Die Länder begrüßen die Initiative der Bundesregierung, rechtzeitig zum Arbeitsbeginn der neuen Europäischen Kommission und vor ihren ersten grundsätzlichen Überlegungen zum künftigen 8. Forschungsrahmenprogramm und seinem Verhältnis zu den Initiativen des Europäischen Forschungsraums (EFR), aber auch zu den ersten Beschlüssen zur Haushaltsüberprüfung, Eckpunkte für die Weiterentwicklung der Europäischen Forschungspolitik aus deutscher Sicht zu formulieren.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die folgende Länderposition für die Entwicklung des 8. Forschungsrahmenprogramms in die Verhandlungen auf europäischer Ebene einzubeziehen:
- 1. Die Überlegungen zum Europäischen Forschungsraum und zum künftigen 8. Forschungsrahmenprogramm sollten in eine forschungs- und innovationspolitische Gesamtstrategie eingebunden werden, die sich an den Zielen Wachstum, Beschäftigung und nachhaltige Entwicklung orientieren muss. Das bisherige Lissabon-3%-Ziel ist europaweit noch lange nicht erreicht.
Im globalen Wettbewerb kann Europa jedoch nur durch verstärkte Investitionen in Forschung und Entwicklung bestehen. Das Forschungsrahmenprogramm ist gleichzeitig zu einer festen Größe für die internationale Zusammenarbeit von Industrie und Wissenschaft in den Mitgliedstaaten geworden. Im Kontext der Post-Lissabon-Strategie sollte folglich in den Blick genommen werden, dass die notwendige weitere Erhöhung der Ausgaben für Forschung und Innovation in Europa nicht allein auf die Ausgaben der Mitgliedstaaten konzentriert werden kann. Eine Erhöhung des Anteils am Haushalt der EU zur Umsetzung der künftigen Post-Lissabon 2010 - Strategie ist dringend erforderlich.
Mischfinanzierungen aus nationalen und europäischen Finanzierungsanteilen dürfen nicht an die Stelle von Gemeinschaftsprogrammen treten.
- 2. Auch werden bei stärkerer europäischer Zusammenarbeit nationale und regionale Programme nicht entbehrlich. Unterschiedliche Forschungsförderansätze der Mitgliedstaaten, die einen produktiven Wettbewerb der Forscher und der Ideen sichern, müssen bei aller Notwendigkeit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auch in Zukunft in deren Entscheidungsfreiheit belassen werden.
So wird auch die Umsetzung der sogenannten fünften Freiheit, also der Freizügigkeit für Forscher, wissenschaftliche Erkenntnisse und Technologien, als Teil der Politik des Europäischen Forschungsraums am Besten gelingen, wenn etwa Fortschritte im Bereich der Alterssicherung als Teil möglichst ungehinderter Mobilität von der mitgliedstaatlichen Verantwortung und den mitgliedstaatlichen Institutionen getragen werden. Der viel zitierte Mangel an Identifikation mit den politischen Leitpunkten der Gemeinschaft (ownership), wirkt sich sonst auch im Bereich des Europäischen Forschungsraums aus. Der Königsweg, um verlässliche Wege zur Stärkung der Zusammenarbeit und zur Ausräumung von Hemmnissen zu identifizieren und zu verwirklichen, ist die Achtung der wechselseitigen Zuständigkeiten und der nationalen Institutionen bei gleichzeitig ausgeweiteten und gestärkten Angeboten für grenzüberschreitende Kooperation auf freiwilliger Basis, wie durch die Offene Methode der Koordinierung, die variable Geometrie und insbesondere durch das 8. EU-Forschungsrahmenprogramm.
- 3. Die Länder sehen - wie der Bund - das zukünftige Forschungsrahmenprogramm als zentrales strategisches Instrument zur Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums. Es sollte Motor für die Implementierung des Ljubljana-Prozesses und der Initiativen des EFR sein und diese unterstützen. Die mit dem künftigen Rahmenprogramm verbundenen Ziele können nur erreicht werden, wenn die Akteure mitziehen. Dies gilt für alle die schon bisher erfolgreich an der Forschungsförderung der Gemeinschaft teilnehmen, dies gilt aber erst recht für diejenigen, die erst noch verstärkt gewonnen werden sollen, wie z.B. KMU.
- 4. Vor diesem Hintergrund ist zur Wahrung der Teilnahmebereitschaft eine möglichst hohe Kontinuität beim Übergang vom 7. zum 8. Forschungsrahmenprogramm geboten. Immer wieder neue Förderformen und -bedingungen stellen die Beteiligten vor erhebliche Probleme und führen selbst bei Gutwilligen zu sinkender Teilnahmebereitschaft. Die Förderinstrumente sollten daher fortgeschrieben werden und überschaubar bleiben. Die Schaffung neuer Instrumente sollte mit der nötigen Offenheit für Verbesserungen, aber auch mit Bedacht erfolgen.
Mit besonderem Nachdruck wird die Fortsetzung der insbesondere im Spezifischen Programm "Kooperation" geförderten Verbundforschung als wichtigstes Instrument des Rahmenprogramms gefordert. Dabei muss gewährleistet sein, dass die Fortsetzung mit gleicher Intensität erfolgt und auch künftig kleinere Projekte möglich sind, an denen sich vor allem Hochschulen und KMU beteiligen können. Gemessen an der Ausrichtung der Gemeinsamen Programmplanung an den großen gesellschaftlichen Herausforderungen und der besonderen Definition des europäischen Mehrwerts sollte die Verbundforschung ein breiteres Themenspektrum der Wissenschaftsbereiche abdecken und auch ihre Funktion eines Einstiegs- und Basisprogramms für die europäische und internationale Forschungsvernetzung bewahren. Ebenso ist die Ausprägung der Wissenschaftsbereiche in der Tiefe von großer Bedeutung.
Die Gemeinsame Programmplanung darf keinesfalls zu einer Schmälerung des Themenspektrums oder des Budgets der Verbundforschung führen.
Die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, deren zentrale Träger für Forschung in Deutschland und Europa die Hochschulen sind, bilden eine wichtige kulturelle Basis für die europäische Zusammenarbeit und spielen eine zentrale Rolle bei der interdisziplinären Bewältigung wichtiger Herausforderungen der europäischen Gesellschaft, wie z.B. der Alterung der Gesellschaft. Bei der Forderung nach einer Erhöhung des Mitteleinsatzes sollte daher besonders auch die Verbundforschung in diesem Bereich berücksichtigt werden.
Eine stärkere Integration bisher eigenständiger Programme und Instrumente, wie z.B. des Programms Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) oder das Europäischen Instituts für Innovation und Technologie (EIT), ist zu begrüßen, sofern die entsprechenden Mittel bereitstehen. Die Vielfalt im Bereich der Plattformen und Instrumente in der Zusammenarbeit von Industrie und öffentlich getragener Forschung sollte aber auf wenige, strukturell begründbar unterschiedene Instrumente zurückgeführt werden (TP, JTI, PPP, KIC im EIT etc.).
Eine möglichst hohe Kontinuität sollte auch bei den Marie-Curie-Maßnahmen gewährleistet sein. Die Programme sollten ihre Wiedererkennbarkeit bewahren unabhängig von ihrer organisatorischen Zuordnung in der Kommission. Sie sind als Mobilitätsprogramm für die Forschermobilität notwendiger Teil der Forschungspolitik und damit des EFR.
- 5. Von besonderer Bedeutung für das künftige Forschungsrahmenprogramm in allen seinen Bereichen ist die ausschließliche Geltung des Exzellenzkriteriums bei der Auswahl von Projekten. Nur so können der wesentliche Beitrag zur Stärkung der wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen und der Beitrag zur Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaft erbracht werden.
Für die Anliegen der Kohäsion sind die dafür vorgesehenen Finanzierungsinstrumente einzusetzen, die mehr denn je mit innovationspolitischen Zielen verbunden werden müssen.
Die erkenntnisgeleitete Grundlagenforschung darf dabei nicht in den Hintergrund geraten. Mit dem Europäischen Forschungsrat (European Research Council/ERC) und der Förderung von grundlagenorientierter Pionierforschung ist es gelungen, in sämtlichen Disziplinen der Wissenschaften, insbesondere auch bei den benachteiligten Geisteswissenschaften, noch einmal einen besonderen Maßstab zu setzen.
Bei der Weiterentwicklung des ERC sollten bei Berücksichtigung der Ergebnisse der Zwischenbewertung die Profilschärfung im Hinblick auf eine weltweit anerkannte wissenschaftliche Auszeichnung, die Sicherung von Autonomie und Transparenz in der Governance und eine ausreichende Finanzausstattung im Vordergrund stehen. Die bisherige Tätigkeit des ERC hat gezeigt, dass der Bottom-Up-Ansatz zu sehr guten Ergebnissen führt. Es sollte daher über eine Ausweitung dieses Prinzips auf andere Bereiche innerhalb des 8. Forschungsrahmenprogramms nachgedacht werden.
- 6. Zentrale Herausforderung in Europa wird es auch in Zukunft sein, Forschungsergebnisse besser als bisher in neue Produkte, Verfahren und Dienstleistungen umzusetzen. Die Länder unterstützen daher nachdrücklich die Idee eines Ansatzes des 8. Forschungsrahmenprogramms, das die drei Bereiche des Wissensdreiecks besser integriert. Die Verknüpfung der unterschiedlichen Politikansätze bei gleichzeitiger Harmonisierung von Instrumenten und Regeln ist auch hier Kernanliegen. Die Einbindung der Hochschulen als Träger von Forschung und Innovation und der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist entscheidend. Die Programme für die intersektorale Mobilität, aber auch insgesamt die Beteiligungsmöglichkeiten der Hochschulen an europäischen Förderprogrammen, müssen nicht nur gewahrt, sondern erweitert werden. Ein Schlüssel sind hier, wie für KMU und Industrie, einfache und durchgängig einheitliche Regeln. Alle geeigneten Mittel, eine raschere Umsetzung von Erkenntnissen in Produkte und Dienstleistungen zu erreichen, sollten genutzt und verstärkt werden.
Dazu gehört, wo immer angebracht, auch die Integration von Demonstrationstätigkeiten in die Themenkonzeption. Mit Rücksicht auf kleine und mittlere Verbundprojekte bzw. solche Verbundprojekte, die keine unmittelbare Marktnähe aufweisen, bleibt es aber sinnvoll, Demonstrationsmaßnahmen auch nach dem erfolgreichen Abschluss des Projekts - ggf. unter vereinfachten Antragsbedingungen - zu fördern. Die europäischen industriegetriebenen Technologieinitiativen sind ein wichtiges Instrument zur Schließung der Innovationslücke durch Kooperation von Anfang an. Die Finanzierung aus dem FRP darf nicht zu Lasten der Verbundforschung erfolgen.
- 7. Zur Steigerung der Effizienz sollten die Ergebnisse evidenzbasierter Evaluation sich auch während der Laufzeit des Rahmenprogramms umsetzen lassen. Daher wird die Vorstellung des Bundes begrüßt, das 8. Forschungsrahmenprogramm als "lernendes Programm" zu gestalten.
Mehr denn je sollten die Mechanismen der Einbeziehung der Stakeholder transparent gestaltet sein. Ihr Mitwirken ist sowohl in den Beratungen als auch als Gutachter von kaum zu unterschätzender Bedeutung. Gleichzeitig sind Strukturen erforderlich, die Verantwortungen nachvollziehbar und erkennbar gestalten. Dies gilt nicht zuletzt für Art und Auswertung von Konsultationsverfahren. Eine stärkere Beteiligung der Programmausschüsse, u.a. auch um die Maßnahmen des Forschungsrahmenprogramms mit denen der gemeinsamen Programmplanung abzustimmen, ist ausgesprochen wünschenswert.
Im Rahmen der Verantwortung von CREST sollte Sorge getragen werden, dass die verschiedenen Initiativen des EFR sich im FRP als dem entscheidenden Hebel zu seiner Verwirklichung wiederfinden.
- 8. Die Beteiligung von Hochschulen, KMU und Industrie am Rahmenprogramm muss durch den Abbau von Bürokratie verbessert werden. Dringender Wert wird auf einheitliche Beteiligungsregeln gelegt. Abweichungen bzw. differierende Regeln führen zu einem sehr hohen Beratungsaufwand und zu Unsicherheiten. Im Interesse der Hochschulen sind bei geistigen Eigentumsrechten und bei den Finanzhilfevereinbarungen darüber hinaus die bewährten Standards für Verbundprojekte anzuwenden. In allen Bereichen der europäischen Forschungsförderung müssen möglichst gleiche Regeln zur Anwendung kommen.
Ziel muss die Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren, Berichtspflichten und Finanzierungsmodalitäten sein. Die Ankündigung der Kommission, nach Vorliegen der Zwischenbewertung des 7. Forschungsrahmenprogramms (Mitte 2010) hierzu weitgehende Vorschläge zu machen wird nachdrücklich begrüßt. Insbesondere sollte die Möglichkeit von Pauschalzahlungen bei der Abrechnung von Projekten geprüft werden. Hierzu liegen entsprechende Stellungnahmen von deutscher Seite vor.
- 9. Vor diesem Hintergrund hebt der Bundesrat bezüglich der EFR-Initiativen hervor:
- - Die Initiativen des Europäischen Forschungsraums sollten durch gleiche Grundsätze und Regeln bestimmt sein. Vergleichsmaßstab sollten immer die besten Leistungen weltweit sein (Exzellenzprinzip). Das gilt zum Beispiel auch für die Gestaltung des ESFRI-Prozesses (European Strategy Forum on Research Infrastructures).
- - Die Gemeinsame Programmplanung, in der die Mitgliedstaaten in gemeinsam identifizierten, zentralen Forschungsbereichen auf freiwilliger Basis zusammenarbeiten, ist ein sinnvolles Instrument für eine effizientere Nutzung der begrenzten öffentlichen Forschungsmittel in Europa. Der Weg der Identifikation von Themenfeldern im Bereich der großen Herausforderungen, die einen Mehrwert durch die europäische und internationale Zusammenarbeit versprechen, sollte fortgesetzt werden.
Dabei sollte die Anzahl der Themen überschaubar gehalten werden. Die Gemeinsame Programmplanung sollte sich eingeführter Strukturen, wie der ERA-Nets, bedienen.
Die Gemeinschaft sollte einen substantiellen Beitrag leisten.
Nachdrücklich unterstützt der Bundesrat das Eintreten der Bundesregierung für einen von den Mitgliedstaaten getriebenen Prozess.