Der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg Vorpommern Schwerin, den 29. Juni 2011
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
gemäß dem Beschluss der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern übersende ich die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates Kinderrechte im Grundgesetz verankern mit dem Antrag, dass der Bundesrat diese fassen möge.
Ich bitte Sie, den Entschließungsantrag gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 885. Sitzung des Bundesrates am 8. Juli 2011 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Erwin Sellering
Entschließung des Bundesrates - Kinderrechte im Grundgesetz verankern
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorzulegen, in dem Grundrechte der Kinder ausdrücklich normiert werden.
Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere folgende Ansprüche und Rechte des Kindes: Der Anspruch auf Schutz, Fürsorge und angemessenen Lebensstandard, der Anspruch auf Meinungsfreiheit, das Recht auf Anhörung in allen das Kind betreffenden Maßnahmen in Gerichts- und Verwaltungsverfahren, bei denen das Wohl des Kindes Vorrang genießt sowie das Recht auf Bildung und bestmögliche Förderung zur Erreichung von Chancengleichheit. Zudem soll eine solche Regelung die Verpflichtung des Staates enthalten, für kindgerechte Lebensbedingungen Sorge zu tragen.
Begründung:
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes wurde am 20. November 1989 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. In der Bundesrepublik Deutschland ist diese Konvention am 5. April 1992 mit der Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen in Kraft getreten, zunächst allerdings mit Vorbehalten. Mit der Ratifizierung ist die Bundesrepublik Deutschland zu einem Vertragsstaat der Kinderrechtskonvention geworden. Am 15. Juli 2010 hat die Bundesregierung gegenüber dem Generalsekretär der Vereinten Nationen erklärt, dass sie die 1992 erklärten Vorbehalte zurücknimmt. Seitdem gelten die Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention vorbehaltlos für alle in Deutschland lebenden Kinder. Auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 werden in Artikel 24 Kindern spezielle Rechte eingeräumt.
In den vergangenen Jahren ist vermehrt diskutiert worden, wie der Schutz von Kindern durch Rechtsvorschriften verbessert werden könnte.
Die Landesverfassung von Mecklenburg-Vorpommern enthält bereits seit 2006 gesonderte Kinderrechte, wie dies auch schon in vergleichbarer oder darüber hinausgehender Form in neun anderen Landesverfassungen der Fall ist.
In Artikel 14 Absatz 4 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern heißt es:
"Kinder und Jugendliche sind Träger von Rechten, deren Ausgestaltung die Persönlichkeit fördert und ihren wachsenden Fähigkeiten und Bedürfnissen zu selbstständigem Handeln entspricht. Land, Gemeinden und Kreise fördern die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an der Gesellschaft."
Das Grundgesetz enthält bislang kein ausdrücklich normiertes eigenständiges Grundrecht für Kinder. Durch Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz, der das Elternrecht zur Pflege und Erziehung ihres Kindes garantiert, wird Kindern kein eigenes Grundrecht zugewiesen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 1. April 2008 die Subjektstellung des Kindes gestärkt und festgestellt, dass "Kinder nicht Gegenstand elterlicher Rechtsausübung sind", sondern dass ein Kind Rechtssubjekt und Grundrechtsträger ist, dem "die Eltern schulden, ihr Handeln an seinem Wohl auszurichten".
Es ist ein Anliegen Mecklenburg-Vorpommerns, die Rechte von Kindern zu verstärken und dieses auch in der Verfassung durch Festschreibung der Grundrechte von Kindern zum Ausdruck zu bringen. Die Stellung von Kindern in der Gesellschaft soll so gestärkt und das allgemeine Bewusstsein dafür geschärft werden, dass Kinder eigene Grundrechte haben, die zu respektieren sind.