aaa) Absatz 4 ist durch folgende Absätze zu ersetzen:
"Es ist weiterhin zutreffend, dass die StPO eine verpflichtende mündliche Anhörung gerade in den Fällen vorsieht, in denen es um das Freiheitsgrundrecht geht und das Gericht eine schwierige Prognoseentscheidung zu treffen hat. Es muss die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten des Verurteilten im Vollzug, seine Lebensverhältnisse sowie die Wirkungen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind, im Wege einer "prognostischen Gesamtwürdigung" umfassend abwägen.
Es ist nicht auszuschließen, dass die Videokonferenztechnik bei Menschen, die der Technik gegenüber nicht aufgeschlossenen oder misstrauisch sind, Ängste auslösen oder Hemmungen verursachen kann. Auch wenn mit der Zunahme von "digital natives" diese Bedenken an Gewicht verlieren, können sich doch im Einzelfall Einbußen in der Kommunikation ergeben, entweder psychologisch durch die Situation des "Redens gegen eine Wand" ohne ein real existierendes menschliches Gegenüber oder qualitativ durch Einbußen bei der Übertragung von Bild- und Tonsignalen.
Aus dem verfassungsrechtlich verbürgten Freiheitsgrundrecht und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ( Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes) folgt deshalb ein Anspruch des Verurteilten auf eine Anhörung, bei der sich der Richter ein möglichst umfassendes Bild von der zu beurteilenden Person verschafft. Dem Verurteilten darf nicht die Möglichkeit genommen werden, sich persönlich vor dem Gericht zu "präsentieren", d.h. sich positiv darzustellen und einen etwaigen negativen Eindruck hinsichtlich seiner Person, der sich aus den Berichten der Justizvollzugsanstalt ergeben mag, zu revidieren. Primär arbeitsökonomischen oder fiskalischen Interessen gegenüber muss das Freiheitsgrundrecht grundsätzlich nicht zurücktreten (vergleiche OLG Frankfurt, NStZ-RR 2006, 357, beckonline).
Dem Grundrechtsschutz wird ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass der Verurteilte einer vom Gericht intendierten Videoanhörung widersprechen kann. Denn eine Videoanhörung kann für den Verurteilten auch Vorteile haben, weil ihm nicht nur der Gefangenentransport erspart bleibt, sondern auch die stigmatisierende Wirkung einer Fesselung, die unbewusst in die vom Gericht zu treffende Prognoseentscheidung eingehen kann (vergleiche dazu Esser, NStZ 2003, 464, beckonline)."