982. Sitzung des Bundesrates am 8. November 2019
A
1. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfehlen dem Bundesrat, die Entschließung wie folgt zu fassen:
"Entschließung des Bundesrates zur Anwendung der EFSA-Bienenleitlinien bei der Prüfung von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden
- a) Honigbienen und Wildbienen sind wichtige Bestäuber von Kultur- und Wildpflanzen. Der Erhalt dieser Insekten ist aus Sicht des Bundesrates daher auch in wirtschaftlicher Hinsicht geboten. Allerdings sieht der Bundesrat mit Sorge, dass sowohl die Zahl der Arten als auch die Zahl der Bestäuberinsekten insgesamt zurückgehen. So ist etwa die Hälfte der Wildbienenarten in Deutschland in ihrem Bestand bedroht oder bereits ausgestorben. Neben dem Verlust von Biotopen und der Zerstückelung der Landschaft trägt nach Auffassung des Bundesrates auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu diesem Rückgang der Zahl der Insekten, und damit auch der Bestäuberinsekten, bei. Vor diesem Hintergrund sieht der Bundesrat dringenden Handlungsbedarf, um den Artenverlust zu stoppen, wie er bereits mit Beschluss vom 11. Februar 2011 (BR-Drucksache 805/10(B) ) ausgeführt hat.
- b) Der Bundesrat ist der Auffassung, dass mit den EFSA-Bienenleitlinien (EFSA Guidance Document on the risk assessment of plant protection products on bees [Apis mellifera, Bombus spp. and solitary bees]) grundsätzlich eine wissenschaftlich fundierte Grundlage zur Beurteilung der Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Bestäuberinsekten, sowohl Honigbienen als auch Wildbienen, vorliegt, mit der neben der akuten Toxizität auch subletale Wirkungen sowie Wirkungen auf Bienenlarven beurteilt werden können.
- c) Der Bundesrat bekräftigt die auch von der Kommission festgestellte Notwendigkeit, bei der Überarbeitung der EFSA-Leitlinien die natürliche Hintergrund-Mortalität von Bienen, die Auswirkungen der Haltungsbedingungen von Bienen, die Einflüsse der verschiedenen Wege der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln, die Attraktivität landwirtschaftlicher Kulturen für Bestäuberinsekten und die Auswirkungen der landwirtschaftlichen Praxis angemessen zu berücksichtigen, wobei sowohl verschärfende als auch abmildernde Wirkungen hinsichtlich der Beeinträchtigungen von Bestäuberinsekten einzubeziehen sind. Die nunmehr von der EFSA in Angriff genommene Überarbeitung der Leitlinien muss der Anpassung an neue wissenschaftliche Erkenntnisse und realistische Szenarien dienen und in praktisch umsetzbaren Methoden zur Bewertung der Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln resultieren.
- d) Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich auf EU-Ebene, insbesondere bei der Überarbeitung der EFSA-Bienenleitlinien, dafür einzusetzen, dass die Prüfung von Pflanzenschutzmitteln hinsichtlich ihrer chronischen Auswirkungen sowie ihrer Effekte auf Bienenlarven und Wildbienen als verbindlicher und praktikabler Standard in Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel in den Mitgliedstaaten festgelegt wird. Gleiches muss für die Biozid-Zulassungen gelten.
- e) Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die umfassende Expertise des Julius-Kühn-Institutes, Institut für Bienenschutz, in den Revisionsprozess der EFSA-Leitlinie einzubringen, und bietet die Unterstützung der Bienen-Institute der Länder hierfür an."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die Entschließung ist neu zu fassen, da unter anderem die Einbeziehung von Bioziden als notwendig angesehen wird; dies hat die Kommission in ihrem Mandat vom März 2019 an die EFSA deutlich gemacht und diese zur engen Zusammenarbeit mit der Europäischen Chemikalien-Agentur (ECHA) aufgefordert, da viele Pflanzenschutzmittelwirkstoffe auch in Bioziden enthalten sind. Weiterhin ist auch auf die inhaltlichen Vorgaben im Mandat zur Überarbeitung der EFSA-Leitlinie mit den entsprechenden Maßgaben einzugehen. Auch die Einbeziehung kompetenter wissenschaftlicher Einrichtungen in den Überarbeitungsprozess, wie zum Beispiel das Institut für Bienenschutz des Julius-Kühn-Instituts oder auch die Bienen-Institute der Länder, ist hierbei erforderlich.
B
2. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit empfiehlt dem Bundesrat, die Entschließung nach Maßgabe der folgenden Änderung zu fassen:
Zu Nummer 5:
Nummer 5 ist wie folgt zu fassen:
"5. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich auf EU-Ebene bei der Überarbeitung der EFSA-Bienenleitlinien für folgende verbindliche Standards im Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel einschließlich der Verfahren zur Zulassungserneuerung in den Mitgliedstaaten einzusetzen:
- a) die Prüfung von Pflanzenschutzmitteln hinsichtlich ihrer chronischen Auswirkungen, der Auswirkungen bei wiederholter Exposition und möglicher Kombinationseffekte bei der Anwendung verschiedener Pflanzenschutzmittel sowie ihrer Effekte auf alle Bienenarten in den verschiedenen Lebensstadien,
- b) die Anwendung eines adäquaten mehrstufigen Risikobewertungsmodells mit Labor-, Semi-Feldstudien und Feldstudien.
Ferner bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass Untersuchungen erfolgen, die die mögliche Ökotoxizität und indirekte Auswirkungen auf die Artenvielfalt berücksichtigen."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Der Populationsrückgang bei den Honig- und insbesondere Wildbienen ist bedenklich, da diesen aufgrund ihrer Bestäubungsleistung bei einer Vielzahl von Kultur- und Wildpflanzen eine wichtige ökologische und ökonomische Bedeutung zukommt.
So sind im Rahmen der Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln bei der Bewertung der Bienengefährlichkeit neben der akuten Toxizität auch subletale, chronische und synergistische Effekte sowie wiederholte Expositionen zu berücksichtigen. Dies schließt eine Bewertung der Wirkstoffeigenschaften und Wirkmechanismen der Pflanzenschutzmittel auf sämtliche Lebensstadien der Bienen ein. Diese Anforderungen werden in dem mehrstufigen Risikobewertungsmodell der EFSA berücksichtigt, das die vier Hauptpfade der Pflanzenschutzmittelexposition - Deposition von Wirkstoffen, Aufnahme von Pollen, von Nektar und von Wasser sowie die Exposition gegenüber Wirkstoffmetaboliten - abdeckt.
Darüber hinaus eröffnet die aktuelle Revision der EFSA-Bienenleitlinien die Möglichkeit, zukünftig auch artspezifische Besonderheiten bei der Bewertung der terrestrischen Ökotoxikologie, indirekte Effekte und Nebenwirkungen der Pflanzenschutzmittel bei der Risikobewertung stärker zu berücksichtigen.