971. Sitzung des Bundesrates am 19. Oktober 2018
Der federführende Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik (AIS), der Finanzausschuss (Fz) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 6a - neu - (§ 134 Absatz 7 - neu - SGB VI)
In Artikel 1 ist nach Nummer 6 folgende Nummer 6a einzufügen:
"6a. Dem § 134 wird folgender Absatz 7 angefügt:
(7) Arbeiten in Objekten des Altbergbaus unter Tage werden ab dem 1. Januar 2019 den knappschaftlichen Arbeiten gleichgestellt, wenn sie die Dauer von drei Monaten überschreiten. Objekte des Altbergbaus im Sinne des Satzes 1 sind Anlagen von bergbaulichen Gewinnungsbetrieben, die nicht der Bergaufsicht nach dem Bundesberggesetz unterliegen. Dazu gehören insbesondere Objekte, für die ein Bergbauberechtigter oder ein Bergbauunternehmer oder deren Rechtsnachfolger nicht vorhanden oder nicht feststellbar sind." "
Folgeänderung:
Dem Artikel 4 ist folgende Nummer 4 anzufügen:
"4. § 28e Absatz 2a wird wie folgt gefasst:
(2a) Für die Erfüllung der Zahlungspflicht, die sich für den Arbeitgeber knappschaftlicher Arbeiten im Sinne von § 134 Absatz 4 und 7 des Sechsten Buches ergibt, haftet in den Fällen des Absatzes 4 der Arbeitgeber des Bergwerkbetriebes, mit dem die Arbeiten räumlich und betrieblich zusammenhängen, und in den Fällen des Absatzes 7 der Auftraggeber wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Der Arbeitgeber des Bergwerksbetriebes oder der Auftraggeber kann die Befriedigung verweigern, solange die Einzugsstelle den Arbeitgeber der knappschaftlichen Arbeiten oder der Arbeiten in Objekten des Altbergbaus nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist." "
Begründung:
Bergsicherungsunternehmen verwahren insbesondere ehemalige Bergwerke. Unter dem Altbergbau werden jene Objekte verstanden, die keinen Rechtsnachfolger haben.
Derzeit sind Arbeitnehmer in Bergsicherungsunternehmen nicht in der knappschaftlichen Rentenversicherung versichert, auch dann nicht, wenn sie Tätigkeiten unter Tage verrichten. Dies ist nur den Arbeitnehmern vorbehalten, die entweder in einem knappschaftlichen Betrieb im Sinne des § 134 Absatz 1 bis 3 SGB VI (Betriebe, in denen Mineralien oder andere Stoffe bergmännisch gewonnen werden) beschäftigt sind oder überwiegend knappschaftliche Arbeiten nach § 134 Absatz 4 SGB VI ausüben. Gemeint sind dabei Tätigkeiten, die räumlich und betrieblich mit einem Bergwerksbetrieb zusammenhängen, aber von einem anderen Unternehmer ausgeführt werden. Beide Varianten treffen auf Beschäftigte in Bergsicherungsunternehmen nicht zu, da hier lediglich Tätigkeiten im Zusammenhang mit Objekten des Altbergbaus anfallen.
Dieses Ergebnis ist dann unbefriedigend, wenn Mitarbeiter in Betrieben der Bergsicherung Tätigkeiten von mindestens drei Monaten unter Tage ausüben und damit vergleichbaren körperlichen Belastungen ausgesetzt sind wie in aktiv betriebenen Bergwerken.
Durch die Erweiterung des § 134 SGB VI soll eine Korrektur zumindest mit Wirkung für die Zukunft herbeigeführt werden. Der anzufügende Absatz 7 sieht vor, die Arbeiten in Objekten des Altbergbaus unter Tage den knappschaftlichen Arbeiten gleichzustellen, wenn sie die Dauer von drei Monaten überschreiten. Dieser Zeitraum wird nach geltender Rechtslage auch bei Montagetätigkeiten, die unter Tage in einem Bergwerk durch ein nicht knappschaftliches Unternehmen durchgeführt werden, gefordert. Diese Tatbestände sind vergleichbar und sollten daher auch gleich behandelt werden.
Zur Folgeänderung:
Es handelt sich um eine notwendige Folgeänderung im Vierten Buch Sozialgesetzbuch.
2. Zu Artikel 1 Nummer 10a - neu -, Nummer 21 - neu - (§ 249a Absatz 3 - neu -, § 309 Absatz 1b - neu - SGB VI)
- a) Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- aa) Nach Nummer 10 ist folgende Nummer 10a einzufügen:
"10a Dem § 249a wird folgender Absatz 3 angefügt:
(3) Konnten Elternteile im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 infolge einer zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung oder eines Gewahrsams ein Kind nicht erziehen, gilt diese Zeit für die Anrechnung oder Berücksichtigung der Kindererziehung als Zeit der Erziehung eines Kindes, soweit der Zeitraum einer zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung in einer auf Rehabilitierung oder Kassation erkennenden Entscheidung oder der Zeitraum eines Gewahrsams in einer Bescheinigung nach § 10 Absatz 4 des Häftlingshilfegesetzes festgestellt ist. Bei der Anrechnung oder Berücksichtigung nach Satz 1 bleibt außer Betracht, dass bei einer anderen Person für dasselbe Kind die Kindererziehungszeit anzurechnen oder zu berücksichtigen ist. Die Anrechnung oder Berücksichtigung nach Satz 1 lässt die Anrechnung oder Berücksichtigung der Kindererziehung nach diesem Gesetzbuch für diejenige Person, die das Kind erzogen hat, unberührt."
- bb) Folgende Nummer 21 ist anzufügen:
"21. In § 309 wird nach Absatz 1a folgender Absatz 1b eingefügt:
(1b) Eine Rente ist auf Antrag von Beginn an neu festzustellen und zu leisten, wenn Kindererziehung nach § 249a Absatz 3 anzurechnen oder zu berücksichtigen ist und der Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2019 liegt." "
- b) Artikel 2 ist zu streichen.
Begründung:
Mit der im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelung in Artikel 2 wird ausdrücklich beabsichtigt, den Ausgleich von rentenrechtlichen Nachteilen zu ermöglichen, wenn Kinder wegen einer aus rechtsstaatswidrigen Gründen zu Unrecht erlittenen Haft in der ehemaligen DDR durch einen oder beide Elternteile nicht erzogen werden konnten. Dazu ist ein Eingriff in das Berufliche Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) nicht erforderlich.
Für die Anerkennung von Verfolgungszeiten nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 BerRehaG aufgrund von Maßnahmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 und 2 BerRehaG ist entsprechend § 1 Absatz 2 BerRehaG immer ein Rehabilitierungsverfahren nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) bzw. ein Kassationsverfahren oder ein Verfahren zur Feststellung eines politischen Gewahrsams im Sinne des § 10 Absatz 4 des Häftlingshilfegesetzes (HHG) durchzuführen bzw. durchgeführt worden. Hierüber ist eine Bescheinigung nach § 12 StrRehaG auszustellen oder ausgestellt worden oder es liegt eine Kassationsentscheidung oder eine Bescheinigung nach § 10 Absatz 4 HHG vor. Insoweit knüpft das Berufliche Rehabilitierungsgesetz zwingend an das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz an. Nur diejenigen Haft- oder Gewahrsamszeiten, deren Rechtsstaatswidrigkeit nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz gegebenenfalls in Verbindung mit dem Häftlingshilfegesetz festgestellt sind, sind auch Verfolgungszeiten im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 BerRehaG. Nach der Systematik der Rehabilitierungsgesetze ist ein Rehabilitierungs- oder Kassationsverfahren und eine Entscheidung, über welches eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt wird, Voraussetzung für alle Folgeansprüche auch aus den Rehabilitierungsgesetzen. Betroffene, die eine Zeit der politischen Haft oder des politischen Gewahrsams durchlitten haben, werden daher ein großes Interesse haben, eine entsprechende Entscheidung oder Bescheinigung vorlegen zu können oder erteilt zu bekommen, um daraus weitere Ansprüche geltend machen zu können.
Nach der Intention des Gesetzentwurfs soll es für die Anerkennung der aufgrund politischer Freiheitsentziehung unverschuldeten Unmöglichkeit der Erziehung von Kindern als Kindererziehungszeiten gerade nicht darauf ankommen, dass es zu einem Eingriff in den Beruf oder in die berufsbezogene Ausbildung der oder des Verfolgten gekommen ist (siehe Artikel 2 Nummer 1, § 11a Absatz 3 BerRehaG-E, und die Begründung dazu im Gesetzentwurf). Die Feststellung, dass eine bereits festgestellte politische Freiheitsentziehung eine tatbestandsmäßige berufliche Benachteiligung im Sinne des § 1 BerRehaG verursacht haben muss, und die Erteilung einer Rehabilitierungsbescheinigung für den rentenrechtlichen Nachteilsausgleich sind aber die ureigenen Aufgaben der Rehabilitierungsbehörden nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz. Es erscheint daher nicht sachgerecht, ihnen die Aufgabe der Feststellung der Voraussetzungen für die Anerkennung der oben genannte Kindererziehungszeiten zu übertragen und dafür einen gesonderten und neuen Verfolgtenbegriff in das BerRehaG einzuführen, zumal die für die Anerkennung dieser Zeiten notwendigen Feststellungen mit den Rehabilitierungs- oder Kassationsentscheidungen grundsätzlich bereits vorliegen.
Das Sechste Buch Sozialgesetzbuch kennt mit den §§ 249a und 250 SGB VI bereits Regelungen zur Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung im Beitrittsgebiet sowie von Zeiten der Haft und Gewahrsamnahme im Beitrittsgebiet, über die eine auf Rehabilitierung oder Kassation erkennende Entscheidung ergangen ist, als Ersatzzeiten. Die mit dem Gesetzentwurf beabsichtigte Regelung sollte deshalb sachgerecht in das Sechste Buch Sozialgesetzbuch integriert werden. Der vorgesehene Regelungsgehalt kann dabei ohne Abstriche umgesetzt werden. Hingegen kann auf ein weiteres zeitaufwändiges vorgeschaltetes Feststellungsverfahren nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz, das wiederum die von politischer Verfolgung Betroffenen zusätzlich belastet, verzichtet werden.
Zu Buchstabe a:
Zu Doppelbuchstabe aa:
Das Regelungsziel wird systemgerecht im Rahmen von Artikel 1 des Gesetzentwurfs in die Regelungen zur Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten im Beitrittsgebiet in § 249a SGB VI als neuer Absatz 3 eingeführt.
Satz 1 stellt sicher, dass Kindererziehungszeiten dann zu berücksichtigen sind, wenn die Erziehung eines Kindes wegen einer rechtsstaatswidrigen Haft oder eines Gewahrsams tatsächlich nicht ausgeübt werden konnte. Damit ist auch sichergestellt, dass willkürlich oder aus Gründen der politischen Verfolgung durch Verwaltungsorgane oder andere Gerichte als Strafgerichte angeordnete Freiheitsentziehungen außerhalb eines Strafverfahrens ebenso berücksichtigt werden wie zum Beispiel das Leben oder die Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen und auch die rechtsstaatswidrige Einweisung in eine psychiatrische Anstalt.
Satz 2 stellt sicher, dass eine Kindererziehungszeit auch dann berücksichtigt wird, wenn eine andere Person bereits nach dem SGB VI begünstigt ist oder künftig zu begünstigen sein wird, weil ihr für dasselbe Kind zum Beispiel eine Kindererziehungszeit angerechnet wurde oder anzurechnen ist oder für sie ein Zuschlag nach § 307d SGB VI berücksichtigt wurde oder zu berücksichtigen ist.
Satz 3 stellt - in umgekehrter Richtung - sicher, dass die Regelung nach Satz 1 diejenigen Personen nicht benachteiligt, die das Kind erzogen haben. Dies betrifft die Anwendung der Vorschriften, die Doppelleistungen für dasselbe Kind für gleiche Zeiträume verhindern sollen.
Zu Doppelbuchstabe bb:
Die beabsichtigte Regelung zur Neufeststellung einer Rente, deren Beginn vor dem 1. Januar 2019 liegt, auf Antrag wird systemgerecht unter Artikel 1 als neue Nummer 21 in § 309 SGB VI als neuer Absatz 1b eingefügt.
Zu Buchstabe b:
Der Regelungsgehalt der Nummer 1 des Artikels 2 des Gesetzentwurfs ist mit der Änderung zu Artikel 1 in das Sechste Buch Sozialgesetzbuch überführt worden. Die weiteren Regelungen in den Nummern 2 bis 5 des Artikels 2 des Gesetzentwurfs dienen allein der redaktionellen Anpassung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes an die Nummer 1. Sie sind ohne die Nummer 1 entbehrlich. Der Artikel 2 kann daher komplett entfallen.
3. Zu Artikel 1 Nummer 14a - neu - (§ 256a Absatz 2 Satz 2 - neu - SGB VI)
In Artikel 1 ist nach Nummer 14 folgende Nummer 14a einzufügen:
"14a. In § 256a Absatz 2 wird nach Satz 1 folgender Satz eingefügt:
"Als Verdienst zählt auch Arbeitsentgelt im Übergangsbereich gemäß § 20 Absatz 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch ab dem 1. Januar 2019." "
Begründung:
In Nummer 4 § 70 Absatz 1a ist vorgesehen, dass Entgeltpunkte für Beschäftigungen im Übergangsbereich auf der Grundlage des tatsächlich erzielten, und nicht des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts ermittelt werden. Mit der vorgeschlagenen Änderung wird sichergestellt, dass bei der Ermittlung von Entgeltpunkten im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2024 entsprechend der rentenrechtlichen Systematik auch Arbeitsentgelte im Übergangsbereich mit den Werten der Anlage 10 vervielfältigt und daraus Entgeltpunkte ermittelt werden.
4. Zu Artikel 1 Nummer 20 Buchstabe e (§ 307d Absatz 5 Satz 1 bis 5 SGB VI)
In Artikel 1 Nummer 20 Buchstabe e ist § 307d Absatz 5 wie folgt zu ändern:
- a) Satz 1 ist wie folgt zu ändern:
- aa) In Nummer 1 ist das Wort "und" am Ende durch einen Punkt zu ersetzen.
- bb) Die Gliederungsbezeichnung "1." ist zu streichen.
- cc) Nummer 2 ist zu streichen.
- b) Die Sätze 2 bis 5 sind zu streichen.
Begründung:
Artikel 1 Nummer 20 Buchstabe e § 307d Absatz 5 soll Adoptiv- und Pflegeeltern die Möglichkeit eröffnen, Zuschläge an persönlichen Entgeltpunkten für die Erziehung von vor 1992 geborenen Kindern zu erhalten.
Die vorgesehene Regelung in § 307d Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 schließt jedoch solche Zuschläge aus, wenn bereits die leiblichen Eltern einen solchen Zuschlag wegen Kindererziehung bekommen haben. Auf diese Weise soll eine doppelte Anrechnung von Zuschlägen ausgeschlossen werden.
Der Bundesrat hält die Honorierung der tatsächlich erbrachten Erziehungsleistungen von Adoptiveltern für unerlässlich. Von daher sollten die Zuschläge - wenn dies in dem pauschalen Verfahren nach § 307d nicht zu verhindern ist - gegebenenfalls doppelt, also bei den leiblichen Eltern und den Adoptiveltern, angerechnet werden.
5. Zu Artikel 4 (Änderung des SGB IV)
Der Bundesrat begrüßt die im Gesetzentwurf vorgesehenen Verbesserungen für Beschäftigte im Übergangsbereich.
Allerdings sollten die Einkommensgrenzen für Mini- und Midijobs dynamisiert und an den gesetzlichen Mindestlohn gekoppelt werden. Die starren Entgeltgrenzen von 450 Euro und 1 300 Euro bewirken bei geringfügig Beschäftigten, nur eine bestimmte Anzahl von Stunden arbeiten zu können. Mit jeder Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns reduziert sich diese Stundenanzahl stetig. So konnten geringfügig Beschäftigte im Januar 2015 noch knapp 53 Stunden im Monat zum damals geltenden Mindestlohn von 8,50 Euro arbeiten. Seit 2017 sind es nur noch rund 51 Stunden. Weitere Anhebungen des gesetzlichen Mindestlohns werden die mögliche Arbeitsleistung weiter reduzieren. Dieser Entwicklung sollte entgegengewirkt werden.
Der Bundesrat hält es deshalb bei der Gehaltsgrenze für Minijobs und bei der Obergrenze des Übergangsbereichs für notwendig, statt der starren Grenze dynamisch an den gesetzlichen Mindestlohn anzuknüpfen.
Der Bundesrat bittet, diesen Aspekt in das weitere Gesetzgebungsverfahren aufzunehmen.
6. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem Entwurf des RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz zielgenau die rentenrechtliche Absicherung von Menschen mit verminderter Erwerbsfähigkeit als armutsgefährdete Personengruppe verbessert. Hierdurch wird ein Beitrag zur Verringerung von Altersarmut geleistet.
Die nur für Neurentner vorgesehene beschleunigte Erhöhung der Zurechnungszeit geht jedoch nicht weit genug. Es sind auch Verbesserungen für Erwerbsminderungsbestandsrentner erforderlich.
Der Bundesrat bittet daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Zurechnungszeit für Bestandsrentner mit einem Rentenbeginn vom 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2014 zu erhöhen.
Begründung:
Die durchschnittlichen Zahlbeträge der Erwerbsminderungsrenten im Rentenzugang sind nach Mitteilung der DRV
Bund von 613 Euro im Jahr 2013 um 103 Euro bzw. rund 17 Prozent auf 716 Euro im Jahr 2017 gestiegen.
Grund für diese positive Entwicklung ist neben den jährlichen Rentenanpassungen die Ausweitung der Zurechnungszeit vom 60. auf das 62. Lebensjahr durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz zum 1. Juli 2014.
Von dieser Verlängerung der Zurechnungszeit sowie den weiteren Verbesserungen bei der Zurechnungszeit durch das EM-Leistungsverbesserungsgesetz 2017 und nun auch durch das RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz profitieren aber jeweils nur Neurentner.
Handlungsbedarf besteht jedoch vor allem bei Bestandsrentnern mit einem Rentenbeginn von 2001 bis Juni 2014. Diese haben aufgrund der Einführung der Rentenabschläge zum 1. Januar 2001 weiterhin sehr niedrige Renten, da sie in die bisherigen Verlängerungen der Zurechnungszeit nicht einbezogen wurden. Diese Gruppe von Bestandsrentnern ist damit in erhöhtem Maße auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen.
Die Zurechnungszeit für diese Bestandsrentner sollte daher erhöht werden. Sie sollten zumindest in die Verbesserungen des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes von 2014 mit einer Erhöhung der Zurechnungszeit vom 60. auf das 62. Lebensjahr einbezogen werden. Damit würde auch der vom Gesetzgeber bereits eingeschlagene Weg mit Verbesserungen durch eine Erhöhung der Zurechnungszeit konsequent fortgesetzt.
7. Zum Gesetzentwurf allgemein
Die im Gesetzentwurf enthaltenen versicherungsfremden Leistungen und gesamtgesellschaftlichen Aufgaben der Erweiterung der Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder und der Entlastung von Geringverdienern werden überwiegend aus Beitragsmitteln der gesetzlichen Rentenversicherung finanziert.
Dies widerspricht dem System der Beitragsäquivalenz und wirkt sich negativ auf die Finanzen der gesetzlichen Rentenversicherung aus.
Der Bundesrat bittet daher, die Finanzierung dieser Leistungen sach- und systemgerecht vollumfänglich aus Steuermitteln vorzunehmen.
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht ausschließlich zusätzliche Bundesmittel für die Einhaltung der Beitragssatzobergrenze von 20 Prozent bis 2025 vor.
Die Finanzierung aller weiteren Leistungen erfolgt somit überwiegend durch die Versichertengemeinschaft aus Beitragsmitteln der gesetzlichen Rentenversicherung.
Vor allem die Kosten für die versicherungsfremden Leistungen und die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben der Erweiterung der Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder und der Entlastung von Geringverdienern in Höhe von insgesamt 28 Milliarden Euro bis 2025 sind jedoch sach- und systemgerecht vollständig durch Steuermittel zu finanzieren.
Denn es ist nicht nachvollziehbar, dass Leistungen, für die keine Beiträge entrichtet wurden und von denen auch Personen profitieren, die niemals in die Rentenversicherung eingezahlt haben, überwiegend von den Beitragszahlern der Rentenversicherung finanziert werden sollen.
Die negativen Auswirkungen auf die gesetzliche Rentenversicherung mit dem schnelleren Abbau der Nachhaltigkeitsrücklage und dem ohne Haltelinie schnelleren Absinken des Rentenniveaus sind dadurch erheblich.
Auch wird das Vertrauen in die langfristige finanzielle Stabilität der gesetzlichen Rentenversicherung durch unzureichende zusätzliche Bundesmittel geschwächt.
8. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat begrüßt, dass der Entwurf des RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetzes mit der Erweiterung der Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder eine stärkere Anerkennung der Erziehungsleistung vorsieht. Dadurch werden gerade Mütter in der Rente besser gestellt.
Diese Leistungsverbesserungen kommen bei Witwen und Witwern aufgrund der Einkommensanrechnung aber häufig nicht an.
Der in § 97 Absatz 2 SGB VI normierte Freibetrag ist zu niedrig und muss erhöht werden.
Durch eine Erhöhung des Freibetrags würden für Witwen und Witwer zudem generell stärkere Anreize zum längeren Arbeiten und zum Wiedereinstieg in das Erwerbsleben gesetzt werden.
Der Bundesrat bittet daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren den Freibetrag gemäß § 97 Absatz 2 SGB VI bei der Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes zu erhöhen.
Begründung:
Bezieht der hinterbliebene Ehepartner neben einer Witwen- bzw. Witwerrente eine Rente aus eigener Versicherung oder anderes Einkommen, wird dies oberhalb des dynamisierten Freibetrags in Höhe des 26,4 fachen des aktuellen Rentenwertes zu 40 Prozent auf die Witwenrente angerechnet.
Der Freibetrag liegt zurzeit in den alten Ländern bei 845,59 Euro und in den neuen Ländern bei 810,22 Euro.
Je berücksichtigungsfähigem Kind erhöht sich der Freibetrag um das 5,6-fache des aktuellen Rentenwertes.
Aufgrund dieser Einkommensanrechnung kommt bereits die bisherige bessere Anerkennung von Erziehungsleistungen durch die Erweiterung der Kinderer-ziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder mit dem RV-Leistungsverbesserungsgesetz 2014 häufig nicht bei den Berechtigten an.
Nach einer Schätzung sind hiervon etwa 800 000 Witwenrenten betroffen.
Die Anzahl der Kürzungen wird sich aufgrund der weiteren Ausweitung im vorliegenden Gesetzentwurf ab 1. Januar 2019 weiter erhöhen.
Damit die Mütterrente möglichst selten zu einer Kürzung der Hinterbliebenenrente führt und die Erziehungsleistung auch dieser Mütter und Väter ausreichend anerkannt wird, ist eine Erhöhung des Freibetrags gemäß § 97 Absatz 2 SGB VI bei der Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes notwendig.
Die Erhöhung des Freibetrags ist aber nicht nur im Hinblick auf Witwen und Witwer mit Kindern geboten. Durch eine Erhöhung des Freibetrages werden auch für Witwen und Witwer ohne Kinder stärkere Anreize zum längeren Arbeiten und zum Wiedereinstieg in das Erwerbsleben gesetzt.
Dadurch könnte insbesondere auch der Altersarmut von Frauen vorgebeugt werden.
Mit einer Erhöhung der Freibeträge würde der vom Gesetzgeber zum 1. Juli 2017 mit dem Flexi-Rentengesetz eingeschlagene Weg, die Einkommensgrenzen von Erwerbseinkommen zu erhöhen um damit Arbeitsanreize zu schaffen, konsequent fortgesetzt.
9. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat stellt fest, dass der vorliegende Gesetzentwurf gegenüber der geltenden Gesetzeslage geringfügige Minderausgaben der ostdeutschen Länder und Berlins bei den Erstattungen für die überführten Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der ehemaligen DDR nach dem Anspruchs- und Anwartschafts-überführungsgesetz (AAÜG) ausweist. Von der im Gesetzentwurf sogenannten Entlastung dieser Länder kann indes nur in dem Sinne die Rede sein, dass der dynamische Anstieg dieser Ausgaben lediglich geringfügig gedämpft wird.
Sobald die Haltelinie beim Sicherungsniveau nach Ablauf des Mittelfristzeitraums greift, kommt es nach den Angaben des Gesetzentwurfes im Vergleich zum geltenden Recht sogar zu einer Mehrbelastung bei den Erstattungen der ostdeutschen Länder und Berlins an den Bund nach dem AAÜG.
Der Bundesrat erinnert deshalb wiederholt an die Zusage des Bundes, schrittweise einen höheren Anteil der Erstattungen an die Deutsche Rentenversicherung nach dem AAÜG zu übernehmen, und verweist insoweit auch auf Ziffer 7 seines Beschlusses vom 21. September 2018 zum Bundeshaushalt 2019 (BR-Drucksache 330/18(B) ). Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass die Erstattungen der ostdeutschen Länder und Berlins an den Bund nach dem AAÜG, die im Jahr 2016 noch eine Höhe von rund 2,7 Milliarden Euro hatten, im Jahr 2022 insgesamt ein Niveau von voraussichtlich rund 3,1 Milliarden Euro erreicht haben werden. Die Größenordnung und Dynamik der Erstattungen ist für Länder mit einer ausgeprägten Struktur- und Finanzschwäche eine erhebliche Last, die den weiteren ostdeutschen Aufholprozess und die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland erschwert. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher ein weiteres Mal auf, eine erste signifikante Erhöhung des Bundesanteils zügig umzusetzen.
10. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat fordert, im weiteren Gesetzgebungsverfahren Regelungen zu treffen, die die soziale Absicherung von Selbständigen im Alter sicherstellen.
Begründung:
Die Anzahl der selbständig Tätigen in Deutschland steigt kontinuierlich an. Von diesen sind etwas mehr die Hälfte Solo-Selbständige. Selbständige werden von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nur teilweise erfasst. Da jedoch für diese Personengruppe ein besonders hohes Risiko der Altersarmut besteht, besteht hier rascher Handlungsbedarf.
Die Einbeziehung von Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung mit Opt-out-Lösung und Altersvorsorgepflicht ist politisch vereinbart. Dennoch sieht das RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz trotz der unbestrittenen Eilbedürftigkeit hierzu keine Regelungen vor. Diese sind daher im laufenden Gesetzgebungsverfahren noch zu ergänzen.