3. Der Bundesrat sieht jedoch kein Bedürfnis dafür, in diesem Zusammenhang in dem Maß in die unterschiedlichen nationalen Systeme zur Durchsetzung von Verbraucherschutzgesetzen einzugreifen, wie dies der Verordnungsvorschlag der Kommission vorsieht. Auch wenn die vorgeschlagene Verordnung gemäß Artikel 2 Absatz 1 unmittelbar nur für - grenzüberschreitende - Verstöße innerhalb der Europäischen Union und weitverbreitete Verstöße im Sinne des Artikels 3 Buchstaben b und c gelten soll, würde die Umsetzung der in Artikel 8 und 9 enthaltenen Vorschriften zu den Mindestbefugnissen der zuständigen Behörden und deren Ausübung einen grundlegenden Systemwechsel in zentralen Bereichen des in Deutschland geltenden Verbraucherschutzrechts erforderlich machen:
In Deutschland erfolgt die Durchsetzung zahlreicher im Anhang zu dem Verordnungsvorschlag (vergleiche Drucksache zu286/16) aufgeführter Vorschriften nicht durch Verwaltungsbehörden, sondern in erster Linie mit den Mitteln des Zivilrechts, wobei neben der Möglichkeit der individuellen Rechtsdurchsetzung durch die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher oder die verletzten Mitbewerberinnen und -bewerber eine besondere Klagebefugnis von Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Verbraucherverbänden sowie Kammern bestehen kann. Als Beispiele seien die Vorschriften genannt, die die Richtlinien über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Nummer 1 des Anhangs), den Verbrauchsgüterkauf (Nummer 3 des Anhangs), unlautere Geschäftspraktiken (Nummer 9 des Anhangs) sowie irreführende und vergleichende Werbung (Nummer 11 des Anhangs) umsetzen. Bei schwerwiegenden Verstößen greift ergänzend das Strafrecht ein.
Dieses System hat sich im Grundsatz, gerade auch im Bereich des Lauterkeitsrechts, über Jahrzehnte bewährt.
Der Verordnungsvorschlag sieht dagegen eine umfassende behördliche Durchsetzungsbefugnis auch für individuelle Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher mit weitgehenden Eingriffs- und Sanktionsmöglichkeiten vor, die dem deutschen Recht fremd ist. So soll die zuständige Behörde etwa nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe n befugt sein, den für den Verstoß verantwortlichen Händler anzuweisen, Verbraucherinnen und Verbraucher zu entschädigen oder ihnen ein Angebot zu unterbreiten, den Vertrag zu beenden. Soweit nach Artikel 9 vorgesehen werden kann, dass die zuständigen Behörden ihre Befugnisse nach Artikel 8 nicht unmittelbar in eigener Verantwortung, sondern im Wege eines Antrags an die Gerichte ausüben, wäre eine entsprechende Antragsbefugnis zum einen - gerade im Hinblick auf die Durchsetzung individueller Verbraucherrechte - ebenfalls ein Fremdkörper im bisherigen deutschen System. Zum anderen lässt sich die Vorgabe in Artikel 9 Absatz 2, wonach in diesem Fall die Gerichte die Befugnis haben müssen, im Rahmen der Verordnung zu handeln, das heißt alle Ermittlungsund Durchsetzungsmaßnahmen nach Artikel 8 Absatz 2 zu treffen, nicht mit den für das geltende Verfahrensrecht maßgeblichen Grundsätzen in Einklang bringen.
Schließlich sind die in Artikel 8 Absatz 2 definierten "Mindestbefugnisse" mit so weitgehenden Eingriffen in die Rechte der Betroffenen verbunden, dass eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, diese Befugnisse den zuständigen Behörden für jedweden Verstoß im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 gegen eine der im Anhang aufgeführten Vorschriften einzuräumen, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eindeutig widerspricht.
Der Bundesrat hält eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der in dem Verordnungsvorschlag vorgeschlagenen umfassenden bürokratischen Lösung somit weder für erforderlich noch für verhältnismäßig und lehnt sie daher ab.