979. Sitzung des Bundesrates am 28. Juni 2019
A
1. Der federführende Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Auschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen.
B
Der federführende Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Auschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat ferner, die nachfolgende Entschließung zu fassen:
2.
- a) Der Bundesrat begrüßt, dass der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA) mit der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 2019 (BAnz AT 19.02.2019 B2) für die Vergabe von Bau leistungen ein einheitliches, verzahntes und aufeinander aufbauendes Regelwerk erarbeitet hat. Die weitgehend vereinheitlichten Bestimmungen der VOB für Vergaben unterhalb und oberhalb der EU-Schwellenwerte sowie die allgemeinen und allgemein technischen Vertragsbedingungen sind den Anwendern in der Praxis vertraut und stellen sicher, dass die Verfahrensprozesse und die Vertragsgestaltung und -abwicklung beim Bauen rechtssicher und zügig durchgeführt werden können.
- b) Der Bundesrat begrüßt, dass insbesondere die Forderung nach Vereinheitlichung divergierender Regelungen zur Nachforderung von Unterlagen im Sinne des § 56 Absatz 2 (Vergabeverordnung - VgV) in der VOB/A geregelt worden ist (vgl. BR-Drucksache 087/16(B) Ziffer 3 vom 18. März 2016).
- c) Der Bundesrat stellt fest, dass Bauleistungen, Liefer- und Dienstleistungen grundsätzlich in unterschiedlichen Herstellungsprozessen entstehen und deshalb bei deren Beschaffung unterschiedliche Vorschriften anzuwenden sind. Eine Zusammenfassung der Regelungen von VOB/A und der VgV in einem Regelwerk würde daher keine Vereinfachung für den Anwender mit sich bringen. Die für die Vergabe von Bauleistungen notwendigen Regelungen müssten weiterhin in einem eigenen Abschnitt der VgV erfasst werden und würden der Forderung nach Vereinfachung der komplexen Regelwerke zum Vergaberecht zuwiderlaufen (vgl. BR-Drucksache 087/16(B) Ziffer 1 vom 18. März 2016).
Seit Februar 2019 prüft eine Arbeitsgruppe des Bundeswirtschafts- und des Bundesinnenministeriums, welches Vereinheitlichungspotenzial angesichts bauspezifischer Regelungen zwischen VOB/A und VgV besteht. Der Bundesrat fordert deshalb die Bundesregierung auf, deren Abschlussbericht abzuwarten sowie detailliert darzulegen, welches Vereinheitlichungspotenzial und welche Besonderheiten des Bauvergaberechts bestehen, bevor die Bundesregierung weitere Überlegungen zur Entwicklung des Vergaberechts für Bauleistungen unternimmt.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) mit den Vergabebestimmungen unterhalb und oberhalb der EU-Schwellenwerte (VOB/A) sowie den allgemeinen (VOB/B) und allgemein technischen Vertragsbedingungen (VOB/C) sind den Anwendern in der Praxis vertraut und stellen sicher, dass die Verfahrensprozesse, Vertragsgestaltungen und -abwicklungen beim Bauen rechtssicher und zügig durchgeführt werden können. Für alle Bauvergaben gilt, dass die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B) und die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (VOB/C) Bestandteile des Vertrags werden.
Die Ausschüsse des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses für Bauleistungen (DVA) setzen sich paritätisch aus kompetenten Fachleuten der Auftraggeber- und Auftragnehmerseite zusammen und beschließen Vorlagen zur VOB mit Dreiviertelmehrheit. Durch diesen Konsens aller am Bauprozess Beteiligten werden praxisorientierte, bundesweit akzeptierte Vergabe- und Vertragsregelungen geschaffen. Dieses Rechtssystem hat sich seit über 90 Jahren in Deutschland bewährt. In der VOB/A in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 2019 sind zahlreiche Vereinfachungen und Vereinheitlichungen geschaffen worden.
Das ausdrücklich erklärte politische Ziel, schneller Wohnungen und Infrastruktur zu bauen, würde durch die Abschaffung der VOB/A gefährdet, weil damit allen am Bau Beteiligten das eingeführte, bekannte und gemeinsam erarbeitete Regelwerk entzogen würde. Es steht zu befürchten, dass sich in der Folge noch mehr Bauunternehmen aus der öffentlichen Beschaffung zurückziehen und damit die Aufgabenerfüllung für die öffentlichen Auftraggeber wegen der überhitzten Baukonjunktur, deren Ende nicht absehbar ist, weiter erschwert wird. Weitere negative Auswirkungen ergäben sich zum Beispiel auf die im Rahmen der Klimaschutzdiskussion geforderte und notwendige energetische Ertüchtigung des Gebäudebestands.
Für die Beschaffung von Bauleistungen gelten viele vergaberechtliche Regelungen, die für Liefer- und Dienstleistungen nicht erforderlich sind; zu nennen sind zum Beispiel
- − der für Bauleistungen deutlich höhere Schwellenwert,
- − die Sonderregelungen wie die Förderung der ganzjährigen Bautätigkeit zum Zwecke der gleichmäßigen Auslastung der Bauwirtschaft (§ 2 EU Absatz 9 VOB/A),
- − die umfangreichen Regelungen zur Leistungsbeschreibung (§§ 7 ff. EU VOB/A),
- − die Sonderregelungen für Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit (§ 22 EU VOB/A).
Diese Besonderheiten, die im Oberschwellenbereich rund 40 Prozent aller Vorschriften der VOB/A betreffen und im Unterschwellenbereich gut 60 Prozent, müssten auch bei einer Integration von VOB/A in VgV und Unterschwellenvergabeverordnung (UVgO) berücksichtigt werden. Vergabestellen müssen für Liefer- und Dienstleistungen einerseits und für Bauleistungen andererseits in großen Teilen unterschiedliche Vorschriften anwenden. Dies gilt unabhängig davon, wie das Regelwerk benannt ist. Aufgrund der Erfahrung mit den aus der Vergabeverordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) in die VgV aufgenommenen Regelungen zu Planungswettbewerben für Architekten- und Ingenieurleistungen wäre sogar zu befürchten, dass aufgrund von Verweisungen innerhalb der VgV neue rechtliche Abgrenzungsprobleme entstünden.
Eine Zusammenlegung von VOB/A und VgV würde daher keine Vereinfachung des Regelwerks für den Anwender mit sich bringen.
3.
- a) Der Bundesrat stellt fest, dass die Bundesregierung die Inkraftsetzung eines überarbeiteten zweiten Abschnitts der VOB/A vorschlägt, ohne das Ergebnis einer kritischen Überprüfung der generellen Aufrechterhaltung eines eigenen Regelwerkes für bauspezifische Vergabeverfahren vorzulegen. Die Bundesregierung kommt damit einer entsprechenden Prüfbitte des Bundesrates nicht nach, die dieser bereits in seinem Beschluss vom 18. März 2016 (BR-Drucksache 087/16(B) ) geäußert hat. Der Bundesrat hatte dem die Überlegung zugrunde gelegt, dass inhaltlich und strukturell voneinander abweichende Regelungen zu Bau- und sonstigen Vergabeverfahren einer Rechtfertigung bedürfen. Zudem war der Bundesrat zu dem Ergebnis gekommen, dass gerechtfertigte Besonderheiten des Bauvergaberechts in einen eigenen Abschnitt der jeweiligen Verordnung überführt werden sollten.
- b) Der Bundesrat hält diese Haltung aufrecht. Die Vereinheitlichung des Vergaberechts ist mehr denn je dringend geboten, da die Komplexität im Vergaberecht durch rechtliche Vorgaben sowie formale Verfahrensanforderungen (z. Bsp. die von der Europäischen Kommission geplanten neuen Standardformulare für die Veröffentlichung von Bekanntmachungen im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe) weiterhin zunimmt.
- c) Um die aktuell notwendige Novellierung nicht zu behindern, stimmt der Bundesrat den Änderungen der Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung (VgV) und der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) zu, damit die geänderten VOB/A EU und VOB/A VS in Kraft gesetzt werden können. Gleichzeitig fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, die Arbeitsgruppe zur Prüfung der Vereinheitlichung des Vergaberechts zu nutzen und detailliert darzulegen, welches Vereinheitlichungspotential und welche gerechtfertigten Besonderheiten des Bauvergaberechts bestehen. In Umsetzung der Ergebnisse ist durch die Bundesregierung dann gegebenenfalls zeitnah ein Entwurf einer Rechtsverordnung mit den einheitlichen Verfahrensvorgaben sowie den bauspezifischen Regelungen zu erstellen und die Umsetzung in einem parlamentarischen Verfahren durch Bundestag und Bundesrat einzuleiten.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit, dass für die Vergabepraxis im Baubereich die geänderte VOB/A EU und VOB/A VS zeitnah in Kraft treten. Er erkennt als positiv an, dass die Verordnung neben redaktionellen Änderungen auch einige Änderungen und Erleichterungen enthält, die vom Bereich der Bauvergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte nun inhaltsgleich auf die Vergabe von Bauleistungen im Bereich oberhalb der EU-Schwellenwerte übertragen werden.
Gleichwohl kritisiert der Bundesrat, dass dem bereits mit dem Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2016 verfolgten Ziel der Vereinheitlichung und Vereinfachung des Vergaberechts immer noch nicht Rechnung getragen worden ist. Die Parallelstruktur der Verfahrensregelungen für die Vergabe von Bauleistungen einerseits und für Liefer- und Dienstleistungen andererseits wird fortgeführt. Diese Struktur ist eine aus der Historie gewachsene Besonderheit in Deutschland, die nach den EU-Vergaberechtsrichtlinien nicht verpflichtend ist. Sachlich begründet sind unterschiedliche Strukturen und Verfahrensregelungen für gleiche Sachverhalte ebenfalls nicht. Dadurch wird unnötige Bürokratie sowie Komplexität im Vergabeverfahrensrecht geschaffen, die es zu vermeiden gilt.
Um Bürokratie abzubauen und die Vergabestellen zu entlasten, sind die Verfahrensregelungen für gleichartige Sachverhalte dort anzupassen, wo gleiche Verfahrensschritte sowohl für den Bau-, als auch für den Liefer- und Dienstleistungsbereich gelten. Ein vereinheitlichter Vergabeverfahrensprozess beträfe nicht materielles Recht und hätte damit für die Baupraxis und die Unternehmen keine spürbaren oder gar negativen Auswirkungen, da die Verfahrensregelungen nur von den Vergabestellen umzusetzen sind. Die Verfahrensregelungen für den Baubereich sollten zudem wie in allen anderen Rechtsbereichen auf parlamentarischer Basis vom Gesetz- und Verordnungsgeber erlassen werden. Da bei einer entsprechenden Änderung die Verfahrensregelungen für den Liefer-, Dienstleistungs- und Baubereich vereinheitlicht gefasst würden, wären damit alle Verfahrensregelungen vom parlamentarischen Rechtsetzungsprozess erfasst.
Besonderheiten, die nur die Vergabe von Bauleistungen betreffen, sollten in einem eigenen Abschnitt geregelt werden. In diesem Bereich sollten auch weiterhin die Fachleute der Auftraggeber- und Auftragnehmerseite in fachkundigen Vergabeausschüssen ihr wichtiges Fachwissen für die Vergabepraxis einbringen. Auch die VOB/B sowie die VOB/C sollten beibehalten und vom Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen weiterentwickelt werden.