896. Sitzung des Bundesrates am 11. Mai 2012
Der federführende Wirtschaftsausschuss (Wi), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV), der Gesundheitsausschuss (G) der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In), der Rechtsausschuss (R) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zum Gesetzentwurf allgemein*
Die Kartellbehörden haben in Ordnungswidrigkeitenverfahren mit mehreren drängenden Problemen zu kämpfen, die bereits in der Stellungnahme des Bundeskartellamtes zum Referentenentwurf angesprochen wurden und die eine effiziente Kartellverfolgung verhindern. Darunter leidet die Abschreckung als primäres Ziel der Kartellverfolgung ganz erheblich. Der Bundesrat bittet daher
darum, im weiteren Gesetzgebungsverfahren im Bereich der Kartellverfolgung durch gesetzgeberische Maßnahmen zumindest in den vier nachfolgend genannten Bereichen noch im Rahmen der 8. GWB-Novelle Verbesserungen herbeizuführen:
1. Zur bußgeldrechtlichen Haftung der Gesamtrechtsnachfolger
- a) Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat zuletzt in seinem Beschluss vom 10. August 2011 (KRB 55/ 10, NJW 2012, 164 ff.) dargelegt, dass gegen den Gesamtrechtsnachfolger der Organisation, deren Organ die Tat begangen hat, ein Bußgeld nur dann verhängt werden könne, wenn zwischen der früheren und der neuen Vermögensverbindung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise nahezu Identität bestehe. Eine solche wirtschaftliche Identität sei jedoch nur gegeben, wenn das "haftende Vermögen" weiterhin vom Vermögen des gemäß § 30 OWiG Verantwortlichen getrennt, in gleicher oder in ähnlicher Weise wie bisher eingesetzt werde und in der neuen juristischen Person einen wesentlichen Teil des Gesamtvermögens ausmache. Einer weitergehenden Erstreckung der bußgeldrechtlichen Haftung stehe angesichts des Wortlauts des § 30 OWiG ("so kann gegen diese eine Geldbuße festgesetzt werden") das Analogieverbot des Artikels 103 Absatz 2 des Grundgesetzes entgegen. Mit dieser Entscheidung hat der Kartellsenat seine langjährige frühere Rechtsprechung bestätigt.
- b) Die bestehende Rechtslage kann - hierauf weist auch der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung hin - zu für die Kartellverfolgung fatalen Konsequenzen führen, soweit sie den Unternehmen die Möglichkeiten eröffnet, sich bußgeldrechtlichen Sanktionen zu entziehen, indem sie durch die gezielte Wahl gesellschaftsrechtlicher Gestaltungen eine Rechtsnachfolge herbeiführen, die - etwa bei Verschmelzungen - nicht die durch die Rechtsprechung formulierten Anforderungen an die wirtschaftliche Identität erfüllt.
Diese Regelungslücke muss im Interesse einer wirksamen Kartellverfolgung geschlossen werden. Dabei sollte bei einer entsprechenden Regelung ein Gleichlauf mit dem europäischen Kartellrecht angestrebt werden, das eine effektive Kartellverfolgung auch bei Gesamtrechtsnachfolge und in den wichtigen einschlägigen Konstellationen der Einzelrechtsnachfolge sicherstellt.
- c) Der Bundesrat bittet, die dargestellte Regelungslücke im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu schließen.
2.
- d) Um eine effektive Kartellverfolgung sicherzustellen, ist es erforderlich, eine dem europäischen Recht vergleichbare Regelung zur Rechtsnachfolge von Unternehmen im Bußgeldbereich gesetzlich zu verankern.
Nach derzeitiger Rechtslage ist es Unternehmen in Deutschland möglich, sich einer Bußgeldhaftung beispielsweise durch Umstrukturierung der gesellschaftsrechtlichen Beziehungen innerhalb des Konzerns zu entziehen. Alle Bemühungen der Kartellbehörden, die durch den Verstoß begünstigten Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen, gehen dann ins Leere. Das darf nicht hingenommen werden. Eine entsprechende Regelung sollte sich am europäischen Vorbild orientieren. Danach ist eine effektive Kartellverfolgung bei Gesamtrechtsnachfolge und in den wichtigen einschlägigen Konstellationen der Einzelrechtsnachfolge sichergestellt. Da das materielle europäische Kartellrecht auch von den deutschen Kartellbehörden anzuwenden ist und die effektive Verfolgung des Rechtsnachfolgers europarechtlich geboten ist, käme der deutsche Gesetzgeber mit der Angleichung an die europäische Regelung einer europarechtlichen Verpflichtung nach.
3.
- e) Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist klarzustellen, dass Konzernobergesellschaften kartellrechtlich zur Aufsicht über die Konzernunternehmen verpflichtet sind.
Bezüglich der Aufsichtspflichten in Konzernen haftet die Konzernobergesellschaft nach derzeitiger Praxis in Deutschland gemäß § 130 OWiG, wenn sie ihren Aufsichtspflichten nicht nachkommt. Damit wird der europarechtlichen Vorgabe Rechnung getragen, Unternehmen - verstanden als wirtschaftliche Einheit verschiedener juristischer Personen - bußgeldrechtlich zu erfassen. Allerdings besteht hier erhebliche Rechtsunsicherheit. Da der Konzern Adressat des europäischen Kartellrechts ist, darf sich die kartellrechtliche Verantwortlichkeit nicht nur auf die unmittelbar handelnde juristische Person beschränken. Eine Aufsichtspflicht von Konzernmüttern ist sachgerecht, um die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten abzubilden. Hier ist eine gesetzgeberische Klarstellung erforderlich.
- f) Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist der Umfang der Akteneinsicht in Bonusanträge (Kronzeugenanträge) klarzustellen.
Die Kronzeugenregelungen der Kartellbehörden (Bonusregelungen) in Deutschland haben sich als wesentliche Basis für die Aufdeckung von Kartellen erwiesen. Die Akteneinsicht in diese Anträge durch Kartellgeschädigte oder Dritte beziehungsweise deren Möglichkeit beeinträchtigt die Attraktivität von Kronzeugenanträgen erheblich. Aus diesem Grund hat das Amtsgericht Bonn vor Kurzem die Akteneinsicht in Kronzeugenanträge verweigert. Da für die Anreizsystematik der Kronzeugenanträge Rechtssicherheit zentral ist, sollte diese zutreffende Rechtsauffassung klarstellend ins Gesetz aufgenommen werden.
- g) Die Einführung elektronischer Daten und ökonomischer Gutachten in gerichtliche Kartellbußgeldverfahren sollte durch geeignete gesetzliche Maßnahmen erleichtert werden.
Kartellbußgeldverfahren sind nach dem aktuell geltenden Rechtsrahmen extrem aufwändig zu führen. Insbesondere das gerichtliche Kartellverfahren ist in einem solchen Maß durch Mündlichkeit und Unmittelbarkeit geprägt, dass dies einer effizienten Behandlung der komplexen kartellrechtlichen Sachverhalte oft nicht angemessen ist. In der Vergangenheit hat sich dies etwa bei der Verlesung langer ökonomischer Gutachten und der komplexen Einbringung großer EDV-mäßig gespeicherter Datenmengen über Zeugen- und Dokumentenbeweis gezeigt. Eine effiziente Kartellverfolgung sowie eine arbeits- und zeitökonomische Führung der Verfahren werden so erheblich behindert. Zumindest an diesen beiden in der Vergangenheit besonders augenfälligen Problempunkten bedarf der entsprechende verfahrensrechtliche Rahmen dringend der Überarbeitung. Auch nach Auffassung Verfahrensbetroffener wäre in dieser Hinsicht eine Vereinfachung der Verfahren möglich und sinnvoll, ohne die Grundsätze der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und des rechtlichen Gehörs in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise einzuschränken.
4. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren im Interesse des Erhalts eines vielfältigen Presseangebots in Deutschland durch die Sicherung eines Presse-Grosso, Regelungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung kartellrechtlicher und europarechtlicher Fragestellungen zu prüfen.
Begründung:
Durch den gemeinsamen Pressevertrieb (Presse-Grosso) wird ein vielfältiges und neutrales Angebot von Presseerzeugnissen in Deutschland flächendeckend gewährleistet und dadurch ein wichtiger Beitrag zur Meinungsvielfalt geleistet. Dieses in Teilen solidarische System wird auch international als vorbildlich erachtet. Einzelne Gerichte stellen jedoch die Zulässigkeit des Presse-Grosso unter wettbewerbsrechtlichen Bedingungen in Frage. Insofern sollte eine Klarstellung im Gesetz geprüft werden, die das System des Presse-Grosso auf Dauer absichert.
5. Zur kartellrechtlichen Fusionskontrolle bei Zusammenlegung öffentlicher Einrichtungen und Betriebe
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren das Gesetz an geeigneter Stelle und in geeigneter Form um eine klarstellende Regelung dahingehend zu ergänzen, dass die mit einer kommunalen Gebietsreform einhergehende Zusammenlegung öffentlicher Einrichtungen und Betriebe nicht der kartellrechtlichen Fusionskontrolle unterliegt.
Begründung:
Nach Auffassung des Bundeskartellamts und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie lösen kommunale Gebietsreformen und die damit zwangsläufig verbundenen Zusammenlegungen kommunaler Betriebe eine kartellrechtliche Fusionskontrolle aus. Mit der erbetenen Ergänzung des Gesetzentwurfs soll eindeutig klargestellt werden, dass dieser Auffassung nicht zu folgen ist.
6. Zur Anwendbarkeit des GWB bei Trägerschaft mehrerer Unternehmen durch eine kommunale Gebietskörperschaft
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren an geeigneter Stelle im Gesetz betreffend §§ 130, 36f. GWB klarzustellen, dass allein die Trägerschaft mehrerer Unternehmen durch eine kommunale Gebietskörperschaft keine kartellrechtlich in Blick zu nehmende Struktur eines Zusammenschlusses oder Konzerns (insbesondere § 36 Absatz 2, § 37 GWB) begründet.
Begründung:
Allein die Trägerschaft mehrerer Unternehmen durch eine kommunale Gebietskörperschaft schafft keine Anhängigkeit oder Beherrschung oder Konzernstruktur zwischen diesen Unternehmen. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle ist das Unternehmen und nicht dessen Träger. Es muss einer Kommune unbenommen bleiben, ihre Aufgaben unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben mittels verschiedener Unternehmen zu erfüllen. So wäre beispielsweise eine kartellrechtlich geforderte Entflechtung nicht denkbar, da diese einer Untersagung des Handelns in Unternehmensform gleichkäme.
7. Zu Artikel 1 Nummer 1a - neu - und 1b - neu - (Überschrift des Ersten Abschnitts des Ersten Teils und § 01 - neu - GWB)
In Artikel 1 sind nach Nummer 1 folgende Nummern 1a und 1b einzufügen:
'1a. In der Überschrift des Ersten Abschnitts des Ersten Teils wird das Wort "Wettbewerbsbeschränkende" durch die Wörter "Zweck des Gesetzes, wettbewerbsbeschränkende" ersetzt.
1b. Dem § 1 wird folgender § 0 1 vorangestellt:
" § 01 Zweck des Gesetzes
Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs."'
Folgeänderungen:
In Artikel 1 Nummer 1 sind dem Buchstaben a folgende Buchstaben 0a und 00a voranzustellen:
'0a) In der Überschrift des Ersten Abschnitts des Ersten Teils wird das Wort "Wettbewerbsbeschränkende" durch die Wörter "Zweck des Gesetzes, wettbewerbsbeschränkende" ersetzt.
00a) Vor der Angabe zu § 1 wird folgende Angabe eingefügt:
" § 01 Zweck des Gesetzes"'
Begründung:
Mit der Einräumung eines Unterlassungsanspruchs sowie eines Anspruchs auf Vorteilsabschöpfung für den Fall von Massen- und Streuschäden für Verbraucherorganisationen vollzieht die Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine überfällige Angleichung des Rechtsrahmens für private Kartellrechtsdurchsetzung an das System des Rechtsschutzes im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen durch die Sicherung eines wirksamen Wettbewerbs auch die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher schützt (siehe bereits Begründung der Bundesregierung zur 7. GWB-Novelle, BT-Drucksache 015/3640, S. 53). Als Trägerin informierter Marktentscheidungen bildet die Gesamtheit der Verbraucherinnen und Verbraucher das Gegengewicht zum Marktverhalten der anbietenden Wirtschaft und nimmt so eine zentrale Funktion in einer marktwirtschaftlichen Wettbewerbsordnung wahr. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint es folgerichtig und angemessen, dieser Erkenntnis durch eine klarstellende Definition des Schutzzwecks des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) Rechnung zu tragen. Hierzu soll ein neuer § 01 "Zweck des Gesetzes" den weiteren Paragraphen des GWB vorangestellt werden. Die Einfügung macht eine entsprechende Ergänzung der Überschrift des Ersten Abschnitts des Ersten Teils des GWB erforderlich.
8. Zu Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe c und d (§ 19 Absatz 2 Nummer 5 - neu -, Absatz 3 GWB)
Artikel 1 Nummer 6 ist wie folgt zu ändern:
- a) Buchstabe c ist wie folgt zu fassen:
'c) Der bisherige Absatz 4 wird Absatz 2 und wie folgt geändert:
- aa) Nummer 1 wird wie folgt gefasst:
< ... weiter wie Vorlage ... >
- bb) Folgende Nummer 5 wird angefügt:
"5. seine Markstellung dazu ausnutzt, andere Unternehmen dazu aufzufordern oder zu veranlassen, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren."'
- b) In Buchstabe d ist § 19 Absatz 3 wie folgt zu fassen:
(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 2 8 Absatz 2 oder § 3 0 Absatz 1 Satz 1 binden." '
Folgeänderungen:
- a) In Artikel 1 Nummer 6 ist Buchstabe e zu streichen.
- b) In Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe c ist in § 20 Absatz 2 die Angabe " § 19 Absatz 4" durch die Angabe " § 19 Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 2 Nummer 5" zu ersetzen und der 2. Halbsatz zu streichen.
Begründung:
Entsprechend dem Grundkonzept des Gesetzentwurfs werden nunmehr lückenlos sämtliche Fallgestaltungen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung in § 19 konzentriert. Gleichzeitig wird § 19 Absatz 4 in der Fassung des Regierungsentwurfs als neue Nummer 5 in die Reihe der Regelbeispiele des Absatzes 2 aufgenommen.
9. Zu Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe a1 - neu -, Buchstabe b Doppelbuchstabe aa ( § 20 Absatz 1 GWB)
Artikel 1 Nummer 7 ist wie folgt zu ändern:
Begründung:
Klarstellung des Gewollten.
Hauptempfehlung:*
10. Zu Artikel 1 Nummer 10a - neu -, Nummer 44 (§ 29 Satz 1 und § 131 Absatz 1 GWB)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Die Regelung des § 29 soll neben den Anbietern von Elektrizität und leitungsgebundenem Gas auch für Fernwärmeanbieter gelten. Die Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 29 auf Fernwärmeanbieter erfolgt vor dem Hintergrund der Heterogenität des Fernwärmemarktes, in dem strukturelle Besonderheiten der einzelnen Fernwärmeanbieter eine Prüfung nach dem Vergleichsmarktkonzept erschweren. Aus diesem Grund soll den Kartellbehörden neben einem Erlösvergleich auch die Prüfung auf Kostenbasis ermöglicht werden.
Zudem weist die Vorschrift eine Regelungslücke für die Versorgung mit Wärme auf, für die lediglich die allgemeinen Missbrauchsvorschriften gelten. Diese Lücke sollte im Interesse einer einheitlichen Verfahrensführung in Fällen der Kraft-Wärme-Kopplung geschlossen werden. Die Kraft-Wärme-Kopplung weist eine Kuppelproduktion auf. In Fällen einer doppelten Preismissbrauchsprüfung der Strom- und der Fernwärmepreise desselben Anbieters sind unterschiedliche Prüfkriterien und unterschiedliche Beweislastverteilungen sachlich nicht begründbar.
Zu Buchstabe b:
Die Anwendbarkeit der Vorschriften des § 29 wird für Anbieter von Elektrizität oder leitungsgebundenem Gas bis zum 3 1. Dezember 2017 befristet, weil sich in diesen Versorgungsbereichen zunehmend Wettbewerb entwickelt und die strengeren Vorschriften des § 29 bei umfassenderem Wettbewerb entbehrlich werden. Ein entsprechender Wettbewerb im Markt entwickelt sich allerdings nicht im Bereich der Wärmeversorgung, so dass für die Regelungen des § 29 insoweit ein dauerhafter Bedarf besteht.
11. Zu Artikel 1 Nummer 11 (§§ 31 bis 31b GWB) allgemein
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, durch geeignete gesetzgeberische Maßnahmen für die Zukunft auszuschließen, dass sich Kommunen, Zweckverbände oder Wasser- und Bodenverbände bei der Versorgung mit Trinkwasser nach Einleitung eines kartellbehördlichen Verfahrens der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht entziehen können, indem sie bislang privatrechtlich ausgestaltete Versorgungsverhältnisse ins öffentliche Recht überführen.
Begründung:
Seit die Kartellbehörden verstärkt gegen überhöhte Endabnehmerpreise von Wasserversorgungsunternehmen vorgehen und darin durch eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes (2. Februar 2010 - KVR 66/08 - "Wasserpreise Wetzlar") bestätigt wurden, mehren sich die Fälle, in denen sich Kommunen dieser Missbrauchsaufsicht entziehen. Sie wandeln die Versorgungsverträge in öffentlichrechtliche Leistungsbeziehungen um und verlangen meist denselben, zuvor als missbräuchlich beanstandeten Preis nunmehr als Gebühr.
Trotz zunehmender Kritik sind nach weiterhin herrschender Auffassung Gebühren und das dargestellte Verhalten der Kommunen wegen der öffentlichrechtlichen Ausgestaltung der Leistungsbeziehung der Kontrolle nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen entzogen (vgl. BGH Beschluss vom 18. Oktober 2011 - KVR 9/11 - Tz. 10 m.w. N.). Gleichzeitig wird in Literatur und Rechtsprechung die Existenz eines kartellrechtlichen Umgehungsverbotes verneint (vgl. OLG Frankfurt Beschluss vom 20. September 2011 - 11 W 24/11 (Kart); Bechtold GWB 6. Auflage 2010 Einführung Rdnr. 86).
Diese Rechtslage und ihre faktischen Auswirkungen sind den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr zu vermitteln: Gleichsam "über Nacht" werden aus rechtswidrigen Wasserpreisen rechtmäßige Wassergebühren. Diese Diskrepanz ist im Lichte der verfassungsrechtlich gebotenen Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung (Artikel 74 Absatz 1 Nummer 16 Grundgesetz) nicht mehr durch das Dogma der "Wahlfreiheit" der öffentlichen Hand bei der Ausgestaltung ihrer Leistungsbeziehungen zu rechtfertigen. Besonders deutlich wird dies, wenn sich der Versorger - was im Bereich der Leistungsverwaltung naheliegend ist - des öffentlichrechtlichen Vertrages als Handlungsform bedient; auf diesen finden die zivilrechtlichen Vorschriften, die auch den angemessenen Interessenausgleich im Synallagma wahren beziehungsweise herstellen sollen, entsprechende Anwendung (vgl. § 62 Satz 2 VwVfG in Verbindung mit §§ 307 ff. BGB). Der Gesetzgeber hat mit der Vorschrift des § 35 AVBWasserV deutlich gemacht, dass die Grundsätze des Schutzes der Verbraucher vor unangemessenen Benachteiligungen unabhängig von der vom Versorger gewählten Rechtsnatur des Leistungsverhältnisses gelten. Das Bundesverfassungsgericht hat diese legislative Grundsatzentscheidung ausdrücklich mit der Erwägung gestützt, dass die Selbstverwaltungsgarantie des Artikels 28 Absatz 2 Grundgesetz den Gemeinden kein Recht verleiht, sich durch öffentlichrechtliche Ausgestaltung kommunaler Versorgungsverhältnisse Immunitätsprivilegien gegenüber den sonst für gleichartige Betriebe geltenden Gesetzen zu verschaffen (vgl. BVerfG 2. November 1981 NVwZ 1982, 306 Tz. 14).
Auch wettbewerbspolitisch ist die Situation in hohem Maße unbefriedigend. Gerade in Fällen rechtlich abgesicherter Monopole ist der Schutz vor Ausbeutungsmissbrauch besonders wichtig (vgl. etwa BGH 2. Februar 2010 - KVR 66/08 - zu § 103 GWB, "Wasserpreise Wetzlar"; Wolf BB 2011, 648, 649).
Das hier geforderte Umgehungsverbot sollte alle Fälle erfassen, in denen nach Einleitung eines kartellbehördlichen Missbrauchsverfahrens wegen überhöhter Wasserpreise die Überführung der Versorgungsverhältnisse ins öffentliche Recht beschlossen wird. Infolge dieser Voraussetzung sind Kommunen ansonsten weiterhin nicht an einer grundsätzlichen Rekommunalisierung der Energie- und Wasserversorgung gehindert.
12. Zu Artikel 1 Nummer 11 (§§ 3 1 ff. GWB)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren an geeigneter Stelle im Gesetz klarzustellen, dass im Rahmen der Missbrauchskontrolle keine Durchleitungsansprüche im Bereich der Wasserversorgung ermöglicht werden.
Begründung:
Durch das Entfallen von § 103 Absatz 5 Satz 2 Nummer 4 GWB 1990 ist nicht mehr dokumentiert, dass Durchleitungsansprüche, die vor allem aus technischen und hygienischen Gründen nicht sinnvoll erscheinen, nicht ermöglicht werden sollen.
13. Zu Artikel 1 Nummer 11 ( § 31 Absatz 3 GWB)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren in § 31 Absatz 3 GWB-E die Struktur des § 103 Absatz 5 GWB 1990 insoweit beizubehalten, als die Bestimmung kein gesetzliches Verbot darstellt.
Begründung:
Der neu strukturierte Wortlaut des § 31 Absatz 3 GWB-E lässt auf den Charakter eines Verbotsgesetzes schließen. Dies würde jedoch eine Verschärfung gegenüber der aktuellen Rechtslage in § 103 Absatz 5 GWB 1990 bedeuten, der - wie es der BGH in seinem Beschluss vom 2. Oktober 2010, Az. KVR 66/08 ausführt - kein gesetzliches Verbot enthält. Nach der vorliegenden Begründung zum Gesetzentwurf soll mit der Überführung der bisherigen Übergangsregelungen in das aktuelle GWB die Systematik des GWB verbessert und die Anwendbarkeit für die Vollzugsbehörden erleichtert werden (vgl. Seite 31 BR-Drucksache 176/12 (PDF) ). Eine Begründung für eine Verschärfung fehlt.
Hauptempfehlung:*1
14. Zu Artikel 1 Nummer 11 (§ 31 Absatz 4 Nummer 3 - neu - GWB)
In Artikel 1 Nummer 11 ist in § 31 Absatz 4 in Nummer 1 das Wort "oder" zu streichen, in Nummer 2 der Punkt am Ende durch das Wort ", oder" zu ersetzen und folgende Nummer 3 anzufügen:
"3. ein Wasserversorgungsunternehmen Entgelte fordert, die die Kosten in unangemessener Weise überschreiten."
Begründung:
Durch die Ergänzung soll geregelt werden, dass Wasserpreise alternativ zum Vergleichsmarktkonzept auch auf Basis der beim Wasserversorger entstandenen Kosten geprüft werden können.
Das in § 31 Absatz 4 Nummer 2 GWB-E vorgesehene Vergleichsmarktkonzept
wird der Praxis im Bereich der Wasserversorgungsunternehmen nicht immer gerecht. Angesichts der zum Teil erheblichen Unterschiede der Wasserversorgungsunternehmen kann es sehr aufwändig sein, geeignete Vergleichsunternehmen zu finden. Zudem erfordert die Prüfung nach dem Vergleichsmarktkonzept eine umfassende Datenerhebung bei Vergleichsunternehmen. Dies erzeugt einen hohen Verwaltungsaufwand und stellt gegenüber den Vergleichsunternehmen eine einschneidende Maßnahme dar, die mit erheblichen Kosten und Arbeitsaufwand verbunden ist. Ebenfalls erheblichen Aufwand verursacht ggf. die sachliche Rechtfertigung der Unterschiede des geprüften Unternehmens zu den Vergleichsunternehmen, vgl. § 19 Absatz 4 Nummer 32. Halbsatz GWB. Schließlich kann das Vergleichsmarktkonzept das geprüfte Unternehmen in die Kostenunterdeckung zwingen und den Anreiz nehmen, Investitionen zu Sicherung einer hohen Wasserqualität zu tätigen.
Durch eine Kostenprüfung hingegen können sowohl kurzfristige Investitionen als auch Qualitätskriterien, die beim Wasser anders als bei Strom und Gas durchaus vorhanden sind, besser berücksichtigt werden.
[Die Preisbildung bei der Wasserversorgung ist im besonderem Maße nicht nur von ökonomischen Faktoren abhängig. In der letzten Novelle des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG) wurde als übergeordnetes Leitziel die Nachhaltigkeit der Gewässerbewirtschaftung verankert. Neben dem Grundsatz der Nachhaltigkeit ist ebenso der Qualitätsmaßstab der Vorsorge zu berücksichtigen. Hierbei wirken sich beispielhaft die von den Wasserversorgungsunternehmen mit der Landwirtschaft abgeschlossenen freiwilligen Kooperationen zur langfristigen Sicherung der Grundwasservorkommen Preis bildend aus.
Ebenso sind dringend notwendige Investitionen zum Substanzerhalt der Wasserversorgungsanlagen zu berücksichtigen. Durch die im WHG nunmehr angelegte Verpflichtung "Wassergewinnungsanlagen dürfen nur nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet, unterhalten und betrieben werden" werden besondere Anforderungen an die Qualität der Organisation der Wasserversorgungsunternehmen gestellt, die ihren Niederschlag im Preis finden.]
Die Vorgehensweise hat damit den Vorteil, dass zur Sicherung einer hohen Wasserqualität mindestens kostendeckende Wasserpreise gewährleistet sind und damit auch die Kosten für die überwiegend strukturellen Besonderheiten der einzelnen Wasserversorger über die Wasserpreise wieder reamortisiert werden können. Die Aufnahme der Kostenprüfung würde des Weiteren eine Harmonisierung mit der besonderen Missbrauchsaufsicht im Energiebereich nach § 29 GWB herbeiführen.
Hilfsempfehlung zu Ziffer 10 und 14:*2
15. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, durch geeignete gesetzgeberische Maßnahmen eine zu Gas und Strom kohärente Missbrauchsaufsicht für die Versorgung mit leitungsgebundener Wärme (Nah- und Fernwärme) zu schaffen und gesetzgeberisch weiterhin grundsätzlich klarzustellen, dass die Kartellbehörden zur Feststellung eines Preismissbrauchs (Ausbeutungsmissbrauch) nicht nur nach dem Vergleichsmarktkonzept ("Als-Ob-Wettbewerb") vorgehen können, sondern auch eine Kostenkontrolle durchführen können.
Begründung:
Der Regelungskontext von §§ 19, 29 und 31 ff. GWB-E sieht eine tradierte - aber nicht ohne weiteres nachvollziehbare - Ungleichmäßigkeit der (verschärften) Missbrauchsregelungen der verschiedenen Versorgungssektoren vor.
So unterliegen nach § 29 GWB die Unternehmen der Energieversorgung (ohne Netzbetreiber) einer kartellrechtlichen verschärften Aufsicht, die tatbestandlich beim Vergleichsmarktprinzip eine Beweislastumkehr vorsieht, ferner ausdrücklich die Kostenkontrolle erlaubt und in der Rechtsfolge sind nach allgemeinen Prinzipien gemäß § 32 GWB, auch rückwirkend, weitgreifende An- und Gebotsverfügungen erlaubt.
Wasserversorgungsunternehmen, die privatrechtliche Entgelte fordern, unterliegen entweder nach § 31 GWB-E einer (nur) auf Tatbestandsebene schärferen Kontrolle mit insoweit aber schwächeren Anordnungsbefugnissen der Kartellbehörden in § 31b Absatz 3 GWB-E, oder der allgemeinen Missbrauchsaufsicht nach §§ 19, 32 GWB.
Für die Wärmeversorgung dagegen gelten überhaupt keine, die allgemeine Missbrauchsaufsicht verschärfenden Sonderregelungen.
Berücksichtigt man dabei die tatsächlichen Umstände, dass in der Energieversorgungsbranche (Vertrieb) grundsätzlich ein Wettbewerb möglich ist und sich teilweise bereits auch gut entwickelt hat, wohingegen in den Sektoren Wasserversorgung und Wärmebelieferung nach wie vor eine Integration von Vertrieb und Netzen besteht und eine wettbewerbliche Entwicklung weder ersichtlich noch - mit Blick auf Anschluss- und Benutzungszwang - zu erwarten ist, erscheint der o.g. Befund nicht nachvollziehbar. Insbesondere für den Bereich der Wärmeversorgung ist nicht ersichtlich, warum eine unterschiedliche Behandlung zur leitungsgebundenen Energie erfolgen sollte, handelt es sich doch ebenso um ein homogenes Gut.
Daher ist eine zu Gas und Strom kohärente Missbrauchskontrolle zwingend und im Interesse der Verbraucher erforderlich, die für den Sektor Energieversorgung zeitlich befristet, für den Sektor Wärmeversorgung zeitlich unbefristet gelten sollte.
Generell sollte weiterhin, wie in § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 GWB für den Energiebereich schon geregelt, auch für die monopolistischen Bereiche Wasser- und Wärmeversorgung die Anwendbarkeit einer Kostenkontrolle und Gewinnbeschränkung ausdrücklich kodifiziert werden. Denn in der jüngsten oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung (OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. August 2011 - 201 Kart 2/11 - nicht rechtskräftig) wird für die Feststellung eines Ausbeutungsmissbrauchs das Vergleichsmarktkonzept ("Als-Ob-Wettbewerb") als vorrangig vor einer Kostenkontrolle postuliert, wenn eine Vergleichsmarktbetrachtung möglich ist.
Es erscheint schon zweifelhaft, dass der gerichtlich angenommene Vorrang des Vergleichsmarktprinzips gegenüber der Kostenkontrolle in Einklang mit dem europäischen wettbewerbsrechtlichen Rechtsrahmen steht. Die durch die zitierte Rechtsprechung erfolgte Einengung der kartellbehördlichen Tätigkeit ist jedenfalls nicht angezeigt und auch für die betroffenen Unternehmen, insbesondere kleinere Einheiten, kann eine Kostenkontrolle vorteilhaft sein. Mehr noch als die Wasserversorgung zeichnet sich auch die Wärmeversorgung durch eine hohe Heterogenität aus; so ist beispielsweise zwischen Abwärme und originär auf Wärmeversorgung ausgerichteten Anlagen sowie Nah- und Fernwärmenetzen zu unterscheiden. Eine Vergleichsbetrachtung fällt hierbei gerade bei kleineren Einheiten häufig schwer, weswegen klarstellend die Kostenkontrolle als eigenständiges und gleichrangiges Prüfungsinstrument zur Feststellung, ob ein Preismissbrauch (Ausbeutungsmissbrauch) vorliegt, gesetzlich ausdrücklich nochmals angeführt werden sollte. Dieser Ansatz unterstützt auch die Bemühungen in den betroffenen Branchen, den einzelnen Unternehmen konkrete Handlungsanweisungen (Leitfäden) zur Kalkulation der Preise an die Hand zu geben.
16. Zu Artikel 1 Nummer 11 (§ 3 1a Absatz 1 Satz 1 GWB)
In Artikel 1 Nummer 11 § 31a Absatz 1 Satz 1 sind die Wörter "zu ihrer Wirksamkeit" zu streichen.
Begründung:
Die in § 31 Absatz 1 GWB-E genannten Vertragstypen sollen vom Kartellverbot freigestellt sein, folglich keiner diesbezüglichen Prüfung unterliegen. Gegenüber diesem materiellen Aussagegehalt stellt sich die Statuierung einer Anmeldepflicht als Wirksamkeitsvoraussetzung vor allem vor dem Hintergrund der Rechtssicherheit als unverhältnismäßig dar. Folgestreitigkeiten - insbesondere hinsichtlich der Frage der Vollständigkeit einer Anmeldung - sind zu befürchten.
17. Zu Artikel 1 Nummer 11 (§ 3 1b Absatz 2 Satz 2 - neu - GWB)
In Artikel 1 Nummer 11 ist dem § 3 1b Absatz 2 folgender Satz anzufügen:
"Dies gilt nicht für Auskunftsverlangen nach § 5 9 Absatz 1."
Begründung:
Die vorgeschlagene Ergänzung soll der Vereinfachung und Beschleunigung des kartellrechtlichen Verfahrens dienen. Die in § 3 1b Absatz 2 enthaltene Benehmensregelung mit der Fachaufsichtsbehörde sollte vom Wortlaut her enger gefasst werden und nur diejenigen Verfügungen umfassen, die sich auf die Preisgestaltung bzw. -kalkulation des Wasserversorgungsunternehmens beziehen bzw. auswirken. Bloße Auskunftsverfügungen, die im Rahmen von Enquête-Untersuchungen gemäß § 32e GWB in Verbindung mit § 59 GWB oder nach § 59 GWB gegenüber missbrauchsverdächtigen Versorgern oder Vergleichsunternehmen zu Ermittlungszwecken erlassen werden, sollten hingegen nicht von der Benehmensregelung mit umfasst werden. Die auf der Grundlage des § 59 GWB erlassenen Verfügungen dienen dem weiteren Erkenntnis- und Informationsgewinn der Kartellbehörden im Rahmen der von Amts wegen durchzuführenden Sachverhaltsermittlung. Auswirkungen auf die Preisgestaltung bzw. -kalkulation der Wasserversorger haben diese Verfügungen allerdings nicht. Es ist nicht erkennbar, weshalb der Fachaufsicht bereits im Rahmen des kartellrechtlichen Ermittlungsverfahrens Gelegenheit zu einer sachlichfachlichen Stellungnahme gegeben werden sollte, die das Verfahren zusätzlich verzögert. Eine entsprechende Beteiligung macht vielmehr erst vor dem Erlass einer Missbrauchsverfügung Sinn, zumal zu einem früheren Zeitpunkt noch nicht einmal feststeht, ob es tatsächlich im weiteren Verlauf zum Erlass einer verfahrensabschließenden Missbrauchsverfügung kommt.
18. Zu Artikel 1 Nummer 11 (§ 3 1b Absatz 3 Nummer 1a - neu - GWB)
In Artikel 1 Nummer 11 ist in § 3 1b Absatz 3 nach Nummer 1 folgende Nummer 1a einzufügen:
"1a. von den beteiligten Unternehmen angebotene Verpflichtungszusagen entgegennehmen und nach Maßgabe des § 32b dieses Gesetzes für verbindlich erklären,"
Als Folge ist
§ 32b Absatz 1 wie folgt zu ändern:
- a) In Satz 1 ist die Angabe " § 32" durch die Angabe " §§ 31b oder 32" zu ersetzen.
- b) In Satz 2 ist die Angabe " §§ 32 und 32a" durch die Angabe " §§ 31b,32 und 32a" zu ersetzen.
Begründung:
Nach bisheriger Rechtslage war es den Kartellbehörden nicht möglich, im Rahmen von Wasserpreismissbrauchsverfahren, die ausschließlich auf der Grundlage des § 103 Absatz 5 GWB 1998 geführt wurden, Verpflichtungszusagenverfügungen gemäß § 32b GWB zu erlassen, wenn sich das missbrauchsverdächtige Wasserversorgungsunternehmen - nach vorherigem umfassenden Schriftverkehr und diversen Verhandlungen - letztlich bereit erklärt hatte, die nach vorläufiger Beurteilung mitgeteilten Bedenken der Kartellbehörde durch freiwillige Preissenkungen bzw. Rückerstattungen an die Kunden auszuräumen. Mit der im Wesentlichen unveränderten Übernahme der Regelungen des § 103 GWB 1998 in die jetzigen §§ 31-31b ist eine Änderung dieser Rechtslage nicht eingetreten. Dieses Ergebnis ist unbefriedigend, da sich das Instrument der Verpflichtungszusage insbesondere in den von den Kartellbehörden des Bundes und der Länder geführten Verfahren im Energiebereich als überaus effektiv erwiesen hat. Vor diesem Hintergrund sollte es auch im Rahmen des Wasserkartellrechts - wie im Energiebereich und im europäischen Recht (vgl. Artikel 9 der Verordnung 1/2003) - möglich sein, eine zügige Verfahrensbeendigung mit einer Verpflichtungszusagenverfügung herbeizuführen.
Mit der Einbeziehung in § 31b Absatz 3 wird gewährleistet, dass die Kartellbehörde für die in diesem Bereich geführten Missbrauchsverfahren und den damit verbundenen Aufwand eine entsprechende Gebühr erhält. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Arbeits- und Zeitaufwand der Kartellbehörde bei einer Einstellung des Verfahrens durch Verpflichtungszusagenverfügung häufig nicht minder gering ist, als bei Erlass einer verfahrensabschließenden Missbrauchsverfügung. Die gleichzeitige Anpassung von § 32b Absatz 1 Satz 1 und 2 ist aus Klarstellungsgründen geboten.
19. Zu Artikel 1 Nummer 11 (§ 3 1b Absatz 3 Satz 2 - neu - GWB)
Dem Artikel 1 Nummer 11 ist in § 3 1b Absatz 3 folgender Satz anzufügen:
" § 32 Absatz 2a und 3 gelten entsprechend."
Begründung:
Für eine effektive und gleichzeitig verbrauchernahe Kartellrechtsdurchsetzung im Bereich der Wasserversorgung sollen die Kartellbehörden das Recht erhalten, Feststellungen für die Vergangenheit zu treffen und Rückzahlungen an die Verbraucher anordnen zu können. Dies wird dadurch erreicht, dass die entsprechenden Regelungen der allgemeinen Missbrauchsaufsicht in § 32 für anwendbar erklärt werden.
Durch eine missbräuchliche Preisgestaltung wird das Interesse der Allgemeinheit an einer bestmöglichen und preisgünstigen Versorgung beeinträchtigt (OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 3. März 2011, 11 W 2/11 (Kart), "Wasserversorgung Wetzlar", WuW 2011, 492, 500f.). Das gilt erst recht, wenn das jeweils betroffene Unternehmen bereits vereinnahmte missbräuchliche Entgelte bis zum Abschluss des Verfahrens behalten dürfte.
Der Änderungsantrag schließt an Stellungnahmen des Bundeskartellamtes sowie der Monopolkommission an (vgl. Sondergutachten in BR-Drucksache 060/12 (PDF) , Rdn. 120). Er dient der einheitlichen Handhabung der Missbrauchsaufsicht über Unternehmen der leitungsgebundenen Versorgungswirtschaft.
20. Zu Artikel 1 Nummer 11 (§ 3 1b Absatz 6 GWB)
In Artikel 1 Nummer 11 § 3 1b ist Absatz 6 zu streichen.
Begründung:
Durch die Verweisung ist eine Verschärfung gegenüber der aktuellen Rechtslage zu besorgen. § 19 GWB sowie § 19 GWB-E enthalten im Gegensatz zu § 22 Absatz 5 GWB 1990 keine Bestimmungen zu möglichen Sanktionsmaßnahmen gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen, sondern vor allem verschiedene Missbrauchstatbestände. Eine umfassende Bezugnahme würde das Anliegen des Gesetzgebers, Wasserversorgungsunternehmen einer speziellen Regelungssystematik zu unterwerfen, konterkarieren. Eine gegebenenfalls für erforderlich gehaltene Klarstellung, dass Sanktionen nach § 31b Absatz 3 GWB-E auch gegenüber marktbeherrschenden Wasserversorgungsmaßnahmen denkbar sind, kann gegebenenfalls auf anderem Wege vorgenommen werden.
Zu Artikel 1 Nummer 17 Buchstabe a (§ 34 Absatz 1 Satz 1, Satz 2 - neu - GWB)3
In Artikel 1 Nummer 17 ist Buchstabe a wie folgt zu fassen:
'a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:
- aa) Satz 1 wird wie folgt geändert:
21.
- aaa) Die Wörter "vorsätzlich oder fahrlässig" werden gestrichen.
- bbb) Die Wörter "Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft" werden durch die Wörter "Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union" ersetzt.
22.
-
- ccc) Nach den Wörtern "eines entsprechenden Geldbetrags" werden die Wörter "an ein Sondervermögen des Bundes" eingefügt.
- bb) Folgender Satz 2 wird angefügt:
"Der an das Sondervermögen des Bundes herauszugebende Geldbetrag ist zweckgebunden zur Finanzierung der Verbraucherarbeit der Verbraucherorganisationen und zur Erstattung von erforderlichen Aufwendungen, die den gemäß § 33 Absatz 2 Berechtigten bei der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen nach § 33 Absatz 1 und § 34a Absatz 1 entstehen, zu verwenden."'
Begründung:
Zu Ziffer 2 1:
[Die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung durch Kartellbehörden sollte unabhängig vom schuldhaften Handeln des Unternehmens bestehen. Denn der Abschöpfungsanspruch ist als ein Anspruch eigener Art nicht auf Schadensersatz, sondern auf Herausgabe {eines ungerechtfertigt erlangten} Erlöses {im Falle eines feststehenden Kartellverstoßes) gerichtet. {Rechtssystematisch ist daher ein Verschulden nicht zwingend erforderlich, so dass eine Abkehr vom Verschuldenserfordernis als gerechtfertigt zu betrachten ist.) Illegitime wirtschaftliche Vorteile, die durch Kartellrechtsverstöße erwirtschaftet werden, sind daher im Allgemeininteresse eines freien und unverfälschten, lauteren Wettbewerbs unabhängig von einem etwaigen Verschulden des handelnden Unternehmens herauszugeben.]
Zu Ziffer 22:
Die im geltenden Recht vorgesehene Herausgabe des abgeschöpften Gewinns an den Bundeshaushalt ist zu streichen. Anstatt dessen sind die abgeschöpften Beträge einem Sondervermögen des Bundes zweckgebunden, insbesondere zur Stärkung der Verbraucherarbeit, zuzuweisen. Aus ordnungspolitischer Sicht kommt der Gesamtheit der Verbraucherinnen und Verbraucher, als Funktionsträger einer informierten Marktentscheidung, eine dem unternehmerischen Marktverhalten der anbietenden Wirtschaft gleichgewichtige Stellung zu. Eine effiziente Verbraucherarbeit liegt damit im Allgemeininteresse der Funktionsfähigkeit einer marktwirtschaftlichen Wettbewerbsordnung. Die organisatorische und institutionelle Verbraucherarbeit ist aus Gründen ihrer gesellschaftspolitischen Aufgabe notwendigerweise auf eine Drittmittelfinanzierung angewiesen. Entgeltliche Geschäftsmodelle der Verbraucherarbeit sind nach der Aufgabenstellung von Verbraucherorganisationen nur in einem eingeschränkten Umfang sachgerecht und nach den konkreten Satzungsbedingungen der Verbraucherorganisationen nur begrenzt zulässig. Es ist daher gerechtfertigt, die Eigenfinanzierung der institutionalisierten Verbraucherarbeit zu stärken und die anbietende Wirtschaft an der Finanzierung der Verbraucherarbeit zu beteiligen, indem unrechtmäßig erworbene Finanzmittel der Unternehmen für die Verbraucherarbeit eingesetzt werden. Das Sondervermögen des Bundes soll ferner dafür eingesetzt werden, das Prozesskostenrisiko der im Kartellrecht klagebefugten Einrichtungen und Verbände, zu denen nach dem Gesetzentwurf auch die Verbraucherverbände gehören werden, zu verringern.
23. Zu Artikel 1 Nummer 17 Buchstabe a ( § 34 Absatz 1 GWB)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, die nach § 34 Absatz 1 GWB abgeschöpften wirtschaftlichen Vorteile an einen vom Bundeskartellamt zu diesem Zweck eingerichteten Fonds abzuführen. Die Mittel des Fonds sollten, nach Abzug der eigenen Aufwendungen des Bundeskartellamts, zur Erstattung von erforderlichen Aufwendungen der nach § 33 Absatz 2 GWB-E Berechtigten verwendet werden, die diesen bei der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen nach Absatz 1 entstehen. Soweit die abgeführten wirtschaftlichen Vorteile nicht zur Erstattung der Aufwendungen nach Satz 2 benötigt werden, können sie für Maßnahmen zur Förderung der Verbraucherberatung und des Verbraucherschutzes im Sinn von § 52 Absatz 2 Nummer 16 der Abgabenordnung verwendet werden.
Begründung:
Die nach § 33 Absatz 2 GWB-E Klageberechtigten tragen ein erhebliches Prozesskostenrisiko, das durch die bisher in § 34a Absatz 1 GWB geregelte Abführung der abgeschöpften wirtschaftlichen Vorteile an den Bundeshaushalt verschärft wird. Auch dann, wenn die aus Klagen von Wettbewerbszentralen und Verbraucherverbänden nach § 34a GWB abgeschöpften Gelder in ein Sondervermögen des Bundes fließen, aus dem Prozesskosten refinanziert werden können, besteht vor allem in der Anfangsphase mangels eines ausreichenden Kapitalstocks des Fonds ein weiterhin erhöhtes Prozesskostenrisiko. Daher erscheint es sinnvoll, auch die durch das Bundeskartellamt abgeschöpften Vorteile in das Fondsvermögen einzubeziehen. Da der vom Bundeskartellamt abgeschöpfte wirtschaftliche Vorteil in vielen Fällen den wirtschaftlichen Nachteil der Endverbraucher infolge kartellrechtswidriger (Preis-) Absprachen abbildet, ist es auch gerechtfertigt, etwaige Überschüsse für allgemeine Zwecke der Verbraucherarbeit zu verwenden.
24. Zu Artikel 1 Nummer 18 (§ 34a Absatz 1, Absatz 4 Satz 2 und 3, Absatz 5 GWB)4
Artikel 1 Nummer 18 ist wie folgt zu fassen:
'1 8. § 34a wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
(1) Wer einen Verstoß im Sinne des § 34 Absatz 1 begeht und hierdurch einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt, kann von den gemäß § 33 Absatz 2 zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten auf Herausgabe dieses wirtschaftlichen Vorteils an ein Sondervermögen des Bundes in Anspruch genommen werden, soweit nicht die Kartellbehörde die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils durch Verhängung einer Geldbuße, durch Verfall, durch Rückerstattung oder nach § 34 Absatz 1 angeordnet hat. Der an das Sondervermögen des Bundes herauszugebende Geldbetrag ist zweckgebunden zur Finanzierung der Verbraucherarbeit der Verbraucherorganisationen und zur Erstattung von erforderlichen Aufwendungen, die den gemäß § 33 Absatz 2 Berechtigten bei der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen nach Satz 1 und § 3 3 Absatz 1 entstehen, zu verwenden."
- b) In Absatz 4 werden die Sätze 2 und 3 aufgehoben.
- c) Absatz 5 wird wie folgt gefasst:
(5) § 33 Absatz 4 und 5 und § 34 Absatz 4 finden entsprechende Anwendung."'
Begründung:
Die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung durch klagebefugte Einrichtungen und Verbände sollte unabhängig vom schuldhaften Handeln des Unternehmens bestehen. Auch ist die Anspruchsvoraussetzung, wonach der Vorteil zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern oder Anbietern erlangt worden sein muss, zu streichen. Denn der Abschöpfungsanspruch ist als ein Anspruch eigener Art weder auf Schadensersatz noch auf Bereicherungsausgleich, sondern auf Erlösherausgabe gerichtet. Illegitime wirtschaftliche Vorteile, die durch Kartellrechtsverstöße erwirtschaftet werden, sind im Allgemeininteresse eines freien und unverfälschten, lauteren Wettbewerbs unabhängig von einem etwaigen Verschulden des handelnden Unternehmens oder einem individuellen Schadenseinschlag auf Abnehmerseite herauszugeben.
Die im geltenden Recht vorgesehene Herausgabe des abgeschöpften Gewinns an den Bundeshaushalt ist zu streichen. Anstatt dessen sind die abgeschöpften Beträge einem Sondervermögen des Bundes zweckgebunden zuzuweisen. Die dem Sondervermögen des Bundes zugewiesenen Mittel sollen unter anderem dafür verwandt werden, das Prozesskostenrisiko der klagebefugten Einrichtungen und Verbände zu verringern, um Klagehemmnisse abzubauen. In der Folge kann die derzeit bestehende Regelung, die das Bundeskartellamt unter bestimmten Voraussetzungen zur Erstattung erforderlicher Aufwendungen verpflichtet, gestrichen werden.
Klagebefugte Verbände und Einrichtungen sollten wie die Kartellbehörde bei der Vorteilsabschöpfung berechtigt sein, die Höhe des wirtschaftlichen Vorteils zu schätzen. Die bisher nur für Kartellbehörden geltende Regelung in § 34 Absatz 4 sollte entsprechende Anwendung finden.
25. Zu Artikel 1 Nummer 18 (§ 34a Absatz 1, Absatz 4 Satz 1 bis 3 und Absatz 5 GWB)
Artikel 1 Nummer 18 ist wie folgt zu fassen:
'18. § 34a wird wie folgt geändert:
Begründung:
Die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung durch klagebefugte Einrichtungen und Verbände sollte unabhängig vom schuldhaften Handeln des Unternehmens bestehen.
Der Abschöpfungsanspruch ist als ein Anspruch eigener Art nicht auf Schadensersatz gerichtet, sondern auf Herausgabe eines ungerechtfertigt erlangten Erlöses im Falle eines feststehenden Kartellverstoßes. Rechtssystematisch ist daher ein Verschulden nicht zwingend erforderlich, sodass eine Abkehr vom Verschuldenserfordernis als gerechtfertigt zu betrachten ist. Illegitime wirtschaftliche Vorteile, die durch Kartellrechtsverstöße erwirtschaftet werden, sind im Allgemeininteresse eines freien und unverfälschten, lauteren Wettbewerbs unabhängig von einem etwaigen Verschulden des handelnden Unternehmens herauszugeben.
Ferner ist die Anspruchsvoraussetzung, wonach der Vorteil zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern oder Anbietern erlangt worden sein muss, zu streichen. Die Vorteilsabschöpfung sollte nicht nur im Falle besonders gefährlicher kartellrechtswidriger Handlungen, nämlich solcher mit Breitenwirkung, zugelassen werden.
Die Herausgabe des wirtschaftlichen Vorteils an den Bundeshaushalt ist nicht gerechtfertigt. Die gerechte Verteilung von Vorteilen und Lasten gebietet vielmehr die Abführung des durch die Verbände und Einrichtungen abgeschöpften Vorteils an die Landeshaushalte.
Die Verbraucherverbände und qualifizierten Einrichtungen werden institutionell mit Mitteln der jeweiligen Landeshaushalte gefördert. Mittelbar tragen daher die Länder das Prozessrisiko bei gerichtlichen Verfahren gemäß § 34a GWB mit, so dass auch die Vorteilsabschöpfung dem jeweiligen Landeshaushalt zufließen muss.
Darüber hinaus erfordert die Ermittlung des erzielten Vorteils regelmäßig komplizierte Beweisaufnahmen, was zu einer erheblichen Belastung der Kartellgerichte führt, die ebenfalls von den Landeshaushalten getragen werden muss.
Klagebefugte Verbände und Einrichtungen sollten wie die Kartellbehörde bei der Vorteilsabschöpfung berechtigt sein, die Höhe des wirtschaftlichen Vorteils zu schätzen. Die bisher nur für Kartellbehörden geltende Regelung in § 34 Absatz 4 GWB sollte entsprechende Anwendung finden.
26. Zu Artikel 1 Nummer 18a - neu - (§ 34b - neu - GWB)5
In Artikel 1 ist nach Nummer 18 folgende Nummer 18a einzufügen:
'18a. Nach § 34a wird folgender § 34b eingefügt:
" § 34b Sondervermögen des Bundes
- (1) Die Bundesregierung errichtet ein zweckgebundenes Sondervermögen zur Verwaltung und zweckentsprechenden Verwendung der an das Sondervermögen nach den §§ 34*, 34a** herauszugebenden Geldbeträge und nach § 82a Absatz 2 Satz 3*** herauszugebenden Anteile an den Geldbußen.
- (2) Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die näheren Bestimmungen für das Organisationsstatut zur Verwaltung und zweckentsprechenden Verwendung des Sondervermögens des Bundes zu treffen." '
Begründung:
Diejenigen Mittel, die im Wege der Vorteilsabschöpfung gemäß §§ 34, 34a sowie anteilig von erhobenen Geldbußen der Kartellbehörde zweckgebunden gewonnen werden, erhalten den Status eines Sondervermögens des Bundes. Die Zweckbindung des Bundesvermögens wird in den §§ 34, 34a und 82a gesetzlich bestimmt. Die Verwaltung und Organisation des Sondervermögens wird dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz übertragen, welches gesetzlich ermächtigt wird, die Umsetzung einer zweckentsprechenden Mittelverwendung im Wege einer Rechtsverordnung im Einzelnen zu regeln.
27. Zu Artikel 1 Nummer 21 Buchstabe a (§ 3 8 Absatz 3 Satz 2 - neu - GWB)
In Artikel 1 Nummer 21 ist Buchstabe a wie folgt zu fassen:
'a) Absatz 3 wird wie folgt geändert:
Begründung:
Der für den Pressebereich geänderte Berechnungsfaktor soll keine Anwendung bei der Berechnung der Umsätze im Rahmen der Bagatellmarktklausel finden.
Zur Bestimmung der für den Pressebereich maßgeblichen Bagatellmarktgrenze wird der Umsatzberechnungsfaktor "Zwanzig" beibehalten. Andernfalls würde sich die Bagatellmarktgrenze für den Pressebereich durch die Anwendung des neuen Rechenfaktors "Acht" von 750.000 Euro auf 1,875 Mio. Euro erhöhen, was zur Folge hätte, dass es Großverlagen leichter gemacht wird, kleine und mittlere Zeitungsverlage aufzukaufen. Zur Sicherung der publizistischen Vielfalt und der Pressefreiheit ist es daher dringend erforderlich, kleine und mittlere Zeitungsverlage vor dem Aufkauf durch Großverlage zu schützen und die Bagatellmarktgrenze im Pressebereich mit einem Wert von maximal 750.000 Euro relativ gering zu halten. Eine weitergehende Befreiung der Zusammenschlüsse im Pressebereich von der behördlichen Fusionskontrolle ist im Sinne des Erhalts des Wettbewerbs - vor allem auf Regional- und Lokalmärkten - unbedingt zu vermeiden.
28. Zu Artikel 1 Nummer 35 (§ 64 Absatz 1 Nummer 2 GWB)
Artikel 1 Nummer 35 ist zu streichen.
Begründung:
Die Empfehlung bezweckt, Maßnahmen der Kartellbehörden nach § 31b Absatz 3 gegen Unternehmen der Wasserwirtschaft sowie Anordnungen zur Rückerstattung nach § 32 Absatz 2a mit gesetzlichem Sofortvollzug zu versehen.
Zu diesem Zweck wird die Einbeziehung beider Vorschriften in § 64 (aufschiebende Wirkung der Beschwerde), die der Regierungsentwurf vorsieht, gestrichen. Dies dient dem Ziel, die Missbrauchsvorschriften einfach, verständlich, einheitlich und wirkungsvoll zu gestalten; dem ist der Regierungsentwurf auch selbst verpflichtet (Begründung S. 21, Teil A 2, sowie S. 27, Teil A 5 b).
Zu § 3 1b Absatz 3 i.V.m. § 64 Absatz 1 Nummer 2
Der Regierungsentwurf sieht eine Besserstellung von Unternehmen der Wasserwirtschaft gegenüber Energieversorgern vor. Während Verfügungen der Kartellbehörden nach §§ 19, 29 gegen Energieunternehmen sofort vollziehbar sind, soll dies für Maßnahmen gegen Wasserversorger nicht gelten, obwohl es sich in beiden Fällen um leitungsgebundene Versorgung handelt. Eine Begründung dafür fehlt (vgl. Sondergutachten der Monopolkommission in BR-Drucksache 060/12 (PDF) , Rdn. 120).
Die von der Bundesregierung beabsichtigte Privilegierung der Wasserwirtschaft ist umso weniger nachvollziehbar, als damit das Ziel einer besonders wirksamen Kartellaufsicht verfehlt wird. Stets besteht dort eine "erhöhte Missbrauchsgefahr", da der Inhaber des Leitungsnetzes nach wie vor über ein natürliches Monopol verfügt (BGH-Beschluss "Wasserpreise Wetzlar" vom 2. Februar 2010, KVR 66/08; dem haben sich die Instanzgerichte angeschlossen (OLG Frankfurt/Main, Beschlüsse vom 3. März 2011 (11 W 2/11 (Kart)), "Wasserversorgung Wetzlar", WuW 2011, 492 sowie vom 20. September 2011 (11 W 24/11 (Kart)) "Rekommunalisierung", WuW 2012, 405; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. August 2011, 201 Kart/11 "Tarifwasser-Kunden", WuW 2011, 1099).
Beim Gesetzentwurf der Bundesregierung bleibt schließlich unklar, wieso diejenigen Verfügungen gegen Wasserunternehmen gesetzlich sofort vollziehbar sein sollen, die auf § 19 gestützt sind, nicht aber solche, die auf § 31b beruhen. Das leuchtet um so weniger ein, als es in zahlreichen Fällen nach § 31b ebenso wie in § 19 auf die Marktmacht ankommen wird (vgl. § 31b Absatz 5, der § 103 Absatz 7 alter Fassung entspricht) und nicht auf das Bestehen eines Konzessionsvertrages.
Der durch den Änderungsantrag beabsichtigte gesetzliche Sofortvollzug verbessert zudem die Effizienz kartellbehördlichen Handelns. Wasserunternehmen werden - das zeigt die Praxis - umso eher einer Verhandlungslösung zustimmen oder eine Verpflichtungszusage nach § 32b machen, wenn sie realistischerweise mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass sie eine Kartellverfügung sofort umsetzen müssen. Diese Funktion kann die im Entwurf der Bundesregierung angesprochene Möglichkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Kartellbehörde nach § 65 nicht entfalten, da sie wesentlich schwächer wirkt.
Zu § 32 Absatz 2a Satz 1 i.V.m. § 64 Absatz 1 Nummer 2
Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Regelung brächte eine Verschlechterung gegenüber der bestehenden Rechtslage mit sich. Der gesetzliche Sofortvollzug für Rückerstattungsanordnungen der Kartellbehörden soll gestrichen werden; dafür gibt es keinen überzeugenden Grund. Die Möglichkeiten zur Durchsetzung des Kartellrechtes würden verschlechtert.
Nach geltendem Recht sind Anordnungen der Kartellbehörden zur Rückerstattung kartellrechtswidriger Vorteile einschließlich Zinsen gesetzlich sofort vollziehbar (§ 64 in Verbindung mit §§ 19, 29). Darauf weist der Regierungsentwurf zu Recht hin (Text, S. 28, 37). Davon haben die Kartellbehörden bereits Gebrauch gemacht (vgl. Verfügung der hessischen Landeskartellbehörde Energie und Wasser vom 23. Dezember 2010, IV 5 b - 78 k 20 - 01 / 556 - 07, "Wasserpreise Wetzlar II", Tenor Nr. 5). Das OLG Frankfurt/Main ist dem gefolgt (Beschluss vom 3. März 2011, 11 W 2/11 (Kart), "Wasserversorgung Wetzlar", WuW 2011, 492, 495).
Die Bundesregierung will diese Rechtslage zu Lasten effektiver Kartellrechtsdurchsetzung verschlechtern, ohne dass die Begründung überzeugt. Die betroffenen Unternehmen hätten später "nur sehr geringe Chancen, die rückerstatteten Vorteile ... zurück zu erhalten". Dies wird gerne von Unternehmen vorgetragen, konnte in der Praxis aber nicht nachvollziehbar belegt werden. Dem Problem kann das jeweilige Unternehmen schon dadurch begegnen, dass es die Rückerstattung unter Vorbehalt stellt (vgl. OLG Frankfurt/Main, a. a. O. "Wasserversorgung Wetzlar", S. 500). Selbst bei mittlerweile weggezogenen Kunden kann eine einfache und kostengünstige Wohnsitzabfrage beim Einwohnermeldeamt, die jedermann möglich ist, Abhilfe schaffen.
Die Möglichkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Kartellbehörde nach § 65 kann den Nachteil nicht ausgleichen, den der Vorschlag der Bundesregierung mit sich brächte. Dies bedürfte einer gegenüber der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzuges gesonderten und aufwändigen Begründung im Einzelfall und würde somit wesentlich schwächer wirken.
29. Zu Artikel 1 Nummer 37 Buchstabe b (§ 81 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a GWB)
In Artikel 1 Nummer 37 ist Buchstabe b zu streichen.
Begründung:
Die Einfügung des § 31b Absatz 3 GWB-E in die Ordnungswidrigkeitstatbestände in § 81 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a GWB-E würde zu einer Verschärfung gegenüber der aktuellen Rechtslage führen. Nach der vorliegenden Begründung zum Gesetzentwurf soll mit der Überführung der bisherigen Übergangsregelungen in das aktuelle GWB lediglich die Systematik des GWB verbessert und die Anwendbarkeit für die Vollzugsbehörden erleichtert werden (vgl. Seite 31 BR-Drucksache 176/12 (PDF) ). Die zu Nummer 37 Buchstabe b GWB-E angeführte Begründung, dass es sich um eine Folgeänderung zur Neuregelung des § 31b GWB-E handeln würde, erschließt sich nicht.
30. Zu Artikel 1 Nummer 38a - neu - ( § 82a Absatz 1 GWB)
In Artikel 1 ist nach Nummer 38 folgende Nummer 38a einzufügen:
'38a. In § 82a Absatz 1 sind die Wörter "kann dem Vertreter der Kartellbehörde gestattet werden" durch die Wörter "hat der Vertreter der Kartellbehörde das Recht" zu ersetzen.
Begründung:
Durch die Änderung wird die bislang eher schwache Verfahrensstellung der Kartellbehörde im gerichtlichen Verfahren verbessert. Die bereits bestehende Möglichkeit des Gerichts, dem Vertreter der Kartellbehörde im Gerichtsverfahren Fragen zu gestatten, soll in Anlehnung an die bestehende Regelung in der Abgabenordnung (§ 407 Absatz 1 Satz 4 und 5) zu einem eigenständigen Fragerecht erweitert werden. Eine direkte Befragung durch den Vertreter der Kartellbehörde ist zweckmäßig, um das Fachwissen der Kartellbehörde unmittelbar in die Hauptverhandlung einzubringen, etwa bei der Befragung zu ökonomischen Fragestellungen oder wenn durch die vernommene Person überraschende Angaben gemacht werden, die von der Staatsanwaltschaft nicht vorbereitet werden konnten. Damit soll der großen Fachkompetenz der Kartellbehörden Rechnung getragen und deren Stellung aufgewertet werden. Die Änderung entspricht damit gleichzeitig der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 7. Dezember 2010, Rechtssache C-439/08 - VEBIC), die eine starke und eigenständige Stellung der Wettbewerbsbehörden im gerichtlichen Verfahren fordert.
31. Zu Artikel 1 Nummer 3 8a - neu - (§ 82a Absatz 2 Satz 3 - neu - GWB)6
In Artikel 1 ist nach Nummer 38 folgende Nummer 38a einzufügen:
- '38a. Dem § 82a Absatz 2 wird folgender Satz 3 angefügt:
"Ein Anteil an den Geldbußen in Höhe von 20 Prozent wird einem Sondervermögen des Bundes zweckgebunden zur Finanzierung der Verbraucherarbeit der Verbraucherorganisationen und zur Erstattung von erforderlichen Aufwendungen, die den gemäß § 33 Absatz 2 Berechtigten bei der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen nach § 3 3 Absatz 1 und § 34 Absatz 1 entstehen, zugewiesen." '
Begründung:
Erhobene Bußgelder wegen Kartellrechtsverstößen fließen derzeit ausschließlich in den Bundeshaushalt. Es sollte aber zumindest ein Anteil von 20 Prozent einem Sondervermögen des Bundes zweckgebunden zugewiesen werden, um die institutionalisierte Verbraucherarbeit zu stärken und das Prozesskostenrisiko der im Kartellrecht klagebefugten Einrichtungen und Verbände, zu denen nach dem Gesetzentwurf auch die Verbraucherverbände gehören werden, zu verringern.
Aus ordnungspolitischer Sicht kommt der Gesamtheit der Verbraucherinnen und Verbraucher, als Funktionsträger einer informierten Marktentscheidung, eine dem unternehmerischen Marktverhalten der anbietenden Wirtschaft gleichgewichtige Stellung zu. Eine effiziente Verbraucherarbeit liegt damit im Allgemeininteresse der Funktionsfähigkeit einer marktwirtschaftlichen Wettbewerbsordnung. Die organisatorische und institutionelle Verbraucherarbeit ist aus Gründen ihrer gesellschaftspolitischen Aufgabe notwendigerweise auf eine Drittmittelfinanzierung angewiesen. Entgeltliche Geschäftsmodelle der Verbraucherarbeit sind nach der Aufgabenstellung von Verbraucherorganisationen nur in einem eingeschränkten Umfang sachgerecht und nach den konkreten Satzungsbedingungen der Verbraucherorganisationen nur begrenzt zulässig. Es ist daher gerechtfertigt, die Eigenfinanzierung der institutionalisierten Verbraucherarbeit zu stärken und die anbietende Wirtschaft an der Finanzierung der Verbraucherarbeit zu beteiligen, indem von den Unternehmen erhobene Bußgelder in Höhe von 20 Prozent für die Verbraucherarbeit eingesetzt werden.
32. Zu Artikel 1 Nummer 43a - neu - (§ 130 Absatz 1 Satz 1a - neu - GWB)
Nach Artikel 1 Nummer 43 ist folgende Nummer einzufügen:
"43a. Nach § 130 Absatz 1 Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:
"In Bezug auf öffentlichrechtliche Gebühren und Beiträge findet eine kartellrechtliche Missbrauchskontrolle nicht statt."
Begründung:
Öffentlichrechtlich ausgestaltete Versorgungsverhältnisse und Leistungsverhältnisse, vor allem Gebühren unterliegen keiner kartellrechtlichen Prüfung. Ansatz des GWB ist die kartellrechtliche Entgeltkontrolle privater Unternehmen. Dies kann nicht auf eine landesrechtlich ausgestaltete kostenorientierte Gebührenerhebung übertragen werden. Gebühren und Beiträge sind nach den landesrechtlichen Vorschriften kostendeckend zu erheben. Hieraus ergibt sich ein gesetzliches Kostenüberschreitungsverbot als Grenze der Gebührenhöhe. Kalkulation und Abrechnung unterliegen der kommunalaufsichtlichen und verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Einer ergänzenden kartellrechtlichen Prüfung bedarf es daher nicht.
33. Zu Artikel 3 Nummer 1 (§ 4 Absatz 3 Satz 2 und 3 SGB V), Nummer 2 (§ 172a SGB V) und Artikel 4 Absatz 8 ( § 51 Absatz 3 SGG)
- a) Artikel 3 ist wie folgt zu ändern:
- aa) In Nummer 1 sind in § 4 Absatz 3 die neu anzufügenden Sätze 2 und 3 zu streichen.
- bb) Nummer 2 ist zu streichen.
- b) In Artikel 4 ist Absatz 8 zu streichen.
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Der Gesetzentwurf überträgt die Regelung, die § 69 SGB V für die (entsprechende) Anwendbarkeit des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) im Verhältnis der Krankenkassen zu den Leistungserbringern trifft, auf das Verhältnis der Krankenkassen und ihrer Verbände untereinander und zu den Versicherten. Außerdem ist vorgesehen, dass eine freiwillige Vereinigung von Krankenkassen durch die Aufsichtsbehörde zukünftig nur noch genehmigt werden darf, wenn das Bundeskartellamt die Vereinigung freigegeben hat oder sie als freigegeben gilt.
Beides ist nachdrücklich abzulehnen.
So ist generell festzuhalten, dass bereits kein Bedarf für die vorgesehene Erweiterung der (entsprechenden) Anwendbarkeit des GWB und eine "Fusionskontrolle" durch das Bundeskartellamt besteht und die gesetzlichen Regelungen des Gesetzentwurfs daher nicht geboten sind. In der Begründung heißt es hierzu nur, die genannten Rechtsbeziehungen sollten "unter den Schutz des Wettbewerbsrechts" gestellt werden, ein Schutzbedürfnis wird jedoch nicht benannt; ein solches ist auch nicht ersichtlich.
Denn sowohl nach deutschem als auch nach europäischem Recht sind Krankenkassen keine Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne und als Teil der mittelbaren Landes- beziehungsweise Bundesverwaltung ("organisatorisch verselbständigte Teile der Staatsgewalt", Bundessozialgericht, 24.01.2003, B 12 KR 19/01 R, zitiert nach juris, Rn. 108) mit Rechtsaufsicht in ein konsistentes System eingebettet, das insbesondere durch das Genehmigungserfordernis von freiwilligen Vereinigungen von Krankenkassen durch die Rechtsaufsicht den Bedarf an einer "Fusionskontrolle" vollständig befriedigt.
Das Verhalten der Krankenkassen sollte daher weiterhin nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben und allein durch die für die Rechtsaufsicht über die jeweilige Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde beurteilt werden. Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts, die im Verhältnis untereinander und zu ihren Mitgliedern zudem vom Solidarprinzip geprägt sind, sind nicht mit freien Unternehmen vergleichbar.
Die vom Bundesrat in BR-Drucksache 484/10(B) , Ziffer 8 bereits geäußerte Auffassung, dass die parallele Rechtsaufsicht nach dem Sozialrecht und die Missbrauchsaufsicht nach dem Kartellrecht zu Wertungswidersprüchen und neuer Bürokratie führen werden, gilt weiterhin. Die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen haben den Aufbau von kostenträchtigen und ineffizienten Doppelstrukturen zur Folge.
Außerdem besteht die begründete Befürchtung, dass jede weitere Ausdehnung der Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts eine Einstufung der Krankenkassen als Unternehmen nach europäischem Recht zur Folge hat. Nicht zuletzt der besondere Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenkassen würde dadurch gefährdet.
Neben diese generellen rechtlichen Erwägungen tritt gegen die Ausweitung der Anwendbarkeit des GWB auf das Verhältnis der Krankenkassen und ihrer Verbände untereinander sowie zu den Versicherten im Speziellen das Argument, dass die "Wettbewerbselemente", die in den letzten Jahren eingeführt worden sind, allein dem Ziel dienten, die Krankenkassen zu veranlassen, im Interesse des ordnungsgemäßen Funktionierens des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung, ihren gesetzlichen Auftrag im Verhältnis zu den Leistungserbringern nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit auszuüben.
Demgegenüber ist das Verhältnis der Krankenkassen und ihrer Verbände untereinander und zu den Versicherten von der Solidarität geprägt; die Krankenkassen sind zu einer kassenartenübergreifenden Solidargemeinschaft zusammengeschlossen, innerhalb derer ein Kosten- und Risikoausgleich erfolgt. Aufgrund dieses Solidarprinzips haben die Krankenkassen und ihre Verbände die gesetzliche Verpflichtung, "eng zusammenzuarbeiten" ( § 4 Absatz 3 SGB V). Ein Gewinnstreben, das für privatrechtliche Unternehmen prägend ist, ist den Krankenkassen fremd. Insofern ist auch keine Schutzlücke für die Versicherten erkennbar, denn Preise und Leistungen sind im Wesentlichen gesetzlich festgelegt und die Krankenkasse muss grundsätzlich jeden Versicherungspflichtigen nach seiner Wahl aufnehmen. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Ergänzungen des § 4 Absatz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch führen nach alldem zu nicht auflösbaren Widersprüchen. So heißt es bereits in der Entwurfsbegründung, "gemeinsame Verhaltensweisen der Krankenkassen, deren Schwerpunkt ( ... ) in einer im Patienteninteresse sinnvollen gemeinsamen Organisation der Versorgung liegt, dürften kartellrechtlich unbedenklich sein."
Die Regelung zur "Zusammenschlusskontrolle" schließlich kann zudem dem Prinzip der Selbstverwaltungsautonomie widersprechen und zur Verhinderung von beabsichtigten Synergieeffekten führen. Auf die Stellungnahme des Bundesrates in BR-Drucksache 755/06(B) , Ziffer 57 wird verwiesen. Bislang ist das Fusionsverfahren nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch vor allem auf die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen ausgerichtet und erhielte durch die beabsichtigte Änderung eine völlig neue Zielrichtung. Dies würde letztlich dazu führen, dass eine Vereinigung trotz dauerhafter Unwirtschaftlichkeit einer Krankenkasse unmöglich wird.
Vor allem aber läge durch ein Freigaberecht durch das Bundeskartellamt ein sachlich nicht gerechtfertigter Eingriff in das den Krankenkassen gesetzlich eingeräumte Recht auf Vereinigung sowie in die Aufsichtskompetenz der Aufsichtsbehörden vor. Nicht zuletzt stehen der vorgesehenen maßgeblichen Beteiligung des Bundeskartellamts bei freiwilligen Vereinigungen von landesunmittelbaren Krankenkassen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken entgegen.
Zu Buchstabe b:
Der Gesetzentwurf weist Streitigkeiten in Verfahren nach dem GWB, die die Anwendung des neuen § 4 Absatz 3 Satz 2 SGB V oder des neuen § 172a SGB V betreffen, der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu und trifft damit dieselbe Rechtswegzuweisung wie zu § 69 SGB V.
Als Folge der Änderung in Buchstabe a ist diese Regelung ebenfalls zu streichen. Inhaltlich gelten zudem dieselben fachlichen Einwände gegen eine Zuweisung zur ordentlichen, anstatt zur Sozialgerichtsbarkeit, wie im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgebracht. Auf die BR-Drucksache 484/10(B) , Ziffer 8 wird Bezug genommen. Die ordentlichen Gerichte sind nicht geeignet, die besonderen Belange der Sozialversicherung und den damit einhergehenden Versorgungsauftrag der Krankenkassen im erforderlichen Maß zu berücksichtigen.
34. Zu Artikel 3 (SGB V) allgemein
Der Bundesrat begrüßt die im Regierungsentwurf vorgesehene begrenzte Anwendbarkeit des Kartellrechts auf die Krankenkassen im Hinblick auf die vorgeschlagene Änderung der §§ 4 Absatz 3 und 172a SGB V. Damit wird das kartellbehördliche Instrumentarium komplettiert, um die in den letzten Jahren durch den Gesetzgeber geschaffenen wettbewerblichen Spielräume im Gesundheitswesen lückenlos schützen zu können. Eine Beibehaltung des status quo, also die Begrenzung der kartellrechtlichen Kontrolle auf die vertikalen Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern, ist unzureichend, um die wirtschaftliche Nutzung der knappen Ressourcen durch funktionsfähigen Wettbewerb zu ermöglichen. Gerade auf bislang geschlossenen oder erstarrten Märkten bedarf neu entstehender Wettbewerb, wie hier etwa durch das Angebot von Bonusprogrammen oder Wahltarifen, einer besonderen, gegebenenfalls komplementären Aufsicht durch Behörden mit einschlägiger Erfahrung.
Die Kartellaufsicht ergänzt insofern das dem Solidarprinzip und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems verpflichtete staatliche Aufsichtsregime, ohne dass hierdurch ein Zielkonflikt entsteht. Funktionsnotwendige Kooperationen oder Sanierungsfusionen sind beispielsweise auch kartellrechtlich unbedenklich oder zumindest freistellbar. Durch die vorgesehene entsprechende Anwendung des Kartellrechts ist klargestellt, dass Krankenkassen nicht als "Unternehmen" betrachtet werden.
Der Bundesrat sieht zudem die Notwendigkeit der gesetzlichen Klarstellung, dass die Fusionskontrolle auch auf Krankenkassen anwendbar ist. Die Entscheidung des Landessozialgerichts Hessen vom September 2011 stellt dies in Frage und setzt sich damit in Widerspruch zu der erklärten Auffassung des Gesetzgebers bei Erlass des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes. Dieser war seinerzeit ausdrücklich davon ausgegangen, dass keine weiteren gesetzlichen Maßnahmen gegen eine fusionsbedingte Konzentration von Krankenkassen notwendig seien, weil das Bundeskartellamt hier die Fusionskontrolle nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen durchführe (Begründung zu § 17 1a SGB V, BR-Drucksache 755/06 (PDF) , S. 422/423).
Die Anwendung des Kartellverbotes und der Missbrauchsaufsicht allein ist nicht sinnvoll, wenn eine Marktstrukturkontrolle unter wettbewerblichen Aspekten unterbleibt. Da die Fusionskontrolle auf der Anbieterseite, wie z.B.
auf Arzneimittelhersteller und Krankenhäuser unmittelbar Anwendung findet, führt der Gesetzentwurf der Bundesregierung auch zu einer angemessenen Gleichbehandlung der Akteure im Gesundheitswesen. Dabei ist auch zu bedenken, dass ein erheblicher Teil der Leistungserbringer ausschließlich regional tätig ist und deshalb noch weniger Ausweichmöglichkeiten auf andere Nachfrager besitzt als bundes- oder europaweit agierende Unternehmen.
35. Zu Artikel 4 Absatz 7 (§ 95 Absatz 2 Nummer 1 GVG)
Artikel 4 Absatz 7 ist zu streichen.
Begründung:
Die geplante Änderung des § 95 Absatz 2 Nummer 1 GVG, mit der deliktische kartellrechtliche Schadensersatzansprüche aus der bisherigen Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen herausgelöst und - wegen der rechtlichen und sachlichen Komplexität dieser Verfahren - der mit drei Berufsrichtern besetzten Zivilkammer zugewiesen werden sollen, stößt auf Bedenken. Abgesehen von einer nicht sinnvollen Zuständigkeitssplittung (es werden nur die genannten Ansprüche aus der Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen herausgelöst) haben die Kammern für Handelssachen große Erfahrung und Expertise in diesem Bereich und sind zudem in der Regel konstanter besetzt als eine allgemeine Zivilkammer. Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerechter, den Parteien - wie bisher - die Wahlmöglichkeit zu belassen, ob sie den Rechtsstreit vor der Zivilkammer oder der Kammer für Handelssachen verhandelt wissen wollen.
- *. Gilt bei Annahme von einer der nachfolgenden Ziffern 1 bis 3 als mitbeschlossen und ist gegebenenfalls redaktionell anzupassen.
- *. Die Hilfsempfehlung in Ziffer 15 entfällt nur bei Annahme von Ziffer 10 und 14.
- *. Die Hilfsempfehlung in Ziffer 15 entfällt nur bei Annahme von Ziffer 10 und 14.
- 1. Nur im Wi als Hauptempfehlung beschlossen.
- *. Die Hilfsempfehlung in Ziffer 15 entfällt nur bei Annahme von Ziffer 10 und 14.
- 2. Nur im Wi als Hilfsempfehlung beschlossen.
- 3. Gegebenenfalls redaktionelle Annpassung.
- 4. Sachzusammenhang mit Ziffer 22, 26 und 3 1.
- *. Die Empfehlungen des AV in den Ziffern 22, 24 und 26 und die Empfehlungen des R in den Ziffern 23 und 25 schließen sich aus.
- 5. Sachzusammenhang mit Ziffern 22, 24 und 31
- *. vgl. hierzu Ziffer 22
- **. vgl. hierzu Ziffer 24
- ***. vgl. hierzu Ziffer 31
- 6. Sachzusammenhang mit Ziffern 22, 24 und 26