950. Sitzung des Bundesrates am 4. November 2016
A
- 1. Der federführende Finanzausschuss, der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten, der Rechtsausschuss, der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung empfehlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
B
- 2. Der federführende Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat ferner, gemäß § 33 der Geschäftsordnung des Bundesrates Herrn Staatsminister Dr. Thomas Schäfer (Hessen) und Herrn Minister Peter-Jürgen Schneider (Niedersachsen) zu Beauftragten des Bundesrates für die Beratung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag und in dessen Ausschüssen zu bestellen.
C
Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz, der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung empfehlen dem Bundesrat ferner, folgende Entschließungen zu fassen:
- 3.
- a) Der Bundesrat ist der Auffassung, dass eine rechtssichere und verwaltungsökonomische Bewertungsgrundlage von wesentlicher Bedeutung für das Gemeinwohl ist. Auch im Bereich der Land- und Forstwirtschaft führt dies zu einer erheblichen Vereinfachung des Bewertungsverfahrens.
- b) Die Bundesregierung wird ersucht, bei der Erhebung von Datengrundlagen zur Umsetzung des Gesetzes den Besonderheiten der Land- und Forstwirtschaft Rechnung zu tragen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Nach einer ersten, nur an wenigen Einzelbetrieben in Baden-Württemberg durchgeführten Verprobung der Bewertungsansätze lässt sich feststellen, dass die neuen Bewertungsansätze im Einzelfall deutliche Auswirkungen auf die Höhe der Grundsteuerwerte haben können. Vor diesem Hintergrund und dem Ziel einer aufkommensneutralen Grundsteuerreform kommt der Festlegung der Steuermesszahlen, die künftig auf Länderebene erfolgen kann, eine entscheidende Bedeutung für die künftige Höhe der Grundsteuer für land- und forstwirtschaftliche Betriebe zu. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird hierzu ausgeführt, dass "ein Festlegen der Steuermesszahlen erst möglich ist, wenn eine statistisch valide Kenntnis der neuen Grundsteuerwerte gegeben ist".
Eine valide und belastbare Kenntnis der Grundsteuerwerte ist jedoch nur im Wege einer umfassenden Verprobung der Bewertungsansätze zu erreichen.
Der Gesetzentwurf sieht in § 219 Absatz 1 Nummer 9 BewG-E eine neue Nutzungsart "Hofstelle" vor, die künftig aufzugliedern ist nach Hofflächen und Wirtschaftsgebäudeflächen. Bisher ist die Hofstelle ein Bestandteil der landwirtschaftlichen und der übrigen Nutzungen. Es ist vorgesehen, einen gesonderten Wert für die Hofflächen nach Anlage 32 in Höhe von 8,36 Euro/Ar zur Ermittlung des Reinertrags zu verdoppeln. Bei den Hofflächen handelt es sich im Regelfall lediglich um Bewegungsflächen, die Maschinen nutzen können. Diese Maschinen sind aber über die Erfassung der Ertragsfähigkeit der Flächen, welche die Maschinenausstattung vorgeben, bereits erfasst.
Als problematisch könnten sich auch die pauschalen Zuschläge für bestimmte Tierhaltungen erweisen. Diese Zuschläge sind zum Teil bereits in der Ertragswerterfassung der Flächen erfasst. Durch die Art der Bewertung der Wirtschaftsgebäude und der Hofflächen nach dem Entwurf der Anlage 32 ergibt sich in den berechneten Beispielen eine erhebliche Verlagerung der Ertragsbewertung der Flächen zu den Gebäuden.
In den berechneten Betrieben ergaben sich im Einzelfall sehr hohe Werte für die Summe der kapitalisierten Reinerträge des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft (Grundsteuerwert), der als Ausgangswert für die Ermittlung des Steuermessbetrags dient. Hinzu kommt, dass in diesen Werten nur der landwirtschaftliche Betrieb ohne Wohnungswert abgebildet ist, da das Betriebsleiterwohnhaus künftig zum Grundvermögen gerechnet wird und mit Pauschalherstellungskosten separat zu bewerten ist.
Bei der künftigen Besteuerung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe ab dem Bewertungsstichtag 1. Januar 2022 wird folglich deren spezifische Struktur (agrarische Produktionsmittel und -flächen) von besonderer Bedeutung sein. Diese kann insbesondere bei einer im Rahmen der Umsetzung des Gesetzes erfolgenden Ermittlung von Datengrundlagen für die Festsetzung von Steuermesszahlen Berücksichtigung finden. Die hierzu erforderliche, statistisch valide Kenntnis der neuen Grundsteuerwerte könnte in Zusammenarbeit mit den Ländern gewonnen werden.
- 4. Der Bundesrat weist darauf hin, dass bereits jetzt und nicht erst in einem zweiten Schritt Maßnahmen zur Unterstützung der Innenentwicklung im Grundsteuergesetz eingeführt werden sollten. Denkbar ist beispielsweise, den Kommunen das Recht einzuräumen, innerhalb des Gemeindegebiets zonierte Hebesätze einzuführen, um die Bebauung baureifer, aber brachliegender Grundstücke anzustoßen. Die Schaffung steuerlicher Anreize zum effizienten Umgang mit Flächen leistet einen wichtigen Beitrag zur Aktivierung von Brachflächen und Innenentwicklungspotenzialen. Die Eindämmung der Flächeninanspruchnahme ist ein Politikfeld, das ökologische, ökonomische, siedlungs-, verkehrs- und sozialpolitische Dimensionen aufweist. Ziel muss der verantwortliche Umgang mit dem Raum als begrenzter natürlicher Ressource sein, die anhaltend hoher Nachfrage ausgesetzt ist.
Begründung:
Die Reform der Grundsteuer ist bereits seit längerem Gegenstand der steuerpolitischen Diskussion. Fast ebenso lange werden Forderungen - besonders seitens der Kommunen selbst - erhoben, im Grundsteuerrecht den Kommunen Möglichkeiten zu eröffnen, Anreize zugunsten der Innenentwicklung zu schaffen. Damit soll der effiziente Umgang mit Flächen befördert und den Kommunen weitere Handlungsoptionen für eine aktive Flächenpolitik und zur Stärkung ihrer Zentren zugänglich gemacht werden. In den letzten 50 Jahren wurde in der Bundesrepublik Deutschland so viel Fläche für neue Siedlungs- und Verkehrsflächen in Anspruch genommen wie von allen vorherigen Generationen zusammen. Dieser stetige Zuwachs steht im Widerspruch zu einer nachhaltigen Entwicklung und schränkt Handlungsoptionen für zukünftige Generationen ein.
Viele Gemeinden betreiben im Rahmen der Bauleitplanung bereits eine aktive Innenentwicklung. Das beginnt mit dem Schließen einzelner Baulücken und geht über maßvolle Nachverdichtung im Bestand und die Revitalisierung von Gewerbebrachen bis hin zur Entwicklung ganzer neuer Stadtteile auf ehemals militärischen Konversionsflächen oder entbehrlichen Bahnflächen. Die Neustrukturierung, Umnutzung und Aufbereitung von Brachflächen, bisher militärisch genutzter Gebäude und Liegenschaften sowie die Stärkung der Innenstädte und Ortszentren sind zentrale Schwerpunkte der Städtebauförderung.
Neben planerischen Instrumenten sollte allerdings auch über fiskalische bzw. ökonomische Instrumente auf eine verminderte Flächeninanspruchnahme eingewirkt werden.
Den Kommunen könnte die Möglichkeit eröffnet werden, über eine Öffnungsklausel im Grundsteuerrecht die Innenentwicklung zu fördern. Zur Stärkung der Innenentwicklung würde die Gemeinde ermächtigt, für bestimmte, durch Satzung festgelegte Grundstücke, Abweichungen vom Grundsatz der Einheitlichkeit des Hebesatzes vorzusehen. Dadurch könnten die Städte und Gemeinden Anreize für eine Flächen sparende Bauweise setzen und die Mobilisierung von erschlossenen, aber unbebauten Grundstücken voranbringen. Damit wird auch der derzeit dringend erforderliche Wohnungsbau gestärkt. Außerdem wird durch eine effektive Grundstücksnutzung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gemeinden für die Zukunft gesichert. Ungenutzte Grundstücke belasten die kommunalen Haushalte, da sie zur Ausweisung neuer Bauflächen führen, deren Infrastruktur ebenfalls dauerhaft durch die öffentliche Hand zu unterhalten ist.