Europäische Kommission
Brüssel, den 4.5.2012
C(2012) 2673 final
Herrn Prof. Dr. Horst Seehofer
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3 - 4
D-10117 Berlin
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen ("CRD IV") (KOM (2011) 453 endgültig). Wir bedauern die Verzögerung bei der Beantwortung dieser Stellungnahme.
Zu den von Ihnen angesprochenen Punkten antworten wir wie folgt: Umsetzung von Basel III durch eine Verordnung/Richtlinie
Bisher stützt sich das europäische Bankenrecht auf eine Richtlinie, die die Möglichkeit für erhebliche Abweichungen im nationalen Recht bietet. Hierdurch ist ein Flickenteppich an Rechtsvorschriften entstanden, der zu Rechtsunsicherheit geführt, Instituten die Ausnutzung von Gesetzeslücken ermöglicht, den Wettbewerb verzerrt, und es Unternehmen erschwert hat, im Binnenmarkt tätig zu werden.
Im Juni 2009, orderte der Europäische Rat die Schaffung eines einheitlichen EU-Regelwerks, das für sämtliche Finanzinstitute im Binnenmarkt gültig ist. Ziel dieses einheitlichen Regelwerks ist die Bereitstellung eines einheitlichen Katalogs harmonisierter Aufsichtsregeln, die unionsweit für die Banken gelten und somit die einheitliche Anwendung der Basel-III-Anforderungen in allen Mitgliedstaaten sicherstellen. Hierdurch werden Gesetzeslücken geschlossen und somit ein Beitrag zum wirksameren Funktionieren des Binnenmarktes geleistet. Die Kommission schlägt vor, nationale Optionen und Ermessensspielräume aus der Eigenkapitalrichtlinie zu streichen und eine vollständige Harmonisierung dadurch zu erreichen, dass die Mitgliedstaaten strengere Anforderungen nur anwenden dürfen, wenn diese aus Gründen der Finanzstabilität oder wegen des spezifischen Risikoprofils einer Bank notwendig sind
Parallele Umsetzung von Basel III
Die EU hat ein Interesse an der Stärkung ihres Bankensystems. Da Basel III dieses Ziel verfolgt, ist seine Umsetzung im Interesse der EU. Es handelt sich hierbei ebenfalls um eine wichtige Verpflichtung der G20. Die Gefahr der Aufsichtsarbitrage dürfte somit begrenzt sein, da alle wichtigen Gesetzgeber ähnliche Vorschriften anwenden. Darüber hinaus wird der Rat für Finanzstabilität in diesem Jahr die Umsetzung in den unterschiedlichen Rechtsordnungen überprüfen. Die Kommission wird der Frage gleicher Wettbewerbsbedingungen große Aufmerksamkeit schenken.
Eigenkapitaldefinition
Gemäß Basel III dürfen Kapitalinstrumente des harten Kernkapitals bei Unternehmen, die Stammaktien ausgeben können - sogenannten Aktiengesellschaften -, nur Stammaktien umfassen, die 14 strenge Kriterien erfüllen. Der Kommissionsvorschlag beschränkt die höchste Klasse eines Kapitalinstruments nicht auf "Stammaktien", sondern verlangt, dass Investitionen die 14 strengen Kriterien erfüllen, um in die höchste Klasse eines Kapitalinstrumentes eingestuft zu werden. Um den von anderen Unternehmen als Aktiengesellschaften wie Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit, Genossenschaften und Sparkassen ausgegebenen Finanzinstrumenten Rechnung zu tragen, wurden angemessene .Änderungen vorgenommen. Dieses Vorgehen richtet sich eher nach der Qualität eines Kernkapitalinstruments als nach der Rechtsform. Angesichts von 27 unterschiedlichen Gesellschaftsrechtssystemen in der EU würde die Bezugnahme auf "Stammaktien" nicht für eine Einheitlichkeit der Instrumente sorgen.
Stille Einlagen
Es ist darauf hinzuweisen, dass die Bestandsschutzregelungen der CRD II die Einstufung von Instrumenten, die die geänderten Anforderungen von Artikel 57 Buchstabe a nicht erfüllten, als hybride Instrumente der Eigenkapitalklasse 1 ermöglichen. Sie ermöglichten ihnen nicht die weitere Einstufung als " ursprüngliche Eigenmittel" gemäß Artikel 57 Buchstabe a, d.h. als das entsprechend der heutigen Regelung häufig Kernkapital genannte Kapitalelement. Folglich wurden stille Einlagen, die die Anforderungen des neuen Artikels 57 Buchstabe a nicht erfüllten, ab dem 31. Dezember 2010 nicht länger als ursprüngliche Eigenmittel gemäß Artikel 57 Buchstabe a betrachtet, sondern als ursprüngliche Eigenmittel anrechenbare Instrumente der Eigenkapitalklasse 1 gemäß Artikel 63 Buchstabe a, vorbehaltlich einer Laufzeit von 30 Jahren.
Bei der Änderung der CRD im Jahre 2009, der sogenannten CRD II, wurden weitere Verbesserungen bei der Eigenkapitaldefinition vorgenommen. Bereits 2009 hatten die Staats- und Regierungschefs der G20 den Baseler Ausschuss beauftragt, die Qualität und Quantität des Kapitals zu verbessern. Dies führte dazu, dass die Staats- und Regierungschefs beim G20-Gipfel im November 2010 in Seoul die Basel-III-Verpflichtungen zur Stärkung des Finanzsystems bekräftigten. Vor Inkrafttreten der CRD II am 31. Dezember 2010 wurde Basel III, einschließlich der neuen Übergangsbestimmungen für Kapital und der Verpflichtung der G20-Führer zu ihrer Umsetzung, öffentlich bekannt. Die CRD IV setzt diese Verpflichtungen um, auch durch Einführung der neuen Übergangsvorschriften für Kapital.
Bei der Erarbeitung der Vorschläge für die CRD IV nahm die Kommission eine sorgfältige Analyse der kumulativen Wirkung der CRD-IV-Vorschläge auf die EU-Finanzinstitute und die Realwirtschaft der EU vor. Die Ergebnisse wiesen die Vorteile der CRD-IV-Vorschläge überzeugend nach und bestätigten die Eignung des vorgeschlagenen Zeitrahmens für die vollständige Anwendung der neuen Vorschriften.
Sanktionen
Im Hinblick auf eine Mindestharmonisierung der Sanktionen bevorzugt die Kommission eine wirksame Eindämmung der Verstöße gegen die Kapitalvorschriften. Uni die Effizienz zu verbessern und sowohl die Kunden der Kreditinstitute als auch die Marktteilnehmer zu informieren, hält die Kommission die Veröffentlichung von Sanktionen für angemessen.
Allerdings bleibt die Kommission offen für Verbesserungen bei der Ausarbeitung von Einzelheiten, einschließlich der Ausnahmen von der allgemeinen Regel.
Delegierte Rechtsakte (Artikel 443)
Im Rahmen der Verordnung muss makroprudentielle Flexibilität gewährleistet sein, so dass die Maßnahmen, wie angesichts der gegenwärtigen Krise deutlich wurde, bei Bedarf wirksam und effizient durchgeführt werden können. Artikel 443 gehört zu den wichtigsten Elementen des CRD-IV-Pakets, das für diese makroprudentielle Flexibilität sorgt. Darüber hinaus bietet er auch Rechtssicherheit, da die ergriffenen Maßnahmen rechtsverbindlich sind. Die Mitgliedstaaten können sich bei makroprudentiellen Bedenken an die Kommission wenden, die rasch und flexibel reagieren kann. Somit werden sowohl die Wirksamkeit des Instruments als auch das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes gewährleistet.
Die Rechtsgrundlage für delegierte Rechtsakte findet sich in Artikel 290 AEUV. Befugnisübertragungen bieten sich in diesem Zusammenhang an, da angestrebt wird, rasch auf Krisensituationen zu reagieren, und delegierte Rechtsakte im Grundsatz innerhalb einer Woche erlassen werden können. Das Europäische Parlament und der Rat können natürlich Einwände gegen einen delegierten Rechtsakt erheben und/oder die Übertragung widerrufen.
Verbindliche technische Standards
Damit die Verordnung wirksam werden kann, müssen technische Standards für eine Klärung der Einzelheiten sorgen. Die EBA verfügt über die Fähigkeiten und das notwendige technische Wissen, um die technischen Standards im Einzelnen auszuarbeiten. Die von der EBA ausgearbeitete Fassung wird von der Kommission entweder durch einen Durchführungsrechtsakt oder einen delegierten Rechtsakt verabschiedet. Angesichts des Zeitrahmens für die Verabschiedung des CRD-IV-Pakets kann die erste Fassung noch nicht das benötigte Maß an Genauigkeit und Klarheit aufweisen. Die Kommission hat sorgfältig geprüft, welche Aufgaben der EBA zur Erarbeitung der Umsetzungs- und Regelungsnormen übertragen werden sollten. Die Verhandlungen mit dem Rat und dem Europäischen Parlament haben gerade begonnen. Diese Organe prüfen ebenfalls die in dem Paket dargelegten technischen Standards.
Liquidität
Die Kommission teilt die Auffassung des Bundesrates, dass der Festlegung verbindlicher Liquiditätsstandards ein Überwachungszeitraum vorgeschaltet werden sollte. Daher hat sie vorgeschlagen, eine genaue Mindestliquiditätsquote nicht vor 2015 zu bestimmen. Ferner teilt die Kommission die Auffassung, dass die Marktliquidität der Aktiva durch die EBA überprüft werden sollte, bevor endgültige Beschlüsse über die Definition der liquiden Mittel gefasst werden. Von Förderbanken emittierte Schuldverschreibungen werden ebenfalls dieser Analyse unterzogen.
Verschuldungsquote
Die Kommission nimmt die Bedenken des Bundesrates hinsichtlich der möglicherweise negativen Folgen der Einführung einer Verschuldungsquote für Institutionen mit risikoärmerem Geschäftsmodell zur Kenntnis. Allerdings müssen in den nächsten Jahren Informationen gesammelt werden, um derartige Folgen genau zu bewerten und bei Bedarf die Ausgestaltung und Kalibrierung der Verschuldungsquote zu ändern, um diese Folgen abzuschwächen. Deshalb beabsichtigt die Kommission die Durchführung einer umfassenden Überprüfung im zweiten Halbjahr 2016.
Die Übelprüfling der Kommission beginnt aus zwei Gründen früher als die vom Baseler Ausschuss vorgesehene Prüfung. Zunächst möchte die Kommission über Informationen hinsichtlich der Auswirkungen der Verschuldungsquote in der EU schon vor Beginn des Basel-Prozesses verfügen, um diesen Prozess beeinflussen zu können. Da ein Beschluss über die Verabschiedung der Verschuldungsquote als Maßnahme der ersten Säule vor 2018 im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens gefasst werden muss, ist zweitens nach Auffassung der Kommission ein "früher Beginn der Überprüfung notwendig.
Die Kommission versteht die Bedenken des Bundesrates hinsichtlich der Veröffentlichung der Verschuldungsquote ab 2015. Allerdings glaubt die Kommission nicht, dass eine Verschiebung oder selbst ein Verzicht auf eine Veröffentlichungspflicht die Bedenken beseitigen könnten. Auch ohne ein Veröffentlichungsgebot würde der Markt nach wie vor versuchen, die Verschuldungsquote der einzelnen Institute zu bestimmen. Da sich diese Bewertungen zwangsläufig auf unvollständige Informationen stützen, könnte eine Nichtveröffentlichung mehr nachteilige Folgen haben als eine Veröffentlichungspflicht. Nach Auffassung der Kommission ist es vernünftiger, dafür zu sorgen, dass die dem Markt zur Verfügung stehenden Informationen korrekt sind, und die Institute die Möglichkeit haben, Veränderungen ihrer Verschuldungsquote zu begründen.
Finanzierung von KMU
Die Kommission teilt die Einschätzung, dass die Gewährleistung eines ständigen Kreditflusses an die KMU von entscheidender Bedeutung ist. Die Folgenabschätzung der Kommission zeigt, dass Basel III nicht zu einer Verringerung der Kreditvergabe an KMU führen dürfte.
Es ist ferner festzustellen, dass die gegenwärtige Eigenkapitalrichtlinie (CRD) und der Basel-Il-Rahmen den Instituten bereits jetzt eine niedrigere Risikogewichtung als die standardisierten 75 % erlauben. Falls die Institute nachweisen können, dass ihre Kreditvergabe an KMU in der Vergangenheit zu geringeren Verlusten geführt hat, können sie den auf internen Ratings basierenden Ansatz anwenden, was diesen Instituten die Anwendung einer geringeren Risikogewichtung ermöglichen würde.
Darüber hinaus ist die Europäische Bankenaufsichtsbehörde bereits gebeten worden, die Frage der Risikogewichtung für KMU-Kredite zu prüfen. Im Laufe des Jahres 2012 wird sie der Kommission darüber Bericht erstatten.
Die Kommission hofft, die in der Stellungnahme geäußerten Bedenken ausgeräumt zu haben. Mit freundlichen Grüßen
Siehe Drucksache 424/11(B)