A. Problem und Ziel
Kinder sind auf Grund ihrer körperlichen Unterlegenheit und ihrer Gutgläubigkeit für Straftäter leichte Opfer. Die Auswirkungen der Tat sind oftmals nicht nur unmittelbar für das kindliche Tatopfer erheblich, sondern auch für sein persönliches Umfeld. Zudem leiden Kinder bisweilen ihr Leben lang an den Folgen einer Straftat. Auf Grund der stark vorangeschrittenen Digitalisierung und der zunehmend leichteren Möglichkeiten, über soziale Netzwerke und Internetdienste miteinander in Kontakt zu treten, sind Kinder nicht nur im realen Leben dem Zugriff von Straftätern ausgesetzt, sondern vermehrt auch in der Anonymität des Internets. Im Hinblick auf beide Tatumgebungen bestehen jedoch gesetzliche Lücken in Bezug auf einen umfassenden strafrechtlichen Schutz von Kindern.
Dies gilt zunächst für Fälle von Kindesentführungen, bei denen es (noch) nicht zu sexuellen Missbrauchshandlungen oder sonstigen Anschlusstaten gekommen ist:
Solche Handlungen erfüllen insbesondere bei Säuglingen und Kleinstkindern mangels Vorliegens eines natürlichen Fortbewegungswillens nicht den Tatbestand der Freiheitsberaubung nach § 239 Absatz 1 StGB. Ebenso scheidet auch eine Anwendbarkeit der Nötigung nach § 240 Absatz 1 StGB aus. Zwar steht gemäß § 235 Absatz 1 StGB die Entziehung Minderjähriger unter Strafe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes muss eine solche Entziehung im Sinne der Vorschrift jedoch von einer gewissen Dauer sein, was zwar von den Umständen des Einzelfalles abhängt, aber gegebenenfalls bei einer Zeitspanne von einer halben Stunde ausscheiden kann (Aktenzeichen 1 St362/16). Zwar kann gerade auch bei Kleinstkindern ein kürzerer Zeitraum für die Erfüllung des Tatbestandes ausreichen. Jedoch hängt dies stark von den konkreten Gegebenheiten der Tat ab, wobei auch in diesen Fällen der Dauer der Entziehung und damit dem zeitlichen Faktor eine (mit-)
entscheidende Bedeutung zukommt. Aus diesem Grund wird in Fällen von Kindesentführungen oftmals auch ein Rückgriff auf die ein Strafmaß von ein bis zehn Jahren vorsehende Qualifikation gemäß § 235 Absatz 4 Nummer 1 StGB scheitern. Dies gilt insbesondere im Falle eines frühzeitig gescheiterten Versuches, weil der Nachweis, dass der Täter ein mehrstündiges Geschehen plante, nur in außergewöhnlichen Fällen zu erbringen sein wird. Hinzu kommt, dass § 235 StGB angesichts seines Absatzes 4 Nummer 1 und seines Absatzes 5 zwar auch die körperliche und seelische Integrität des minderjährigen Tatopfers zum Schutzzweck hat, in den Grundtatbeständen der Absätze 1 und 2 jedoch primär das elterliche bzw. sonstige familienrechtliche Sorgerecht in den Blick nimmt.
Bei versuchten Kindesentführungen kommt regelmäßig auch keine Bestrafung wegen eines versuchten Sexual- oder gar Tötungsdeliktes in Frage. Zumeist ist der Nachweis für einen entsprechenden Tatvorsatz nicht zu erlangen, zudem kann ohne konkrete Kenntnis und Nachweisbarkeit eines Tatplanes, der ohne weitere Zwischenakte sogleich zu einem sexuellen körperlichen Kontakt bzw. zu einer Tötungshandlung führen sollte, nicht von einem unmittelbaren Ansetzen zum Versuch ausgegangen werden (BGHSt 35, 6, dort Randnummer 13 f.).
Im Hinblick auf strafrechtlich relevante Einwirkungen auf Kinder über das Internet sieht § 176 Absatz 4 Nummer 3 StGB zwar eine Strafbarkeit vor, wenn mittels Schriften oder mittels Informations- oder Kommunikationstechnologie auf das kindliche Tatopfer eingewirkt wird, um dieses insbesondere zu sexuellen Handlungen zu bringen oder um die Situation dazu auszunutzen, kinderpornographische Schriften herzustellen. Soweit der Täter jedoch irrig davon ausgeht, dass sein digitales Gegenüber ein Kind ist, ist ein solcher untauglicher Versuch einer Tat nach § 176 Absatz 4 Nummer 3 StGB bisher nach dieser Vorschrift nicht strafbar.
§ 176 Absatz 6, 2. Halbsatz StGB nimmt unter anderem § 176 Absatz 4 Nummer 3 StGB ausdrücklich von der Versuchsstrafbarkeit aus. In Bezug auf die Bereitschaft des Täters, unter Überwindung innerer Hemmschwellen ein Kind durch Einflussnahme über das Internet zu sexuellen Handlungen zu bewegen oder auf dieses in sonstiger § 176 Absatz 4 Nummer 3 StGB entsprechender Weise einzuwirken, macht es jedoch keinen Unterschied, ob das digitale Gegenüber des Täters tatsächlich ein Kind ist. Auch wenn ein Täter mit einem nicht als solchem erkannten nichtkindlichen Tatopfer kommuniziert, wird er unter Umständen nach Überwindung seiner Hemmschwellen bestärkt sein, entsprechende weitere Taten - bei denen dann gegebenenfalls tatsächlich ein Kind betroffen ist - zu begehen oder früher oder später gar abwägen, seine Neigungen auch in der realen Welt auszuleben.
Gleiches gilt im Übrigen auch im Hinblick auf Täter, die zur Einwirkung auf Kinder diesen pornographische Abbildungen vorzeigen oder pornographische Inhalte zugänglich machen. Nach jetziger Rechtslage ist dies nach § 176 Absatz 4 Nummer 4 StGB strafbar.
§ 176 Absatz 6, 2. Halbsatz StGB schließt auch für solche Taten eine Versuchsstrafbarkeit aus. Geht der Täter nun irrigerweise bei einer Tatbegehung über das Internet davon aus, dass sein digitales Gegenüber ein Kind ist, entfällt eine Strafbarkeit nach § 176 Absatz 4 Nummer 4 StGB und es verbleibt gegebenenfalls eine solche nach § 184 Nummern 1 bzw. 6 StGB, welche lediglich einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorsehen.
Wie erheblich die Gefahren für Kinder im Internet sind, zeigte sich nicht zuletzt an einem Projekt des Kinderhilfswerkes Terre des Hommes: Mit Hilfe der COMputergeschaffenen Phantomfigur "sweetie" gelang es, mehr als tausend pädosexuelle Täter zu identifizieren, die bezahlten Webcam-Sex mit einem von ihnen nicht als solches erkanntem fiktivem zehnjährigem Mädchen anstrebten. Recherchen von Terre des Hommes ergaben, dass in jedem Moment weltweit rund 750.000 Täter auf der Suche nach Minderjährigen in rund 40.000 Chatrooms online sind. Nicht zuletzt deswegen, sondern auch unter dem Eindruck des Erfolges des Projektes "sweetie" wurde von Terre des Hommes in der jüngeren Vergangenheit das Vorhaben "sweetie2.0" initiiert, mit dem erneut mit Hilfe einer Software mit Tätern im Internet in Kontakt getreten werden soll.
B. Lösung
Der Entwurf sieht daher zunächst die Erweiterung des Straftatbestandes § 235 StGB-neu- Entziehung Minderjähriger; Kindesentführung vor, in welchem das Entführen oder das rechtswidrige Sich-Bemächtigen von Kindern einen Grundtatbestand mit einem Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bilden. Die Neufassung der Vorschrift enthält im Übrigen Qualifikationen für Fälle gesteigerten Unrechts.
Zudem ist eine Erweiterung des Straftatenkataloges in § 68c Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a StGB vorgesehen, um die Möglichkeit, Führungsaufsicht in den Fällen des § 235 Absatz 4 StGB-neu- unbefristet zu verlängern, zu schaffen.
In der Strafprozessordnung soll eine Ergänzung von § 112a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 StPO gewährleisten, dass die Anordnung der Untersuchungshaft nach Kindesentführungen erleichtert wird.
Im Hinblick auf § 176 Absatz 4 Nummern 3 und 4 StGB sieht der Entwurf eine Strafbarkeit des Versuchs vor, indem der in § 176 Absatz 6, 2. Halbsatz StGB für § 176 Absatz 4 Nummern 3 und 4 StGB normierte Ausschluss der Versuchsstrafbarkeit entfällt. Das führt dazu, dass eine Strafbarkeit z.B. auch dann gegeben ist, wenn der Täter irrig davon ausgeht, auf ein Kind einzuwirken. Insoweit kommt eine Strafbarkeit des Täters nicht nur dann in Betracht, wenn er tatsächlich auf eine erwachsene Person, die er irrig für ein Kind hält, einwirkt, sondern es werden gleichsam auch insbesondere jene Fälle erfasst, in denen der Täter einem Irrtum über die Kindlichkeit seines Chatpartners unterliegend mit einer computergeschaffenen Phantomfigur wie "sweetie" kommuniziert.
C. Alternativen
Eine Alternative zur Ergänzung des § 235 StGB gibt es nicht.
Als weitere Möglichkeit bliebe nur die Beibehaltung des bisherigen, unbefriedigenden Zustandes, der Kindesentführungen insbesondere bei Säuglingen und Kleinstkindern unter Umständen ebenso wenig als strafbar qualifiziert wie Taten gemäß § 176 Absatz 4 Nummern 3 und 4 StGB gegenüber sogenannten "Scheinkindern".
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Keiner.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Keiner.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten:
Keine.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Keiner.
F. Weitere Kosten
Keine.
Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
Gesetzesantrag des Landes Hessen
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Kindern
Der Hessische Ministerpräsident Wiesbaden, 16. Oktober 2018
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael Müller
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Hessische Landesregierung hat beschlossen, im Bundesrat die Einbringung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Kindern beim Deutschen Bundestag gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes zu beantragen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 971. Plenarsitzung am 19. Oktober 2018 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Bouffier
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des strafrechtlichen
Schutzes von Kindern
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322; 2017 I S. 3630), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In der Inhaltsübersicht werden der Angabe zu § 235 ein Semikolon und das Wort "Kindesentführungen" angefügt.
2. In § 68c Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a werden nach dem Wort "Art" die Wörter "oder wegen einer Straftat nach § 235 Absatz 4" eingefügt.
3. In § 176 Absatz 6 werden nach dem Wort "nach" die Wörter "Absatz 4 Nr. 3 und 4 und" gestrichen.
4. § 235 wird wie folgt geändert:
- a) Der Überschrift werden ein Semikolon und das Wort "Kindesentführung" angefügt.
- b) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:
(2) Ebenso wird bestraft,
- 1. wer ein Kind den Eltern, einem Elternteil, dem Vormund oder dem Pfleger
- a) entzieht, um es in das Ausland zu verbringen, oder
- b) im Ausland vorenthält, nachdem es dorthin verbracht worden ist oder es sich dorthin begeben hat, oder
- 2. wer ein Kind entführt oder sich eines Kindes rechtswidrig bemächtigt, ohne dessen Angehöriger, Vormund oder Pfleger zu sein.
In den Fällen des Satz 1 Nummer 2 ist die Tat rechtswidrig, wenn sie geeignet ist, das Kindeswohl zu beeinträchtigen oder zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist."
- c) In Absatz 3 wird die Angabe "Nr. 1" durch die Angabe "Nummer 1 Buchstabe a und Nummer 2" ersetzt.
- d) Absatz 4 wird wie folgt geändert:
- aa) In Nr. 1 werden die Wörter "bringt oder" durch das Wort "bringt," ersetzt.
- bb)In Nr. 2 wird der Punkt am Ende durch ein Komma ersetzt.
- cc) Folgende Nummern 3 bis 5 werden angefügt:
- "3. die durch die Tat geschaffene Lage zur Herstellung kinderpornographischer Schriften ausnutzt,
- 4. die Tat begeht, um das Kind oder die Person unter achtzehn Jahren zu töten, zu quälen oder roh zu misshandeln oder
- 5. die Tat begeht um eine Handlung nach Nummer 3 oder 4 zu ermöglichen."
- e) In Absatz 7 wird das Wort "wird" durch die Wörter "und die Kindesentführung werden" ersetzt.
- f) Folgender Absatz 8 wird angefügt:
(8) Das Gericht kann die Strafe in den Fällen des Absatzes 4 Nummern 4 und 5 nach § 49 Absatz 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Tatbegehung in dessen Lebenskreis zurückgelangen lässt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen."
In § 112a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074; 1319), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) geändert worden ist, werden nach der Angabe "bis 178" ein Komma und die Angabe "235 Absatz 4 " eingefügt.
Artikel 3
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeines
I. Zielsetzung und wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs
Nicht selten werden Kinder in der Bundesrepublik Deutschland Opfer von Entführungen und auf Pädophilie zurückzuführende Taten. Kinder sind insbesondere wegen ihrer körperlichen Unterlegenheit und ihrer generellen Arglosigkeit gegen derartige Übergriffe besonders schutzlos. Sie leiden im Nachhinein typischerweise besonders intensiv und für lange Zeiträume unter gravierenden psychischen Folgen. Hinzu kommt in der Regel, dass auch die Eltern entführter Kinder eine "sekundäre Traumatisierung" erleben. Zudem besteht wegen des besonderen Ausgeliefertseins gegenüber dem Täter eine erhöhte Gefährdungslage für entführte Kinder. Auch im Anschluss an eine beendete Entführung bleiben Kinder häufig besonders hilflos zurück und müssen in einigen Fällen alleine in eine vertraute Umgebung zurückfinden. Schließlich besteht die Gefahr, dass Kinder wegen der bei ihnen schwächer ausgeprägten Fähigkeit, Risiken zutreffend einzuschätzen, bei hochgefährlichen Fluchtversuchen - etwa einem Sprung aus dem dritten Stockwerk oder dem Überqueren einer Autobahn - zu Schaden kommen.
Die bisherige Gesetzeslage gewährleistet einen lückenlosen und befriedigenden strafrechtlichen Schutz von Kindern unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände nicht: Vom Tatbestand der Freiheitsberaubung im Sinne des § 239 Absatz 1 StGB sind besonders schutzbedürftige Säuglinge erst gar nicht erfasst, da es ihnen an der Möglichkeit der eigenständigen Fortbewegung, derer sie beraubt werden könnten, fehlt (vgl. Schönke/Schröder-Eser/Eisele, § 239 StGB, Randnummer 2). Gleiches gilt auch für den Tatbestand der Nötigung gemäß § 240 StGB, der im Hinblick auf Fälle der vis absoluta voraussetzt, dass das Opfer die Handlung, die ihm durch den Täter unmöglich gemacht worden ist, tatsächlich hätte unternehmen wollen bzw. können, wenn ihm die Fähigkeit dazu nicht genommen worden wäre (vgl. SK-StGB-Horn/Wolters, § 240, Rn. 25). Auch ein lückenloser Schutz durch die Vorschrift des § 235 StGB ist nicht gegeben. Zunächst betrifft der Schutzzweck des § 235 StGB zwar im Hinblick auf dessen Absatz 4 auch die körperliche und seelische Integrität des minderjährigen Tatopfers (BT-Drs. 013/8587), insbesondere im Hinblick auf den Grundtatbestand des Absatzes 1 jedoch primär das elterliche oder sonstige familienrechtliche Sorgerecht (vgl. Schönke/Schröder-Eser/Eisele, § 235 StGB, Randnummer 1). Zwar hängt im Falle des § 235 StGB die Strafbarkeit eines Täters anders als bei §§ 239, 240 StGB nicht vom Fortbewegungswillen des kindlichen Tatopfers ab, jedoch angesichts des Schutzgutes des elterlichen bzw. sonstigen familienrechtlichen Sorgerechts vorwiegend davon, ob die Handlung im Einverständnis mit den Sorgeberechtigten vollzogen wird. Bringt der Täter das Kind darüber hinaus nur kurzzeitig in seine Gewalt, kann dies bereits eine Traumatisierung des Tatopfers nach sich ziehen, erfüllt aber noch nicht den Tatbestand des § 235 Absatz 1 StGB, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes insoweit eine dauerhafte und nicht nur bloß vorübergehende Entziehung erfordert, so dass selbst eine solche je nach Einzelfall von dreißigminütiger Dauer unter Umständen nicht zwingend tatbestandsmäßig ist (Aktenzeichen 1 St362/16), wenn auch gerade bei Kleinstkindern ein kürzerer Zeitraum für die Erfüllung des Tatbestandes ausreichen kann.
Im Hinblick auf die besondere Schutzbedürftigkeit von Kindern hat der Gesetzesentwurf in erster Linie zum Ziel, die sich aus der bisherigen Gesetzeslage und Rechtsprechung ergebenden Lücken des strafrechtlichen Schutzes von Kindern zu schließen. Der Schutzzweck des § 235 StGB soll durch den Gesetzesentwurf nunmehr auch im Hinblick auf den Grundtatbestand eindeutig auf das Kindeswohl ausgeweitet und der reinen Dauer der Kindesentführung anders als unter der bisherigen Rechtslage weniger Bedeutung beigemessen werden. Durch die Formulierung des § 235 StGB-neu- soll schon durch den Wortlaut der Vorschrift deutlich gemacht werden, dass bereits vom Grundtatbestand insbesondere auch jene Taten umfasst sind, bei denen die alleinige bestimmende Triebfeder des Täters die Habhaftmachung eines Kindes ist und ihm die Auswirkungen auf das elterliche Sorgerecht gleichgültig sind.
Tatbestandliche Handlungen, die es vermögen, auch jene Fälle zu erfassen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus zeitlicher Sicht noch nicht die Voraussetzungen des bisherigen § 235 Absatz 1 StGB erfüllen, sind das Entführen und das Sich-Bemächtigen. "Entführen" ist das Verbringen des Opfers an einen anderen Ort, an dem es dem ungehemmten Einfluss des Täters ausgesetzt ist, "Sich-Bemächtigen" die Erlangung anhaltender physischer Gewalt über das Opfer, ohne dass eine Ortsveränderung vorausgesetzt wäre. Gerade bei Säuglingen dürften die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des Sich-Bemächtigens bereits sehr schnell vorliegen, da auf Grund ihrer körperlichen Unterlegenheit die Erlangung der physischen Gewalt über sie auf Seiten des Täters nur geringen Aufwand erfordert. Um insbesondere jene Sachverhalte, in denen kein strafwürdiges Verhalten des Täters vorliegt, bereits aus dem Anwendungsbereich des § 235 StGB-neu- auszunehmen, sieht der Gesetzesentwurf daher entsprechend zum Tatbestand der Nötigung gemäß § 240 StGB für das Sich-Bemächtigen eine eigene Rechtswidrigkeitsklausel vor. Das Sich-Bemächtigen im Sinne der Vorschrift ist erst dann strafwürdig, wenn die Verhaltensweise des Täters entweder geeignet ist, das Kindeswohl zu beeinträchtigen oder zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Insoweit werden alltägliche und sozialadäquate Handlungsweisen vom Anwendungsbereich des § 235 Absatz 2 Nummer 2 StGB-neu- ausgenommen.
Der strafrechtliche Schutz von Kindern muss jedoch über jene Fälle, in denen es bereits zu tätlichen Übergriffen zu Lasten eines kindlichen Tatopfers gekommen ist, auch dort effektiv ansetzen, bei denen entsprechend geneigte Täter insbesondere über das Internet versuchen, auf Kinder nachteilig einzuwirken. Hier kann es im Sinne einer effektiven general- bzw. spezialpräventiven Wirkung für eine Strafbarkeit des Täters nicht davon abhängen, ob das von ihm über das Internet kontaktierte Tatopfer seinen Vorstellungen entsprechend tatsächlich ein Kind ist oder nicht. Auch ein Täter, der entsprechend seiner pädophilen Neigungen beispielsweise auf einen sich als Kind ausgebenden Erwachsenen im Rahmen eines Internetchats einzuwirken versucht, hat eine innere Hemmschwelle überschritten und wird gegebenenfalls im weiteren Verlauf hierdurch bestärkt, im realen Leben zum Nachteil eines Kindes übergriffig zu werden.
II. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 Grundgesetz.
III. Auswirkungen
Durch die Ausweitung der Strafbarkeit kann ein Mehraufwand für die Strafverfolgungsbehörden entstehen, dessen Umfang derzeit nicht quantifizierbar ist. Im Übrigen werden jedoch keine Mehrkosten entstehen. Für Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen entsteht kein Erfüllungsaufwand.
B
Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)
Die Änderungen der Inhaltsübersicht ergeben sich durch die Änderung der Überschrift in § 235 StGB.
Zu Nummer 2 (§ 68c Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a -neu -)
Die Möglichkeit, die Führungsaufsicht in Fällen des § 235 Abs. 4 StGB-neu- unbefristet zu verlängern, stärkt den Schutz von Kindern insbesondere vor pädophilen Hangtätern, bei denen von einer besonders hohen Rückfallgefahr auszugehen ist. Soweit dies bekannt ist und ein solcher Täter während der Führungsaufsicht durch auffälliges - insbesondere weisungswidriges - Verhalten Anlass zu gesteigerter Besorgnis gibt, sollten Gerichte die Möglichkeit haben, die Führungsaufsicht zu verlängern. Vor allem die Vorstellung, die Überwachung von Probanden der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung im Falle zu besorgender weiterer Taten "sehenden Auges" beenden zu müssen, erscheint unter dem Blickwinkel des strafrechtlichen Schutzes von Kindern nur schwer erträglich.
Zu Nummer 3 (§ 176 Absatz 6 - neu -)
Die Erheblichkeit der für Kinder drohenden Schäden in Form von sexuellen Misshandlungen macht es nicht zuletzt aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen erforderlich, auf pädosexuelle Täter bereits frühzeitig mit den Mitteln des Strafrechts einzuwirken. In diesem Zusammenhang darf es für die Strafbarkeit eines Handelns keinen Unterschied machen, ob die Vorstellungen eines pädosexuellen Täters, Handlungen nach § 176 Absatz 4 Nummer 3 StGB auch tatsächlich gegenüber einem Kind vorzunehmen, zutreffen. Selbst wenn der Täter seine Handlungen gegenüber einer erwachsenen Person vornimmt, er hierbei jedoch irrtümlicherweise davon ausgeht, dass ein kindliches Opfer von seinen Taten betroffen ist, kann dies gleichwohl zu einer Bestärkung des Täters führen, der im weiteren Verlauf unter Umständen von erneuten Handlungen nicht ablässt und hierdurch seine Hemmschwelle so weit herabsetzt, dass er zu tatsächlichen Übergriffen zu Lasten von Kindern übergeht.
Gleiches gilt auch für jene Fälle, in denen der Täter in einem Chat oder über eine Webcam überhaupt nicht mit einem Menschen in Kontakt tritt, sondern mit täuschend echt aussehenden Computerprogrammen oder Animationen, die bei ihm den Eindruck hinterlassen, mit einem Kind zu kommunizieren. Insbesondere auch auf diese Fälle ist § 176 Absatz 6 StGB-neu- anwendbar.
Vorgenannte Erwägungen gelten entsprechend im Hinblick auf § 176 Absatz 4 Nummer 4 StGB. Zwar besteht nach geltender Rechtslage in den Fällen des § 176 Absatz 4 Nummer 4 StGB losgelöst vom Alter des jeweiligen Tatopfers in der Regel eine Strafbarkeit des Täters nach § 184 Nummern 1 bzw. 6 StGB. Diese sehen jedoch nur einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vor. Im Sinne eines besonderen strafrechtlichen Schutzes von Kindern ist es in diesem Zusammenhang jedoch aus oben genannten Erwägungen auch hier ebenso grundsätzlich angezeigt, solche Täter, die irrig von einem kindlichen Tatopfer ausgehen, vom Strafrahmen des § 176 Absatz 4 Nummer 4 StGB zu erfassen. Insoweit bedarf es auch eines Gleichlaufes des Anwendungsbereiches zwischen § 176 Absatz 4 Nummern 3 und 4 StGB, da im Falle der Nummer 3 bereits die bloße Absicht des Täters genügt, in pädosexuell intendierter Weise auf das Tatopfer einzuwirken, während es für den Anwendungsbereich der Nummer 4 bereits zur Vornahme pädosexuell intendierter Handlungen gekommen sein muss.
Der Entwurf stellt daher den bisher straflosen Versuch und damit auch den Versuch am untauglichen Tatobjekt unter Strafe. Damit wird unabweisbaren Bedürfnissen der Strafverfolgungspraxis Rechnung getragen, denn bisher gelingt der Nachweis des sogenannten "Cybergroomings" in vollendeter Form, das heißt auf der Grundlage eines tatsächlich mit einem Kind geführten "Chats", in der Regel nicht.
Zu Nummer 4 (§ 235 - neu -)
Durch Einführung des Tatbestandes der Kindesentführung in § 235 Absatz 2 Nummer 2 StGB-neu- sollen die bereits beschriebenen Strafbarkeitslücken geschlossen und ein umfassender strafrechtlicher Schutz von Kindern vor körperlichen Übergriffen gewährleistet werden.
Dass ein Angehöriger, Vormund oder Pfleger sich nicht der Kindesentführung strafbar machen kann, liegt zum einen darin begründet, dass eine durch diesen dem Kind vertrauten Personenkreis erfolgende Entführung dieses typischerweise nicht in gleicher Weise traumatisiert wie der Zugriff einer Person, die über ihren Aufenthalt nicht zu bestimmen hat, jedoch bereits mit der Entführung dokumentiert, dass ihr dies gleichgültig ist. Zum anderen ist die Strafbarkeit von Angehörigen, Vormund oder Pfleger bisher bereits in § 235 Absatz 1 und 2 StGB anhand sinnvoller Differenzierungen ausreichend geregelt und begrenzt.
Zu diesem Regelungskonzept soll sich der neue Grundtatbestand des § 235 Absatz 2 Nummer 2 StGB-neu- nicht in Widerspruch setzen.
Während die Begehungsform der Entführung im Sinne des § 235 Absatz 2 Nummer 2 StGB-neu- bereits auf Grund ihrer Wortbedeutung keine weitere Einschränkung bedarf, begegnet der Gesetzesentwurf dem Umstand, dass ein Sich-Bemächtigen eines Kindes im Sinne der Vorschrift auf Grund der körperlichen Überlegenheit des Täters bereits frühzeitig gegeben sein kann, mit der Adaption einer gesonderten Rechtswidrigkeitsklausel wie sie in ähnlicher Form bereits aus dem Tatbestand der Nötigung nach § 240 StGB bekannt ist. Hiernach ist ein Sich-Bemächtigen im Sinne des § 235 Absatz 2 Nummer 2 StGB-neu- nur dann rechtswidrig, wenn dieses entweder geeignet ist, das Kindeswohl zu beeinträchtigen oder zu dem von dem Täter angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Für das Vorliegen der Eignung zur Beeinträchtigung des Kindeswohls genügt es unter Berücksichtigung des angestrebten umfassenden strafrechtlichen Schutzes von Kindern, wenn die Art der Bemächtigung über das Kind nach den Umständen des Einzelfalles generell hierzu geeignet ist. Eine konkrete Beeinträchtigung muss nicht gegeben sein. Insoweit ist § 235 Absatz 2 Nummer 2 StGB-neu- in diesem Punkt ähnlich wie § 224 Absatz 1 Nummer 5 StGB als "Eignungsdelikt" ausgestaltet (vgl. Fischer, § 224 StGB, Rn. 27). Im Hinblick auf die zweite Variante der Rechtswidrigkeitsklausel können die zum Tatbestand der Nötigung bekannten und durch langjährige Rechtsprechung gewonnenen Grundsätze auf § 235 Absatz 2 Nummer 2 StGB-E übertragen werden. Danach ist die Verwerflichkeit einer Kindesbemächtigung dann anzunehmen, wenn die eingesetzte Tathandlung oder der damit bezweckte Erfolg - jeder für sich genommen - nicht als rechtmäßig bzw. sozialadäquat anzusehen sind oder die "Zweck-Mittel-Relation" aus Tathandlung und Tatzweck zu missbilligen ist. Durch die vorgenannte Rechtswidrigkeitsklausel stellt der Gesetzesentwurf sicher, dass alltägliche und sozialadäquate Handlungen, die zwar mit dem Sich-Bemächtigen eines Kindes verbunden, jedoch gleichsam nicht strafwürdig sind, vom Anwendungsbereich des § 235 Absatz 2 Nummer 2 StGB-neu- ausgenommen werden. Wie bei dem Tatbestand der Nötigung nach § 240 StGB findet so in § 235 Absatz 2 Nummer 2 StGB-neu- der Gedanke der Sozialadäquanz auch unmittelbar im Gesetz Niederschlag.
Der Strafrahmen der Kindesentführung - Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre oder Geldstrafe - orientiert sich an jenem der Entziehung Minderjähriger nach § 235 Absatz 1 StGB und trägt der Strafwürdigkeit der unter Strafe gestellten Handlungen in angemessener Weise Rechnung. Insbesondere wird der Strafrahmen des Grundtatbestandes der Nötigung nach § 240 Absatz 1 StGB, der lediglich eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre oder Geldstrafe vorsieht, übertroffen. Insoweit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Kinder besonders hilflos und schutzwürdig sind und unter Entführungen bisweilen besonders intensiv und extensiv psychisch leiden. Zwar sieht der Tatbestand der Freiheitsberaubung nach § 239 Absatz 1 StGB wie § 235 Absatz 2 Nummer 2 StGB-neu- als Strafrahmen ebenso Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre oder Geldstrafe vor. Jedoch sind Fälle denkbar, in denen die Freiheitsberaubung nach § 239 StGB auf Konkurrenzebene hinter die Nötigung nach § 240 StGB zurücktritt (vgl. SK-StGB-Wolters, § 239, Rn. 13).
Die Regelung der Versuchsstrafbarkeit der Kindesentführung nach § 235 Absatz 2 Nummer 2 StGB-neu- folgt der Überlegung, dass auch bereits versuchte Taten für Kinder massive seelische Folgen haben können. Auch erscheint das durch einen Versuch verwirklichte Handlungsunrecht als so gewichtig, dass eine Bestrafung erfolgen sollte.
Die in § 235 Absatz 4 StGB-neu- hinzugefügten Qualifikationsmerkmale sollen dem Umstand Rechnung tragen, dass zusätzliche Belastungen des geschädigten Kindes die Tatschuld erheblich erhöhen. Dabei ist eine Kombination von objektiven (Nummern 1 und 3) und subjektiven (Nummern 2 und 4) Qualifikationsmerkmalen vorgesehen. Auf Grund der erheblichen Folgen für das Tatopfer ist Absatz 4 - wie bisher - als Verbrechenstatbestand ausgestaltet. Hierdurch wird insbesondere gewährleistet, dass bei Begehung einer Tat nach § 235 Absatz 4 StGB-neu- die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Absatz 3 Satz 1 StGB nach nur einer Vorverurteilung ermöglicht wird. Durch die Hinzufügung von insgesamt zwei Qualifikationsmerkmalen zu den bereits bestehenden Tatbeständen des § 235 Absatz 4 Nummern 1 und 2 StGB und der Einfügung der Kindesentführung in § 235 Absatz 2 Nummer 2 StGB wird unterstrichen, dass sich die Schutzrichtung des gesamten § 235 StGB nicht allein im elterlichen oder sonstigen familienrechtlichen Sorgerecht erschöpft, sondern die Vorschrift auch einen klaren Schwerpunkt im unmittelbaren Schutz von Minderjährigen selbst hat.
Für die Verursachung des Todes des Kindes sieht Absatz 5 - wie bisher - eine Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren vor. Ebenso bleibt der bisherige Absatz 6 unverändert, der für minder schwere Fälle der Absätze 4 und 5 einen herabgesetzten Strafrahmen vorsieht.
Auch der Grundtatbestand Kindesentführung soll als sog. relatives Antragsdelikt ausgestaltet sein, weswegen der bisher geltende Absatz 7 inhaltlich keine Änderung erfährt. Dies trägt nicht zuletzt dem Umstand Rechnung, dass dem Tatopfer und - wegen § 77 Absatz 3 StGB auch seinen gesetzlichen Vertretern - zunächst insbesondere unter Berücksichtigung des Kindeswohles die Möglichkeit einzuräumen ist, die Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zu überdenken.
Der angefügte Absatz 8 ist angelehnt an § 239 Absatz 4 StGB und sieht für die Tätige Reue nach Tatvollendung die Möglichkeit einer Strafmilderung vor. Durch Absatz 8 wird jener Täter privilegiert, der sich von seinen § 235 Absatz 4 Nummer 4 StGB-neu- entsprechenden Absichten lossagt und von einer weiteren Tatbegehung sowie einer zunehmenden Schädigung des Kindes absieht. Hierdurch wird im Sinne des Kindeswohles gewährleistet, dass diesem Täter ein Vorteil durch Strafmilderung zukommen kann.
Durch die Einfügung der Kindesentführung in § 235 Absatz 2 Nummer 2 StGB-neuwird zudem gewährleistet, dass sich regelmäßig persönlich erheblich von der Tat betroffene Kinder - gegebenenfalls vertreten durch ihre Eltern - nach § 395 Absatz Nummer 4 StPO als Nebenkläger ohne des Erfordernisses des Hinzutretens besonderer Umstände einem Strafprozess anschließen können.
In § 112a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Gesetzgeber die Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr zur "Bewahrung eines besonders schutzbedürftigen Kreises der Bevölkerung vor mit hoher Wahrscheinlichkeit drohenden schweren Straftaten" (BVerfGE 19, 342 <350>) insbesondere für zu Lasten von Kindern begangenen Taten wie den sexuellen Missbrauch vorgesehen. Die Gründe, den Haftrichtern die Möglichkeit zu geben, Kinder bei erkannter Wiederholungsgefahr vor weiteren Taten zu schützen, streiten auch für die Aufnahme von § 235 Absatz 4 StGB-neu- in den Deliktskatalog. Denn wenngleich eine Kindesentführung je nach Einzelfallumständen auch erkennbar einen singulären Charakter haben kann, sind doch auch Fälle denkbar, in denen es - etwa infolge des Auffindens von Kinderpornographie beim Täter - Hinweise dafür gibt, dass ein Hangtäter weitere gleichgelagerte Taten - gegebenenfalls auch mit noch gravierenderen Folgen - begehen wird. In solchen Fällen sollte die Möglichkeit der Anordnung der Untersuchungshaft nicht von vornherein verwehrt sein.
Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.