Der Bundesrat hat in seiner 828. Sitzung am 24. November 2006 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat unterstützt grundsätzlich das Vorhaben zur Anpassung der Richtlinie 88/388/EWG an die Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sowie an die technische und wissenschaftliche Entwicklung auf dem Gebiet der Aromen.
Der Bundesrat ist jedoch der Auffassung, dass im Bereich der Höchstmengenfestsetzung für bestimmte toxikologisch relevante Stoffe Überarbeitungsbedarf besteht, um eine Verschlechterung im Hinblick auf den vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutz zu vermeiden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Beratungen auf EUEbene für folgende Änderungen/Ergänzungen des Verordnungsvorschlags einzusetzen:
- 2. Einschränkung der Anwendbarkeit von Höchstmengenregelungen auf bestimmte Lebensmittelgruppen (Artikel 5 "Vorhandensein bestimmter Stoffe" in Verbindung mit Anhang III Teil B)
Die Höchstmengen für toxikologisch bedenkliche, natürlich vorkommende Substanzen sind nach Artikel 5 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang III Teil B des vorliegenden Vorschlags zukünftig nur noch auf bestimmte Lebensmittelgruppen beschränkt. Nach bisheriger Rechtsgrundlage galten die Höchstmengen für alle Lebensmittel, wobei für bestimmte Lebensmittel höhere Grenzwerte erlaubt waren. Für alle nicht in Anhang III Teil B genannten Lebensmittel soll es zukünftig keine Höchstmengenregelung mehr geben. Es wäre dann beispielsweise möglich, einem alkoholfreien Erfrischungsgetränk Wermutextrakt weitgehend ohne Beschränkung des Thujongehalts zuzusetzen. Eine Beanstandung wäre nach Artikel 4 Buchstabe a nur auf Grund eines für diesen Fall konkreten Nachweises der Gesundheitsschädlichkeit auszusprechen.
Der Bundesrat lehnt es ab, nur für bestimmte zusammengesetzte Lebensmittel Höchstmengen festzusetzen. Der Bundesrat fordert, für Stoffe des Anhangs III Teil B auch für Lebensmittel allgemein ("andere Lebensmittel") eine Höchstmenge festzusetzen. Anderenfalls ist kein ausreichender Schutz des Verbrauchers bezüglich des Gehalts von gesundheitlich nicht unbedenklichen Inhaltsstoffen in Lebensmitteln gewährleistet. Diese allgemein gültigen Höchstmengen sollen so lange gelten, bis neuere wissenschaftliche Erkenntnisse eine entsprechende Anpassung oder differenziertere Festlegung für weitere Lebensmittel/ Lebensmittelgruppen erfordern.
- 3. Aufhebung von Höchstmengenregelungen für bestimmte Stoffe, insbesondere für Cumarin (Artikel 5 "Vorhandensein bestimmter Stoffe" in Verbindung mit Anhang III Teil B)
Für die Verwendung von Cumarin sind in Anhang III Teil B keine Beschränkungen bezüglich des Gehalts in bestimmten Lebensmitteln mehr vorgesehen. Dies wird als sehr bedenklich erachtet.
Bezug nehmend auf die gesundheitliche Bewertung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 16. Juni 2006 hält der Bundesrat es für erforderlich, differenzierte Cumarin-Höchstmengen für bestimmte Lebensmittel (z.B. Backwaren, Süßspeisen, Frühstückscerealien, andere zimthaltige Lebensmittel) unter Berücksichtigung lebensmittelspezifischer Verzehrsmengen festzusetzen.
- 4. Aufhebung von Höchstmengenregelungen für bestimmte Stoffe, insbesondere für Aloin (Artikel 5 "Vorhandensein bestimmter Stoffe" in Verbindung mit Anhang III Teil B)
Für die Verwendung von Aloin sind in Anhang III Teil B keine Beschränkungen bezüglich des Gehalts in bestimmten Lebensmitteln mehr vorgesehen. Dies wird als sehr bedenklich erachtet.
Für Aloin wurde im April 2005 eine Studie des "National Toxicology Programme des National Institute of Environmental Health Sciences" der USA zur Abklärung des kanzerogenen Potentials gestartet. Daten zur langfristigen Toxikologie von Aloin liegen derzeit gemäß der gesundheitlichen Bewertung des BfR vom 29. September 2006 nicht vor, so dass seitens des BfR angeraten wird, die bestehenden Höchstmengen beizubehalten.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung darum, sich auf EU-Ebene für Höchstmengenregelungen für Aloin in bestimmten Lebensmitteln (z.B. alkoholische Getränke, andere Getränke) einzusetzen unter Berücksichtigung der vorliegenden wissenschaftlichen gesundheitlichen Bewertungen sowie lebensmittelspezifischer Verzehrsmengen.
- 5. Aufhebung von Höchstmengenregelungen für bestimmte Stoffe (Artikel 5 "Vorhandensein bestimmter Stoffe" in Verbindung mit Anhang III Teil B)
Für die Verwendung weiterer toxikologisch relevanter Stoffe (Chinin, Isosafrol, Berberin und Santonin) sind in Anhang III Teil B keine Beschränkungen bezüglich des Gehalts in bestimmten Lebensmitteln mehr vorgesehen.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darum, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass anhand der vorliegenden wissenschaftlichen gesundheitlichen Bewertungen eine eingehende Prüfung erfolgt, inwieweit die bisherigen Beschränkungen für bestimmte Stoffe aufgehoben werden können bzw. an neuere wissenschaftliche Erkenntnisse anzupassen sind.
- 6. Höchstmengenfestsetzungen für bestimmte Stoffe (Artikel 5 "Vorhandensein bestimmter Stoffe" in Verbindung mit Anhang III Teil B)
- Grenzwerte für Blausäure
In dem vorliegenden Vorschlag ist für Blausäure in alkoholischen Getränken eine Höchstmenge von 35 mg/kg festgesetzt. Derzeit befindet sich die Spirituosenverordnung (Verordnung (EWG) Nr. 1576/89) in Überarbeitung, die möglicherweise eine Erniedrigung des Blausäuregehalts in Steinobstbränden vorsieht. Der Bundesrat hält es für dringend erforderlich, dass der in Anhang III Teil B festzusetzende Grenzwert für Blausäure mit den Anforderungen der Spirituosen-Verordnung (Nachfolgeregelung zur Verordnung (EWG) Nr. 1576/89) in Einklang gebracht wird.
- Grenzwerte für Thujon
Die Vereinheitlichung und Klarstellung der Thujon-Grenzwerte ist begrüßenswert.
Der Bundesrat ist jedoch der Auffassung, dass eine Erweiterung auf Lebensmittel mit Salbeizubereitungen vorgenommen werden sollte.
- 7. Spezielle Informationspflichten für die Verkehrsbezeichnung von Aromen, (Artikel 14 Abs. 4)
Der Begriff "natürlich" darf nach vorliegendem Vorschlag nur dann verwendet werden, wenn mind. 90 Gewichtsprozent des Aromabestandteils aus dem genannten Ausgangsstoff gewonnen wurde.
Die Anwendung dieser Regelung würde dazu führen, dass Aromaproduzenten bei der Herstellung von Aromamischungen nichtauthentische und sensorisch dominierende Aromen innerhalb der erlaubten 10-Gewichtsprozent-Menge zugeben können und diese das Gesamtaroma einer Mischung ggf. vollständig dominieren.
Dies widerspricht den Vorgaben in Artikel 4 Buchstabe b, wonach die Verbraucher nicht über die Verwendung von Aromastoffen getäuscht werden dürfen, und in speziellerer Hinsicht auch dem Erwägungsgrund 21, wonach Aromastoffe nur dann als "natürlich" gekennzeichnet werden sollten, wenn sie bestimmten Kriterien entsprechen, die sicherstellen, dass die Verbraucher nicht getäuscht werden.
Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass das Maß "Gewichtsprozente" zum Vergleich von Aromaintensitäten ungeeignet ist. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darum, sich auf EU-Ebene möglichst für eine 100-Prozent-Regelung (d. h. vollständiges Verbot eines Zusatzes von nichtauthentischem Aroma zu einem als "natürlich" bezeichneten Aroma) einzusetzen. Alternativ könnte die nach bisheriger Rechtslage bestehende Anforderung für Hinweise auf natürliche Herkunft beibehalten werden.
- 8. Spezielle Informationspflichten für die Verkehrsbezeichnung von Aromen, (Artikel 14 Abs. 5)
Gemäß Artikel 14 Abs. 5 darf die Bezeichnung "natürliche(s) <<Lebensmittel>> -Aroma mit anderen natürlichen Aromen" verwendet werden, wenn der Aromabestandteil zum Teil aus dem genannten Ausgangsstoff stammt und leicht erkennbar ist.
Der Begriff "zum Teil" ist nach Auffassung des Bundesrates zur Festlegung der Menge eines Stoffes oder Stoffgemisches zu unbestimmt. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, nahezu unbegrenzt nicht authentisches Aroma zuzusetzen, sofern nur die zweite Bedingung "leicht erkennbar" erfüllt ist. Der Begriff "leicht erkennbar" stellt jedoch ein sehr subjektives Kriterium dar.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darum, sich auf EU-Ebene für die Festlegung von objektiven und nachprüfbaren Kriterien für die Definition des Begriffes "natürliche(s) <> -Aroma mit anderen natürlichen Aromen" einzusetzen.
- 9. Überwachung und Berichterstattung durch die Mitgliedstaaten (Artikel 17)
Der Bundesrat lehnt die Regelungen des Artikels 17 in der vorliegenden Form ab. Systeme zur Überwachung des Verbrauchs und der Verwendung der in der Gemeinschaftsliste verzeichneten Aromen sowie des Verbrauchs der in Anhang III verzeichneten Stoffe sind seitens der Lebensmittelüberwachung nicht leistbar. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass derartige Daten ausschließlich durch die Informationspflicht der Wirtschaftsbeteiligten geliefert werden.
- 10. Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1576/89 (Artikel 23)
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass im Hinblick auf die Vorschriften zur Aromatisierung von Spirituosen die derzeitige Überarbeitung der Spirituosen-Verordnung zu berücksichtigen ist.
- 11. Anmerkungen zur Übersetzung:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich für die Überarbeitung der Übersetzung der Vorlagen in BR-Drucksache 588/06 (PDF) bis 591/06 (PDF) einzusetzen, damit derzeit vorliegende Übersetzungsfehler korrigiert werden bzw. eine Klarstellung erfolgt.
Einige Punkte in der Vorlage in BR-Drucksache 590/06 (PDF) werden nachfolgend beispielhaft aufgeführt:
Artikel 1 Satz 1:
Der englische Begriff "food ingredients" wird mit dem Begriff "Lebensmittelzusatzstoffe" falsch übersetzt. Die korrekte Übersetzung lautet "Lebensmittelzutaten" (wie im Verordnungstitel korrekt aufgeführt).
Artikel 3 Abs. 2 Buchstabe a Nr. ii, Artikel 3 Abs. 2 Buchstabe g, Artikel 8 Buchstabe d, Artikel 7 Abs. 1 Buchstabe c, Erwägungsgrund 17:
Der englische Begriff "flavour precursor" wird mit dem Begriff "Aromagrundstoff" falsch übersetzt. Der gebräuchliche deutsche Begriff hierfür lautet "Aromavorstufe".
Artikel 3 Abs. 2 Buchstabe c, Artikel 3 Abs. 2 Buchstabe d Nr. i, jeweils
Zeile 1:
Der Begriff "appropriate physical process" der englischen Fassung wird im vorliegenden deutschen Entwurf unterschiedlich übersetzt, nämlich zum einen als "entsprechende physikalische Prozesse", zum anderen als "geeignete physikalische Prozesse". Im Sinne einer klaren Begriffsdefinition sollte die Übersetzung einheitlich "geeignet" lauten, entsprechend der Definition in Artikel 3 Abs. 2 Buchstabe k.
Anhang III Teil B, Grenzwerte für Pulegon
Die deutsche Fassung enthält in der Tabelle der Anlage III im Abschnitt "Pulegon" zwei gleichlautende Einträge für den Grenzwert in alkoholischen Getränken.
Dies resultiert offensichtlich aus einem Übertragungsfehler: Entsprechend der englischen Fassung muss dem Grenzwert "20" der Eintrag "Nichtalkoholische Getränke mit Minze/Pfefferminze" zugeordnet sein.
Anhang V - "thermisch gewonnene Aromen"
Der Begriff "thermisch gewonnene Aromen" wird auf Grund eines Übertragungsfehlers aus der englischen Fassung an verschiedenen Stellen des vorliegenden Vorschlags unterschiedlich bezeichnet. In Anhang V sollte - entsprechend der Definition in Artikel 3 Abs. 2 Buchstabe e - auch "thermisch gewonnene Reaktionsaromen" stehen.