Punkt 39 der 886. Sitzung des Bundesrates am 23. September 2011
Der Bundesrat möge beschließen:
Zum Herstellerrabatt für Importarzneimittel und zum Wahlrecht für Apotheken bei der Abgabe von Arzneimitteln
Der Bundesrat erkennt an, dass sich nach den ersten Erkenntnissen die durch das AMNOG und das Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften eingeführten Instrumente als wirksame Maßnahmen zur Dämpfung der Ausgabensteigerungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Arzneimittelbereich erweisen.
Gleichwohl haben die neu geschaffenen Regelungen zum Teil zu unerwünschten Nebeneffekten und Unklarheiten bei der Gesetzesauslegung geführt, durch die bewährte Kostendämpfungsansätze unnötig erschwert werden.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, für Importarzneimittel eine Reduktion des Herstellerrabattes von 16 Prozent auf 6 Prozent im SGB V zu verankern, zumindest aber für die Dauer des erhöhten Herstellerrabattes den gesetzlichen Preisabstand abzusenken.
Ferner fordert der Bundesrat eine gesetzliche Klarstellung im SGB V dahin gehend, dass den Apotheken wieder ein Wahlrecht eingeräumt wird, ob sie ein rabattiertes patentgeschütztes Arzneimittel oder ein preisgünstiges Importarzneimittel abgeben.
Begründung:
In den letzten 30 Jahren haben insbesondere Arzneimittelimporte als preisdämpfende Konkurrenz gegenüber den Originalpräparaten fungiert. Durch diese wurde der Preisabstand zwischen Deutschland und dem europäischen Ausland von über 50 Prozent auf 25 Prozent reduziert, was einer jährlichen Ersparnis der GKV in Milliardenhöhe entspricht.
Die durch das Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften eingeführte Erhöhung der Herstellerrabatte für alle verschreibungspflichtigen und festbetragsfreien Arzneimittel, welche auch die Arzneimittelimporte betrifft, hat zu einer deutlichen Verschlechterung der Marktsituation für Reimporte geführt.
Erschwerend kommt hinzu, dass durch das AMNOG der grundsätzliche Vorrang von rabattierten patentgeschützten Arzneimitteln für die Abgabe durch die Apotheken festgeschrieben wurde, ohne dabei den Faktor der Preisgünstigkeit im Gesetz zu berücksichtigen. Durch das LG Hamburg (Urteil vom 5. Mai 2011, Az: 327 O 106/11 (PDF) Rn 28, zitiert nach juris; noch nicht rechtskräftig) wurde bestätigt, dass der Apotheker, um eventuellen Regressforderungen zu entgehen, nur zu beachten hat, ob ein Rabattkennzeichen der Krankenkasse in der Datenbank hinterlegt ist. Dies hat in der Praxis zur Folge, dass Apotheken ausschließlich rabattierte patentgeschützte Arzneimittel abgeben, ohne Ansehung der Tatsache, ob diese tatsächlich preisgünstiger sind als das entsprechende importierte Präparat. Durch den Abschluss eines (wie auch immer gearteten) Rabattvertrages liegt es damit in der Hand der Arzneimittelhersteller, einen nicht unerheblichen Teil des Marktes für Importeure nahezu abzuriegeln. Während nur 21,43 Prozent der Gesamtheit aller patentgeschützten Arzneimittel Rabattverträgen unterliegen, sind es im für die Importeure relevanten Markt etwa 50 Prozent.
Alleine in den ersten beiden Quartalen 2011 ging der Gesamtumsatz aller Arzneimittelimporteure um jeweils mehr als 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend bei unveränderter Rechtslage auch weiterhin fortsetzen wird. In letzter Konsequenz wären nicht nur Betriebsschließungen und Arbeitsplatzverluste bei den Importeuren die Folge, sondern es würde ein langjährig bewährtes Kostendämpfungsinstrument ohne Not aufgegeben werden.