952. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2016
Der federführende Gesundheitsausschuss (G) und der Ausschuss für Kulturfragen (K) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 77 Absatz 3 Satz 2 SGB V)
In Artikel 1 Nummer 1 sind in § 77 Absatz 3 Satz 2 die Wörter "zehn Stunden pro Woche" durch die Wörter "im Umfang von 20 Wochenstunden" zu ersetzen.
Begründung:
Durch die vorgesehene Änderung von § 77 Absatz 3 Satz 2 SGB V würden alle Angestellten mit einem zeitlichen Beschäftigungsumfang von zehn Wochenstunden Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen).
Diese Mitgliedschaft ist nicht gerechtfertigt.
Zu Recht ging die Begründung zum Vertragsarztrechtsänderungsgesetz zu § 77 Absatz 3 SGB V davon aus, dass nur ein zeitlicher Mindestumfang in Höhe einer Halbtagstätigkeit die Inanspruchnahme mitgliedschaftlicher Selbstverwaltungsrechte in den KVen rechtfertigt.
Wenn eine bundeseinheitliche Regelung angestrebt wird, sollte die Änderung von § 77 Absatz 3 Satz 2 SGB V daher derart erfolgen, dass der unbestimmte Begriff "halbtags" durch die dem Gesetzesansinnen entsprechende Wochenstundenzahl "20" ersetzt wird.
Die Selbstverwaltung lebt davon, dass die Rechte, die aus der Mitgliedschaft erwachsen, aktiv wahrgenommen werden. Mitglieder, die nur zehn Wochenstunden ambulant tätig sind, haben (auch durch ihre übrige Tätigkeit) kein Interesse, eine Mitgliedschaft aktiv mitzugestalten. Sie werden von Arbeitgebern angestellt, um bestimmte arbeitsvertragliche Pflichten an wenigen Stunden in der Woche zu erfüllen. Damit erschöpft sich der Bezug dieser Angestellten zur ambulanten Versorgung. Ab einer halbtäglichen Tätigkeit wird diese jedoch so bestimmend, dass ein berechtigtes Interesse an der Mitgestaltung des Rahmens, in dem die Arbeitsleistung erbracht wird, besteht.
Eine Gleichbehandlung mit ermächtigten Ärzten muss nicht erfolgen. Ermächtigte Ärzte stellen aus eigenem Antrieb beim Zulassungsausschuss einen Antrag, der die Befriedigung eines Bedarfs in der vertragsärztlichen Versorgung umfasst. Nur wenn ein solcher Bedarf überhaupt besteht, erfolgt eine Ermächtigung. Hier steht somit nicht die rein ambulante Tätigkeit, sondern die Mitarbeit an der vertragsärztlichen Versorgung im Vordergrund. Der mit einem niedergelassenen Vertragsarzt vergleichbare Tätigkeitszweck des ermächtigten Arztes, den Versorgungsbedarf sicherzustellen, ist somit an keine zeitliche Mindestschwelle gebunden. Die Rechte aus der Mitwirkung an der Versorgung bedürfen ebenfalls keiner solchen Einschränkung.
Auch sind Klagen geringfügig beschäftigter angestellter Ärzte darüber, dass ihnen eine KV-Mitgliedschaft verwehrt bleibt, nicht bekannt.
2. Zu Artikel 1 Nummer 10
In Artikel 1 ist nach Nummer 10 folgende Nummer 10a einzufügen:
'10a. In § 117 Absatz 1 werden Satz 2 bis 9 durch folgende Sätze ersetzt:
"Satz 1 Nummer 2 umfasst dabei folgende Patientengruppen:
- 1. Patienten mit seltener Erkrankung gemäß dem Verzeichnis der seltenen Krankheiten und Synonyme der Orphanet Report Series in der jeweils aktuellen Fassung,
- 2. Patienten mit unklarer Diagnose auf Überweisung eines Facharztes,
- 3. Patienten mit Erkrankungen nach § 116b Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 5 Satz 1 auf Überweisung eines Facharztes,
- 4. Patienten mit fachgebietsgleicher Überweisung oder einer Überweisung durch einen Arzt mit gleicher Zusatzweiterbildung sowie
- 5. Patienten, die auf formlose Überweisung eines Zahnarztes der Behandlung in einer zahnärztlichen Hochschulambulanz oder Hochschulambulanz für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie bedürfen.
Eine Überweisung nach Satz 2 Nummer 4 liegt vor, wenn die behandelnde Hochschulambulanz regelhaft über fachärztliche Kompetenz im gleichen Fachgebiet oder gleicher Zusatzweiterbildung wie der überweisende Arzt verfügt. Für die Fortsetzung der Behandlung innerhalb eines Jahres nach Behandlungsbeginn ist für die Patientengruppen nach Satz 2 Nummer 2 bis 5 keine weitere Überweisung erforderlich. Untersuchungs- und Behandlungsmethoden können Gegenstand des Leistungsumfangs bei der ambulanten Versorgung durch Hochschulambulanzen sein, soweit der Gemeinsame Bundesausschuss im Rahmen der Beschlüsse nach § 137c für die Krankenhausbehandlung keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. " '
Begründung:
Mit der vorgeschlagenen Änderung soll der Versorgungsumfang nach § 117 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V zukünftig gesetzlich wie folgt festgelegt werden:
Nach § 117 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 SGB V soll der Versorgungsumfang Patienten mit seltenen Erkrankungen umfassen. In der amtlichen Begründung zum GKV-VSG wurde diese Patientengruppe bereits genannt. Seltene Erkrankungen bilden eine sehr heterogene und äußerst große Gruppe von Erkrankungen. Derzeit ist davon auszugehen, dass circa 7 000 bis 8 000 seltene Erkrankungen mit zumeist komplexen Krankheitsbildern bestehen. Aufgrund ihres seltenen Auftretens und der damit einhergehenden geringen Wahrscheinlichkeit, solche Patienten häufiger behandeln zu können, konzentriert sich deren Versorgung häufig auf spezialisierte Einrichtungen, insbesondere Hochschulambulanzen. Zur eindeutigen Identifizierung von seltenen Erkrankungen und zur Vermeidung von Interpretationsspielräumen wird auf die frei verfügbare und anerkannte Auflistung/Datenbank seltener Erkrankungen (OrphaNet (www.orpha.net)) verwiesen. Es handelt sich hierbei um ein von der Europäischen Kommission gefördertes Referenz-Portal für seltene Erkrankungen, welches die Erkrankungen im Einzelnen aufführt. Dieses umfassende Verzeichnis der seltenen Erkrankungen wird zweimal im Jahr veröffentlicht und basiert auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Da ein Behandlungsbedarf durch die Hochschulambulanz aus den oben genannten Gründen für die so definierten Erkrankungen gegeben ist, bedarf es in diesen Fällen keiner fachärztlichen Überweisung.
Nach § 117 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 SGB V sollen auch Patienten mit unklaren Diagnosen zu der Gruppe von Patienten gehören, für die die Hochschulambulanzen einen besonderen Versorgungsauftrag haben. Als Patienten mit unklarer Diagnose sollen solche Patienten gelten, bei denen zuvor in der vertragsärztlichen Versorgung die Diagnose nicht oder nicht hinreichend sichergestellt werden konnte. Nicht selten bieten solche Patienten bereits lange, teils leidvolle Krankheitsverläufe mit zahlreichen Arztkontakten und mehrfachen Überweisungen zwischen Fachärzten unterschiedlicher Fachgebiete, ohne eine korrekte Diagnosestellung und Behandlung zu erfahren. In anderen Fällen kann beispielsweise der Verdacht auf eine bestimmte Erkrankung bereits bestehen. Um diese Erkrankung zu verifizieren, bedarf es jedoch noch einer speziellen Bestätigungsdiagnostik, die vorwiegend von Hochschulkliniken angeboten wird. Der behandelnde Vertragsarzt stellt mit seiner Überweisung den Zeitpunkt fest, ab dem er eine angemessene Versorgung solcher Patienten nicht mehr gewährleisten kann und der Bedarf besteht, ergänzende Kompetenz einer Hochschulklinik hinzuzuziehen. Patienten mit unklarer Diagnose profitieren unter anderem von der Vielzahl verfügbarer Fachgebiete, der Vorhaltung innovativer Diagnostik und Technologien sowie der besonderen Expertise des Spezialisten zur Differentialdiagnostik komplexer Krankheitsbilder. Dies fördert nicht nur eine schnellere Diagnosestellung, sondern gleichermaßen die zeitnahe Einleitung notwendiger Therapien mit der Konsequenz, die Beschwerden der Patienten deutlich zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung, sofern möglich, aufzuhalten oder zu mindern.
Mit § 117 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 SGB V sollen solche Patienten erfasst werden, die entweder Erkrankungen aufweisen, die bereits in § 116b Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 und 2 SGB V aufgeführt sind oder die ergänzend durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in diesem Kontext beschlossen wurden. Es handelt sich demnach um Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen sowie wenige seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen. Hochschulambulanzen sind an der ambulanten Versorgung dieser Patienten maßgeblich auch außerhalb der Regelungen nach § 116b SGB V beteiligt.
Nach § 117 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 SGB V soll ein Patient auf Grund von Art, Schwere oder Komplexität seiner Erkrankung der Versorgung in einer Hochschulambulanz bedürfen, sofern eine fachgebietsgleiche Überweisung oder eine Überweisung durch einen Arzt mit gleicher Zusatzweiterbildung vorliegt. Ähnlich wie § 117 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 SGB V ist in der Regel davon auszugehen, dass Fachärzte Patienten gezielt in die fachgebietsgleiche Hochschulambulanz überweisen, wenn die diagnostischen oder therapeutischen Möglichkeiten in der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschöpft sind und daher eine Fortführung der Versorgung in der Hochschulambulanz mit ihrer besonderen Kompetenz geboten ist. Satz 3 stellt hierfür ergänzend klar, dass eine Überweisung nach Satz 2 Nummer 4 dann vorliegt, wenn die behandelnde Hochschulambulanz regelhaft über fachärztliche Kompetenz im gleichen Fachgebiet oder gleicher Zusatzweiterbildung wie der überweisende Arzt verfügt.
§ 117 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 SGB V ist die analoge Regelung zu Nummer 4 und soll die besondere Situation im zahnärztlichen Bereich berücksichtigen, wo sowohl eine Weiterversorgung in der Zahnmedizin auch in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie in Frage kommt. Sie ist komplementär zu den Vorgaben für Überweisungen im kassenzahnärztlichen Bereich entsprechend der Bundesmantelverträge, die auf eine Erforderlichkeit der Überweisung abstellen.
Es ist davon auszugehen, dass die in § 117 Absatz 1 Satz 2 SGB V genannten Patientengruppen oftmals über einen längeren Zeitraum einer Versorgung in der Hochschulambulanz bedürfen. Daher soll in Satz 4 hinsichtlich der Patientengruppen nach Satz 2 Nummer 2 bis 5 klargestellt werden, dass diese nicht jedes Quartal eine neue Überweisung ihres Arztes vorzulegen haben, sondern dass die Überweisung für ein Jahr die Behandlung durch die Hochschulambulanz ermöglicht. Wird die Behandlung nach dem einen Jahr fortgesetzt, ist erneut eine Überweisung vorzulegen. Auch diese ermöglicht abermals die Behandlung durch die Hochschulambulanz für ein Jahr. Hierdurch wird eine praktikable Umsetzung des Überweisungsgebots für alle Beteiligten ermöglicht.
§ 117 Absatz 1 Satz 5 SGB V soll - ähnlich wie bei den Vorgaben zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach § 116b Absatz 1 Satz 3 SGB V - klarstellen, dass in der Hochschulambulanz alle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Gegenstand des Leistungsumfangs sein können, soweit der G-BA im Rahmen der Beschlüsse nach § 137c SGB V für die Krankenhausbehandlung keine ablehnende Entscheidung getroffen hat.
Auf Grund der vorgeschlagenen Neuformulierung von § 117 Absatz 1 Satz 2 ff. SGB V entfällt der bisher in § 117 Absatz 1 Satz 2 bis 9 SGB V vorgesehene Auftrag an die Selbstverwaltung zur Konkretisierung der Patientengruppen, die wegen Art, Schwere oder Komplexität ihrer Erkrankung einer Untersuchung oder Behandlung durch die Hochschulambulanz bedürfen.
3. Zu Artikel 1 Nummer 10a *) - neu - (§ 120 Absatz 2 Satz 2 und Satz 4 und Absatz 3 Satz 2 und Satz 4 SGB V)
In Artikel 1 ist nach Nummer 10 folgende Nummer 10a einzufügen:
'10a. § 120 wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 2 wird wie folgt geändert:
- b) Absatz 3 wird wie folgt geändert:
*) Bei gemeinsamer Annahme mit Ziffer 2 wird die Nummerierung redaktionell angepasst.
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Es handelt sich um eine Klarstellung, dass die einzelnen Hochschulambulanz-Vereinbarungen bundesweit Geltung haben, also innerhalb einer Kassenart auch für Regionalkassen aus anderen Ländern gelten, wenn deren Patienten in den entsprechenden Universitätsklinika behandelt werden. Derzeit sind Sozialgerichtsverfahren anhängig, weil einzelne Regionalkassen in Frage stellen, dass die Hochschulambulanz-Vereinbarungen über das jeweilige Land hinaus für Kassen der gleichen Kassenart gelten. In den erstinstanzlichen Urteilen ist die Rechtsprechung der Argumentation der Kassen gefolgt. Würde sich die Auffassung der Kassen auch letztinstanzlich durchsetzen, dann hätte dies erhebliche Rechtsunsicherheit für die Universitätsklinika zur Folge. Deshalb ist diese Klarstellung notwendig.
Bereits die amtliche Begründung zum GKV-VSG stellt klar, dass der Anpassung der Vergütung der Leistungen der Hochschulambulanzen der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nicht entgegensteht. Damit die gesetzgeberische Absicht zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aus dem GKV-VSG nochmals bestärkt wird, soll diese Klarstellung nunmehr in § 120 Absatz 2 SGB V übernommen werden. Insbesondere mit Umsetzung der neuen Rahmenbedingungen nach §§ 117 und 120 SGB V muss eine Anhebung der Vergütung oberhalb der Veränderungsrate möglich sein. Ähnliche Vorgaben zur begründeten Abweichung von der Beitragssatzstabilität sind bereits in anderen Regelungen des SGB V enthalten, zum Beispiel bei der Heilmittelversorgung in § 125 Absatz 3 SGB V.
Zu Buchstabe b:
Die systematische Einordnung der Hochschulambulanzen und der sonstigen Ambulanzen mit institutionellem Charakter im SGB V macht deutlich, dass es sich bei der ambulanten ärztlichen Behandlung von Versicherten nicht um originäre vertragsärztliche Versorgung, sondern um einen Sondertatbestand handelt. Dies bedeutet auch, dass die vertragsärztlichen Vorgaben nicht vollumfänglich übertragen werden können. Daher gilt gemäß § 120 Absatz 3 Satz 2 SGB V der § 295 Absatz 1b Satz 1 SGB V auch nur entsprechend. Ein Grund ist der institutionelle Charakter der in § 120 Absatz 3 Satz 1 SGB V genannten Ambulanzen. Leistungserbringer im Sinne des Gesetzes ist nicht der einzelne Arzt, sondern die Institution. Die lebenslange Arztnummer ist explizit ein an die arztbezogene Abrechnungs- und Verordnungsprüfung beim einzelnen, persönlich im Rahmen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen bzw. genehmigten Arzt gebundenes Instrumentarium (siehe auch BSG vom 16. Juli 2008, Az B 6 KA 36/07 R). Die Anwendung der Arztnummer nach § 293 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 SGB V (lebenslange Arztnummer) ist daher auszuschließen, zumal auch datenschutzrechtliche Bedenken bestehen, da es für die Erhebung von Sozialdaten der in den genannten Institutionen tätigen Ärzte zwecks Nutzung für die Arztnummer einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage oder der vorherigen Einwilligung des Arztes bedarf.
Die durch das GKV-VSG vorgegebene Frist für die zweiseitige Selbstverwaltungsvereinbarung zu den Hochschulambulanzen ist mittlerweile verstrichen. Daher kann sie entfallen. Auf Grund der hier vorgeschlagenen Neuregelungen ist eine Anpassung der bestehenden Vereinbarung gegebenenfalls notwendig.
4. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Gesetzentwurf geht nicht auf die notwendigen Veränderungen für die Hochschulambulanzen ein. Nach wie vor erhalten die Hochschulambulanzen keine kostendeckende Finanzierung, obwohl ihnen in den Eckpunkten zu der Krankenhausreform zusätzliche 265 Millionen Euro pro Jahr in Aussicht gestellt wurden und mit dem GKV-VSG die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ermächtigung und die Finanzierung der Hochschulambulanzen angepasst wurden. Die gesetzlichen Umsetzungsfristen wurden jedoch von der Selbstverwaltung deutlich überschritten und die Verhandlungen in der Selbstverwaltung scheiterten. Aktuell wurden im Schiedsverfahren zu § 117 SGB V mit der Mehrheit von GKV und KBV eher nachteilige Regelungen für die Hochschulambulanzen festgesetzt. Die gesetzgeberisch intendierten Verbesserungen für die Hochschulambulanzen sind nicht absehbar. Es ist daher dringend notwendig, gesetzliche Nachbesserungen herbeizuführen, um die ursprünglichen Reformziele noch zu erreichen.
Seit vielen Jahren findet in Deutschland eine Verlagerung von Krankenversorgungsleistungen aus dem stationären in die ambulanten Bereiche statt. Immer mehr Patientinnen und Patienten werden ambulant behandelt. Häufige in der ärztlichen Praxis vorkommende Volkskrankheiten wie zum Beispiel Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), chronische Atemwegserkrankungen, chronische Magen-Darmerkrankungen und Krankheiten des Bewegungsapparates werden verstärkt ambulant behandelt. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und Patientinnen und Patienten nehmen Hochschulambulanzen stark in Anspruch. Dadurch steigen die Patientenzahlen in den Hochschulambulanzen der Universitätskliniken. Die ambulante Universitätsmedizin erhält eine zunehmende Bedeutung in Deutschland. Die Hochschulambulanzen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Sicherstellung der örtlichen und überregionalen qualitativ hochwertigen ambulanten Versorgung der Bevölkerung. Dies gilt insbesondere für seltene und komplexe Erkrankungen. Der Wissenschaftsrat hatte sich daher bereits im Jahr 2010 in seinen Empfehlungen zur Weiterentwicklung der ambulanten Universitätsmedizin in Deutschland für die Anerkennung der Versorgungsleistungen der Hochschulambulanzen sowie die Sicherstellung der leistungsgerechten Finanzierung der Hochschulambulanzen ausgesprochen (WR, Drucksachen 10052-10, 2. Juli 2010).
Die Hochschulambulanzen erhalten jedoch nach wie vor keine kostendeckende Finanzierung. Die Erweiterung des Versorgungsauftrages in § 117 SGB V um "Personen, die wegen der Art, Schwere oder Komplexität ihrer Erkrankung einer Untersuchung oder Behandlung durch die Hochschulambulanzen bedürfen", war eine Anerkennung der bedeutsamen Rolle der Hochschulambulanzen in der ambulanten Versorgung. Im Sinne einer differenzierten Versorgung werden sie in der Regel erst dann in die Behandlung eingebunden, wenn die vertragsärztliche Versorgung keine ausreichende Behandlung mehr sicherstellen kann oder wenn es einen besonderen, oftmals dauerhaften ambulanten Versorgungsbedarf in Vorbereitung oder in Folge eines stationär durchgeführten Eingriffes gibt (zum Beispiel nach Stammzelltransplantationen bei Kindern und Erwachsenen oder Implantation eines Kunstherzes). Jedoch ist seit Inkrafttreten des GKV-VSG am 23. Juli 2015 über ein Jahr vergangen, ohne dass finanzielle Verbesserungen für die Hochschulambulanzen eingetreten sind. Der Gesetzgeber hatte die nähere Ausgestaltung an die Selbstverwaltung delegiert. Bis Ende Januar 2016 hätten durch die Selbstverwaltung der Zugang der relevanten Patientengruppen zu den Hochschulambulanzen konkretisiert (§ 117 SGB V) und bundeseinheitliche Grundsätze zur Vergütungsstruktur und zur Leistungsdokumentation vereinbart sein sollen (§ 120 SGB V). Die in §§ 117 und 120 SGB V vom Gesetzgeber vorgegebenen Umsetzungsfristen wurden jedoch deutlich überschritten und die Verhandlungen in der Selbstverwaltung sind gescheitert. Die nicht auskömmliche Finanzierung der Leistungen der Hochschulambulanzen erhöht den wirtschaftlichen Druck auf die Universitätskliniken und verschlechtert deutlich die Bedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Patientinnen und Patienten der Hochschulambulanzen.