Der Bundesrat hat in seiner 861. Sitzung am 18. September 2009 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Mitteilung der Kommission zu einer nachhaltigen Zukunft für den Verkehr. Insbesondere nimmt er zur Kenntnis, dass nunmehr die Konsultation zur Fortschreibung des Verkehrsweißbuchs 2001 begonnen hat und sieht hier die Möglichkeit zu einer Neujustierung der europäischen Verkehrspolitik.
Der Bundesrat sieht die in der Mitteilung beschriebenen Trends ebenfalls als große Herausforderung an; so sind der demographische Wandel, die Minimierung der Umweltwirkungen des Verkehrs, die Verknappung fossiler Brennstoffe und die Fortsetzung der Globalisierung treffend beschrieben. Insgesamt teilt der Bundesrat auch die Einschätzung, dass steigender globaler Wohlstand zu einer höheren Mobilität und in der Folge auch einem höheren Verkehrsaufkommen führen wird - und dies in Deutschland ungeachtet der durch den demographischen Wandel sinkenden Bevölkerungszahl.
- 2. Der Bundesrat begrüßt die von der Kommission eingeleitete offene Diskussion zur Zukunft des Verkehrs und würdigt die in der Mitteilung vorgenommene Problembeschreibung als Grundlage für die Ermittlung der zukünftig notwendigen Maßnahmen.
- 3. Als politisches Oberziel definiert die Kommission eine nachhaltige Verkehrspolitik; auch diesem Ziel stimmt der Bundesrat zu. Allerdings darf Nachhaltigkeit nicht allein auf ökologische Belange reduziert werden, sondern muss soziale und vor allem wirtschaftliche Aspekte in gleicher Weise mit einbeziehen. Eine einseitige Betonung der Ökologie würde das Grundkonzept der Nachhaltigkeit verkennen, auch wenn ökologische Belange ohne Frage von Bedeutung sind.
- 4. Der Bundesrat unterstützt die Position der Kommission, wonach als unmittelbare Priorität die Gesamteffizienz des Verkehrssystems zu verbessern und die Entwicklung und Einführung innovativer Technologien zu beschleunigen sind. In der Mitteilung versucht die Kommission, eine strategische Vision von einer nachhaltigen Zukunft des Verkehrs zu entwickeln. Diese Vision darf aber nicht hinter in Teilstrategien der Verkehrspolitik verankerten Zielen wie der Nachhaltigkeitsstrategie oder der Energiestrategie der EU zurückfallen. Mit Blick auf das für 2010 geplante Weißbuch sieht der Bundesrat für die europäische Verkehrspolitik der Kommission bis 2020 den nachfolgenden Handlungsbedarf.
- 5. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, auch im avisierten Weißbuch an der zentralen Zielsetzung des Weißbuchs von 2001 festzuhalten, nach der eine Trendumkehr zu Gunsten der umweltverträglichen Verkehrsträger und eine sukzessive Entkopplung der Verkehrszunahme vom Wirtschaftswachstum erreicht werden soll. Zur Beeinflussung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung und im Besonderen zur Steuerung der Verkehrsnachfrage stehen der öffentlichen Hand eine ganze Reihe von Regelungsmechanismen und finanziellen Anreizen als Aktionsparameter zur Verfügung. Nach Auffassung des Bundesrates muss der als Effizienzstrategie bezeichnete Prozess zur Verringerung des Energie- und Ressourcenverbrauchs durch eine Strategie ergänzt werden, die auf eine gezielte Steuerung und Verringerung der motorisierten Verkehrsnachfrage sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr zielt.
- 6. Es sind klare Zielvorgaben zur Begrenzung des Ressourcenverbrauchs und zur Verringerung der verkehrsbedingten Umwelt- und Klimabelastungen notwendig. Der Bundesrat hält es für sachgerecht, auf Grund der klimaschutzpolitischen Anforderungen ein ambitioniertes Minderungsziel für die verkehrsbedingten Klimagasemissionen zu definieren - in Anlehnung an das EU-Minderungsziel für die Treibhausgasemissionen wäre dies minus 20 Prozent bis zum Jahr 2020.
- 7. Die Mitteilung beschreibt die bestehenden und zu erwartenden Folgen des Verkehrs ungewohnt deutlich. Ebenso werden die zukünftigen Herausforderungen dargestellt. Die daraus abgeleiteten Maßnahmen sind vielfältig und zielen insgesamt auf eine nachhaltige Gestaltung des Verkehrs. Damit erfasst die Kommission die Komplexität des Verkehrs zwar in großer Breite, es fehlen jedoch wichtige Aspekte.
So wird dem Verkehr als Wirtschaftsfaktor und der Bedeutung des Verkehrs für die Wirtschaft ein großer Stellenwert eingeräumt. Dies mag zwar in einem technologieorientiertem Papier unvermeidlich sein, hat jedoch zur Folge, dass Erfordernisse, Möglichkeiten und Maßnahmen zur Vermeidung, Verringerung und Entschleunigung des Verkehrs, die Rohstoff- und Energieverbrauch sowie sämtliche weiteren ökologischen und sozialen Folgen unmittelbar verringern können, nur unzureichend betrachtet werden.
Hier ist insbesondere die Forderung nach der Errichtung und Stärkung lokaler Märkte, vor allem im Bereich der Lebensmittelversorgung zu stellen. Lokale Märkte enthalten auch Antworten auf die sich ändernden Mobilitätsbedingungen einer alternden Bevölkerung, die Konflikte im Zusammenhang mit der zunehmenden Verstädterung und zunehmender Migration.
- 8. Nach Auffassung des Bundesrates sollte die Strategie "Greening Transport" der Kommission spezifiziert und durch Vorschläge für Maßnahmen bzw. Rechtssetzungsinstrumente in das geplante Weißbuch implementiert werden. Dabei sollten die Auswirkungen auf den Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern sowie die damit zusammenhängenden sozialen und umweltbezogenen Auswirkungen eingehend bewertet werden. Aus Sicht des Bundesrates bedarf es zur umweltverträglicheren Ausgestaltung des Verkehrssektors und in Anbetracht der Notwendigkeit einer besseren Effizienz der Verkehrsträger eines fairen Wettbewerbs und der Steuerung der Verkehrsnachfrage.
- 9. Darüber hinaus soll die Anwendung der Richtlinie den Mitgliedstaaten freigestellt werden. Dies steht der Schaffung eines einheitlichen europäischen Binnenmarkts entgegen.
Dadurch werden auch die Wirkungen in Bezug auf die Klimaschutzziele massiv gedämpft und zudem Wettbewerbsverzerrungen der anwendenden Staaten gegenüber den nicht anwendenden Staaten verstärkt bzw. geschaffen.
- 10. Der Bundesrat unterstützt insofern die Forderung des Europäischen Parlaments vom 11. März 2009, nach der die Kommission unverzüglich konkrete Vorschläge für alle Verkehrsträger durch Vorlage eines umfassenden Konzepts zur Berechnung und Anlastung der externen Kosten und deren Folgeabschätzungen auf Grund eines nachvollziehbaren Modells machen soll.
- 11. Soziale Aspekte des Verkehrs werden an mehreren Stellen aufgezeigt. Neben Arbeitsbedingungen im Verkehrssektor, Zugänglichkeit und Verkehrsteilhabe sowie Spannungen im städtischen Umfeld fallen die unmittelbaren gesundheitlichen Aspekte jedoch kaum ins Auge; die Betrachtung erschöpft sich weitgehend mit der "gefährlich hohen Belastung durch Luftverschmutzung und Lärm" in Nummer 26. Derzeit mehren sich jedoch Hinweise, dass vor allem die ubiquitäre verkehrsbedingte Lärmbelastung unerwartet häufige, vielfältige und starke soziale und gesundheitliche Folgen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen und bei Kindern Kommunikations- und Entwicklungsstörungen zeitigt, die nachhaltige negative Auswirkungen mit erheblichen, auch ökonomischen Folgelasten haben werden.
Es wäre zu begrüßen, wenn die Kommission die Auswirkungen der zunehmenden Lärmbelästigungen zum Gegenstand intensiver Forschung machen würde, um daraus sich ergebende Maßnahmen frühzeitig in das gesamte Maßnahmenpaket einpassen zu können.
- 12. Die politische Neuausrichtung der Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-V) ist notwendig und sachgerecht. Der Bundesrat begrüßt, dass die Gemeinschaftsziele zum Klimaschutz künftig ins Zentrum der TEN-V-Politik gestellt werden sollen. Bei der stärkeren Ausrichtung der TEN-V-Politik auf den Klimaschutz sollten insbesondere die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene sowie die Begrenzung des Luftverkehrswachstums zentrale Zielsetzungen sein.
- 13. Der Bundesrat unterstützt das Ziel, die TEN-V weiter zu entwickeln und neben dem TEN-Gesamtnetz ein europäisches Kernnetz zu definieren und zu entwickeln. Der Bundesrat unterstreicht die Position der Kommission, dass das optimale Funktionieren des Verkehrssystems die vollständige Integration und Interoperabilität der einzelnen Teile des Gesamtnetzes sowie den Verbund der jeweiligen modalen Netze voraussetzen. Von besonderer Bedeutung sind daher Knotenpunkte, die logistischen Zentren, die die Verknüpfung zwischen den Verkehrsträgern herstellen und für den Güter- und Personenverkehr Anschluss -und Wahlmöglichkeiten bieten. Solche intermodalen Anlagen und Umschlagplattformen sollten innerhalb des Kernnetzes der TEN-V an ausgewählten Standorten entwickelt und gefördert werden. Der Ausbau der Infrastruktur mit den richtigen Schwerpunkten kann dazu beitragen, die Effizienz des Verkehrssystems insgesamt zu verbessern und Umweltbelastungen, Staus und wirtschaftliche Verluste zu reduzieren.
- 14. Der internationale Luftverkehr und der internationale Seeverkehr werden bisher in den klimapolitischen Vertragswerken nicht berücksichtigt. Vor dem Hintergrund des bisherigen Wachstums der Transportleistungen bei diesen beiden Verkehrsträgern spricht sich der Bundesrat dafür aus, dass im Rahmen des avisierten Weißbuches Maßnahmen zur Verringerung der Umweltauswirkungen auch für diese Verkehrsträger benannt werden.
- 15. Die Situation der im intermodalen Wettbewerb stehenden Verkehrsträger (Straßen-, Eisenbahn-, Schiffs- und Flugverkehr) ist sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr auf Grund von fiskalischen Regulierungen höchst unterschiedlich. So ist sowohl der Luft- als auch der Schiffsverkehr derzeit von energiesteuerlichen Instrumenten befreit, dagegen müssen vom Straßen- und nichtelektrifizierten Schienenverkehr in Deutschland Mineralöl- und Ökosteuer entrichtet werden. Im elektrifizierten Schienenverkehr wird der Strom sowohl energiesteuerlich als auch durch den Emissionshandel belastet. Regulierungen wie die ab 2013 umzusetzende hundertprozentige Auktionierung der Emissionszertifikate des Bahnstroms und eine auf 15 Prozent beschränkte Auktionierung der Luftverkehrsemissionen (Klimapaket der EU) sowie die unveränderte energiesteuerliche Befreiung des Luft- und Schiffsverkehrs stellen eine Ungleichbehandlung dar, die zu weiteren Verwerfungen im Verkehrssektor mit ungewollten Konsequenzen führen kann. Diese vom Grundsatz her umweltpolitisch motivierten Regulierungen würden zu einer Benachteiligung der Eisenbahn - dem umweltverträglichsten Verkehrsmittel - führen und damit dem Ziel der Minderung von CO₂-Emissionen entgegenwirken. Der Bundesrat hält es daher für notwendig, dass die Kommission im geplanten Weißbuch Maßnahmen zur Angleichung der Wettbewerbsbedingungen auf dem Verkehrsmarkt vorschlägt bzw. formuliert.
- 16. Grundsätzlich sollte hier darauf hingewirkt werden, dass die Verkehrsträger im Wettbewerb gleiche Bedingungen haben.
Im Hinblick auf die Bemautung der Nutzung von Fernstraßen vertritt der Bundesrat die Ansicht, dass die von der Wegekostenrichtlinie eingeräumten Möglichkeiten ausreichend sind - auch um die Lkw-Maut durch zeitlich und räumlich variable Mautsätze zur Verkehrslenkung einzusetzen; hier bedarf es keiner weiteren Instrumente.
- 17. Auch die Abgabensituation für die Infrastrukturbenutzung ist sowohl im intermodalen Wettbewerb der Verkehrsträger untereinander als auch im intramodalen Wettbewerb der jeweiligen Verkehrsträger europaweit zersplittert, mit der Folge weitreichender Wettbewerbsverzerrungen. Um beispielsweise die Kosten der Straßeninfrastrukturnutzung an die Benutzer weiterzugeben, schaffen immer mehr Mitgliedstaaten eigene Entgeltsysteme. Der sich daraus ergebende Flickenteppich isolierter, einzelstaatlicher Regelungen gefährdet jedoch das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes. Auch bei der Schieneninfrastruktur werden die Benutzungsentgelte unterschiedlich berechnet und erhoben. So liegt in Deutschland das Preisniveau sehr hoch, da die Berechnung der Entgelte weitgehend nach dem Vollkostenprinzip und nicht wie in den meisten Mitgliedstaaten nach dem Grenzkostenprinzip erfolgt. Der Bundesrat erwartet hier Lösungsvorschläge auf europäischer Ebene zur Harmonisierung der Abgaben im Verkehrssektor.
- 18. Darüber hinaus besteht europäischer Handlungs- und Harmonisierungsbedarf bei technischen Vorgaben und finanziellen Hilfen, insbesondere zu Bestimmungen für Nachrüstsysteme des Kfz-Bestandes zur Reduzierung der Abgasemissionen (PM10, NOX). In mehreren Mitgliedstaaten entstanden nach nationalen Regelungen und Anreizsystemen unterschiedliche Lösungen für Nachrüstsysteme (Rußfilter, Stickoxidminderung). Die Qualität des Angebotes ist teilweise unbefriedigend, der Markt zersplittert und die Preise sind hoch. Daneben bedarf es einer zeitgemäßen Fortschreibung der EU-Standards für Lärmemissionen bei leichten und schweren Nutzfahrzeugen, Stadtbussen und motorisierten Zweirädern. Die seit 1995 geltenden EU-Anforderungen an die Geräuschemissionen schwerer Nutzfahrzeuge müssen weiterentwickelt werden. Die geltenden Anforderungen für schwere Nutzfahrzeuge von 80 dB(A) werden von den marktgängigen Bussen seit vielen Jahren mit 76 oder 77 dB(A) weit unterschritten. Darüber hinaus sollten auch die Grenzwerte für Reifenrollgeräusche verschärft werden, um der zunehmenden Bedeutung der Abrollgeräusche im innerstädtischen Verkehr zu begegnen. Auch für Fahrzeuge im Bestand des Schienenpersonenverkehrs sind EU-Standards für Lärmemissionen notwendig, da Schienenfahrzeuge von den Verkehrsunternehmen europaweit ausgeschrieben werden. EU-harmonisierte Messvorschriften und Anforderungen könnten insofern die Rechtssicherheit verbessern und die Preise senken.
- 19. Von besonderem Interesse für die politisch gewollte Verbesserung der Wettbewerbssituation der Eisenbahn ist nicht zuletzt die Harmonisierung der Sozialvorschriften im Schienen- und Straßenverkehr. In diesem Zusammenhang beurteilt der Bundesrat die Umsetzung der Richtlinie 2005/47/EG über die Einsatzbedingungen des Fahrpersonals im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr als ordnungspolitisch bedenklich. Da die der Richtlinie zugrunde liegende Vereinbarung schärfere Schutzvorschriften vorsieht, als für Kraftfahrer gelten wird eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten des Lkw-Verkehrs begründet. Insofern ist mit Blick auf den intermodalen Wettbewerb zu befürchten, dass sich insbesondere die Wettbewerbsnachteile des Schienengüterverkehrs gegenüber dem Straßengüterverkehr noch weiter vergrößern. Zudem ist in Bezug auf den intramodalen Wettbewerb zu befürchten, dass die Regelung die Liberalisierung des Schienenverkehrs konterkariert und sich über eine erhebliche Erhöhung der Personalkosten in erster Linie zu Lasten der kleinen und mittleren Eisenbahnverkehrsunternehmen auswirken wird. Der Bundesrat spricht sich daher für die Harmonisierung der Sozialvorschriften im Schienen- und Straßenverkehr aus. Die Kommission sollte dazu im geplanten Weißbuch Maßnahmen zur Umsetzung benennen.
- 20. Die Kommission hatte sich bereits mit dem Weißbuch von 2001 das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Zahl der Verkehrstoten auf Europas Straßen bis 2010 von 50 000 auf 25 000 zu halbieren. Es sind zwar Fortschritte in dieser Richtung zu verzeichnen, dennoch ist man von der Zielerreichung noch weit entfernt. Der Bundesrat unterstützt daher die Kommission darin, nach dem Auslaufen des Aktionsprogramms für die Straßenverkehrssicherheit in 2010 eine Strategie mit Folgemaßnahmen zu erarbeiten.
- 21. Die Bedeutung einer qualitativ hochwertigen Infrastruktur für die Wirtschaft ist unbestritten. Gerade um ökologische und soziale Konflikte in Bezug auf die Kapazität der Infrastruktur zu vermeiden, wird deren effiziente Nutzung immer wichtiger. Die Bundesrepublik Deutschland hat hier unter anderem mit dem "Masterplan Güterverkehr und Logistik", der gezielt auf die Engpassbeseitigung setzt und zusätzlich den Einsatz von Verkehrstelematik vorschlägt, einen Vorschlag unterbreitet, der in die richtige Richtung weist. Der Weiterentwicklung dieser Technologie auf der Basis ausgezeichneter Referenzprojekte sollte in Zukunft ein hoher Stellenwert zukommen.
- 22. Der Bundesrat befürwortet die Position der Kommission, nach der dazu beigetragen werden soll, Mobilität nachhaltiger zu gestalten, indem die Nutzer dazu angeregt werden, ihr Mobilitätsverhalten kritisch zu überdenken und zu verändern. Allerdings bedauert der Bundesrat, dass dieses Ziel lediglich über Preisbildungsmechanismen erreicht werden soll, jedoch keine anderen Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten vorgeschlagen werden, die diese Verhaltensänderungen über Bestpractice-Vorschläge, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Informationskampagnen oder weitere Möglichkeiten stützen könnten.
- 23. Der Bundesrat sieht unter Berücksichtigung der Subsidarität europäischen Harmonisierungsbedarf insbesondere bei technischen Anforderungen für Fahrzeuge, Infrastrukturausrüstungen und Transportdienstleistungen. Da Verkehrsinfrastruktur und -dienstleistungen auf EU-weiten Märkten angeboten und beschafft werden, bedeutet eine Harmonisierung der Standards Preisvorteile, Rechtssicherheit, Interoperabilität und bessere Akzeptanz beim Nutzer.
Der Bundesrat sieht ferner europäischen Harmonisierungsbedarf insbesondere bei der Kennzeichnung (Schilder und Plaketten) für den Zugang von Kraftfahrzeugen zu Umweltzonen entsprechend europäischer Abgas- und Lärmstandards.
Angesichts des wachsenden europäischen Wirtschafts- und Tourismusverkehrs ist Transparenz bei unterschiedlichen örtlichen Anforderungen nötig. Harmonisierte Fahrzeug- und Gebietskennzeichnung können den Zugang erleichtern, die Kosten senken und die Akzeptanz verbessern.
Der Bundesrat erwartet daher, dass die Kommission im geplanten Weißbuch Maßnahmen zur Umsetzung der beschriebenen Harmonisierung vorschlägt.
- 24. Die bestehenden Struktur- und Kohäsionsfonds sowie die Finanzinstrumente der Europäischen Investitionsbank sollten für eine größere Effizienz stärker auf die Regionen konzentriert werden, in denen wirtschaftliches Wachstum nachhaltig generiert wird und der Handlungsbedarf zur Anpassung am höchsten ist. Insbesondere der Europäische Fonds für regionale Entwicklung sollte den unterschiedlichen regionalen Entwicklungen - bedingt durch die demografische Entwicklung und Zuwanderung - gebührend und der zunehmenden Verstädterung Rechnung tragen und stärker als bisher auf eine Förderung des Nahverkehrs und des öffentlichen Verkehrs, insbesondere des nichtmotorisierten Verkehrs, ausgerichtet sein bzw. werden.
- 25. Nur am Rande (Nummer 43) wird angedeutet, dass die Nutzung der Mehrzahl der Verkehrsmittel auch wegen der damit verbundenen physischen Immobilisierung zu gesundheitlichen Folgen führt. Als gesunde Alternativen werden der Rad- und Fußverkehr genannt. Maßnahmen zur spezifischen Förderung dieser Verkehrsträger, wie Radverkehrsachsen, ausreichender und gut unterhaltener Bewegungsraum, Entflechtung von Fuß- und Radverkehr, Vorranggewährung gegenüber dem motorisierten Verkehr etc. werden jedoch nicht entwickelt, sondern eine Zunahme des Rad- und Fußverkehrs allein infolge einer sichereren städtischen Umwelt erhofft. Diese Hoffnung reicht zur Berücksichtigung von Bedeutung und Belangen der beiden Verkehrsträger nicht aus. Sie sind unmittelbar gesund, effizient, umwelt- und nutzerfreundlich. Besonders das Zu-Fuß-Gehen ist überdies im Personenverkehr von überragender Bedeutung, da es in jede intermodale Transportkette eingebunden ist. Durch die mangelhafte Berücksichtigung des Zu-Fuß-Gehens ist die "Komplexität des Verkehrs" von der Kommission nicht vollständig erfasst worden - dies ist ein relevanter Mangel des Papiers.
26. Zu den einzelnen Nummern
Zu Nummer 11
Anders als im Seeschiffsverkehr steht ein weltweit fortschrittlicher Rechtsrahmen für die internationale Binnenschifffahrt noch aus, so dass Regelungen zur Vermeidung schiffsbedingter Verunreinigungen nur schleppend umgesetzt werden und es häufig zu Gewässerverunreinigungen kommt.
Zu Nummer 26
Die NO₂-Emissionen des Verkehrs und die damit verbundenen Belastungen der Bevölkerung werden nicht berücksichtigt. Der gesundheitsbezogene NO₂-Grenzwert tritt 2010 in Kraft. Er wird derzeit noch europaweit an viel befahrenen, eng bebauten Straßen überschritten. Hauptverursacher ist der motorisierte Verkehr.
Dass auch die Luftverschmutzung durch Schiffe angegangen werden muss, wird bekräftigt. Hinzuweisen ist auch darauf, dass, wie Untersuchungen zeigen, die NOX-Emissionen der Binnenschiffe ebenfalls mit zu den erhöhten NO₂-Belastungen in den Ballungsräumen beitragen können.
Nicht berücksichtigt sind auch die von der Schifffahrt ausgehenden Gewässerverschmutzungen, die an Binnenschifffahrtsstraßen beobachtet werden.
Zu Nummer 27
Es fehlt der Hinweis darauf, dass auch bei Anpassungsmaßnahmen an die Auswirkungen des Klimawandels im Bereich der Binnenschifffahrt eine umweltverträgliche Ausgestaltung entsprechend der Ziele der EG-Wasserrahmenrichtlinie zu erfolgen hat.
Zu Nummern 48 und 49
Zu den unerwünschten Nebenwirkungen des Verkehrs zählt auch die Zerschneidung der Landschaft und der Lebensräume sowie der Flächenverbrauch. Im Sinne der Nachhaltigkeit müssen auch diese Aspekte neben Maßnahmen in Bezug auf die Lärmbelastung sowie die Luftschadstoff- und Treibhausgasemissionen in ein Maßnahmenpaket einbezogen werden. Die in vielen Gebieten bestehende sehr hohe Straßendichte sollte von der Kommission zum Anlass genommen werden, sich auch verstärkt mit dem Rückbau von Straßen und den damit verbundenen Entschneidungseffekten zu befassen.
Zu Nummer 68
Hinsichtlich des Entwicklungspotenzials der Logistikbetriebe, die Synergien zwischen See- und Schienenverkehr und/oder Binnenschifffahrt nutzen, wird darauf hingewiesen, dass größere Schiffe in der Regel einen größeren Tiefgang haben und Flussvertiefungen, die aus diesem Grunde vorgenommen werden, zwangsläufig zu erheblichen Umweltproblemen führen. Die Kommission sollte diesen Aspekt in ihrem Papier ebenfalls erwähnen und in die Überlegungen zur zukünftigen Verkehrspolitik einfließen lassen.
Für den Betrieb der Binnenschifffahrt sollte die Kommission analoge Regelungen zur Verringerung der von der Schifffahrt ausgehenden Gewässerverschmutzungen und zur Minderung des Havarierisikos bei der Fahrt bzw. bei Löschung oder Aufnahme von Ladungen anstreben, die die über viele Jahrzehnte hinweg entstandenen unterschiedlichen Regelungen der internationalen Schifffahrtskommissionen grundlegend novellieren und harmonisieren und einen weiteren Beitrag zur Etablierung der Binnenschifffahrt als umweltfreundlichem Verkehrsträger leisten.
Zu Nummer 72
Die verursachergerechte Finanzierung von Investitionen an Wasserstraßen sollte auch mit Blick auf die gewässerseitigen Umweltziele der europäischen Gemeinschaft weitere Aufmerksamkeit erhalten. Angedacht werden könnte, die Kosten gewässerökologischer Maßnahmen, die derzeit größtenteils aus Steuermitteln finanziert werden, zu einem bestimmten Grad auch durch Nutzerbeiträge zu decken.
Während eine gesellschaftliche Finanzierung von Maßnahmen, die einen allein verkehrsinfrastrukturbezogenen Nutzen generieren, gerechtfertigt ist, sollte diese Sachlage bei Maßnahmen, die eine Beseitigung gewässernutzungsbezogener ökologischer und sozioökonomischer Belastungen zum Ziel haben, differenzierter betrachtet werden.
Bei der europäischen Harmonisierung von Projektbewertungsmethoden kann es nützlich sein, auf die Erfahrungen und Ergebnisse der Harmonisierung von Nutzenbewertungen im Rahmen des Umsetzungsprozesses der Wasserrahmenrichtlinie zurückzugreifen.
Zu Nummer 74
Neben einer Internalisierung der durch den Schiffsverkehr verursachten gewässerbezogenen Umweltkosten sollte auch eine Internalisierung der durch den Straßenverkehr hervorgerufenen gewässerbezogenen Umweltkosten angestrebt werden.