- 847. Sitzung des Bundesrates am 19. September 2008
A.
Der federführende Verkehrsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Abs. 2 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen zuzustimmen:
1. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 72 Abs. 2 Übergangsvorschrift zu § 47 Abs. 8a Satz 4 - neu - und 5 - neu - StVZO)
Artikel 1 Nr. 1 ist wie folgt zu fassen:
"1. § 72 Abs. 2 StVZO wird wie folgt geändert:
- a) In der Übergangsvorschrift zu § 47 Abs. 8a werden nach Satz 3 folgende Sätze 4 und 5 angefügt:
Satz 3 gilt nicht für Krafträder, bei denen nachträglich ein Beiwagen angebaut wurde, sofern die Leermasse des Gespannes nicht mehr als das 1,75fache der Leermasse des Solokraftrades beträgt und die Antriebsübersetzung nicht mehr als 12 Prozent verändert wurde. Bei Krafträdern nach Satz 4 gelten hinsichtlich ihres Abgasverhaltens die Vorschriften für das Solokraftrad ohne Berücksichtigung des Beiwagens.
- b) In der Übergangsvorschrift zu Anlage VIIIb (Anerkennung von Überwachungsorganisationen) werden die Sätze 3 bis 5 aufgehoben."
Begründung
Durch die 27. Verordnung zur Änderung der StVZO vom 2. November 2004 wurde die Anwendung der Richtlinie 2005/51/EG (ABl. EG (Nr. ) L 252 S. 20) auch auf zwei- und dreirädrige Kraftfahrzeuge mit einer Einzelbetriebserlaubnis erstreckt. Auf Grund der Änderung der Richtlinie 97/24/EG ist für diese Kraftfahrzeuge eine Verschärfung der Abgasgrenzwerte (Grenzwertstufe B mit EURO 3) zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten.
Da durch den Anbau eines Beiwagens die Betriebserlaubnis des Solokraftrades erlischt und die in der Richtlinie 2002/51/EG genannten Bezugsmassen überschritten werden, muss im Rahmen der Begutachtung nach § 19 Abs. 2 StVZO auch eine Prüfung der Abgasemissionen durch eine Abgasprüfung vorgenommen werden. Dieses führt dann auf Grund der nicht unerheblichen Zunahme der Leermasse dazu, dass die erforderlichen Grenzwerte für EURO 3 nicht mehr eingehalten werden können. Eingriffe in das Motormanagement oder andere technische Lösungen sind bei den in Einzelfertigung hergestellten Gespannen nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar. Die Herstellung und der Vertrieb derartiger Gespanne wären daher künftig nicht mehr möglich.
Die Regelungen der o. a. Richtlinien sind jedoch grundsätzlich für in Serie gefertigte Kraftfahrzeuge bestimmt. Die vom Verordnungsgeber vorgenommene nationale Ausweitung auf Kraftfahrzeuge mit Einzelbetriebserlaubnis ist daher nicht zwingend durch EU-Recht vorgegeben. Dieses wird durch ein Schreiben der Generaldirektion Unternehmen und Industrie der Europäischen Kommission vom 14. Mai 2007 bestätigt. Danach besteht für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, für zweirädrige und dreirädrige Kraftfahrzeuge mit Einzelgenehmigung weniger strenge Kriterien anzuwenden als für Großserienfahrzeuge.
Durch die Änderung soll die Anwendung der strengeren Anforderungen der Abgasgrenzwerte der Richtlinie 97/24/EG nicht für Krafträder gelten, bei denen nachträglich ein Beiwagen angebaut wurde. Es gelten insofern die maßgeblichen Abgasgrenzwerte für das Solokraftrad ohne Berücksichtigung des Beiwagens. Bei Gespannen, die vollständig als Einzelfahrzeug neu gebaut wurden, sind demgegenüber weiterhin die entsprechenden Abgasgrenzwerte durch eine Abgasprüfung nachzuweisen.
2. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa (Anlage VIIIb Nr. 2.1 StVZO)
In Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa sind in Nummer 2.1 nach der Angabe "Nummer 5" die Wörter "im Geltungsbereich dieser Verordnung" einzufügen.
Begründung
Die Einfügung nach der Nummer 5 dient der Rechtsklarheit. Es genügt nicht, dass die tatsächliche Erreichbarkeit des Technischen Leiters oder seines Vertreters gegebenenfalls durch Telefonweiterschaltung nur im Ausland möglich ist.
Auch beschreiben Qualitätsmanagement-Systeme nur einen Regelungsrahmen, Inhalte müssen gegebenenfalls dezidiert behördlich vorgegeben werden können, da die Überwachungsorganisationen staatsentlastend als Beliehene tätig sind.
3. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa (Anlage VIIIb Nr. 2.1a StVZO)
In Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa ist die Nummer 2.1a wie folgt zu fassen:
- 2.1a die Prüfingenieure, die in der Überwachungsorganisation tätig werden sollen, von keiner anderen Überwachungsorganisation betraut sind,
Begründung
Zum Zeitpunkt des Anerkennungsverfahrens, also vor der Anerkennung als Überwachungsorganisation, können in der Antrag stellenden Institution noch keine Prüfingenieure tätig sein.
Daher handelt es sich lediglich um eine redaktionelle Klarstellung des Gewollten.
4. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb (Anlage VIIIb Nr. 2.1b erster Halbsatz StVZO)
In Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb ist in Nummer 2.1b der erste Halbsatz wie folgt zu fassen:
- sie für die gesamte Überwachungsorganisation ein Qualitätsmanagementsystem unterhält, dass mindestens den Anforderungen der DIN EN ISO/IEC 17020:2004 entspricht, deren Erfüllung durch eine Akkreditierung durch das Kraftfahrt-Bundesamt nachzuweisen ist;
Begründung
Die regelmäßige technische Überwachung von Kraftfahrzeugen hat einen hohen Einfluss auf die allgemeine Verkehrssicherheit. Ausschlaggebendes Kriterium ist dabei die Qualität der im amtlichen Auftrag durchgeführten Untersuchung.
Die Verordnung sieht nur eine Zertifizierung des QM-Systems nach DIN EN ISO 9001:2000 vor. Diese Zertifizierung ist jedoch nur eine bloße Konformitätsfeststellung.
Bereits seit Jahren sind nahezu alle Überwachungsorganisationen nach dieser Norm zertifiziert. Trotzdem ist heute nachweisbar, dass die Qualität der regelmäßigen technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen besorgniserregend schlecht ist.
Damit steht fest, dass eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2000 für den hochsensiblen Bereich der amtlichen Fahrzeuguntersuchung nicht ausreicht, die erforderliche Qualität zu sichern und keinesfalls geeignet ist, bestehende Qualitätsdefizite zu beseitigen.
Diese Ziele können nur durch die Kompetenzbestätigung einer fachlich geeigneten Behörde erreicht werden (Akkreditierung).
Im gesetzlich geregelten öffentlichrechtlichen Bereich wird die Akkreditierung in der Regel durch eine vom Verordnungsgeber benannte Behörde vorgenommen.
In sicherheitsrelevanten Bereichen ist die Akkreditierung durch eine Behörde obligatorisch.
Das KBA ist auf Grund seiner fachlichen Kompetenz und dem im KBA-Gesetz benannten Aufgaben als zuständiger Akkreditierer zu benennen. Das KBA ist bereits Mitglied der Koordinierungsgruppe des gesetzlich geregelten Bereichs (KOGB) im Deutschen Akkreditierungsrat.
Als einschlägige und international anerkannte Akkreditierungsnorm ist DIN EN ISO/IEC 17020:2004 zu bestimmen.
5. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe c Doppelbuchstabe aa (Anlage VIIIb Nr. 3 StVZO)
In Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe c Doppelbuchstabe aa sind in Nummer 3 nach dem Wort "darf" die Wörter "ihr angehörende" einzufügen.
Begründung
Zur Klarstellung ist es notwendig, in Übereinstimmung mit den bisherigen Regelungen deutlich zu machen, dass die Überwachungsorganisationen nur ihr angehörende Personen betrauen dürfen.
6. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe c Doppelbuchstabe cc (Anlage VIIIb Nr. 3.6a StVZO)
Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe c Doppelbuchstabe cc ist wie folgt zu fassen:
- "cc) Nummer 3.6a wird wie folgt gefasst:
"3.6a Erfüllen die mit der Durchführung von AU, HU oder SP betrauten Personen mehr als zwei Jahre nicht mehr die Anerkennungsvoraussetzungen oder gehören mehr als zwei Jahre keiner Technischen Prüfstelle oder Überwachungsorganisation an, so ist eine Ausbildung nach Nummer 3.5 und eine Prüfung nach Nummer 3.6 erneut abzulegen."".
Folgeänderung:
In Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe g ist Satz 3 zu streichen.
Begründung
Dieser bisher als Übergangsvorschrift in Nummer 7.2 enthaltene Sachverhalt sollte zur Klarstellung nicht mehr in der Übergangsvorschrift enthalten sein, sondern im Abschnitt 3 "Anforderungen an Prüfingenieure".
7. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe c Doppelbuchstabe cc1 - neu - (Anlage VIIIb Nr. 3.8 StVZO)
In Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe c ist nach Doppelbuchstabe cc folgender Doppelbuchstabe einzufügen:
Begründung
Die im Interesse der Sicherung der Prüfqualität und zum Ausschluss von Interessenkonflikten notwendige Anforderung, dass Prüfingenieure jeweils nur von einer Überwachungsorganisation betraut sein dürfen, ist nicht nur als Anerkennungsvoraussetzung für Überwachungsorganisationen, sondern auch als eine der Betrauungsvoraussetzungen für Prüfingenieure festzuschreiben. Die Überwachungsorganisation hat dies vor der Betrauung zu prüfen und der zuständigen Anerkennungs- bzw. Aufsichtsbehörde im Rahmen des Antragsverfahrens mit dem Ziel der Zustimmung zu der Betrauung nachzuweisen.
8. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe d Doppelbuchstabe aa (Anlage VIIIb Nr. 4.1 StVZO)
In Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe d sind in Doppelbuchstabe aa dem Wort "Kraftfahrzeugsachverständigen" die Wörter "die ihr angehörenden" voranzustellen und das Wort "Prüfingenieure" durch das Wort "Personen" zu ersetzen.
Begründung
Textangleichung der Nummer 4.1 an den einleitenden Satz der Nummer 3. Die Verwendung des Wortes "Personen" ist, wie auch in dem einleitenden Satz der Nummer 3 vorgesehen, erforderlich, weil Nummer 4.1 Satz 1, zweiter Halbsatz mit der Formulierung "betraut werden" in die Zukunft weist, die bezeichneten Personen somit zu diesem Zeitpunkt noch keine Prüfingenieure sind.
9. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe h (Anlage VIIIb Nr. 8 StVZO)
Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe h ist wie folgt zu fassen:
- "h) Nummer 8 wird wie folgt gefasst:
"8. die Anerkennung einer Überwachungsorganisation erfolgt unter dem Vorbehalt des Widerrufs und der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage. Sie kann von der zuständigen Anerkennungsbehörde insbesondere widerrufen werden, wenn die Überwachungsorganisation ihre Pflichten nicht ordnungsgemäß wahrnimmt. Sie ist zu widerrufen, wenn die Anerkennungsbehörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, die Anerkennung nicht zu erlassen."".
Begründung
Diese Regelung dient der Rechtsklarheit. Insbesondere bei zukünftig möglichen ausländischen Überwachungsorganisationen sind klare Regelungen analog § 10 Abs. 5 Kraftfahrsachverständigengesetz geboten. Insbesondere die Möglichkeit der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage im Anerkennungsbescheid ist notwendig, um Neuerungen im Prüfwesen oder im Qualitätssicherungssystem umsetzen zu können oder um aufgetretene Missstände beheben zu können.
B.
- 10. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Abs. 2 des Grundgesetzes zuzustimmen.
C.
- 11. Der federführende Verkehrsausschuss empfiehlt dem Bundesrat ferner, folgende Entschließung zu fassen:
Die Bundesregierung wird gebeten, die Bestimmungen des § 29 StVZO und seiner Anlagen, insbesondere Anlage VIIIb, zu überprüfen und anzupassen, wenn
- a) die Ergebnisse der vom BMVBS beauftragten Untersuchungen der BASt zum Thema "Qualität der Hauptuntersuchungen nach § 29 StVZO" vorliegen und sich zur Qualitätssteigerung Handlungsbedarf ergibt;
- b) die Richtlinie 96/96/EG zur "Technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen und ihren Anhängern" fortgeschrieben wird und sich hierdurch Handlungsbedarf ergibt;
- c) die EU-Genehmigungsrichtlinien 2007/46/EG für Fahrzeuge der Klassen M, N, O (Pkw, Omnibusse, Lkw, Anhänger), 2002/24/EG für Fahrzeuge der Klasse L (Krafträder und "Kleinfahrzeuge") und 2003/37/EG für Fahrzeuge der Klasse T (Traktoren) um neue Vorschriften für innovative Fahrzeugtechnik ergänzt worden sind, deren Prüfung zur Erhaltung der Verkehrssicherheit der Fahrzeuge geboten erscheint;
- d) nach Ablauf von drei Jahren ab dem Inkrafttreten der 32. Änderungsverordnung zur StVZO Erfahrungen des Bundes oder der Länder vorliegen, die Änderungen des rechtlichen Rahmens, der administrativen Abwicklung oder der technischen Prüfinhalte erforderlich machen. Hier werden insbesondere der künftige nationale und EG-weite Wettbewerb und die Aufsichtsführung der Länder zu berücksichtigen sein.
Begründung
Die Änderungen der Anerkennungsvoraussetzungen in der Anlage VIIIb StVZO führen zu einer weiteren Liberalisierung auf dem Gebiet der amtlichen Fahrzeugüberwachung. Es ist davon auszugehen, dass weitere, insbesondere auch ausländische Überwachungsorganisationen in Deutschland zukünftig tätig werden.
Neben der Änderung der Anerkennungsvoraussetzungen zur Beilegung eines bereits eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland werden auch Änderungen vorgenommen, die die Qualität der Fahrzeugüberwachung verbessern sollen. Zwar hat die Bundesregierung in ihrer Begründung (vgl. Seite 8) erwähnt, dass eine Überprüfung der geänderten Vorschriften nach einer Zeit von drei bis fünf Jahren erforderlich sei. Mit dem Entschließungsantrag des Bundesrates wird die Bundesregierung ausdrücklich aufgefordert, diese Überprüfung dann vorzunehmen, wenn insbesondere die Ergebnisse der vom BMVBS beaufragten Untersuchung der BASt vorliegen werden oder das einschlägige EU-Recht angepasst worden ist.
Bei einer Überprüfung wird auch zu berücksichtigen sein, über wie viele Überwachungsorganisationen noch eine effektive Aufsicht seitens der Anerkennungsbehörden der Länder geführt werden kann.