden möglich, und zwar unabhängig davon, ob die Lebenspartnerschaft im Zeitpunkt der ersten Adoption bereits bestand oder erst nach der Adoption durch den zunächst Annehmenden begründet wurde.
Zu Artikel 3 (Änderung des Adoptionswirkungsgesetzes - AdWirkG)
§ 3 Absatz 1 AdWirkG ermöglicht die Umwandlung einer schwachen Adoption ausländischen Rechts in eine deutsche Volladoption. Nach Nummer 3 unterbleibt die Umwandlung, wenn ihr überwiegende Interessen des Ehegatten oder der Kinder des Annehmenden oder des Angenommenen entgegenstehen. In diese Aufzählung naher Angehöriger ist auch der Lebenspartner aufzunehmen.
Zu Artikel 4 (Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG)
§ 188 Absatz 1 Nummer 1 FamFG führt die Beteiligten in Adoptionsverfahren auf. In Buchstabe c wird neben dem Ehegatten des Annehmenden bislang nicht der Lebenspartner aufgeführt, obwohl für die Adoption gemäß § 9 Absatz 6 LPartG seine Einwilligung erforderlich ist. Dies ist im Verfahrensrecht nachzubilden, indem auch seine Beteiligung gesetzlich angeordnet wird. Auch im Hinblick auf den Anzunehmenden ist der Lebenspartner dem Ehegatten gleichzustellen.
Zu Artikel 5 (Inkrafttreten)
Artikel 5 regelt das Inkrafttreten. Der Entwurf soll einen vom Bundesverfassungsgericht festgestellten verfassungswidrigen Zustand beseitigen. Das entsprechende Gesetz soll daher zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, also am Tag nach der Verkündung, in Kraft treten. Ein rückwirkendes Inkrafttreten ist bei Statusentscheidungen wie einer Adoption nicht sinnvoll. Überdies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 19. Februar 2013 eine Übergangsregelung getroffen, wonach § 9 Absatz 7 LPartG bereits im Zeitraum bis zur gesetzlichen Neuregelung mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass die Adoption des angenommenen Kindes des Lebenspartners möglich ist.