A. Problem und Ziel
- Neben hohen Gesundheitsgefahren birgt der Konsum von Rauschmitteln, vor allem von Alkohol, erhebliche soziale Risiken, die in der Bevölkerung vielfach weit unterschätzt werden. Zu diesen sozialen Risiken gehören die strafrechtlich relevanten Auswirkungen von Rauschmittelkonsum. Unter Alkohol-, Medikamenten- oder Drogeneinfluss begangene Straßenverkehrsdelikte führen jährlich zu vielen Todesfällen, bleibenden Gesundheitsschäden und Verletzungen sowie hohen wirtschaftlichen Einbußen. Eine Vielzahl sonstiger Delikte, gerade Gewaltdelikte, wird nur begangen, weil alkoholbedingt die Hemmschwelle zur Tatausführung erheblich herabgesetzt ist.
- Die Rechtsordnung muss vor diesem Hintergrund deutlich zu erkennen geben, dass ein Täter, der sich auf vorwerfbare Weise in einen Rausch versetzt und in diesem Zustand eine Straftat begeht, in aller Regel keine pauschale Strafmilderung zu erwarten hat. Eine entsprechende Regelungsempfehlung hatte bereits die vom Bundesministerium der Justiz eingesetzte "Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems" in ihrem Abschlussbericht aus dem Jahr 2000 ausgesprochen. Zwar kann es der alkoholisierte Täter schwerer haben sich normgerecht zu verhalten und sich bewusst gegen das Unrecht zu entscheiden. Das mag den Schuldvorwurf an ihn mindern. Diese Minderung wird aber regelmäßig dadurch aufgewogen, dass sich der Täter vorwerfbar in diese Lage versetzt hat. Es ist allgemein bekannt, dass Rauschmittel, namentlich Alkohol, enthemmend wirken und dass deshalb vom Berauschten eine erhöhte Gefahr für seine Umwelt ausgeht. Kommt es unter diesen Voraussetzungen zu einer Straftat, so kann im Interesse der Strafgerechtigkeit sowie des Opferschutzes eine Strafrahmenverschiebung nach § 21 StGB in der Regel nicht in Betracht kommen.
B. Lösung
- Regelmäßiger Ausschluss einer Strafmilderung, wenn die Voraussetzungen des § 21 StGB erfüllt sind, aber die erhebliche Verminderung der Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, auf einem selbstverschuldeten Rausch beruht.
C. Alternativen
- Beibehaltung der bisherigen, nicht befriedigenden Rechtslage.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
- 1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Keine.
- 2. Vollzugsaufwand
Es sind geringe, nicht quantifizierbare Mehrbelastungen durch ausbleibende Strafmilderungen bei der Festsetzung von Freiheitsstrafen zu erwarten. Zu berücksichtigen sind umgekehrt ebenso wenig quantifizierbare Mehreinnahmen der Staatskasse infolge höherer Geldstrafen, Auflagen etc.
E. Sonstige Kosten
Gesetzesantrag des Freien und Hansestadt Hamburg
Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - § 21 StGB ... StrÄndG)
Der Präsident des Senats Berlin, den 5. Juli 2006
der Freien und Hansestadt Hamburg
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Harry Carstensen
Sehr geehrter Herr Präsident,
der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat beschlossen, dem Bundesrat den anliegenden Antrag
mit dem Antrag zuzuleiten, seine Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Artikel 76 Abs. 1 GG zu beschließen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 22. September 2006 zu setzen. Der Antrag soll zunächst vorgestellt und seine Überweisung an die Ausschüsse beantragt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ole von Beust
Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - § 21 StGB (... StrÄndG)
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
§ 21 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch ... (BGBl. I, S. ...) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am ... in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Allgemeines
- 1. Neben hohen Gesundheitsgefahren für die Konsumenten birgt der Konsum von Rauschmitteln, vor allem von Alkohol, erhebliche soziale Risiken, die in der Bevölkerung vielfach weit unterschätzt werden. Allein die Zahl alkoholabhängiger, behandlungsbedürftiger Personen wird in der Bundesrepublik Deutschland auf etwa 2,5 Mio. geschätzt. Zu den besonders sozialschädlichen Wirkungen von Alkohol, aber auch von anderen Rauschmitteln, gehört die Herabsetzung der Hemmschwelle gegenüber der Begehung von Straftaten.
Straßenverkehrsdelikte, die unter Alkohol-, Medikamenten- oder Drogeneinfluss begangen werden führen jährlich zu vielen Todesfällen, bleibenden Gesundheitsschäden und Verletzungen sowie hohen wirtschaftlichen Einbußen. Der Anteil alkoholisierter Tatverdächtigter liegt für Totschlagsfälle seit Jahren bei fast 40%, in Mordfällen bei nahezu einem Viertel, bei einem Drittel hinsichtlich Körperverletzungsdelikten mit Todesfolge, Vergewaltigungen und besonders schweren Fällen der sexuellen Nötigung. Insgesamt wird derzeit in etwa 9% aller aufgeklärten Fälle bei den Tatverdächtigten Alkoholeinfluss bei der Tatbegehung festgestellt (s. Polizeiliche Kriminalstatistik 2004, Bundesrepublik Deutschland, S. 73).
- 2. Trunkenheit oder sonstige Rauschzustände führen - je nach Ausmaß der Intoxikation - zur Enthemmung, zu einer Einschränkung oder sogar zum vollständigen Wegfall der Steuerungsfähigkeit. Infolgedessen kann der Konsument eine "krankhafte seelische Störung" i.S.d. §§ 20, 21 StGB aufweisen. Bei der Strafzumessung für rauschbedingte Straftaten oder solche Straftaten, die unter Rauschmitteleinfluss begangen werden, wird, wenn der Täter vermindert schuldfähig war (§ 21 StGB), bei der Strafzumessung häufig der nach §§ 21, 49 Absatz 1 StGB herabgesetzte Strafrahmen zugrunde gelegt. Diese Tendenz basiert unter anderem darauf, dass in der gerichtlichen Praxis § 21 StGB zu großzügig angewendet wird, um einer Aufhebung des Urteils in der Rechtsmittelinstanz vorzubeugen. Innerhalb des milderen Strafrahmens wählt das Gericht sodann mitunter eine tendenziell höhere Strafe, um die nur "vorsichtshalber" gewährte Strafrahmenverschiebung auszugleichen. Diese Praxis ist aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich.
- 3. Eine pauschale Strafrahmenverschiebung ist regelmäßig dann nicht hinnehmbar, wenn der Täter den Rausch selbst verschuldet hat. § 21 StGB erfasst eine Situation, in der der Täter schuldfähig (im Sinne strafbegründender Schuld) und damit normativ an sich uneingeschränkt ansprechbar ist. Im Einzelfall kann die Schuld des berauschten Täters lediglich auf der Strafzumessungsebene geringer ausfallen. Der volle Schuldgehalt einer Tat erschließt sich aber nicht allein aus dem Grad der Schuldfähigkeit des Täters, sondern nach den gesamten Umständen, welche die Tat unter dem Gesichtspunkt der Schuld mehr oder minder leicht oder schwer erscheinen lassen. Die geringere Schuld eines Täters infolge verminderter Schuldfähigkeit kann ausgeglichen werden durch anderweite schulderhöhende Elemente, und die Tat kann daher ihrem Schuldgehalt nach immer noch schwerer wiegen als in dem denkbar leichtesten Regelfall, von dem das Gesetz bei der Bestimmung der unteren Strafgrenze oder der unbedingt bestimmten Strafe für einen voll schuldfähigen Täter ausgeht. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die fehlende Unrechtseinsicht infolge verminderter Einsichtsfähigkeit die Schuld wesentlich stärker mindert als eine bloße Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens, also der Steuerungsfähigkeit (BGH GA 1971, 365, 366).
- 4. Es ist vor diesem Hintergrund konsequent, eine Strafmilderung für den Regelfall ausdrücklich auszuschließen, wenn die Minderung der Schuld dadurch aufgewogen ist, dass sich der Täter vorwerfbar in einen Rausch versetzt hat. Es ist allgemein bekannt, dass Rauschmittel, namentlich Alkohol, enthemmend wirken. Der Täter gibt mithin bewusst die ausreichende Selbstkontrolle aus der Hand und bringt sich in diesem Zustand in Kontakt mit seiner Umwelt, obwohl sein Hemmungsvermögen gegenüber der Begehung von Straftaten herabgesetzt ist. Wer unter Alkohol-, Medikamenten- oder Drogeneinfluss zu unkontrollierten Handlungen neigt, weiß dies zudem in der Regel und muss sein Konsumverhalten oder aber sein Sozialverhalten entsprechend anpassen.
- 5. Von der Rechtsprechung ist diese Sichtweise bei der Anwendung der Strafmilderung nur inkonsequent umgesetzt worden. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, ist eine einheitliche - und aus den vorstehenden Gründen restriktive - Handhabung aus kriminalpolitischen Gründen geboten.
II. Aktuelle Rechtslage hinsichtlich Straftaten unter Rauschmitteleinfluss
- 1. Ist aufgrund des Rauschzustandes des Täters der Bereich des § 20 StGB erreicht, so kann der Täter grundsätzlich nicht aus dem einschlägigen Straftatbestand bestraft werden.
Hat er sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel in einen Rausch versetzt, so ist er nach § 323a StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe zu bestrafen, wenn er in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist. Dabei darf nach § 323a Absatz 2 StGB die Strafe nicht schwerer sein als die Strafe, die für die im Rausch begangene Straftat angedroht ist.
- 2. Eine Ausnahme von dem vorgenannten Grundsatz ist denkbar: Die Bewertung einer Tat als actio libera in causa - eine Rechtsfigur, die in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend anerkannt ist, deren dogmatische Grundlagen und Konturen jedoch im einzelnen umstritten sind - gestattet es, einen Täter strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen obwohl er zur Tatzeit rauschbedingt schuldunfähig war. Strafrechtlicher Anknüpfungspunkt ist in diesen Fällen derjenige Zeitpunkt, in dem der Täter sich in den Rausch versetzt, aber bereits absieht oder absehen kann, dass es zur Tat kommen wird. §§ 20, 21 StGB sind dann u.U. nicht anwendbar. Die Einzelheiten sind sehr umstritten.
Jedenfalls mit Blick auf Delikte, die an eine bestimmte Tätigkeit anknüpfen (wie das "Führen" eines Kraftfahrzeugs - dazu BGHSt 42, 235), stößt die Rechtsfigur der actio libera in causa an ihre Grenzen und ist deshalb nicht geeignet, Fällen selbstverschuldeten Rausches abschließend zu begegnen.
- 3. Abseits der aufgezeigten Fälle - welche eher die Ausnahme bilden - kann § 21 StGB mit der dort vorgesehenen fakultativen Strafmilderung zum Zuge kommen.
- a. Die Rechtsprechung hatte hier zunächst eine Strafmilderung bei selbstverschuldetem Rausch weit gehend versagt (BGH MDR 1951, 657; 1960, 938). Später hat sie die Strafmilderung nach § 21 StGB nur noch dann ausgeschlossen, wenn der Täter aufgrund früherer Erfahrungen wusste oder wissen musste, dass er nach Rauschmittelkonsum zu Straftaten neige (s. etwa BGHSt 34, 29, 33). Zusätzlich wurde zur Bedingung für den Ausschluss der Strafmilderung erhoben, dass es sich bei dem früheren Delikt um eine nach Ausmaß und Intensität vergleichbare Tat gehandelt hatte (z.B. BGH NStZ 1986, 114). Der 3. Strafsenat des BGH hat sich später gegen diese extensive Strafmilderungspraxis ausgesprochen (NJW2003, 2394). Sie führe zu einem Wertungswiderspruch im Verhältnis zu § 323a StGB. Die Rechtsprechung des 3. Senats ist in ihrer Grundtendenz, allerdings unter Abkehr von ihrem Begründungsansatz, in der Folge ausdifferenziert worden. Der 5. Strafsenat (BGHSt 49, 239) hat ausgeführt, dass bei Gewalttaten eine auf zu verantwortender Trunkenheit beruhende erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung spreche. Dies gelte allerdings nur, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Berauschung erhöht habe. Mit der Formulierung "kann" habe der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass auch eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit für sich allein weder zwingend, noch in der Regel zu einer durchgreifenden Verringerung der Schuld führe. Allerdings gehe es zu weit, jede vorwerfbar herbeigeführte Alkoholisierung generell als schulderhöhende Kompensation anzusehen. Im Urteil wird jedoch betont, dass eine vorwerfbare Risikoerhöhung in der weit überwiegenden Zahl aller in Betracht kommenden Fälle gegeben sei.
- b. Demgegenüber hat die Rechtsprechung in Fällen schwerster Kriminalität und der Erwartung lebenslanger Freiheitsstrafen ihre Tendenz zur Gewährung der Strafrahmenverschiebung aufrechterhalten (BGHSt 49, 239, 247). Hier müsse berücksichtigt werden, dass der schuldmindernde Umstand einer erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit angesichts der Absolutheit der Strafdrohung ohne eine Strafrahmenverschiebung bei der konkreten Strafzumessung nicht berücksichtigt werden könne. Die Frage der Strafrahmenverschiebung gewinne damit im Vergleich zur Prüfung bei zeitigen Freiheitsstrafen an Gewicht. Daher seien eine besonders sorgfältige Prüfung aller schuldrelevanten Umstände sowie eine im Zweifel eher zurückhaltenden Gewichtung zu Lasten des Täters angezeigt.
- c. Besonderheiten unterliegt nach der Rechtsprechung der Fall alkoholisierter Straftatbegehung, wenn der Täter alkoholkrank ist bzw. ihn der Alkohol zumindest weit gehend beherrscht. Wenn der Täter den Alkohol aufgrund eines unwiderstehlichen oder ihn weit gehend beherrschenden Hanges trinke, sei ihm der Alkoholkonsum nicht mehr uneingeschränkt vorwerfbar (s. etwa BGH NStZ 2004, 495). Eine Strafmilderung komme hier nicht in Betracht, wenn sich der Alkoholiker bewusst in eine gewaltträchtige Situation begeben habe, obwohl er gewusst habe oder habe wissen müssen, dass er sich dort aufgrund seiner Beherrschung durch den Alkohol nur eingeschränkt würde steuern können (BGHSt 49, 239, 244 f.).
- d. Was für Alkohol gilt, kann nach Auffassung der Rechtsprechung nicht ohne Weiteres auf andere Genuss- und Betäubungsmittel übertragen werden. Die enthemmende und hierdurch teils aggressionsfördernde Wirkung des Alkohols sei allgemein bekannt. Bei Betäubungsmitteln seien die Wirkungsweisen dagegen differenzierter und unter Umständen weniger konkret vorhersehbar, zumal die Dosierung und die individuelle Verträglichkeit meist von Fall zu Fall erheblichen Schwankungen unterlägen. Wie bei Alkohol gilt allerdings nach der Rechtsprechung auch beim vorwerfbaren Konsum von Betäubungsmitteln, dass eine Strafmilderung regelmäßig dann ausscheidet, wenn der Täter bereits zuvor unter vergleichbarem Drogeneinfluss gewalttätig geworden ist (BGHSt 49, 239, 248).
III. Notwendige Korrekturen der Rechtslage
Die beschriebene Rechtspraxis ist teilweise gesetzlich zu fixieren, in Randbereichen bedarf sie der Korrektur.
- 1. Das von der Rechtsprechung verlangte subjektive oder situative Moment der Vorwerfbarkeit ist in Fällen des selbstverschuldeten Rausches in aller Regel erfüllt. Dies muss aus den oben beschriebenen Gründen auch im Gesetzeswortlaut Niederschlag finden.
- 2.
- a. Eine restriktivere Tendenz gegenüber der in der Rechtsprechung bisher vertretenen Linie verfolgt § 21 Absatz 2 StGB-E, was andere, nicht (allein) alkohlbedingte Rauschzustände angeht. Zwar mag sich in diesen Fällen die Dosierung des Rauschmittels mitunter weniger genau abschätzen lassen, und es mögen die konkreten Auswirkungen des Konsums auf die Steuerungsfähigkeit schwerer vorhersehbar sein. Entscheidend ist jedoch, dass generell nach dem Rauschmittelkonsum von einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auszugehen ist. Der Täter gibt die Kontrolle über sich und sein Steuerungsvermögen in vorwerfbarer Weise, zumeist sogar bewusst, aus der Hand. Das rechtfertigt die Gleichbehandlung mit dem Alkoholrausch.
- b. Auch aus § 7 Absatz 2 WStG lässt sich ableiten, dass die Gleichsetzung legitim ist. Nach dieser Vorschrift führen selbstverschuldete Trunkenheit sowie "ein Rausch anderer Art" nicht zu einer Milderung der angedrohten Strafe, wenn die Tat eine militärische Straftat ist, gegen das Kriegsvölkerrecht verstößt oder in Ausübung des Dienstes begangen wird. Dass im soldatischen Bereich weitere Erwägungen eine Rolle spielen, rechtfertigt die noch strikteren Vorgaben in § 7 Absatz 2 WStG, d.h. den Ausschluss jeglicher Strafmilderungsmöglichkeit. Die im Einzelfall geringere Voraussehbarkeit von Straftaten oder unkalkulierbare Verläufe bei anderen als alkoholbedingten Rauschzuständen können entweder zur ausnahmsweisen Gewährung der Strafrahmenverschiebung führen oder können bei den allgemeinen Strafzumessungserwägungen Berücksichtigung finden.
- c. Mit Blick auf das verfassungsrechtlich verankerte Schuldprinzip wirft diese Regelung keine durchgreifenden Bedenken auf (s. insoweit auch BVerfGE 50, 5). In § 7 WStG wird die Erkenntnis der schulderhöhenden Vorwerfbarkeit selbstverschuldeter Rauschzustände - freilich in einem anderen sozialen Zusammenhang - sogar ausnahmslos zugrunde gelegt. Begründet wurde die Schaffung der Norm damit, dass Alkohol eine besonders schwere Gefahr für die Disziplin darstelle (BT-Drs. 0II/3040, S. 18). Vom Soldaten müsse verlangt werden, dass er sich nicht in einen Zustand versetze, der Hemmungen gegenüber militärischen Straftaten oder Straftaten im Dienst vermindere. Wenn auch der soziale Verkehr in der Allgemeinheit nicht die gleiche Art von Disziplin abverlangt, bleibt die Kernaussage des § 7 WStG auch in anderem Zusammenhang gültig: Eine Milderung von Strafe für die Beeinträchtigung von Rechtsgütern ist dann nicht akzeptabel, wenn der erste, schwer wiegende Schritt zu dieser Beeinträchtigung dem Täter vorzuwerfen ist. Damit bleibt die selbstverschuldete Trunkenheit (oder ein anderer selbstverschuldeter Rauschzustand) für die Strafzumessung nicht etwa ohne Bedeutung: Innerhalb des regulären Strafrahmens - aber eben nur innerhalb dieses Rahmens - können etwaige Defizite beim Täter als Strafzumessungserwägung, mildernd oder auch strafschärfend, eine Rolle spielen.
IV. Der Anwendungsbereich von § 21 Absatz 1 StGB-E
Mit der regelhaften Herausnahme des selbstverschuldeten Rauschs aus dem Anwendungsbereich des § 21 StGB geht einher, dass die Norm in ihrem übrigen Anwendungsbereich in Bezug auf Rauschfälle in der Regel zu einer Strafmilderung führt, ohne dass dies gesetzgeberisch ausgesprochen werden müsste. Es sind Einzelfälle denkbar, in denen eine Strafrahmenverschiebung nicht angezeigt ist. So kann auf der Basis der bisherigen Rechtsprechung in Fällen nicht selbstverschuldeten Rauschs (etwa bei Alkoholkrankheit) gleichwohl die Strafmilderung zu versagen sein, wenn der Täter durch sein Verhalten vorwerfbar das Risiko erhöht hat, dass er eine Straftat begeht. Die nähere Ausgestaltung bleibt weiterhin der Rechtsprechung vorbehalten.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
I. Zu Artikel 1
- 1. Terminologisch knüpft § 21 Absatz 2 StGB-E an § 323a StGB an. Namentlich für das Verständnis des zentralen Tatbestandsmerkmals "Rausch" kann mithin auf gesicherte Rechtspraxis zurückgegriffen werden. Erfasst werden alle Grade der Berauschung mit Ausnahme des die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausches, der allein von § 20 StGB erfasst ist. Das ergibt sich aus der systematischen Anknüpfung an die Möglichkeit einer Strafmilderung. Fälle der actio libera in causa sind nicht in § 21 Absatz 2 StGB-E erfasst. Aus dem Regelausschluss einer Strafmilderung in Absatz 2 ergibt sich, dass an eine Konstellation angeknüpft wird, in der § 21 StGB im Prinzip anwendbar ist, während die actio libera in causa die Anwendung von § 21 StGB ausschließt (auch diese Teilfrage der Rechtsfigur ist umstr., s. Tröndle/Fischer, StGB, 53. Auflage, § 21, Rn. 16).
- 2. Der Rausch muss selbstverschuldet sein, um eine Strafrahmenverschiebung in der Regel auszuschließen. Der Begriff "selbstverschuldet", der dem StGB fremd ist, entstammt § 7 WStG. Selbstverschuldet in diesem Sinne ist ein Rausch, wenn der Täter wusste oder wissen musste, dass er sich durch Rauschmittel in einen Rausch versetzte und wenn ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann. Über das "schuldhafte" - also vorsätzliche oder fahrlässige - Sich-Berauschen geht dieser Begriff insoweit hinaus, als dem Täter unter Umständen der Rauschmittelkonsum trotz Vorsatzes oder Fahrlässigkeit nicht zum Vorwurf gemacht werden soll. Damit ist kein sittlichmoralischer Vorwurf angesprochen, sondern die Frage der Steuerbarkeit der Herbeiführung des Rauschzustands. Vorwerfbar ist es, wenn der Täter ihm zumutbare Willensanstrengungen unterlässt, seinem Drang, sich zu berauschen, gegenzusteuern. Der Entwurf legt insoweit das Leitbild eines freien, selbstbestimmten Individuums zugrunde. Erst wenn dem Individuum die Möglichkeit zur Steuerung seines Verhaltens fehlt, weil er im Zuge eines krankhaften, unwiderstehlichen Verlangens das Rauschmittel konsumiert, ist nicht mehr von einer Vorwerfbarkeit auszugehen.
Für die Frage, wann ein Rausch in diesem Sinne nicht selbstverschuldet ist, kann auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden: Wenn der Täter alkoholkrank bzw. drogenabhängig ist und das Rauschmittel aufgrund eines unwiderstehlichen oder ihn weit gehend beherrschenden Hanges konsumiert, so trifft ihn nicht der gleiche Schuldvorwurf wie den nicht Erkrankten. Dann ist auch eine Strafrahmenverschiebung nicht in der Regel auszuschließen. Vielmehr kommt es dann, wie in der Rechtsprechung herausgearbeitet worden ist, auf die Frage an, ob sich der Abhängige vorwerfbar in eine Situation begeben hat, in der es zur der Straftat gekommen ist. Trifft ihn auch in dieser Hinsicht kein Vorwurf, kann seine Strafe nach dem allgemeinen Grundsatz des § 21 Absatz 1 StGB-E nach allgemeinen Grundsätzen gemildert werden.
- 3. Ebenso ist, wie aus der Formulierung von Absatz 2 folgt, eine Strafmilderung nach Absatz 1 zulässig, wenn sich die verminderte Schuldfähigkeit erst aus der Verbindung von Alkoholgenuss und einer (anderen) krankhaften seelischen Störung im Rechtssinne ergibt, diese aber nicht verschuldet ist. In diesem Fall "beruht" die verminderte Schuldfähigkeit nicht im hier gemeinten Sinne auf einem selbstverschuldeten Rausch. Denn der geminderte Unrechtsgehalt der rauschbedingten Straftat ist dann nicht von vornherein regelhaft durch das vorwerfbare Verhalten des Täters vollends ausgeglichen.
- 4.
- a. Eine Strafmilderung ist unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 für den Regelfall ausgeschlossen. In besonders gelagerten Einzelfällen, etwa wenn die rauschbedingte Enthemmung des Täters eine untergeordnete Rolle für die Begehung der Straftat gespielt hat oder sich die Begehung der Straftat der Vorhersehbarkeit ausnahmsweise doch weitest gehend entzogen haben sollte, bleibt die Strafrahmenverschiebung möglich.
- b. Einer besonders sorgfältigen Abwägung bedarf die Entscheidung über die Versagung einer Strafrahmenverschiebung des Weiteren bei Delikten - insbesondere Mord -, die das Gesetz allein mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht. Wegen der absoluten Strafandrohung können, anders als bei zeitiger Freiheitsstrafe, die selbstverschuldete Trunkenheit oder ein anderer selbstverschuldeter Rauschzustand nicht im Rahmen der einfachen Strafzumessungserwägungen schuldmindernd berücksichtigt werden. Deshalb bedarf es genauer Prüfung, inwieweit in solchen Fällen von der Regelanordnung des Absatzes 2 abzuweichen ist. Die Einzelheiten bleiben der Entwicklung in der Rechtsprechung überlassen. Zu bedenken ist jedoch, dass angesichts der besonderen Schwere der Rechtsgutsbeeinträchtigung auch der Kontrollverlust und die Umstände, die ihn ermöglicht haben, besonders schwer wiegen.
- 5. § 21 Absatz 2 StGB-E verbietet nicht generell alkohol- bzw. allgemein rauschbedingte Strafmilderungen nach den allgemeinen Vorschriften. So schließt der Entwurf durch die Anknüpfung an § 21 Absatz 1 StGB-E nicht ausdrücklich aus, dass die Gesamtabwägung der Tatumstände unter Einschluss der durch den Täter selbstverschuldeten Alkoholisierung einen minder schweren Fall begründet. Ebenso wenig steht die Norm einer Strafminderung (oder gar einer Strafschärfung) im Rahmen der allgemeinen Zumessungsregeln in §§ 46 ff. StGB entgegen. Entscheidendes Anliegen des Gesetzes ist es, den bedeutsamen Schritt der Strafrahmenverschiebung weitest gehend auszuschließen. Auch darüber hinaus ist § 21 Absatz 2 StGB-E allerdings als Hinweis darauf zu verstehen, dass das Gesetz einem selbstverschuldeten Rausch jedenfalls kein erheblich schuldminderndes Gewicht beimisst. Ein vollständiger Ausschluss jeglicher Strafmilderungsmöglichkeiten wäre indessen mit Blick auf das Schuldprinzip problematisch.
II. Zu Artikel 2
Die Vorschrift regelt das In-Kraft-Treten des Gesetzes. Übergangsvorschriften sind nicht erforderlich.