Der Bundesrat hat in seiner 970. Sitzung am 21. September 2018 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst
Anlage
Entschließung des Bundesrates "Freien und fairen Außenhandel für Stahl sicherstellen"
- 1. Der Bundesrat betont, dass die Stahlindustrie in Deutschland mit ihren 85.000 Arbeitsplätzen und ihrer Einbindung in die industriellen Wertschöpfungs- und Beschäftigungsketten unverzichtbar ist zur Sicherung der Leistungs- und Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft insgesamt. Mit ihren Produkten trägt die Stahlindustrie zudem maßgeblich zur Verbesserung der Ressourcen- und Energieeffizienz bei. Gerade viele Innovationen für den Klimaschutz, wie etwa bei der Windkraft oder bei leichteren Werkstoffen für den Automobilbau, können nur mit modernen Stählen erreicht werden.
- 2. Der Bundesrat bekennt sich zu einem freien, regelbasierten und fairen Außenhandel in einer globalisierten Welt. Er bittet die Bundesregierung, sich bei der Kommission dafür einzusetzen, dass Strategien erarbeitet werden, wie dem weltweit zunehmenden Protektionismus beim Außenhandel begegnet und mit den von der Welthandelsorganisation WTO zur Verfügung gestellten Instrumenten Verzerrungen im internationalen Wettbewerb und Belastungen der guten Handelsbeziehungen zwischen langjährigen transatlantischen Partnern wirksam entgegengewirkt werden kann. Eine Eskalation von Handelskonflikten muss vermieden und der Weg für kooperative Verhandlungslösungen der Probleme im Stahl- und Aluminiumbereich offengehalten werden.
- 3. Angesichts der von den USA mit nationalen Sicherheitsinteressen begründeten und für einige Handelspartner nunmehr geltenden Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte muss sich die Europäische Union als handlungsfähig erweisen. Sie sollte daher gegen diese Maßnahmen konsequent mit den Instrumenten vorgehen, die hierfür von der Welthandelsorganisation WTO bereitgestellt werden. Hierbei muss den Folgen der zu erwartenden Handelsumlenkungen möglichst zeitnah und effektiv begegnet werden. Die von der Kommission erlassenen vorläufigen Schutzmaßnahmen gegen Stahleinfuhren aus Drittstaaten werden daher begrüßt. Gleichzeitig wird die Bundesregierung gebeten, sich bei der Kommission dafür einzusetzen, dass das Schutzklausel-Instrument in einer flexiblen Art und Weise eingesetzt wird, die den regulatorischen Spielraum der WTO ausschöpft. Hierzu zählen beispielsweise länderspezifische Zollkontingente und Importquoten.
- 4. Der Bundesrat begrüßt die am 25.07.2018 erfolgte Verständigung des US-Präsidenten und des EU-Kommissionspräsidenten, den transatlantischen Außenhandel zu stärken und bestehende Handelshemmnisse abzubauen. Dies zeigt, dass der Weg für kooperative Verhandlungslösungen zwischen befreundeten Handelspartnern weiterhin offen ist. Der Bundesrat begrüßt die Absicht, den Problemkreis der Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte und der anschließenden Gegenmaßnahmen einer Lösung zuzuführen. Er bittet die Bundesregierung, sich bei der EU-Kommission dafür einzusetzen, dass diese Lösung zügig gefunden wird und die Verhandlungen zum Abbau weiterer Handelshemmnisse zeitnah begonnen werden.
- 5. Der Bundesrat hält einen freien, regelbasierten und fairen Außenhandel für unabdingbar und weist daher auf die Bedeutung eines effektiven, aber WTO-konformen, Handelsschutzes zum Ausgleich wachsender Verzerrungen im internationalen Wettbewerb hin. Er begrüßt in diesem Zusammenhang die auf EU-Ebene erzielten Einigungen zur Modernisierung der EU-Handelsschutzinstrumente, welche stetig auf ihre Wirksamkeit und ihre Wirkungen überprüft werden sollten.
- 6. Der Bundesrat ist gleichwohl der Überzeugung, dass globale Probleme, wie zum Beispiel Überkapazitäten in der Stahlindustrie, nur global und mit Hilfe marktwirtschaftlicher Anpassungsprozesse gelöst werden können. Er bittet daher die Bundesregierung, die Arbeit des Globalen Stahlforums der G20 weiter voranzutreiben, um marktverzerrende Subventionen weltweit abzubauen.
- 7. Um zukünftig Handelskonflikte zu vermeiden oder diese zügig beilegen zu können, muss das bestehende regelbasierte multilaterale Handelssystem gestärkt und mit allen Partnern fortentwickelt werden. Der Bundesrat unterstützt angesichts des zunehmenden Protektionismus daher ausdrücklich das Bestreben, die Regeln des Welthandels zu modernisieren und das Primat der WTO bei der Aufstellung und Durchsetzung dieser Regeln wiederherzustellen.
- 8. Diese multilateralen Regelungswerke müssen ebenso wie die WTO grundsätzlich die Verantwortung für die Belange in allen Teilen der Welt im Blick haben. Hierzu zählen sowohl die Arbeits- und Sozialstandards der Internationalen Arbeitsorganisation als auch die vereinbarten Klimaschutzziele und die UN-Ziele zur nachhaltigen Entwicklung. Weder die multi- noch die bilateralen Regelungswerke dürfen zur Beeinträchtigung der hohen Standards der Europäischen Union in den Bereichen des Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutzes führen. Der Bundesrat ist der Überzeugung, dass dies zur Herstellung von fairen Wettbewerbsbedingungen beitragen kann.
Begründung:
Die Stahlbranche zählt zum industriellen Kern Europas und Deutschlands. Deutschland ist der größte Stahlhersteller in der EU und der siebtgrößte Stahlhersteller der Welt. Die Stahlindustrie ist ein Werkstofflieferant mit zentraler Bedeutung für industrielle Wertschöpfungsnetzwerke. Als Grundstoffindustrie ist sie notwendig und unverzichtbar zur Sicherung der Leistungs- und Innovationsfähigkeit der Wirtschaft sowie der Wertschöpfung und Beschäftigung vor Ort und strahlt in ihrer Wirkung weit über die Bundesrepublik nach Europa aus.
Die Branche steht jedoch im Bereich des Außenhandels vor großen Herausforderungen. Dazu zählen neben massiven globalen Überkapazitäten und Dumpingpraktiken auch aktuelle protektionistische Bestrebungen, etwa durch Verhängung von Zöllen, die überaus fragwürdig erscheinen. Darüber hinaus unterliegt der Wirtschaftszweig Regulierungskosten in der EU, die in dieser Form weltweit so nicht zum Tragen kommen und damit dessen internationale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen können.
Die Bedrohung des freien Außenhandels durch die von den USA verhängten Zölle auf Stahl und Aluminium darf die EU nicht hinnehmen. Einerseits ist eine geschlossene und konsequente Positionierung der EU daher besonders wichtig. Ebenso sollte der Rechtsrahmen für Schutzmaßnahmen gegen umgeleitete Handelsströme bei Stahl und Aluminium im Einklang mit den WTO-Vorschriften ausgeschöpft werden. Andererseits müssen auf Basis der Verständigung des US-Präsidenten und des EU-Kommissionspräsidenten vom 25.07.2018 weitere Anstrengungen unternommen werden, um Handelshemmnisse für Industrieprodukte wie Stahl- und Aluminiumerzeugnisse in ausgewogener Weise abzubauen.
Für die effektive Sicherung eines freien und fairen Außenhandels wurde mit der Reform der Handelsschutzinstrumente der EU eine neue Grundlage geschaffen, deren Tragfähigkeit sich in der Zukunft erweisen muss. Die Ursache der aktuellen Handelskonflikte im Stahlbereich liegt in weltweiten Überkapazitäten. Diese können nicht mit Handelsschutzmaßnahmen, sondern nur im Verhandlungswege abgebaut werden. Daher bedarf es eines verstärkten Einsatzes diplomatischer Mittel, für den mit dem Globalen Stahlforum der G20 der geeignete organisatorische Rahmen geschaffen wurde.