Der Bundesrat hat in seiner 965. Sitzung am 2. März 2018 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zu BR-Drucksachen 756/17 (PDF) und 757/17 (PDF)
1. Mit dem vorliegenden Beschlussvorschlag und der Mitteilung legt die Kommission im Anschluss an ihren Legislativvorschlag aus dem Jahr 2011 - der zur Neufassung des EU-Gemeinschaftsverfahrens ab dem 1. Januar 2014 führte - erneut eine ambitionierte und inhaltlich äußerst weitreichende Initiative auf dem Feld des Katastrophenschutzes vor. Der Bundesrat hat die Entwicklungen in den vergangenen Jahren kontinuierlich begleitet und sich wiederholt, zuletzt am 2. März 2012 (BR-Drucksache 024/12(B) ), zu grundsätzlichen und in zentralen Punkten des damaligen Vorhabens kritischen Anmerkungen veranlasst gesehen, ohne die notwendige gegenseitige Solidarität der Mitgliedstaaten bei Katastrophen in Frage zu stellen.
2. Hintergrund und Motiv für die aktuellen Vorschläge der Kommission ist erkennbar die Häufung verheerender Katastrophen im Jahr 2017, die zu schweren Verlusten von Menschenleben, gravierenden Umweltschäden und hohen wirtschaftlichen Kosten geführt haben. Besonders ins Blickfeld der Kommission sind in diesem Zusammenhang die Waldbrände in Portugal geraten. Nach Auffassung der Kommission haben die zahlreichen Katastrophen des vergangenen Jahres deutlich gemacht, dass nunmehr die Grenzen der derzeitigen Struktur und Funktionsweise des Katastrophenschutzverfahrens der Union erreicht sind. Denn allzu oft habe dieses Verfahren nicht die erwarteten Ergebnisse erbracht: So sei nicht häufig genug auf entsprechenden Antrag auch tatsächlich Unterstützung geleistet worden. Zudem sei die Reaktion gelegentlich nicht schnell genug erfolgt und das Verfahren habe sich an verschiedenen Stellen als zu bürokratisch erwiesen. Ferner habe sich gezeigt, dass auf EU-Ebene insgesamt nicht genügend Mittel und Kapazitäten vorhanden seien.
Die Kommission möchte diesen von ihr so wahrgenommenen Entwicklungen "ein Europa, das schützt" entgegenstellen - mittels robuster und unmittelbar einsatzfähiger Kapazitäten, die eine rasche Reaktion auf Katastrophen erlauben, so dass die Union den Mitgliedstaaten im Bedarfsfall "schneller an vorderster Front zu Hilfe kommen" könne (Kommissionspräsident Juncker in einer Pressemeldung der Kommission vom 23. November 2017). Dabei sollen die Aktivitäten der EU sichtbar sein und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die EU stärken.
3. Der Bundesrat kann die aktuelle Problemwahrnehmung durch die Kommission aufgrund der Schadenslagen im vergangenen Jahr nachvollziehen. Er ist sich mit den europäischen Institutionen darin einig, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in einen effektiven und wirksamen Katastrophenschutz besondere Bedeutung hat und deshalb alle Verantwortungsebenen ständig aufgefordert sind, dieser Herausforderung durch Prävention, Bereitschaft und Reaktion gerecht zu werden. Der Bundesrat unterstützt Initiativen, die darauf gerichtet sind, die gegenseitige solidarische Hilfeleistung der Mitgliedstaaten bei Katastrophen durch unterstützende Maßnahmen der EU zu erleichtern und fortzuentwickeln.
Gleichwohl betrachtet der Bundesrat den Beschlussvorschlag und die Mitteilung der Kommission mit großer Sorge. Diese Besorgnis bezieht sich sowohl auf die Voraussetzungen und Methodik der europäischen Initiative als auch auf wesentliche Punkte ihres Inhalts.
4. Zunächst sieht sich der Bundesrat zu der Feststellung veranlasst, dass sich das bestehende Gemeinschaftsverfahren - das ein starkes Zeichen europäischer Solidarität darstellt - bewährt hat. Der Bundesrat sieht sich insoweit in Einklang mit der Auffassung eines ganz überwiegenden Teils der Mitgliedstaaten der EU.
Die vielfältigen Katastrophen im vergangenen Jahr - insbesondere die Ereignisse im Zusammenhang mit den Waldbränden in Portugal - sind in höchstem Maße bedauerlich. Diese bedrückenden Geschehnisse bedürfen einer vorurteilsfreien und gründlichen Analyse und Aufarbeitung, die bislang aussteht.
5. Demgegenüber hat das seit dem 1. Januar 2014 gültige Gemeinschaftsverfahren zahlreiche praktische Anwendungsfälle erfolgreich bestanden. Überdies ist es bereits zweimal einer gründlichen Überprüfung unterzogen worden: Sowohl der Bericht des Europäischen Rechnungshofs vom 18. Januar 2017 (Sonderbericht Nummer 033/2016) wie auch eine externe Evaluierung des Verfahrens (Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Zwischenbewertung des Katastrophenschutzverfahrens der Union für den Zeitraum 2014 bis 2016; COM (2017) 460 final) kommen zu positiven Ergebnissen. Demzufolge war die Sprachregelung der Kommission in allen internationalen Gremien bis weit in das Jahr 2017 hinein einhellig auf eine behutsame Weiterentwicklung des Verfahrens ausgerichtet. Vor diesem Hintergrund zeigt sich der Bundesrat über die äußerst weitreichenden Initiativen der Kommission vom 23. November 2017, die zudem mit hohem Zeitdruck in Gang gesetzt wurden, überrascht.
Der Bundesrat sieht sich zu der Aufforderung veranlasst, das anstehende Legislativverfahren auf das Fundament einer gründlichen Sach- und Risikoanalyse zu stellen und mit einer Folgenabschätzung, die bisher fehlt, zu versehen. Der von der Kommission erwogene Verfahrensabschluss im Juni 2018 erscheint mithin gänzlich unrealistisch.
Zur inhaltlichen Ausgestaltung der Vorschläge gibt der Bundesrat Folgendes zu bedenken:
6. Bei zusammenfassender Würdigung im Rahmen einer Gesamtschau werfen die Vorschläge vom 23. November 2017 die grundsätzliche Frage auf, wie der Katastrophenschutz auf europäischer Ebene zu organisieren ist. Die Kernaussagen der Kommissionsinitiative, insbesondere zu Artikel 12 "rescEU" (siehe hierzu im einzelnen Ziffer 9) und zu Artikel 6 "Risikomanagement" (siehe hierzu im einzelnen Ziffer 8), weisen in Richtung eines Paradigmenwechsels, denn über die genannten Artikel drängt sich letztlich die Etablierung eines von der Steuerung der Mitgliedstaaten unabhängigen europäischen Katastrophenschutzsystems auf. Nach diesem System steht die EU den Mitgliedstaaten bei der Wahrnehmung ihrer Schutzverantwortung nicht länger nur zur Seite, wie es Normzweck und rechtspolitische Intention des Artikels 196 AEUV als "Unterstützungskompetenz" erfordern. Vielmehr ergibt sich die Möglichkeit der EU, einen eigenen Katastrophenschutz zu betreiben und letztlich gleichrangig zu den primär verantwortlichen Mitgliedstaaten wesentliche Einsatz- und Finanzierungsentscheidungen zu treffen sowie über eigene Kapazitäten auf EU-Ebene zu verfügen. Eine solche Entwicklung vermag der Bundesrat, wie er immer wieder - zuletzt mit Stellungnahme vom 2. März 2012 (BR-Drucksache 024/12(B) ) - verdeutlicht hat, nicht mitzutragen.
7. Für den Bundesrat ist die europäische Solidarität völlig unverzichtbar und er bekennt sich hierzu mit allem Nachdruck. Er plädiert deshalb dafür, auch zukünftig eine ausgewogene Balance zwischen der originären Verantwortung der Mitgliedstaaten für den Katastrophenschutz einschließlich der Bereithaltung der hierfür erforderlichen Ressourcen und einer wirksamen Ergänzung durch unterstützende Akte der EU und ihrer Mitgliedstaaten zu wahren.
Zu den Kernelementen des Kommissionsvorschlags merkt der Bundesrat Folgendes an:
8. Artikel 6: Risikomanagement
Gemäß Artikel 6 des derzeit gültigen Verfahrens haben die Mitgliedstaaten Risikobewertungen auf nationaler oder geeigneter subnationaler Ebene durchzuführen, wobei der Kommission erstmals bis zum 22. Dezember 2015 entsprechend zu berichten war.
Die Bundesrepublik Deutschland hat ihre diesbezüglichen Verpflichtungen fristgerecht erfüllt. Der entsprechende Bericht beinhaltet die Analyse auf Bundesebene wie auch die Beiträge der Länder, die Risikoanalysen im Bevölkerungsschutz in eigener Zuständigkeit durchführen.
Nach Ansicht des Bundesrates geht die im derzeit geltenden Artikel 6 geforderte Aufstellung und Vorlage von Risikomanagementplänen bereits deutlich über den von der EU zu setzenden Rahmen hinaus. Insbesondere bei den reaktiven Anteilen der Risikomanagementplanung ist eine operative Ausrichtung unverkennbar und tangiert damit Kernkompetenzen der Länder. Somit liegt es in deren Ermessen, ob eine entsprechende Planung nötig und auch realisierbar ist. Folglich hatte der Bundesrat aufgrund zweifelhafter Kompetenzgrundlage und fehlender fachlicher Notwendigkeit bereits in seiner Stellungnahme vom 2. März 2012 die Verpflichtung zur Aufstellung und Vorlage nationaler Risikomanagementpläne abgelehnt.
Soweit nun im von der Kommission vorgeschlagenen neuen Artikel 6 erstmals die Möglichkeit eröffnet wird, einen Konsultationsmechanismus für Mitgliedstaaten mit ähnlichen Katastrophenrisiken zur Verbesserung der Präventions- und Vorbereitungsplanung einzurichten, sieht der Bundesrat diesen Ansatz als durchaus geeignet an, einen konstruktiven Erfahrungsaustausch derjenigen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, die regelmäßig mit gleich oder ähnlich gelagerten Katastrophen zu kämpfen haben. Es bleibt indes offen, wie und nach welchem Verfahren dieser Austausch stattfinden soll und ob auch die betroffenen Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten, eine Konsultation anzustoßen.
Die Kommission soll nunmehr zudem die Befugnis erhalten, die Fortschritte der Mitgliedstaaten bei Katastrophenprävention und -vorsorge beim Zugang zu Finanzmitteln aus den europäischen Struktur- und Investitionsfonds in angemessener Weise zu berücksichtigen. Die hierfür als Voraussetzung genannten Exante-Konditionalitäten sind jene Bedingungen, die in den Mitgliedstaaten erfüllt sein müssen, um Förderfähigkeit zu erlangen. Allerdings bleibt nach dem Regelungsgehalt der vorgeschlagenen Neufassung des Artikels 6 völlig offen, welche Verfahren und insbesondere welche Kriterien letztlich maßgeblich sein sollen, um eine entsprechende Konditionalität herzustellen.
Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Einführung neuer Exante-Konditionalitäten oder die Verschärfung vorhandener Exante-Konditionalitäten im Bereich der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds, wie sie die Kommission im Bereich der Risikoanalyse und der Risikomanagementplanung erwägt, zwangsläufig mit einem Bürokratieaufbau verbunden ist, der dem Ziel der dringend notwendigen Vereinfachung grundsätzlich widerspricht.
Die Berichtspflichten betreffend geht die vorgesehene Neufassung des Katastrophenschutzverfahrens nun noch einen erheblichen Schritt weiter und sieht nicht nur die Vorlage einer Zusammenfassung vor, sondern verlangt die Erstellung der kompletten nationalen Risikoanalyse bis zum 22. Dezember 2018 und danach regelmäßige Vorlagen im Dreijahresrhythmus. Eine derartige Verpflichtung ist abzulehnen, weil die Planung von Präventionsmaßnahmen nach wie vor allein in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegt. Ein so weitreichender Eingriff der Union in den Kompetenzbereich der Länder erweist sich als Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip. Hinzu treten fachliche Bedenken, da es vielfach um sensible Daten geht, deren Weitergabe risikobehaftet ist, und eine Vergleichbarkeit der nationalen Systeme nicht gegeben ist.
Darüber hinaus soll die Vorlage einer Zusammenfassung der Risikomanagement-Planung einschließlich Präventions- und Vorbereitungsmaßnahmen zum 31. Januar 2019 und danach gleichfalls im dreijährigen Wiederholungsrhythmus erfolgen.
Zu diesem Aspekt hatte sich der Bundesrat bereits mit seiner Stellungnahme vom 2. März 2012 ablehnend geäußert. Für die Vorlage einer Zusammenfassung der Risikomanagement-Planung gelten diese Bedenken fort.
Insgesamt hält der Bundesrat zum Bereich Berichtspflichten fest, dass bereits die aktuell gültigen Anforderungen für die Länder einen ganz erheblichen administrativen Aufwand darstellen. Eine weitere Ausdehnung erscheint aus Sicht des Bundesrates nicht vertretbar, zumal ein entsprechender Mehrwert nicht erkennbar ist.
Wenngleich die Neuerungen des vorgeschlagenen Artikels 6 bei zusammenfassender Betrachtung durchaus darauf abzuzielen scheinen, die Mitgliedstaaten bei der Katastrophenprävention stärker in die Pflicht zu nehmen und Fortschritte gegebenenfalls finanziell zu berücksichtigen, vermag der Bundesrat keine schlüssige Gesamtkonzeption zu erkennen. Soweit seitens der Kommission die Absicht bestanden haben mag, Artikel 6 und insbesondere den Zugang zu Finanzmitteln in ein stimmiges Gegenseitigkeitsverhältnis zur etwaigen Nutzung der Ressourcen des Artikels 12 zu setzen, hat diese Intention legislativ keine zuverlässige Verankerung erfahren und bedarf dringend der Nachbesserung.
9. Artikel 12: rescEU
Bereits im Vorfeld der Verabschiedung des derzeit gültigen Katastrophenschutzverfahrens der EU war die Schließung vermeintlicher Kapazitätslücken durch die Kommission vorgesehen. Danach wäre unter anderem der Aufbau von Kapazitäten für die Notfallabwehr auf Unionsebene ermöglicht worden, die der gemeinsamen Bewältigung kollektiver Risiken dienen sollten und im Fall der Überlastung nationaler Einheiten von der Kommission hätten entsandt werden können. Hier sind Parallelen zum jetzigen "rescEU"-Konzept unübersehbar. Diese Planungen konnten sich seinerzeit allerdings nicht durchsetzen.
Der Bundesrat hatte - bezugnehmend auf dieses Konzept der Kommission - mit seiner Stellungnahme vom 2. März 2012 frühzeitig darauf hingewiesen, dass die Errichtung eigener Ressourcen der EU die Grundlage eines Einstiegs in operative Kompetenzen darstellt und keinesfalls akzeptabel ist.
Mit dem vorgeschlagenen neuen Artikel 12 wird nun sehr deutlich eine Grundlage für EU-eigene Kapazitäten "rescEU" (Löschflugzeuge zur Waldbrandbekämpfung, Hochleistungspumpen, städtische Suche und Rettung, Feldlazarett und notfallmedizinische Teams) etabliert, die vollständig der EU-Finanzierung unterliegen und auch umfassend ihrer operationellen Kontrolle unterstehen. Die damit ersichtliche Übertragung von Entscheidungs-, Durchführungs- und Finanzierungskompetenzen auf die EU-Ebene begegnet durchgreifenden Bedenken, werden hier doch die Kompetenzen der EU nach dem Vertrag von Lissabon weit überdehnt. Eine ganzheitliche Betrachtung des Instruments "rescEU" lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Kommission hier eine Rollenverteilung vornimmt, die im bereits beschriebenen Regelungsgehalt und Normzweck des Artikels 196 AEUV (siehe insoweit oben Ziffer 6) keinerlei Stütze mehr findet.
Soweit die Kommission darauf verweist, "rescEU" sei nur als letztes Mittel für ganz außerordentliche Notlagen vorgesehen und werde immer nur auf Antrag der Mitgliedstaaten ausgelöst, greife also in deren originäre Verantwortung gar nicht ein und beachte den durch Artikel 196 AEUV gesteckten Rahmen durchaus, geht diese Annahme fehl. Entscheidend für die Würdigung vor dem Hintergrund des europäischen Regelwerks ist der Umstand, dass die Kommission die fraglichen Kapazitäten in eigener Verantwortung beschafft, finanziert, bereithält und entsendet. Ohne Belang für die rechtliche Bewertung ist demgegenüber, ob dem konkreten Einsatz ein Antrag aus einem Mitgliedstaat zugrunde liegt oder auch an welchem Ort die Ressourcen letztlich stationiert werden.
Betrachtet man das Vorhaben "rescEU" mit Blick auf den Grundsatz der Subsidiarität, ergeben sich aus Sicht des Bundesrates durchgreifende Zweifel daran, dass die Union durch den Einsatz eigener Kapazitäten Katastrophen effizienter bekämpfen könnte als die betroffenen Mitgliedstaaten in eigener Verantwortung. In jedem Fall hat es die Union bisher versäumt, einen entsprechenden Nachweis zu führen. Die Heranziehung einzelner Katastrophen mit tragischem Ausgang reicht jedenfalls, ohne im jeweiligen konkreten Einzelfall die getroffenen nationalen Präventions- und Gefahrenabwehrmaßnahmen betrachtet zu haben, als Beleg für ein Versagen auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht aus, solange es an einer tragfähigen, mit abgesicherten Erkenntnissen angereicherten Bewertungsgrundlage fehlt. Den Erfordernissen des Subsidiaritätsprinzips als allgemeinem Handlungsprinzip der EU - getragen letztlich von der Zielsetzung, Entscheidungen in der EU möglichst bürgernah zu treffen - wird hier nach Überzeugung des Bundesrates nicht ausreichend Rechnung getragen.
Zu den grundsätzlichen Vorbehalten gegenüber "rescEU" tritt eine Vielzahl sachlicher Probleme und offener Fragen, die nach dem vorgeschlagenen Beschluss ungelöst im Raum stehen und vom Bundesrat nur beispielhaft erwähnt werden sollen. So hegt der Bundesrat die Sorge, dass "rescEU" in den Mitgliedstaaten ein falsches Signal setzen und dazu führen könnte, dass man verschiedentlich die zwingend erforderlichen eigenen Anstrengungen zum Aufbau notwendiger Ressourcen vernachlässigen oder gar unterlassen könnte. Ferner ist bislang unklar, nach welchen Maßstäben die Kommission Einsatzentscheidungen treffen will, wenn beispielsweise mehrere Mitgliedstaaten gleichzeitig von gleichartigen Katastrophenlagen betroffen sind und Bedarf anmelden. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wer das Personal zur Bedienung der Ressourcen zur Verfügung stellen soll. Ein etwaiger Einsatz privater Dienstleister wird nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland äußerst kritisch eingeschätzt.
10. Artikel 11: Europäischer Katastrophenschutz-Pool
Der Bundesrat ist entschlossen, die Beratungen zur Überarbeitung des Katastrophenschutzverfahrens zu einem erfolgreichen, von breiter mitgliedstaatlicher Unterstützung getragenen Ergebnis zu führen. Zentrale Vorschrift, die Lösungen ermöglicht, die im Rahmen der nach Artikel 196 AEUV bestehenden "Unterstützungskompetenz" der Kommission liegen, ist der vorgeschlagene Artikel
11. Wie schon die äußerst ambitionierte Weiterentwicklung mit dem vorgeschlagenen Artikel 11 deutlich macht, sind unter dem breiten Dach dieser Regelungen konstruktive Weiterentwicklungen denkbar. Diese betreffen einerseits eine Verbesserung der zur Verfügung stehenden Instrumentarien (also die Ressourcen) auf der Grundlage eines tatsächlichen Defizits. Dabei ist eine zentrale Forderung, über die zwischen den Mitgliedstaaten weitestgehender Konsens besteht, dass auch zukünftig das Letztentscheidungsrecht der Mitgliedstaaten über die Entsendung aufrechterhalten bleibt.
Andererseits sind Lösungen im Rahmen des vorgeschlagenen Artikels 11 denkbar, die eine erhöhte Gemeinschaftsfinanzierung von Einsätzen und für den Katastrophenschutzpool gemeldeten Module vorsehen und die Schaffung von Ressourcen in den Mitgliedstaaten unterstützen, bei denen trotz bester Vorbereitung ein für den einzelnen Mitgliedstaat nicht allein zu bewältigendes erhebliches Risiko festgestellt werden kann. Ob und in welchem Umfang hier Änderungen erfolgen sollen, muss gründlichen Verhandlungen vorbehalten bleiben. Wesentlich wird dabei sein, dass ein erhöhtes finanzielles Engagement im Rahmen des vorgeschlagenen Artikels 11 ausreichend begründet ist und die notwendigen Eigenanstrengungen der Mitgliedstaaten nicht ersetzt.
Zu BR-Drucksache 757/17 (PDF)
11. Der Bundesrat weist anlässlich der Mitteilung der Kommission darauf hin, dass Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels, wie zum Beispiel die Anpassung der grünen Infrastruktur, auch immer einen positiven Beitrag zur Katastrophenprävention leisten. Diese Maßnahmen gehen jedoch inhaltlich und finanziell weit über das Abwenden von Katastrophen hinaus und sind daher auch zukünftig durch Mittel aus den Strukturfonds langfristig und verlässlich zu unterstützen. Eine reine Katastrophenprävention greift hierfür zu kurz. Die Bereitstellung von Mitteln aus den Strukturfonds zur Katastrophenprävention darf daher nicht zu Lasten der für die Umweltschutz-, Klimaschutz- und Landwirtschaftsförderung vorgesehenen Strukturfondsmittel gehen.
Maßgebliche Berücksichtigung der Stellungnahme
12. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, diese Stellungnahme bei der Festlegung der Verhandlungsposition gemäß § 5 Absatz 2 Satz 1 EUZBLG maßgeblich zu berücksichtigen, da die vorgeschlagenen Maßnahmen im Schwerpunkt die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betreffen.
Begründung:
Die Länder sind gemäß Artikel 30 und Artikel 70 Absatz 1 des Grundgesetzes ausschließlich für den Katastrophenschutz zuständig. Damit obliegt es auch den Ländern, die für den Katastrophenschutz erforderlichen Strukturen zu schaffen und zu unterhalten sowie sich entsprechend auf etwaige Katastrophen und Großschadensfälle vorzubereiten und die dafür erforderlichen Ressourcen vorzuhalten.
Direktzuleitung an die Kommission
13. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
*) Erster Beschluss des Bundesrates vom 2. Februar 2018, Drucksache 756/17(B)