A. Problem und Ziel
- Nachdem Aufwandsentschädigungen für ehrenamtlich Tätige zuvor als weitgehend sozialversicherungsfrei angesehen worden waren, kam es im Zusammenhang mit der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ab dem 01.04.1999 in vielen Fällen zur Feststellung von Sozialversicherungspflicht und damit zu entsprechenden Beitragsforderungen zulasten dieses Personenkreises.
- Die Träger der Deutschen Rentenversicherung stellen unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das wiederholt ehrenamtliche Tätigkeiten als sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen beurteilt hat, in vielen Fällen Sozialversicherungspflicht insbesondere für ehrenamtlich tätige Führungskräfte der freiwilligen Feuerwehren fest. Im Gegensatz dazu kam das Bayerische Landessozialgericht in zwei Urteilen, die ehrenamtliche Feuerwehrführungskräfte betrafen, zur gegenteiligen Einschätzung (Urteile vom 25.08.2005 Az. L 4 KR 41/02 und vom 14.02.2006 Az. L 5 KR 132/04). Diese Rechtsprechung führte zu einer unklaren Rechtslage und dadurch auch zu einer uneinheitlichen Verwaltungspraxis der Sozialversicherungsträger.
- Mit dem Gesetzentwurf soll Rechtsklarheit geschaffen werden. Es wird sichergestellt dass aus Aufwandsentschädigungen für die Wahrnehmung von Ehrenämtern keine Sozialversicherungsbeiträge erhoben werden.
B. Lösung
- In § 7 SGB IV wird klargestellt, dass die Wahrnehmung von Ehrenämtern keine Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV darstellt.
C. Alternativen
- Keine.
- Insbesondere haben die Länder aufgrund der Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) und der abschließenden Regelung des Sozialversicherungsrechts keine Möglichkeit, das Ehrenamt von Sozialversicherungsbeiträgen freizustellen.
D. Finanzielle Auswirkungen
- 1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Keine Kostenbelastung.
Ehrenamtliche sind vielfach für die öffentliche Hand sowie für Institutionen tätig, die öffentliche Zuschüsse erhalten. Daher wird die Befreiung von der Beitragspflicht (Arbeitgeberbeitrag) zu einer - wenn auch geringfügigen - Entlastung der Länderhaushalte führen.
- 2. Vollzugsaufwand
Bei den Sozialversicherungsträgern wird es aufgrund des geringeren Verwaltungsaufwandes zu Einsparungen in nicht bezifferbarer Höhe kommen.
E. Sonstige Kosten
- Durch die Freistellung ehrenamtlich Tätiger von der Sozialversicherungspflicht entstehen geringfügige Beitragsausfälle für die Sozialversicherungsträger in nicht näher bezifferbarer Höhe. Umgekehrt werden die Sozialversicherungsträger durch das Nichtentstehen von beitragsabhängigen Leistungsansprüchen auch entlastet.
- Eine Beitragssatzrelevanz ist in jedem Fall auszuschließen.
F. Bürokratiekosten
- Die Institutionen, die ehrenamtlich Tätige zur Erfüllung ihrer Aufgaben einsetzen, werden durch die Befreiung von der Sozialversicherungspflicht finanziell (Arbeitgeberbeitrag) und in ihrem Abrechnungsaufwand entlastet.
Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit
Der Bayerische Ministerpräsident München, den 14. August 2008
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust
Sehr geehrter Herr Präsident,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich den als Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten
Entwurf eines Gesetzes zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit
mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Art. 76 Abs. 1 GG im Bundestag einbringen möge.
Ich bitte, den Gesetzentwurf unter Wahrung der Rechte aus § 23 Abs. 3 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates gemäß § 36 Abs. 2 GOBR auf die Tagesordnung der 847. Sitzung am 19. September 2008 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Günther Beckstein
Entwurf eines Gesetzes zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch
Artikel 2
Inkrafttreten
- Dieses Gesetz tritt am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
Eine gesetzlich klar geregelte Freistellung ehrenamtlich Tätiger von der Sozialversicherungspflicht ist notwendig, um Rechtssicherheit herzustellen und Schaden von der Ehrenamtskultur der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. Eine Vermischung der Begriffe Beschäftigungsverhältnis und Ehrenamt hat zur Folge, dass die Bürger in ihrem uneigennützigen Engagement gebremst und - als Folge zusätzlicher sozialversicherungsrechtlicher Verpflichtungen - auch die üblichen Rechte aus Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitsverhältnissen einfordern werden. Dies führt zu einer unerwünschten Kommerzialisierung des Ehrenamts.
Die bisherigen Kriterien zur Definition von Beschäftigungsverhältnissen sind zur Erfassung ehrenamtlicher Tätigkeit nicht geeignet. Statt einer Differenzierung innerhalb des Ehrenamts anhand der Begriffe "Weisungsgebundenheit", "Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers" und "Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben über Repräsentationsfunktionen hinaus" müssen ehrenamtliche Tätigkeiten insgesamt von der Sozialversicherungspflicht freigestellt werden. Durch eine möglichst präzise Definition ehrenamtlicher Tätigkeiten werden Rechtsstreitigkeiten über die Grenzen der Regelung weitgehend vermieden.
Die Wirkung des neuen § 7 Abs. 5 ist auf das Sozialversicherungsrecht beschränkt.
Die Neuregelung stellt sicher, dass bei der Wahrnehmung von Ehrenämtern nach den Nummern 1 und 2 weder volle Sozialversicherungsbeiträge noch (bei Minijobs eigentlich fällig werdende) Pauschalbeiträge entrichtet werden müssen. Auf das Steuerrecht ergeben sich keine Auswirkungen.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1
§ 7 Abs. 5 Satz 1 enthält eine Ausnahme von der Grundregel des Absatzes 1. Diese Ausnahme kommt also erst dann zur Anwendung, wenn nach den Kriterien des Absatzes 1 eine Beschäftigung anzunehmen wäre.
Satz 2 Nummer 1 übernimmt spezielle bundesgesetzliche oder landesgesetzliche Definitionen des Ehrenamts für das Sozialversicherungsrecht. Der Gesetzgeber hat in diesen Fällen eine bewusste Entscheidung über die Einordnung konkreter Tätigkeitsbereiche getroffen. Deshalb ist es gerechtfertigt, hier - anders als in den unter Nummer 2 geregelten Fällen - von der Festsetzung einer Höchstgrenze der Aufwandsentschädigung abzusehen. Gleichzeitig ist sichergestellt, dass eine Klassifizierung durch eine Rechtsnorm, die im Rang unterhalb eines förmlichen Gesetzes steht, die Voraussetzungen der Nummer 1 nicht erfüllt. Der Bezeichnung als "Ehrenamt" stehen inhaltlich identische Formulierungen, wie z.B. "ehrenamtlich" oder "Ehrenbeamter" gleich.
Satz 2 Nr. 2 enthält Kriterien für die Einordnung als Ehrenamt, wenn es an einer speziellen gesetzlichen Definition fehlt.
Voraussetzung ist zunächst, dass die Person für eine der genannten Institutionen tätig ist (siehe auch § 163 Abs. 3 Satz 2 SGB VI). Die von der Körperschaftsteuer befreiten Institutionen ergeben sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz i.V.m. §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung.
Weiterhin darf die Aufwandsentschädigung mit ihrem steuerpflichtigen Anteil (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB IV) regelmäßig im Monat 400 € nicht überschreiten. Dieser Höchstgrenze liegt die Wertung zu Grunde, dass bei einem darüber liegenden Entgelt ein ehrenamtlicher Charakter der Tätigkeit ausgeschlossen ist. Die Zusammenrechnung mehrerer ehrenamtlicher Tätigkeiten verfolgt den Zweck, einem Missbrauch der Vorschrift vorzubeugen. Gleichwohl sind ehrenamtliche Tätigkeiten - anders als geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gem. § 28a Abs. 9 SGB IV - nicht meldepflichtig um Belastungen des Ehrenamts mit bürokratischem Verwaltungsaufwand gering zu halten.
Auch unterhalb der pauschalen Höchstgrenze setzt die Annahme eines Ehrenamts voraus dass die Tätigkeit nicht wie in einem Arbeitsverhältnis vergütet, sondern allenfalls durch eine Aufwandsentschädigung honoriert wird. Eine Aufwandsentschädigung liegt daher nicht vor, wenn das für die Tätigkeit gezahlte Entgelt eine Höhe erreicht, die dem verkehrsüblichen Arbeitsentgelt für diese Tätigkeit entspricht.
Satz 3 räumt dem ehrenamtlich Tätigen in den Fällen des § 7 Abs. 5 Satz 2 Nr. . 1 und 2 das Recht ein, für eine Absicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung zu optieren. Das Optionsrecht gilt also beispielsweise für ehrenamtliche Führungskräfte der Freiwilligen Feuerwehr, nicht aber für solche Fälle, in denen schon die Grundregel des Absatzes 1 nicht erfüllt ist (z.B. bei ehrenamtlichen Mitgliedern eines Stadt- oder Gemeinderats).
Die Ausübung der Option hat die Anwendbarkeit aller Regeln für Beschäftigungsverhältnisse zur Folge. Dies gilt insbesondere für § 8 SGB IV (geringfügige Beschäftigung).
Die Ausübung der Option lässt die Geltung des § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB IV, nach dem steuerfreie Aufwandsentschädigungen nicht als Arbeitsentgelt gelten, unberührt.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.