Der Bundesrat hat in seiner 936. Sitzung am 25. September 2015 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 6 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 SGB VIII)
In Artikel 1 Nummer 3 ist § 6 Absatz 2 wie folgt zu ändern:
- a) In Satz 1 sind die Wörter "tatsächlichen Mittelpunkt der Lebensführung" durch die Wörter "gewöhnlichen Aufenthalt" zu ersetzen.
- b) In Satz 2 sind die Wörter "tatsächlichen Mittelpunkts der Lebensführung" durch die Wörter "gewöhnlichen Aufenthalts" zu ersetzen.
Begründung:
Die Einführung einer neuen Begrifflichkeit (der tatsächliche Mittelpunkt der Lebensführung) ist nicht zielführend. Aus der Begründung ist nicht ersichtlich, inwieweit sich dieser neue Begriff von der bislang vorgegebenen Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts unterscheidet; vielmehr wird dort weiterhin erläutert, was unter dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts, nämlich der tatsächliche Mittelpunkt der Lebensführung, zu verstehen ist. Die
Verwendung unterschiedlicher Begriffe sollte vermieden werden, wenn diese eine inhaltlich identische Bedeutung haben sollen. Dies könnte vielmehr zu einer Rechtunsicherheit führen.
Es ist nicht erklärlich, warum an dieser Stelle nicht weiterhin der gewöhnliche Aufenthalt als Voraussetzung gewählt wird.
2. Zu Artikel 1 Nummer 3a - neu - (§ 42 Absatz 4 Nummer 2 Satz 2 - neu SGB VIII) und Nummer 4 (§ 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 - neu SGB VIII)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- a) Nach Nummer 3 ist folgende Nummer 3a einzufügen:
- b) In Nummer 4 ist § 42a Absatz 2 Satz 1 wie folgt zu ändern:
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Nach der Systematik des Gesetzentwurfs erfolgt die Inobhutnahme im Anschluss an die vorläufige Inobhutnahme und an die Verteilung nach § 42 SGB VIII. In § 42 Absatz 1 SGB VIII wird bereits auf die Sondersituation von unbegleiteten minderjährigen Ausländern eingegangen.
§ 42 Absatz 4 SGB VIII regelt die Beendigung der Inobhutnahme. Es erscheint sinnvoll, in § 42 Absatz 4 SGB VIII eine Regelung aufzunehmen, die sich bezogen auf unklare Altersangaben auf die Regelung Alterseinschätzung in § 42a SGB VIII bezieht. Damit gelten rechtlich die gleichen Bedingungen bezogen auf die Alterseinschätzungen im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme und des daran anschließenden Clearings nach der Verteilung.
Zu Buchstabe b:
Notwendig s i.d.R. gelungen zur verbindlichen Alterseinschätzung. Der Gesetzentwurf sieht keine Regelungen für die Anforderungen an die Altersfeststellung vor. Diese sind jedoch erforderlich, um Auseinandersetzungen, die im Nachhinein über Altersfragen entstehen können, zu vermeiden. Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme ohne Entkleidung zur Feststellung der Minderjährigkeit sollte hier festgelegt werden. Die qualifizierte Inaugenscheinnahme würdigt den Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst.
Darüber hinaus wird um Prüfung gebeten, ob die Alterseinschätzung durch das Jugendamt auch gegenüber Dritten, beispielsweise der Ausländerbehörde, verbindlich sein sollte.
3. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 zweiter Halbsatz SGB VIII)
In Artikel 1 Nummer 4 ist in § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 der zweite Halbsatz wie folgt zu fassen:
"hierzu soll eine ärztliche Untersuchung durchgeführt werden und"
Begründung:
Unbestritten ist die Notwendigkeit festzustellen, ob der Gesundheitszustand des unbegleiteten minderjährigen Ausländers eine Verteilung ausschließt. Hier ist angesichts des engen Zeitraums eine medizinische Untersuchung notwendig. Die Vorlage einer Stellungnahme sollte nicht zur Bedingung gemacht werden, da dies häufig eine längere Zeit in Anspruch nimmt und damit die Gefahr besteht, dass die Ausschlussfrist des § 42b Absatz 4 Nummer 4 SGB VIII, der zufolge das Verteilungsverfahren bis zu einen Monat dauern darf, überschritten wird.
4. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 42a Absatz 6 Satz 1 SGB VIII)
In Artikel 1 Nummer 4 sind in § 42a Absatz 6 Satz 1 nach der Angabe " § 42b Absatz 4" die Wörter "oder durch Entweichen des Kindes oder des Jugendlichen" einzufügen.
Begründung:
Anknüpfungspunkt für das Ende der vorläufigen Inobhutnahme ist nicht der Zeitablauf, sondern die anderweitige Sicherung des Kindeswohls des unbegleiteten minderjährigen Ausländers durch den Personen- oder Erziehungsberechtigten oder durch das für die Inobhutnahme zuständige Jugendamt.
Diese Regelung ist auf solche Fälle zu erweitern, in denen das Kind oder der Jugendliche entweicht.
Nach den derzeitigen Regelungen endet die Inobhutnahme mit dem Datum des Entweichens. Ab diesem Datum findet auch keine Kostenerstattung mehr statt. Sinnvollerweise muss diese Regelung auch für die vorläufige Inobhutnahme gelten.
5. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 42b Absatz 3 Satz 1 und Satz 2 SGB VIII)
In Artikel 1 Nummer 4 ist § 42b Absatz 3 wie folgt zu ändern:
- a) In Satz 1 sind die Wörter ", für die Unterbringung, Versorgung und Betreuung unbegleiteter ausländischer Minderjähriger geeigneten" zu streichen.
- b) Satz 2 ist zu streichen.
Begründung:
Gemäß § 42b Absatz 3 SGB VIII dürfen die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge nur auf diejenigen Jugendämter verteilt werden, die sich zur Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen eignen. Ferner werden die Voraussetzungen der Eignung normiert.
Diese Regelung ist zu streichen, da zum einen dies die Flexibilität im Land zur Verteilung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge einschränken würde und zum anderen bei einer Notwendigkeit der Ausgestaltung der Jugendämter für eine Eignung zur Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen eine unnötige Konnexitätsproblematik hervorgerufen werden würde. Dies bedeutet ein Risiko für die Landeshaushalte.
Das Jugendamt hat ohnehin als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe eine ordnungsgemäße Unterbringung, Versorgung und Betreuung des unbegleiteten minderjährigen Ausländers aufgrund seines gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Auftrags sicherzustellen und jedes Jugendamt muss grundsätzlich in der Lage sein, die Aufgaben nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch zu erfüllen. Einer Verteilungsentscheidung der Landesbehörde darf nicht mit dem Argument entgegnet werden können, nicht dafür geeignet zu sein.
6. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 42b Absatz 4 Satz 2 - neu - und Satz 3 - neu SGB VIII)
In Artikel 1 Nummer 4 sind dem § 42b Absatz 4 folgende Sätze anzufügen:
"Sofern zur Gewährleistung des Wohls des Kindes oder Jugendlichen die Zuweisung an einen Träger der öffentlichen Jugendhilfe in einem anderen Land erforderlich ist, hat das Bundesverwaltungsamt auf Antrag des Vormunds das entsprechende Land zu benennen und die zuständige Landesstelle die entsprechende Verteilung vorzunehmen. Ist eine anderweitige Verteilung innerhalb des Landes erforderlich, ist der Antrag an die für die Verteilung zuständige Landesstelle zu richten."
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht keine Möglichkeit vor, die Zuweisung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers oder einer unbegleiteten minderjährigen Ausländerin in ein anderes Land bzw. eine andere Kommune, beispielsweise im Zuge einer Familienzusammenführung, zu ändern. Mit der Ergänzung in § 42b Absatz 4 SGB VIII wird festgelegt, dass der Vormund die Änderung der Zuweisung beim Bundesverwaltungsamt bzw. der zuständigen Landesstelle beantragen kann, wenn es der Gewährleistung des Wohls des Kindes oder Jugendlichen dient. Das Bundesverwaltungsamt bzw. die zuständige Landesstelle haben dann eine Änderung der Verteilung vorzunehmen.
7. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 42b Absatz 5 Satz 1 SGB VIII)
In Artikel 1 Nummer 4 sind in § 42b Absatz 5 Satz 1 nach dem Wort "werden" ein Komma und die Wörter "sofern das Kindeswohl dies nicht gebietet" einzufügen.
Begründung:
§ 42b Absatz 5 Satz 1 SGB VIII sieht zwingend vor, dass bei Geschwistern eine gemeinsame Verteilung und Inobhutnahme erfolgt. Diese Regelung steht im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass Maßstab für alle Entscheidungen das Kindeswohl sein muss. So ist bereits in § 42a Absatz 2 Nummer 4 SGB VIII festgelegt, dass die Notwendigkeit einer gemeinsamen Verteilung unter Kindeswohlgesichtspunkten betrachtet werden muss.
8. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 42f - neu - SGB VIII), Nummer 7 (§ 88a Absatz 5 - neu - SGB VIII) und Nummer 1 Buchstabe a (Inhaltsübersicht - § 42f SGB VIII)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- a) In Nummer 4 ist nach § 42e folgender § 42f einzufügen:
" § 42f Befugnis zur landesinternen Verteilung
Die zuständige Landesstelle ist befugt, den unbegleiteten ausländischen Minderjährigen einem anderen Jugendamt desselben Landes zuzuweisen. Die Landesstelle prüft, ob Verteilungshindernisse gemäß § 42b Absatz 4 Nummer 1 bis 3 bestehen."
- b) In Nummer 7 ist dem § 88a folgender Absatz 5 anzufügen:
(5) Die örtliche Zuständigkeit für den unbegleiteten ausländischen Minderjährigen richtet sich in den Fällen des § 42f nach der Zuweisungsentscheidung der Landesstelle."
Folgeänderung:
In Artikel 1 Nummer 1 ist dem Buchstaben a folgende Angabe anzufügen:
" § 42f Befugnis zur landesinternen Verteilung"
Begründung:
Die Vorschrift dient dazu, neben der bundesweiten Verteilung auch das Verfahren zur landesinternen Verteilung zu konkretisieren und eine lastengerechte Verteilung innerhalb des Landes zu ermöglichen, denn der Zugang konzentriert sich auf wenige Brennpunkt-Kommunen.
Die Vorgaben des Gesetzentwurfs für die bundesweite und landesweite Verteilung sind zu starr und unflexibel. Die Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern (UMA) kann aus ganz unterschiedlichen Gründen nach Beendigung der vorläufigen Inobhutnahme erforderlich sein, etwa weil Verteilungshindernisse wie ernsthafte Erkrankungen wegfallen, zum Zwecke der Familienzusammenführung, wegen Kapazitätsengpässen oder zur Vermittlung zu bedarfsgerechteren Angeboten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bislang in einigen Ländern bereits flexiblere landesrechtliche Regelungen bestanden haben. Gerade vor dem Hintergrund des weiteren Anstiegs der Flüchtlingsströme werden flexible Regelungen dringender denn je benötigt.
Um landesintern die erforderliche Flexibilität bei der Versorgung der UMA sowie eine möglichst gerechte Verteilung zu gewährleisten, sind die Befugnisse der Länder zur landesinternen Verteilung zu erweitern.
Die vorgeschlagene Einfügung eines § 42f SGB VIII stellt durch die Verweisung auf § 42b Absatz 4 Nummer 1 bis 3 SGB VIII sicher, dass bei der Verteilung des UMA stets dessen Kindeswohl als oberste Priorität der Kinder- und Jugendhilfe im Blick zu behalten ist.
Mit der vorgeschlagenen Regelung eines § 88a Absatz 5 SGB VIII wird sichergestellt, dass die örtliche Zuständigkeit auch im Falle einer landesinternen Zuweisung auf das zugewiesene Jugendamt übergeht. Damit kann auch eine Bereinigung von Altfällen erfolgen, bei denen die Unterbringung aufgrund fehlender Platzkapazitäten in einem anderen Jugendamtsbezirk erfolgen musste.
9. Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 88a Absatz 1 Satz 2 - neu - SGB VIII)
In Artikel 1 Nummer 7 ist dem § 88a Absatz 1 folgender Satz anzufügen:
"Der Bereich des tatsächlichen Aufenthalts ist der Ort, an dem das Jugendamt oder eine andere Behörde die Feststellung der unbegleiteten Einreise erstmalig trifft."
Begründung:
Um Zuständigkeiten für unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) nach ihrer Einreise ranken sich umfangreiche Problemstellungen. Derzeit ist es so, dass gemäß § 87 SGB VIII sich die Zuständigkeit bei der Inobhutnahme nach dem tatsächlichen Aufenthalt des UMA vor Beginn der Maßnahme richtet. Allerdings muss das örtlich zuständige Jugendamt notwendigerweise zunächst von der Einreise des UMA Kenntnis erlangen, um den Akt der Inobhutnahme vollziehen zu können. Oft kommt es vor, dass andere Amtspersonen zuerst die Einreise eines vorgeblich minderjährigen unbegleiteten Ausländers feststellen (zum Beispiel die Polizei) und durch ein Verbringen des jungen Menschen in einen anderen Zuständigkeitsbereich Zuständigkeitsprobleme entstehen. Dies birgt auch Schwierigkeiten bei der Kostenerstattung gemäß § 89d SGB VIII.
10. Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 88a Absatz 3 Satz 3 - neu - SGB VIII)
In Artikel 1 Nummer 7 ist dem § 88a Absatz 3 folgender Satz anzufügen:
"In den Fällen des § 42b Absatz 4 Satz 2 und 3 ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuständig, dem das Kind oder der Jugendliche zugewiesen wird."
Begründung:
Nach bisheriger Konzeption bleibt das vorläufig in Obhut nehmende Jugendamt dauerhaft zuständig, auch wenn das Kind oder der Jugendliche in einem weit entfernt gelegenen Jugendamtsbezirk mit Verwandten zusammengeführt wird. Nach einer Familienzusammenführung ergeben sich für das zuständige Jugendamt, anders als bei einer stationären Unterbringung, regelmäßig Aufgaben, die eine Ortsnähe erfordern. Die Geeignetheit der Verwandten als Pflegefamilie - mit oder ohne Leistungsbezug nach SGB VIII ist fortwährend zu überprüfen (§ 37 Absatz 3 SGB VIII), ambulante Leistungen sind mit dem Kind oder Jugendlichen sowie den Anbietern vor Ort zu entwickeln. Es ist daher notwendig, dass mit einer Familienzusammenführung auch die Zuständigkeit an den neuen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen wechselt.
11. Zu Artikel 1 Nummer 8 (§ 89d Absatz 2 Satz 2 - neu - und Satz 3 - neu - und Absatz 3 Satz 2 SGB VIII)
Artikel 1 Nummer 8 ist wie folgt zu fassen:
'8. § 89d wird wie folgt geändert:
- a) Dem Absatz 2 werden folgende Sätze angefügt:
"Ist die Person im Ausland geboren und liegt der Tag der Einreise nach dem 1. Januar 2016, so ist für die Dauer der vorläufigen Inobhutnahme das Land erstattungspflichtig, zu dessen Bereich der gemäß § 88a Absatz 1 tätig gewordene örtliche Träger gehört. Ab Zuweisungsentscheidung ist das Land erstattungspflichtig, zu dessen Bereich der dann gemäß § 88a Absatz 2 zuständige örtliche Träger gehört."
- b) In Absatz 3 Satz 2 werden ... < weiter wie Gesetzentwurf > ...'
Begründung:
Zielführend ist eine unmissverständliche und eindeutige Regelung der Kostenträgerschaft.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass sich die Kostenerstattung für alle unbegleiteten minderjährigen Ausländer, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes einreisen und bundesweit verteilt werden, nach § 89d Absatz 1 SGB VIII richtet. Hierdurch haben die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Jugendämter) einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für von ihnen gewährte Leistungen oder vorläufige Maßnahmen der Jugendhilfe, sofern diese innerhalb von einem Monat nach der Einreise gewährt werden und sich die örtliche Zuständigkeit des Jugendamts nach dem tatsächlichen Aufenthalt oder - bei § 86 Absatz 7 SGB VIII - einer Zuweisungsentscheidung für um Asyl nachsuchende Kinder und Jugendliche richtet.
Stand heute ist, dass Kostenschuldner ("das Land") für diesen Anspruch entweder das Land, in dessen Bereich der Hilfeempfänger geboren wurde (Absatz 2), oder ein durch eine Verteilungsentscheidung des Bundesverwaltungsamts bestimmtes Land ist (Absatz 3).
Der Gesetzentwurf sieht weiterhin die Streichung von § 89d Absatz 3 SGB VIII vor.
Durch die Streichung von § 89d Absatz 3 SGB VIII entfällt die Bestimmung des Kostenschuldners ("das Land"), wenn die Person, für die die Jugendhilfe erbracht wurde, nicht in Deutschland geboren wurde.
Zukünftig könnte zwar schlüssig, aber nur "recht mühsam" und mit den Unwägbarkeiten unterschiedlicher Rechtsauslegungen behaftet, ein jeweils kostenerstattungspflichtiges Land bestimmt werden.
12. Zu Artikel 1 Nummer 9a - neu - (§ 89f Absatz 3 - neu - SGB VIII)
In Artikel 1 ist nach Nummer 9 folgende Nummer 9a einzufügen:
Begründung:
Mit der Änderung wird das Kostenerstattungsverfahren auf seinen wesentlichen Kern zurückgeführt, die ordnungsgemäße fachliche Aufgabenerfüllung durch das tätig gewordene Jugendamt sicherzustellen.
Die bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das SGB VIII in seiner derzeitigen Ausgestaltung, sind nicht auf die derzeitigen, extremen Zugangszahlen ausgerichtet. Insbesondere die Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit sind in der Praxis dadurch kaum mehr umsetzbar. Daher gibt es seit langem erhebliche Beschwerden der Jugendämter bezüglich der Erstattungen durch die zuständigen Kostenerstattungsträger. In mehreren Fällen wurde die Kostenerstattung allein im Hinblick auf Zweifel an der örtlichen Zuständigkeit verweigert und nicht berücksichtigt, dass die Jugendhilfeleistungen zur Sicherstellung des Kindeswohls erforderlich waren.
Unsicherheiten bezüglich der örtlichen Zuständigkeit dürfen nicht zu Lasten des örtlichen Trägers gehen, der Verantwortung für die jungen Menschen übernommen hat. Die Jugendämter müssen sich darauf verlassen können, dass die überörtlichen Kostenträger ihren Zahlungspflichten im bundesweiten Erstattungsverfahren tatsächlich nachkommen. Zur Sicherstellung des Kindeswohls muss den hilfsbedürftigen jungen Menschen schnellstmöglich Hilfe gewährt werden und es kann nicht erst abgewartet werden, bis die in Frage kommenden Kommunen die unter der derzeitigen Rechtslage äußerst schwierige Frage der Zuständigkeit geklärt haben. Dabei ist auch das Gebot der völkerrechtskonformen Auslegung und Anwendung innerstaatlichen Rechts zu beachten, demzufolge eine unverzügliche Sicherstellung des Kindeswohls zu gewährleisten ist. Nach Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention ist bei allen Entscheidungen, die sich auf Kinder auswirken können, das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen.
13. Zur Kostenbeteiligung des Bundes
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, Länder und Kommunen bei der Betreuung und Versorgung von unbegleiteten Minderjährigen finanziell zu unterstützen, da die humanitäre Hilfe für unbegleitete Minderjährige vor dem Hintergrund des sprunghaften Anstiegs der Zugangszahlen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.
Begründung:
Der extreme Anstieg des Zugangs von unbegleiteten minderjährigen Ausländern (UMA) stellt Kommunen und Länder vor immense Herausforderungen. Angesichts der Dimension internationaler Konflikte ist von einem weiteren starken Anstieg der Flüchtlingszahlen und damit auch des Zugangs von unbegleiteten Minderjährigen auszugehen. Dies führt zu enormen Kostensteigerungen bei den Ländern und Kommunen. Daher wird der Bund aufgefordert, sich an den Kosten der Unterbringung und Versorgung der UMA finanziell zu beteiligen.
Die bedarfsgerechte Versorgung von UMA kann angesichts der bestehenden Situation und der sich abzeichnenden Verschärfung in Zukunft nur in gemeinsamer Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen gesichert werden. Angesichts dramatisch ansteigender Zugangszahlen und der dadurch ausgelösten exorbitanten Kostenbelastung muss sich auch der Bund seiner Verantwortung stellen und einen adäquaten finanziellen Beitrag leisten.
14. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die für den im Gesetzentwurf dargelegten Erfüllungsaufwand der Länder und Kommunen zu Grunde liegenden Berechnungen den Ländern zur Verfügung zu stellen.
- b) Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, in Bezug auf die Alterserhöhung von 16 auf 18 Jahre (Grenze, ab der Verfahrenshandlungen nach dem Aufenthaltsgesetz vorgenommen werden können) eine Gegenüberstellung der Aufwendungen für die Versorgung und Betreuung eines Asylbewerbers und eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings vorzulegen.
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Der von der Bundesregierung im Gesetzentwurf ausgewiesene Erfüllungsaufwand der Länder und der Kommunen zur Abwicklung des Altverfahrens und zur Umstellung auf das neue Verfahren ist weder nachvollziehbar noch belastbar. Es liegen keine Berechnungen vor; es ist stark davon auszugehen, dass die angegebenen Kosten sowohl in den Ländern als auch in den Kommunen deutlich überschritten werden. Es ist auf eine plausible Ermittlung des Aufwands hinzuwirken. Weiterhin ist zu bedenken, dass sämtliche Kosten, die die Kommunen in diesem Zusammenhang zu bestreiten haben, Konnexität auslösen könnten.
Zu Buchstabe b:
Die Versorgung und Betreuung nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch ist deutlich kostenintensiver, da es sich um einen besonders schutzbedürftigen Personenkreis handelt. Entsprechend erscheint die im Gesetzentwurf dargelegte Kostenneutralität bezüglich der Versorgung für Asylbewerber und in Obhut genommene Kinder und Jugendliche nicht plausibel. Weiterhin fraglich ist, wie hoch der Anteil an unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in diesem Altersbereich liegt. Ein zusätzliches Problem ist, dass eine Altersbestimmung häufig schwierig ist, da ein Teil der unbegleiteten Minderjährigen ohne Dokumente zur Identifizierung einreist.