A. Problem
§ 66a StGB regelt den Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Danach kann das Gericht unter den übrigen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn zum Zeitpunkt der Verurteilung nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar ist, ob der Täter für die Allgemeinheit gefährlich ist. Gem. § 66a Abs. 2 Satz 1 StGB entscheidet das Gericht über die Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor dem 2/3 - Zeitpunkt des § 57 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe, wenn zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate verbüßt sind), bei lebenslanger Freiheitsstrafe spätestens 6 Monate vor Ablauf von 15 Jahren und bei Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen spätestens 6 Monate vor dem Zeitpunkt möglicher gemeinsamer Reststrafenaussetzung.
- Die Fristenregelung des § 66a Abs. 2 Satz 1 StGB birgt folgendes Problem: Der BGH hat entschieden, dass es sich bei § 66a Abs. 2 Satz 1 StGB nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift, sondern um eine materiellrechtliche Voraussetzung für die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung handelt (Vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2006, Az.: 3 StR 269/06 in: StV 2007, 129; bestätigt in BGH, Beschluss vom 11.09.2007, Az: 3 StR 323/07 in: NStZ 2007, 327). Daraus folgt, dass nach Überschreiten der 6-Monatsfrist die Sicherungsverwahrung jedenfalls dann nicht mehr angeordnet werden kann, wenn nicht nur eine kurzzeitige Überschreitung der Frist vorliegt. Dies gilt auch, wenn die Gründe für das Fristversäumnis nicht im Verantwortungsbereich der Justiz liegen. Die gegenwärtige Fristenregelung des § 66a Abs. 2 Satz 1 StGB birgt daher die Gefahr, dass für die Allgemeinheit gefährliche Straftäter, bei denen die Voraussetzungen für die Anordnung der zunächst vorbehaltenen Sicherungsverwahrung der Sache nach vorliegen, nach Verbüßung der Strafe entlassen werden müssen, weil es der Justiz aus Gründen, die sie nicht zu vertreten hat, nicht möglich war, innerhalb der vorgegebenen Frist über die Sicherungsverwahrung zu entscheiden.
- Darüber hinaus birgt die Frist des § 66a Abs. 2 Satz 1 StGB das Problem, dass die nach der Verurteilung verbleibende faktische Haftzeit bis zur Entscheidung über die Sicherungsverwahrung so kurz sein kann, dass nachträgliche Erkenntnisse für die Gefährlichkeitsprognose nicht gewonnen werden können. (Vgl. Fischer, StGB - Komm., 55. Aufl., § 66a, Rn. 9; BGH, Urteil vom 14.12.2006, Az.: 3 StR 269/06, in StV 2007, 129). Dieser Umstand kann sich sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten der oder des Verurteilten auswirken. Er wirkt sich zu ihren oder seinen Gunsten aus, wenn sich wegen der Kürze der Zeit keine Erkenntnisse gewinnen lassen, auf die sich das für die Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderliche Maß der Gewissheit für die Gefährlichkeit der oder des Verurteilten stützen lässt. In diesem Fall muss die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung unterbleiben.
- Die Kürze der Zeit von der Haft bis zur Entscheidung über die Sicherungsverwahrung kann dem Verurteilten jedoch auch zum Nachteil gereichen, wenn etwa die Gefährlichkeit der oder des Verurteilten nur durch eine von der oder dem Sachverständigen in dem Verfahren, welches zum Vorbehalt der Sicherungsverwahrung führte, aufgezeigte Therapiemöglichkeit einzudämmen gewesen wäre, diese aber infolge der Kürze der verbleibenden Zeit nicht aufgenommen werden konnte. In diesem Fall wird das Gericht gezwungen sein, die Sicherungsverwahrung vor Fristablauf vor dem Hintergrund der noch immer bestehenden untherapierten Gefährlichkeit anzuordnen.
- Der Umstand, dass die oftmals von Zufällen abhängige Dauer vom Haftantritt bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Anordnung der zunächst vorbehaltenen Sicherungsverwahrung einen unverrückbaren Baustein für die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung darstellt, ist als unbefriedigend zu bezeichnen.
B. Lösung
- Die Vorschrift über den Zeitpunkt der Entscheidung über die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ist in § 66a Abs. 2 Satz 1 StGB zu streichen und in § 275a Abs. 1 StPO anzusiedeln, um die bislang materiell - rechtliche Vorschrift in eine formell - rechtliche Regelung umzuwandeln. Gleichzeitig ist die Fristvorgabe insgesamt flexibler zu gestalten.
C. Alternativen
D. Finanzielle Auswirkungen
- Finanzielle Mehrausgaben sind nicht zu erwarten. Die Neuregelung kann zwar in einzelnen Fällen dazu führen, dass die zunächst vorbehaltene Sicherungsverwahrung auch dann noch zur Anordnung kommt, wenn die eigentliche Sechsmonatsfrist überschritten ist. Den durch die Sicherungsverwahrung entstehenden Kosten sind jedoch die Kosten entgegenzuhalten, die infolge einer Entlassung durch die engmaschige Kontrolle der Führungsaufsicht entstünden. Ferner lässt sich umgekehrt aufgrund der Neuregelung in einzelnen Fällen die Anordnung der Sicherungsverwahrung vermeiden. Die Kosten für die Sicherungsverwahrung werden insoweit erspart.
E. Sonstige Kosten
Gesetzesantrag des Landes Schleswig-Holstein
Entwurf eines Gesetzes zur Modifikation der Fristenregelung bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung
Der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein Kiel, den 9. September 2008
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust
Sehr geehrter Herr Präsident,
die schleswigholsteinische Landesregierung hat in ihrer Sitzung am 9. September 2008 beschlossen, dem Bundesrat den anliegenden
- Entwurf eines Gesetzes zur Modifikation der Fristenregelung bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung
zuzuleiten.
Ich bitte Sie, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Harry Carstensen
Entwurf eines Gesetzes zur Modifikation der Fristenregelung bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch ... wird wie folgt geändert:
§ 66a Absatz 2 wird wie folgt geändert:
- 1. Absatz 2 Satz 1 wird aufgehoben.
- 2. In Absatz 2 Satz 2 wird das Wort "Es" durch die Wörter "Das Gericht" ersetzt.
Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 07. April 1987 (BGBl. I S. 1074), zuletzt geändert durch ... wird wie folgt geändert:
§ 275a Absatz 1 wird wie folgt geändert:
- 1. Nach § 275a Absatz 1 Satz 1 werden die folgenden Sätze eingefügt:
- a) "Über die Anordnung der Sicherungsverwahrung entscheidet das Gericht im Falle der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt, ab dem eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, auch in Verbindung mit § 454b Abs. 3 StPO, möglich ist."
- b) "Kann das Gericht die in Satz 2 genannte Frist aus Gründen, die weder das Gericht noch die Vollstreckungsbehörde oder die Staatsanwaltschaft zu vertreten haben, nicht einhalten, verlängert sich die Frist einmalig um fünf Monate."
- c) "Das Gericht kann die in Satz 2 genannte Frist vor Fristablauf mit Einwilligung oder auf Antrag des Verurteilten um höchstens fünf Monate verlängern, wenn die tatsächlich verbüßte Strafhaft nicht ausreicht, um Erkenntnisse für die Beurteilung der Gefährlichkeit im Sinne des § 66 Absatz 1 Nr. 3 StGB des Verurteilten erlangen zu können; vor der Fristverlängerung ist die Staatsanwaltschaft anzuhören."
- 2. Die bisherigen Sätze 2, 3 und 4 werden die Sätze 5, 6 und 7.
Artikel 3
Inkrafttreten
- Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Begründung:
A. Allgemeiner Teil
I. Modifikation der Fristenregelung
Die Modifizierung der Fristenregelung bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ist erforderlich. Die bislang in § 66a Abs. 2 Satz 1 StGB bestehende Fristenregelung ist wegen ihrer starren Ausrichtung nicht geeignet, flexibel auf unvorhersehbare Ereignisse zu reagieren. Dies kann zu Konsequenzen führen, die der Allgemeinheit nicht vermittelbar und rechtsstaatlich bedenklich sind.
Nach der gegenwärtigen Rechtslage ist eine Verurteilte oder ein Verurteilter aus der Haft zu entlassen, wenn das Gericht ohne Verschulden der Justiz die in § 66a Absatz 2 Satz 1 StGB genannte Frist nicht einhalten konnte. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn das Gericht zwar den Gutachtenauftrag rechtzeitig erteilt hat, die oder der Sachverständige jedoch unmittelbar vor der Hauptverhandlung so schwer erkrankt, dass der Auftrag neu vergeben werden muss und die Einhaltung der Frist nicht mehr möglich ist. Die aus der fehlenden Möglichkeit der Anordnung der Sicherungsverwahrung resultierende Entlassung in die Freiheit kommt Verurteilten zugute, von denen eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht, die ohne Fristversäumnis die Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtfertigte. Dieser Zustand ist unbefriedigend und geeignet, sich negativ auf den Rechtsfrieden auszuwirken.
Eine flexiblere Ausgestaltung der Frist in Form einer einmaligen Fristverlängerung um fünf Monate ist daher geboten.
Darüber hinaus birgt die Frist des § 66a Abs. 2 Satz 1 StGB die Gefahr, dass die nach der Verurteilung verbleibende faktische Haftzeit bis zur Entscheidung über die vorbehaltene Sicherungsverwahrung so kurz ist, dass nachträgliche Erkenntnisse für die Gefährlichkeitsprognose nicht gewonnen werden können. Dies kann z.B. bei kurzen Strafen und relativ langer Dauer des Strafverfahrens bis zur Rechtskraft des Vorbehaltsausspruchs der Fall sein (Vgl. Fischer, StGB - Komm., 55. Aufl., § 66a, Rn. 9; BGH Urteil vom 14. Dezember 2006, Az.: 3 StR 269/06 in StV 2007, 129). Dieser Umstand kann der oder dem Verurteilten z.B. zum Nachteil gereichen, wenn die oder der Sachverständige im Verfahren, welches zum Vorbehalt der Sicherungsverwahrung führt, die oder den Verurteilten zwar für gefährlich hält, aber gleichzeitig Behandlungsmöglichkeiten aufzeigt, die die Gefahr für die Allgemeinheit soweit herabsenken können, dass die zunächst vorbehaltene Sicherungsverwahrung entbehrlich wird. Wenn die Haftzeit aus den genannten Gründen nicht ausreicht, um beurteilen zu können, ob die Therapiemaßnahmen eine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit entfallen lassen, müsste konsequenter Weise die Sicherungsverwahrung innerhalb der Frist angeordnet werden.
II. Gesetzgebungskompetenz
Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 des Grundgesetzes (Strafrecht).
III. Auswirkungen
Finanzielle Auswirkungen für den Bund sind nicht zu befürchten.
Die Länder trifft kein finanzieller Mehraufwand. Die Anordnung von Sicherungsverwahrungen, die nur infolge der Gesetzesänderung vorgenommen werden können, führt nicht zu Mehrkosten. Diesen Kosten sind die Kosten entgegenzuhalten, die durch eine engmaschige Kontrolle der oder des Verurteilten im Rahmen einer engmaschigen Führungsaufsicht anfielen. Im Übrigen kann die Neuregelung auch dazu führen, dass die vorbehaltene Sicherungsverwahrung gerade nicht angeordnet werden muss.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1
Zu Artikel 1 Ziffer 1:
Durch die Aufhebung von § 66a Absatz 2 Satz 1 StGB wird die Voraussetzung dafür geschaffen, die Regelung der Frist zur Anordnung der zunächst vorbehaltenen Sicherungsverwahrung in § 275a StPO als formell - rechtliche Vorschrift zu platzieren. Der Verbleib einer formellrechtlichen Regelung in § 66a Absatz 2 Satz 1 StGB wäre systemfremd. § 66a StGB enthält lediglich die materiell - rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung, während in § 275a StPO bereits die Verfahrensvorschriften zur nachträglichen Sicherungsverwahrung enthalten sind.
Zu Artikel 1 Ziffer 2:
Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.
Zu Artikel 2
Zu Artikel 2 Ziffer 1a:
Die Regelung der Frist bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung entspricht der vormals in § 66a Absatz 2 Satz 1 StGB genannten Regelung. Ihre Verortung in § 275a StPO unterstreicht ihren Charakter als formell - rechtliche Norm. Diese Klarstellung ist erforderlich, weil die Fristvorgabe kein Tatbestandsmerkmal der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung sein soll, wie dies bislang nach der überzeugenden Darlegung des BGH der Fall war (Vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2006, Az.: 3 StR 269/06 in: StV 2007, 129; bestätigt in BGH, Beschluss vom 11.09.2007, Az: 3 StR 323/07 in: NStZ 2007, 327). Ferner wird eine Harmonisierung mit der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung hergestellt. Eine diesbezügliche Fristvorgabe findet sich bereits in § 275a Absatz 1 StPO.
Die formelle Ausgestaltung der Vorschrift ist darüber hinaus erforderlich, weil die in § 275a Absatz Satz 4 StPO - E enthaltene Möglichkeit der Fristverlängerung mit Einwilligung der oder des Verurteilten bei einer materiell - rechtlichen Vorschrift nicht möglich wäre. Auf eine materiell - rechtliche Voraussetzung der Anordnung der zunächst vorbehaltenen Sicherungsverwahrung könnte die oder der Verurteilte keinen Einfluss nehmen (Vgl. BGH, Beschluss vom 11.09.2007, Az: 3 StR 323/07 in: NStZ 2007, 327).
Zu Artikel 2 Ziffer 1b:
Die Vorschrift macht deutlich, dass ein Regel - Ausnahmeverhältnis besteht. Grundsätzlich hat das Gericht die in § 275a Abs. 1 Satz 2 StPO - E angegebene Sechsmonatsfrist bei der Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung einzuhalten. Hierdurch bleibt für die Mehrzahl der Fälle gewährleistet, dass die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung zeitlich deutlich vor der Entscheidung über die Aussetzung der Strafe zur Bewährung getroffen wird. Die Gerichte bleiben verpflichtet, sich zeitnah um die Grundlagen für ihre Entscheidung, mithin die Einholung des Sachverständigengutachtens, den Vollzugsbericht etc zu kümmern.
§ 275a Absatz 1 Satz 3 StGB - E greift als Ausnahmereglung lediglich in den Fällen ein, in denen die Justiz kein Verschulden an der Nichteinhaltung der Frist trifft. Das Gericht wird etwa bei Erkrankung der oder des Sachverständigen unmittelbar vor der Hauptverhandlung genügend Zeit haben, eine oder einen weiteren Sachverständigen zu beauftragen.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese eng gefasste Ausnahmeregelung bestehen nicht. Zwar verbietet das Rechtsstaatsprinzip, die oder den von einem staatlichen Eingriff in die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes)
Betroffene oder Betroffenen über das Ausmaß des jeweiligen Eingriffs im Ungewissen zu lassen. Dies gilt jedoch nur, wenn und sobald nach der jeweiligen gesetzlichen Grundlage das zulässige Ausmaß des Eingriffs einer abschließenden Beurteilung zugänglich ist (Vgl. BVerfGE 86, 288 (327)). Die verfassungsrechtliche Vorgabe zwingt damit zu einer Entscheidung sobald eine abschließende Beurteilung über die Sicherungsverwahrung aufgrund der eingeholten Erkenntnisse möglich ist. Für die Möglichkeit auch nach Ablauf der regulären Sechsmonatsfrist bei einmaliger Verlängerung um fünf Monate weitere Erkenntnisse erlangen zu können, wäre mit § 275 Abs. 1 Satz 3 StPO - E nunmehr eine gesetzliche Grundlage geschaffen, wie vom BVerfG in oben genannter Entscheidung vorgegeben.
Auch hinsichtlich der vorgesehenen Fristverlängerung um fünf Monate sind verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben. Sie erklärt sich daraus, dass die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung vor der Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ergehen muss (vgl. § 66a Abs. 3 StGB). Auf diese Weise sollen einander widersprechende Entscheidungen vermieden werden. Es empfiehlt sich daher, die Frist nicht über den Zeitpunkt hinaus zu verlängern, ab dem eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung möglich ist. Zwar wird es sich in den Fällen, in denen von der Fristverlängerung nach § 275a Absatz 1 Satz 3 StPO - E Gebrauch gemacht wird, nicht vermeiden lassen, dass die Rechtskraft der Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung im Nachverfahren zeitlich nach dem Zeitpunkt, zu dem über die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung zu entscheiden ist, liegen kann.
Hieraus resultiert jedoch keine Verletzung des Art. 2 Absatz 2 des Grundgesetzes. § 275a Absatz 1 Satz 3 StPO - E wird den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit gerecht. Der Gesetzentwurf stellt insbesondere das mildeste Mittel dar, indem die Fristenregelung nur greift, wenn die Justiz an der Versäumung der ursprünglichen Fristvorgabe kein Verschulden trifft und indem die Fristverlängerung einmalig auf fünf Monate beschränkt ist. Eine weitere Fristverlängerung käme danach auch dann nicht in Betracht, wenn die Frist wiederum ohne Verschulden der Justiz nicht einzuhalten wäre. § 275a Absatz 1 Satz 3 StPO - E ist ferner verhältnismäßig im engeren Sinne. Das Interesse der oder des Verurteilten an ihrer oder seiner Freiheit muss hinter dem Interesse der Allgemeinheit am Schutz vor gefährlichen Straftätern zurückstehen. Hierbei ist insbesondere berücksichtigen, dass sich die Ausnahmeregelung nur dann belastend für die oder den Verurteilten auswirken kann, wenn die zunächst angeordnete Sicherungsverwahrung in letzter Instanz aufgehoben wird. Auf diese Weise wird die der oder dem Verurteilten gegebenenfalls zustehende Bewährung dieser oder diesem erst zu einem späteren Zeitpunkt zuteil. Wird hingegen letztinstanzlich entschieden, dass die Sicherungsverwahrung zu Recht angeordnet wurde, hat die oder der Verurteilte keinen Anspruch auf die Bewährung und eine Grundrechtsverletzung ist von vornherein ausgeschlossen.
Zu Artikel 2 Ziffer 1 c:
Die gegenwärtige Fassung des § 66a Abs. 2 Satz 1 StGB birgt die Gefahr, dass die nach der Verurteilung verbleibende faktische Haftzeit bis zur Entscheidung über die vorbehaltene Sicherungsverwahrung so kurz ist, dass nachträgliche Erkenntnisse für die Gefährlichkeitsprognose nicht gewonnen werden können. Dies kann z.B. bei kurzen Strafen und relativ langer Dauer des Strafverfahrens bis zur Rechtskraft des Vorbehaltsausspruchs der Fall sein (Vgl. Fischer, StGB - Komm., 55. Aufl., § 66a, Rn. 9; BGH Urteil vom 14. Dezember 2006, Az.: 3 StR 269/06 in: StV 2007, 129).
Dieser Umstand kann der oder dem Verurteilten z.B. in folgender Konstellation zum Nachteil gereichen: Das Gericht behält sich die Anordnung der Sicherungsverwahrung vor, weil bei der oder dem Angeklagten ein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten besteht und eine nahe liegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die oder der Angeklagte infolge ihres oder seines Hanges für die Allgemeinheit im Sinne des § 66 Absatz 1 Nr. 3 StGB gefährlich ist und dies auch zum Zeitpunkt einer möglichen Entlassung aus dem Strafvollzug sein wird. Das Gericht kann jedoch die Gefährlichkeit der oder des Angeklagten nicht mit einer für eine sofortige Anordnung der Sicherungsverwahrung erforderlichen hinreichenden Sicherheit feststellen, weil die oder der Sachverständige in dem Verfahren, welches zum Vorbehalt der Sicherungsverwahrung führte, konkrete Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt hat, die vielversprechend geeignet sind, die gegenwärtig sehr wahrscheinliche Gefährlichkeit für die Allgemeinheit soweit herabzusenken, dass eine Sicherungsverwahrung entbehrlich würde. Reicht die tatsächliche Haftzeit aus den genannten Gründen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Therapiemaßnahmen eine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit entfallen lassen, müsste konsequenter Weise die Sicherungsverwahrung innerhalb der Frist angeordnet werden.
Dies wird dem Interesse der oder des Veruteilten an der Wiedererlangung seiner Freiheit nicht gerecht. Die Dauer des Beurteilungszeitraums bis zur Entscheidung über die Sicherungsverwahrung hängt nach der gegenwärtigen Rechtslage von Unwägbarkeiten ab. Sie wird von der Dauer des Verfahrens und von der ausgeurteilten Strafe beeinflusst, wobei die Verfahrensdauer wiederum von Unwägbarkeiten wie Verteidigungsverhalten, Umfang der Beweisaufnahme, Verhandlungsunfähigkeit etc. abhängt.
Damit die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung nicht von Unwägbarkeiten abhängt, soll die oder der Verurteilte die Möglichkeit einer Fristverlängerung um höchstens fünf Monate erhalten, damit z.B. das Ergebnis einer längeren therapeutischen Behandlung in die Erwägungen des Gerichts einfließen kann.
Dies entspricht ferner der Intention der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung. Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung soll dem Gericht die Möglichkeit eröffnen, die endgültige Anordnung der Sicherungsverwahrung von einer Beurteilung abhängig zu machen, der das Verhalten der oder des Verurteilten über einen längeren Zeitraum zugrunde liegt.
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen schon deshalb nicht, weil der Antrag oder die Einwilligung der oder des Verurteilten für die Fristverlängerung erforderlich ist.
Zu Artikel 2 Ziffer 2:
Es handelt sich um redaktionelle Folgeänderungen.
Zu Artikel 3
Artikel 3 regelt das Inkrafttreten.