Bundesministerium für Arbeit und Soziales Berlin, 5. Oktober 2017
Parlamentarische Staatssekretärin
Vom ... Oktober 2017
Die fünf in der Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch enthaltenen Themenbereiche beziehen sich auf das in Artikel 1 des Gesetzes enthaltene Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz - RBEG), das zum 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist, und dessen Änderung zum 1. Januar 2020 in Artikel 2 (Änderung des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zum 1. Januar 2020) des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch enthalten ist. Weiterhin angesprochen werden mit der Höhe der Regelbedarfe in Zusammenhang stehende Änderungen in SGB XII und SGB II und beziehen sich folglich auf die Artikel 3 bis 6 des oben genannten Gesetzes.
Nach der Nummerierung in der Entschließung des Bundesrates ergibt sich folgende Stellungnahme:
- 1. Eigenbeteiligung gemeinschaftliche Mittagsverpflegung in der Schule
In der Entschließung wird der Verzicht auf die Eigenbeteiligung in Höhe von einem Euro pro Mittagessen im Rahmen der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung für nach dem SGB II, SGB XII, AsylbLG und Bundeskindergeldgesetz leitungsberechtigte Schülerinnen und Schüler gefordert. Begründet wird dies mit dem für die Einziehung der Eigenbeteiligung verbundenen Verwaltungsaufwands auf Seiten der Länder.
Stellungnahme:
Dieser Vorschlag war auch im Beschluss des Bundesrates zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (BR-Drs. 541/16(B) ) unter Ziffer 2 (zu Artikel 1 § 9 Absatz 1 RBEG) enthalten gewesen. Die Bundesregierung hatte in ihrer Gegenäußerung (BT-Drs. 18/10349) zu Ziffer 2 (Artikel 1 § 9 Absatz 1 RBEG) darauf hingewiesen, dass die Eigenbeteiligung an der gemeinsamen Mittagsverpflegung aus systematischen Gründen und aus Gründen der Gleichbehandlung mit Kindern, die mittags zuhause ihr Mittagessen einnehmen, unverzichtbar ist. Ferner hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, dass die vom Bundesrat angestrebte Verwaltungsvereinfachung auch durch das Nutzen untergesetzlicher Handlungsspielräume erreicht werden kann.
An dieser Einschätzung hält die Bundesregierung fest.
- 2. Regelbedarfsstufe 2 in der neuen Wohnform
Für Leistungsberechtigte der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII soll es im Vergleich zur heutigen Unterbringung in stationären Einrichtungen durch die Einführung der sogenannten neuen Wohnform ab dem Jahr 2020 zu keinen Verschlechterungen kommen. Vergleichsmaßstab ist dabei der in stationären Einrichtungen geltende Barbetrag sowie die Bekleidungspauschale einerseits und die für Leistungsberechtigte in der neuen Wohnform ab 2020 geltende Regelbedarfsstufe 2 andererseits.
Stellungnahme:
Die in der Entschließung enthaltene Befürchtung äußerte der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf (BR-Drs. 541/16-Beschluss) unter Ziffer 17. Die Bundesregierung hatte in ihrer Gegenäußerung (BT-Drs. 18/10349) auf den Gesamtzusammenhang zwischen der Anwendung der Regelbedarfsstufe 2 und der Trennung von Lebensunterhalt und Fachleistung der Eingliederungshilfe hingewiesen. Dabei greifen die zum 1. Januar 2020 in Kraft tretenden Änderungen im Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und die ebenfalls ab dem Jahr 2020 geltenden Neuregelungen der Eingliederungshilfe im Bundesteilhabegesetz (BTHG) ineinander. Für den Lebensunterhalt ist dabei vor allem von Bedeutung, dass es in der Eingliederungshilfe ab dem Jahr 2020 keine stationäre Einrichtung mehr geben wird. Diese wird für Menschen mit Behinderungen, die zugleich Leistungsberechtigte nach dem Vierten Kapitel des SGB XII erhalten, durch die neue Wohnform abgelöst. Damit verbunden ist eine Gleichstellung der in dieser Wohnform lebenden Menschen mit Behinderung hinsichtlich ihres Lebensunterhalts mit allen anderen Leistungsberechtigten in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Daraus wiederum folgt, dass die sich nach dem Vierten Kapitel des SGB XII im Einzelfall ergebenden Bedarfe nach dem Vierten Kapitel des SGB XII festzustellen sind und zu einem an die Leistungsberechtigten zu zahlenden Leistungsanspruch führen. Hierin liegt der zentrale Unterschied zu dem in stationären Einrichtungen geltenden Leistungsrecht, wonach sich ein zu zahlender Leistungsanspruch auf Barbetrag und Bekleidungspauschale begrenzt. Wobei der Barbetrag keinen ausschließlich "zur freien Verfügung" stehenden Geldbetrag darstellt, denn daraus müssen alle von einer stationären Einrichtung nicht gedeckten Bedarfe finanziert werden.
Die in der Entschließung enthaltene Befürchtung einer Schlechterstellung wurde im Gesetzgebungsverfahren zum BTHG ausführlich diskutiert. Dabei ging es darum, ob den Betroffenen entsprechend der Barbetragsregelung auch künftig ein fester Anteil des Regelsatzes "zur freien Verfügung" steht oder ob Leistungserbringer den gesamten Regelsatz für sich beanspruchen können. Folge dieser Diskussionen war die Einführung eines gesetzlichen Sicherungsmechanismus durch das BTHG im SGB IX. Danach muss über den Anteil des Regelsatzes, der den Leistungsberechtigten auf ihrem Bankkonto nach Begleichung fixer Kosten verbleibt und über den sie deshalb verfügen können, in der Gesamtplankonferenz nach § 119 Absatz 2 SGB IX beraten werden, und er muss Teil des Inhaltes des Gesamtplanes nach § 121 Absatz 3 Nummer 6 SGB IX sein. Ergänzend soll während der dem Inkrafttreten der Vorschriften vorgeschalteten modellhaften Erprobung der Neuregelungen durch das BTHG auch die Höhe des genannten Anteils am Regelsatz betrachtet werden. Konkret soll untersucht werden, wie dieser Sicherungsmechanismus wirkt und ob für Leistungsberechtigte klar ersichtlich ist, welcher Anteil am Regelsatz bzw. welcher Eurobetrag ihnen nach Abzug fixer Kosten verbleibt.
Darüber hinaus werden die Praxiserfahrungen nach Inkrafttreten des neuen Rechts nach Auffassung der Bundesregierung abzuwarten sein.
- 3. Einmalige Bedarfe für Sehhilfen
Für Sehhilfen (insbesondere Brillen) soll nach der Entschließung ein zusätzlicher einmaliger Bedarf in SGB II und SGB XII eingeführt werden. Begründet wird dies damit, dass die durchschnittlichen Verbrauchsausgaben aus den Sonderauswertungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 (EVS 2013) in der Abteilung 6 (Gesundheitspflege) für therapeutische Mittel und Geräte, die auch Brillen mit umfassen, die entsprechenden Anschaffungskosten nicht abdecken könnten.
Stellungnahme:
Auch dieses Anliegen des Bundesrats war schon im Beschluss des Bundesrates zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (BR-Drs. 541/16(B) ) unter Ziffer 4 (zu Artikel 3 Nummer 3
Sonderauswertungen der Einkommens- und Verbrauchstichprobe 2013. Darüber hinaus wird auf den Grundsatz der Regelbedarfsermittlung nach dem Statistikmodell hingewiesen: Die Höhe einzelner berücksichtigter durchschnittlicher Verbrauchsausgaben lässt keine Rückschlüsse auf die Bedarfsdeckung im konkreten Einzelfall zu. Dies gilt insbesondere für selten, weil nur in längeren Zeitabständen anfallende Anschaffungen, wozu im Normalfall auch eine Brille zählt. Ergänzend wird auf die Stellungnahme zu Punkt 4 verwiesen.
An dieser Einschätzung hält die Bundesregierung fest.
- 4. Einmalige Bedarfe für weiße Ware
Auch für die Anschaffung von Herd, Kühlschrank und Waschmaschine (sogenannte weiße Ware) soll nach der Entschließung eine zusätzliche Leistung in SGB II und SGB XII eingeführt werden, weil die entsprechenden Bedarfe bislang nur nach langem Ansparen finanziert werden könnten.
Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf (BR-Drs. 541/16(B) ) in Ziffer 18 Buchstabe d darum gebeten, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren geprüft wird, ob für die sogenannte weiße Ware gesonderte und damit zusätzliche einmalige Bedarfe eingeführt werden können. Die Bundesregierung lehnte diese Prüfbitte in ihrer Gegenäußerung (BT-Drs. 18/10349) mit folgender Begründung ab:
Die Einführung weiterer einmaliger Bedarfe ist nicht vereinbar mit dem pauschalierten Regelsatzsystem. Die Einführung solcher zusätzlicher einmaliger Bedarfe führte zwangsläufig zurück zu dem im Bundessozialhilfegesetz enthaltenen Regelsatzsystem, das geprägt war von Anträgen der Leistungsbezieher und damit der Entscheidung der Sozialämter, ob nicht nur Haushaltsgeräte, sondern auch ein Wintermantel oder andere größere Anschaffungen ermöglicht werden und wieviel Geld hierfür jeweils zur Verfügung gestellt wird. Zudem würde die Einführung von einmaligen Bedarfe über die bereits heute bestehenden drei Sachverhalte hinaus dazu führen, dass die darauf entfallenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben für die Höhe der Regelbedarfe nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Eine entsprechende Verminderung der Höhe der Regelbedarfe und damit des verfügbaren monatlichen Budgets wäre deshalb die unausweichliche Folge.
Weil das Ansparen der für größere Anschaffungen erforderlichen Beträge nicht durchgängig in der erforderlichen Höhe möglich ist, sehen SGB II und SGB XII die Möglichkeit vor, ein zinsloses Darlehen zu gewähren. Im Ergebnis entspricht die bestehende Ausgestaltung von Regelbedarfen und Darlehen damit der Lebensrealität einkommensschwacher, aber nicht hilfebedürftiger Haushalte.
An dieser Beurteilung hat sich aus Sicht der Bundesregierung zwischenzeitlich keine Änderung ergeben.
- 5. Erhöhung des Schulbedarfspakets
In der Entschließung wird eine Erhöhung des sogenannten Schulbedarfspakets von 100 Euro pro Schuljahr für erforderlich gehalten. Begründet wird dies damit, dass dieser Betrag seit Einführung im Jahr 2009 nicht erhöht wurde und dieser damals lediglich auf der Grundlage von Erfahrungswerten festgesetzt und seither nicht überprüft worden sei. Externe Überprüfungen hätten eine Unterdeckung ergeben.
Stellungnahme:
In seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf (BR-Drs. 541/16(B) ) hat der Bundesrat in Ziffer 6 (Artikel 3 Nummer 5 Buchstabe a - neu -, Artikel 6 Nummer 3 Buchstabe a - neu -) eine Erhöhung des sogenannten Schulbedarfspakets um 50 Euro unter Beibehaltung der Auszahlungstermine zu Beginn des Schuljahres (100 Euro) und des Schulhalbjahres (50 Euro) vorgeschlagen. Die Bundesregierung hatte dies in ihrer Gegenäußerung (BT-Drs. 18/10349) mit folgender Begründung abgelehnt:
Das Schulbedarfspaket liegt mit 100 Euro je Schuljahr weiterhin über den im Fall einer ausschließlichen Berücksichtigung der auf die entsprechenden Verwendungszwecke entfallenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben aus den Sonderauswertungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 für Familienhaushalte mit einem Kind, aus denen sich die für Kinder und Jugendliche geltenden Regelbedarfsstufen 4 und 5 ergeben.
Die Bundesregierung hält an dieser Bewertung unverändert fest.