A. Problem und Ziel
Eine Hauptverhandlung kann gemäß § 229 Absatz 1 Strafprozessordnung (StPO) bis zu drei Wochen unterbrochen werden; wenn sie bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat sogar bis zu einem Monat, § 229 Absatz 2 StPO. Gemäß § 229 Absatz 3 StPO werden die genannten Fristen gehemmt, wenn ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Krankheit oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit nicht erscheinen kann und die Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat. Die Hemmung darf jedoch längstens zwei Monate dauern.
Abweichend von der in § 229 StPO getroffenen Regelung muss ein Urteil jedoch spätestens am elften Tag nach Schluss der Verhandlung verkündet werden, § 268 Absatz 3 Satz 2 StPO. Insoweit ist die reguläre Unterbrechungsfrist verkürzt.
§ 229 Absatz 3, Absatz 4 Satz 2 sowie Absatz 5 StPO gilt jedoch gemäß § 268 Absatz 3 Satz 3 StPO entsprechend.
Dieses führt dazu, dass sich das Gericht innerhalb eines gegenüber den Fristen des § 229 Absatz 1 und 2 StPO deutlich kürzeren Zeitraums für die Beratung eines Urteils zusammenfinden und dieses verkünden muss. Es ist mithin nicht nur notwendig, dass sich alle Mitglieder des erkennenden Gerichts innerhalb der kurzen Frist des § 268 Absatz 3 Satz 2 StPO zusammenfinden, sondern überdies muss es dem Gericht innerhalb dieses kurzen Zeitfensters möglich sein, sich umfassend zu beraten. Dieses stellt erfahrungsgemäß insbesondere Schöffen vor Probleme, da diese im Regelfall neben ihrer ehrenamtlichen Schöffentätigkeit Berufen nachgehen und insofern auch dort zeitlichen Verpflichtungen unterliegen. Die finale Entscheidung des Gerichts, nämlich die Urteilsfindung, muss danach unter einem erhöhten zeitlichen Druck erfolgen, welcher vielfach dazu führt, dass Hauptverhandlungen aufgrund terminlicher Schwierigkeiten der Mitglieder des erkennenden Gerichts durch sogenannte Schiebetermine in die Länge gezogen werden.
B. Lösung
Der Gesetzentwurf sieht eine Anpassung der Frist des § 268 Absatz 3 Satz 2 StPO an die Unterbrechungsfristen des § 229 Absatz 1 und 2 StPO vor. Es sollen insoweit nicht mehr lediglich § 229 Absatz 3, Absatz 4 Satz 2 sowie Absatz 5 StPO, sondern statt der bisherigen Frist des § 268 Absatz 3 Satz 2 StPO auch für die Urteilsverkündung die Fristen des § 229 Absatz 1 und 2 StPO gelten.
C. Alternativen
Beibehaltung des gegenwärtigen Rechtszustandes, der jedoch aus den zu A. genannten Gründen unbefriedigend ist.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
Keine.
E. Sonstige Kosten
Keine.
F. Bürokratiekosten
Keine.
Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung - Anpassung der Urteilsverkündungsfrist des § 268 Absatz 3 Satz 2 StPO an die Unterbrechungsfrist des § 229 StPO
Der Bundesrat hat in seiner 993. Sitzung am 18. September 2020 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen
Anlage
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung - Anpassung der Urteilsverkündungsfrist des § 268 Absatz 3 Satz 2 StPO an die Unterbrechungsfrist des § 229 StPO
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
§ 268 Absatz 3 Satz 2 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I 1074, 1319), die zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
"Es muss innerhalb der Frist des § 229 Absatz 1 oder, wenn die Verhandlung davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat, in der Frist des § 229 Absatz 2 verkündet werden; andernfalls ist mit der Hauptverhandlung von neuem zu beginnen."
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
Eine Hauptverhandlung kann gemäß § 229 Absatz 1 StPO bis zu drei Wochen unterbrochen werden; wenn sie bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat sogar bis zu einem Monat, § 229 Absatz 2 StPO. Gemäß § 229 Absatz 3 StPO werden die genannten Fristen gehemmt, wenn ein Angeklagter oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen Krankheit oder eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit nicht erscheinen kann und die Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat. Die Hemmung darf jedoch längstens zwei Monate dauern.
Anders als in § 229 StPO vorgesehen, muss ein Urteil jedoch spätestens am elften Tag nach Schluss der Verhandlung verkündet werden, § 268 Absatz 3 Satz 2 StPO. Insoweit ist die reguläre Unterbrechungsfrist verkürzt.
§ 229 Absatz 3, Absatz 4 Satz 2 sowie Absatz 5 StPO gilt jedoch gemäß § 268 Absatz 3 Satz 3 StPO entsprechend.
Dieses führt dazu, dass sich das Gericht innerhalb einem gegenüber den Fristen des § 229 Absatz 1 und 2 StPO deutlich kürzeren Zeitraums für die Beratung eines Urteils zusammenfinden und dieses verkünden muss. Es ist mithin nicht nur notwendig, dass sich alle Mitglieder des erkennenden Gerichts innerhalb der kurzen Frist des § 268 Absatz 3 Satz 2 StPO zusammenfinden, sondern überdies muss es dem Gericht innerhalb dieses kurzen Zeitfensters möglich sein, sich umfassend zu beraten. Dieses stellt erfahrungsgemäß insbesondere Schöffen vor Probleme, da diese im Regelfall neben ihrer ehrenamtlichen Schöffentätigkeit Berufen nachgehen und insofern auch dort zeitlichen Verpflichtungen unterliegen.
Die gegenüber § 229 Absatz 1 StPO kürzere Frist des § 268 Absatz 3 Satz 2 StPO dürfte darin begründet liegen, dass § 229 Absatz 1 StPO in der bis zum 31. August 2004 geltenden Fassung die Unterbrechung einer Hauptverhandlung lediglich für bis zu zehn Tagen zuließ.
Für die Beibehaltung der verkürzten Urteilsverkündungsfrist könnte sprechen, dass aufgrund der engen Begrenzung der Frist die Schlussvorträge und das letzte Wort bei der Beratung allen Richtern noch lebendig in Erinnerung sind (vgl. insoweit KK-StPO/Kuckein/Bartel, 8 Aufl. 2019, StPO § 268 Rn. 9 m. w. N.).
Bei langandauernden Hauptverhandlungen, die aufgrund des Umfangs des Beweisstoffes auf Monate oder Jahre angelegt sind, verliert der Konzentrationsgrundsatz jedoch an Bedeutung. Es ist anerkannt, dass in diesen Verfahren, die unvermeidbar sind, zur Verringerung der mit der Prozessdauer ansteigenden physischen und psychischen Belastung längere Pausen für alle Beteiligten erforderlich sind. Es widerspricht sowohl dem Gedanken der Beschleunigung als auch der Prozessökonomie, eine langandauernde Hauptverhandlung zu wiederholen. Zur Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen dem Konzentrations- und dem Beschleunigungsgrundsatz sieht daher bereits § 229 Absatz 3 StPO vor, dass bei Hauptverhandlungen, die an mindestens zehn Tagen stattgefunden haben, der Lauf der zulässigen Unterbrechungsfrist während der Erkrankung des Angeklagten oder einer zur Urteilsfindung berufenen Person sowie wegen des Mutterschutzes oder der Elternzeit einer zur Urteilsfindung berufenen Person für längstens zwei Monate gehemmt ist. Diese Regelung verhindert, dass in Fällen kurzfristiger Erkrankungen bzw. des Mutterschutzes oder der Elternzeit eine verfahrensverzögernde, für alle Beteiligten belastende und kostenträchtige Wiederholung der bereits länger andauernden Hauptverhandlung erfolgen muss. Die Regelung trägt schließlich dazu bei, dass die von § 192 Absatz 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorgesehene Möglichkeit der Bestellung von Ergänzungsrichtern und -schöffen auf die vom Gesetz vorgesehenen Ausnahmefälle beschränkt bleibt (vgl. Begründung zum Entwurf eines Justizmodernisierungsgesetzes, BR-Drucksache 378/03 (PDF) , S. 57 f.) und gilt gemäß § 268 Absatz 3 Satz 3 StPO für die Urteilsverkündungsfrist entsprechend.
Es erschließt sich nicht, warum zwar § 229 Absatz 3 StPO entsprechend auf die Urteilsverkündungsfrist des § 268 Absatz 3 Satz 2 StPO anwendbar ist, die Frist im Übrigen aber kürzer als diejenigen des § 229 Absatz 1 und 2 StPO sein soll.
Insoweit wird auch seitens Teilen der Literatur explizit gefordert, die Fristen einander anzupassen (vgl. z.B. MüKoStPO/Moldenhauer, 1. Aufl. 2016, StPO § 268 Rn. 29). Überdies hat der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs bereits im Jahr 2006 festgestellt, dass angesichts der Neuregelung über die Höchstgrenze der regelmäßigen Unterbrechungsfrist in § 229 Absatz 1 StPO durchgreifende Bedenken bestünden, ob ein Verstoß gegen die nunmehr kürzere Fristbemessung in § 268 Absatz 3 Satz 2 StPO überhaupt noch als bedeutsam erachtet werden könne (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2006 - 5 StR 349/06, NJW 2007, 96, Rn. 3).
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung der Strafprozessordnung)
Die Urteilsverkündungsfrist des § 268 Absatz 3 Satz 2 StPO wird an die Unterbrechungsfristen des § 229 Absatz 1 und 2 StPO angeglichen. Zwischen dem Schluss der Verhandlung und der Urteilsverkündung dürfen danach bis zu drei Wochen liegen, vgl. § 229 Absatz 1 StPO. Hat die Hauptverhandlung bereits zuvor an mindestens zehn Tagen stattgefunden, soll zwischen dem Schluss der Hauptverhandlung und der Urteilsverkündung eine Unterbrechung bis zu einem Monat möglich sein, vgl. § 229 Absatz 2 StPO.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Übergangsvorschriften sind nicht erforderlich.