Bundesministerium für Gesundheit Berlin, 24. März 2020
Parlamentarischer Staatssekretär
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
zu der Entschließung des Bundesrates zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) - BR-Drs. 128/19 (PDF) - übersende ich Ihnen die beigefügte Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas Gebhart
Anlage
Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit zur Entschließung des Bundesrates zum Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz - TSVG) - BR-Drucksache 128/19(B)
Zu Buchstabe a
Das Bedauern des Bundesrates, dass die umfangreichen Veränderungen am TSVG im parlamentarischen Verfahren nicht vorab mit den Ländern erörtert werden konnten, nimmt die Bundesregierung zur Kenntnis und verweist dazu auf die für das parlamentarische Verfahren geltenden grundgesetzlichen Beteiligungsrechte des Bundesrates. An den Sitzungen der beratenden Ausschüsse des Bundesrates zum TSVG haben regelmäßig auch Vertreter der betroffenen Fachabteilungen des Bundesministeriums für Gesundheit teilgenommen, um zu Fragen und Anmerkungen der Ländervertreter die Auffassung der Bundesregierung darzulegen.
Zu Buchstabe b
Die Befürchtung des Bundesrates, dass die Ziele des TSVG insbesondere wegen der Schaffung neuen und zusätzlichen bürokratischen Aufwandes nicht erreicht würden, teilt die Bundesregierung nicht. Das Ziel des TSVG, eine schnellere und bessere Versorgung flächendeckend sicherzustellen, wird insbesondere auch durch den Ausbau des vertragsärztlichen Sprechstundenangebotes und erleichterte Rahmenbedingungen für die vertragsärztliche Tätigkeit erreicht. Durch die Erhöhung der Mindestsprechstunden und des Angebots von offenen Sprechstunden für bestimmte Facharztgruppen werden unangemessen lange Wartezeiten auf Behandlungstermine verringert und der Zugang zur ambulanten ärztlichen Versorgung für die Versicherten erleichtert. Die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sind durch das TSVG im Rahmen einer vollzeitigen Tätigkeit daher verpflichtet, mindestens 25 Stunden für gesetzlich Versicherte zur Verfügung zu stehen. Arztgruppen, die der grundversorgenden und wohnortnahen Patientenversorgung angehören, haben darüber hinaus fünf Stunden pro Woche als offene Sprechstunden ohne vorherige Terminvermittlung anzubieten. Um die neuen gesetzlichen Anforderungen an das Sprechstundenangebot umzusetzen, bedarf es bei einigen Ärztinnen und Ärzten einer Umstellung der jeweiligen Praxisorganisation und eine Veröffentlichung der geänderten Sprechstundenzeiten. Dieser Aufwand wird vor dem Hintergrund des Ziels, eine schnellere und bessere Versorgung für die Versicherten zu schaffen, als gerechtfertigt angesehen. Die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte erhalten durch das TSVG für bestimme Leistungen zusätzliche Vergütungen bzw. Vergütungszuschläge außerhalb des Budgets. Darüber hinaus werden die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte durch das TSVG im Bereich der Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen von Regressrisiken und Bürokratieaufwand entlastet. Hierdurch wird die Attraktivität der vertragsärztlichen Tätigkeit erhöht.
Zu Buchstabe c
Die Sorge des Bundesrates, durch das TSVG würden Aufgaben im Gesundheitsbereich auf die Bundesebene verlagert und zentralisiert, teilt die Bundesregierung nicht. Durch das TSVG wurden die Rechte der Länder unter anderem in den Landesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen, deren Aufgabe die Sicherung einer passgenauen Versorgung ist, durch Ergänzung eines allgemeinen Antragsrechts im Gegenteil gestärkt. Ziel der Regelung ist es, dass die Länder versorgungsrelevante Erkenntnisse - wie beispielsweise über die lokale Versorgungslage, Altersstrukturen, Infrastruktur und Mobilität im jeweiligen Gebiet - auf eigene Initiative in die Landesausschüsse einbringen können. Damit wurde das bereits bestehende Mitberatungsrecht der Länder erweitert. Daneben wurden die Rechte der Länder auch in bestimmten Verfahren des Zulassungsausschusses nach § 96 SGB V gestärkt. Die genannten Regelungen stärken damit die Möglichkeiten der Länder, auf eine passgenaue Versorgung hinzuwirken und stehen damit einer vermeintlichen Tendenz, Kompetenzen auf die Bundesebene zu verlagern, entgegen.
Zu Buchstabe d
Die Mahnung des Bundesrates, die Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen bei neuen Aufgaben für die Länder sorgfältig zu prüfen, insbesondere hinsichtlich § 89a SGB V und § 96 Absatz 2a SGB V, wird zur Kenntnis genommen. Allerdings wurden mit dem TSVG in den genannten Vorschriften keine Regelungen getroffen, die einen grundgesetzlichen Zustimmungsvorbehalt des Bundesrates auslösen. Das sektorenübergreifende Schiedsgremium nach § 89a SGB V ersetzt lediglich das bereits vor dem TSVG bestehende erweiterte Schiedsgremium. Die in Absatz 10 Satz 1 und 2 normierten Aufsichtsregeln entsprechen dabei denen über das Schiedsamt nach § 89 SGB V. Durch § 96 Absatz 2a SGB V haben die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden - wie bereits oben unter Buchstabe c ausgeführt - in bestimmten Verfahren des Zulassungsausschusses die Befugnis zur Mitberatung, Information und Teilnahme sowie das Recht zur Stellung verfahrensleitender Anträge. Sie sollen dadurch in die Lage versetzt werden, bei für das Versorgungsgeschehen besonders relevanten Entscheidungen angemessen mitwirken zu können. Eine obligatorische Teilnahme der Länder an den Sitzungen der Zulassungsausschüsse ist mit dem neuen § 92 Absatz 2a SGB V nicht verbunden. Die Länder haben damit die Möglichkeit, sich auf für sie relevante Verfahren zu konzentrieren.
Zu den Buchstaben e und f
Die Kritik des Bundesrates an den Regelungen zu Grippeimpfstoffen weist die Bundesregierung zurück. Die Verantwortung für den bedarfsgerechten Planungsprozess zur Sicherstellung der Versorgung der Versicherten mit saisonalem Grippeimpfstoff tragen alle an der Impfstoffversorgung Beteiligten gemeinsam. Mit den Neuregelungen im TSVG wurden Maßnahmen getroffen, die frühzeitig zu mehr Transparenz bei der Planung führen und zu einer ausreichenden Bereitstellung von saisonalen Grippeimpfstoffen sowie zur Vermeidung von Lieferengpässen beitragen. Eine Zusammenarbeit aller Beteiligten ist dabei erforderlich. Dem Bundesministerium für Gesundheit liegen keine Informationen zu Lieferengpässen oder Versorgungs- und Verteilprobleme in der Grippeimpfsaison 2019/20 vor. Das Paul-Ehrlich-Institut hat für diese Impfsaison rund 21,2 Millionen Dosen Grippeimpfstoff freigegeben. Das sind rund 5.5 Millionen Dosen mehr als in der Impfsaison des Vorjahres.
Grippeimpfstoffe unterliegen grundsätzlich dem Apothekenvertriebsweg. Die Apotheken sind eng in die Versorgung mit saisonalem Grippeimpfstoff eingebunden. Die Vertragsärztinnen und -ärzte beziehen wie bisher die Impfstoffe als Sprechstundenbedarf von einer Apotheke. Eine Abstimmung zwischen der Arztpraxis und der Apotheke zum voraussichtlichen Bedarf erfolgt weiterhin.
Die Überführung der saisonalen Grippeimpfstoffe in die Arzneimittelpreisverordnung mit dem TSVG stellt klar, dass Impfstoffe für Schutzimpfungen nicht Gegenstand von Rabattverträgen sein können. Durch die Neuregelung der Apothekenvergütung in der Arzneimittelpreisverordnung wird dem wirtschaftlichen und logistischen Aufwand der Apotheken Rechnung getragen.
Mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) vom 9. August 2019 (BGBl. I S. 1202) wurde geregelt, dass die Inhaber von Zulassungen von saisonalen Grippeimpfstoffen die voraussichtlichen Preise der Grippeimpfstoffe für die kommende Saison bis spätestens zum 1. März eines Jahres an die Kassenärztliche Bundesvereinigung melden. Für die Vorbestellung von saisonalem Grippeimpfstoff stehen die Preisangaben zu den Impfstoffen zur Verfügung. Ärztinnen und Ärzte können somit eine frühzeitige, informierte Entscheidung über eine in der Menge ausreichende Bestellung von saisonalen Grippeimpfstoffen wirtschaftlich angemessen vornehmen.
Zur Sicherstellung der Versorgung trägt auch bei der Bestellung und Verordnung für den Praxisbedarf die Regelung zur Berücksichtigung eines angemessenen "Sicherheitszuschlags" bei.
Siehe Drucksache 128/19(B)