Der Bundesrat hat in seiner 966. Sitzung am 23. März 2018 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich das Anliegen der Kommission, mit dem Verordnungsvorschlag die Marktüberwachung in den Mitgliedstaaten zu stärken.
Er anerkennt das Ziel der Kommission, ein hohes Schutzniveau in Bezug auf öffentliche Interessen wie Gesundheit und Sicherheit im Allgemeinen, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Verbraucher- und Umweltschutz sowie öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.
Er anerkennt ferner die Ziele der Kommission, das Funktionieren des europäischen Binnenmarkts zu verbessern, indem zum Beispiel der Rechtsrahmen der EU vereinfacht und der Verwaltungsaufwand verringert wird sowie der Informationsaustausch und die Arbeitsleistung zwischen den Marktüberwachungsbehörden verbessert werden. Die Marktüberwachung ist ein entscheidender Beitrag für die Weiterentwicklung des europäischen Binnenmarktes. Sie trägt dazu bei, dass Produkte vom Markt genommen werden, sofern sie nicht mit Rechtsvorschriften der EU konform sind, und stellt bei Produkten, die mit einem ernsten Risiko für die Gesundheit oder andere Rechtsgüter verbunden sind, ein rasches Eingreifen sicher.
Der Bundesrat begrüßt außerdem das mit dem Verordnungsvorschlag verfolgte Ziel, einen vertieften und gerechteren Binnenmarkt zu verwirklichen, indem die Konformität von Produkten gestärkt und EU-Harmonisierungsvorschriften für Produkte verstärkt durchgesetzt werden. Begrüßt wird der Verordnungsvorschlag auch insofern, als mit der Erfassung des Online-Handels den Anforderungen, die moderne Lieferketten an die Marktüberwachung stellen, insbesondere auch für Produkte, die aus Drittländern in die EU gelangen, begegnet wird.
Der Bundesrat erkennt, wie bereits dargelegt, das Ziel der Kommission, einen gerechteren Binnenmarkt zu verwirklichen, an. Er unterstützt die Initiative der Kommission zur Stärkung der Konformität der Produkte und zur Durchsetzung der EU-Harmonisierungsvorschriften für Produkte, um die Menge nichtkonformer Produkte auf dem EU-Markt anzugehen, Anreize für eine bessere Einhaltung der Vorschriften zu bieten und eine gerechte und gleiche Behandlung zu gewährleisten.
Die Konsolidierung des für Marktüberwachungstätigkeiten vorhandenen Rahmens, die Förderung gemeinsamer Marktüberwachungsaktionen verschiedener Mitgliedstaaten, insbesondere ein verstärkter Rechtsrahmen für Kontrollen von Produkten, die auf den europäischen Markt gelangen, und eine verbesserte Kooperation zwischen Marktüberwachungs- und Zollbehörden stellen entscheidende Beiträge für die Erreichung des Zieles dar.
- 2. Der Bundesrat begrüßt ausdrücklich die im Erwägungsgrund 11 beschriebene Erwartung, dass die Wirtschaftsakteure in der gesamten Lieferkette verantwortlich sind und vollständig im Einklang mit den geltenden rechtlichen Anforderungen handeln, wenn sie Produkte in Verkehr bringen oder auf dem Markt bereitstellen, damit die Konformität mit den Harmonisierungsrechtsvorschriften der EU für Produkte sichergestellt wird.
- 3. Der Bundesrat stellt in dem Zusammenhang jedoch mit außerordentlichem Bedauern fest, dass in dem Verordnungsvorschlag nur wenige seiner Änderungsvorschläge zur ersten Vorlage des Verordnungsvorschlags (BR-Drucksache 126/13(B) ) berücksichtigt wurden.
Die rechtliche Ausgestaltung des Vorschlags der Kommission für eine neue Marktüberwachungsverordnung wird den genannten Zielen nach wie vor nicht gerecht. Die vorgeschlagenen Regelungen führen zu einem immensen Mehraufwand an Meldungen und Berichten bei den Behörden ohne erkennbaren Mehrwert: Beispielsweise ist vorgesehen, dass bei einer Einschränkung der Bereitstellung auf dem Markt, wenn ein Produkt nicht den geltenden Anforderungen der Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union entspricht, die Kommission, das Netzwerk, die anderen Mitgliedstaaten und die Endnutzer entsprechend informiert werden. Dies würde beispielsweise im Bereich der Kennzeichnungsverstöße zu einer Flut von Meldungen führen, ohne dass hierdurch ein Effizienzgewinn in der Überwachung zu erkennen ist.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, bei den anstehenden Verhandlungen auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, dass folgende Punkte überarbeitet und insbesondere folgende Verbesserungen vorgenommen werden:
- 19. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass das Kapitel III der vorgeschlagenen Verordnung mit den Artikeln 6, 7, 8 und 9 gestrichen wird.
Die Artikel 7 und 8 sollten ersatzlos entfallen. Die Marktüberwachung dient dem Schutz der Gesundheit und Sicherheit sowie dem Umwelt- und Verbraucherschutz und sorgt für gleiche Marktzugangsbedingungen und einen fairen Wettbewerb. Die für die Marktüberwachung zuständigen Behörden müssen ihrer Tätigkeit unabhängig und unvoreingenommen nachgehen können. Bei den angedachten Partnerschaftsvereinbarungen zwischen Marktüberwachungsbehörde und Wirtschaftsakteur erklärt sich die Behörde bereit, den Wirtschaftsakteur in Bezug auf die Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union zu beraten und zu unterstützen. Dies kann neben einem erheblichen Mehraufwand seitens der Behörde im Fall einer von dritter Seite vermuteten Nichtkonformität zu Interessenskonflikten führen, wohingegen die Vorteile einer solchen Vereinbarung als gering eingeschätzt werden. Den Marktüberwachungsbehörden könnte zudem vorgeworfen werden, ihre eigenen Beratungsergebnisse zu überwachen. Für vergleichbare Beratungstätigkeiten stehen den Wirtschaftsakteuren Wirtschaftsverbände bzw. privatwirtschaftliche Dienstleister zur Verfügung. Die Aufgabe von Unternehmen oder Organisationen, die Unternehmen vertreten, besteht im Grundsatz in der Wahrnehmung der jeweiligen Unternehmensinteressen. Bei einer aktiven und direkten Beteiligung an behördlichen Marktüberwachungstätigkeiten besteht die Gefahr eines Konflikts mit der unabhängigen, unparteiischen und unvoreingenommenen Aufgabenerfüllung der Marktüberwachungsbehörden.
Im Einzelnen werden durch die Beratungen von Unternehmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten Kosten auf die öffentliche Hand verlagert. Der hier vorgesehene Aufgabenzuwachs und die damit verbundenen finanziellen Mehrbelastungen sind derzeit nicht realisierbar.
Sollte der Wegfall des Kapitels III nicht möglich sein, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass die Artikel 7 und 8 gleichwohl gestrichen werden.
- 20. Organisation der Marktüberwachung in den Mitgliedstaaten (zu Kapitel IV, Artikel 10).
Die genannten Verpflichtungen zur Schaffung von Mechanismen für die Kommunikation und Koordination sowie Verfahren für die Marktüberwachung betreffen die innerstaatliche Organisation der Marktüberwachung. Wer innerhalb des Mitgliedstaates für die Entwicklung dieser Mechanismen und Verfahren verantwortlich ist, obliegt dem jeweiligen Mitgliedstaat selbst. Die Verpflichtungen nach Artikel 10 sollten daher den Mitgliedstaaten und nicht deren Marktüberwachungsbehörden auferlegt werden.
- 21. Benennung und Aufgaben einer zentralen Verbindungsstelle (zu Kapitel IV, Artikel 11).
Nach Artikel 11 benennt jeder Mitgliedstaat eine zentrale Verbindungsstelle, die für die Koordinierung der Durchsetzungs- und Marktüberwachungstätigkeiten der dortigen Marktüberwachungsbehörden bezüglich aller im Anhang genannten Harmonisierungsrechtsvorschriften verantwortlich ist. Eine solche zentrale Verbindungsstelle mit eigener Koordinierungsverantwortung tangiert die Vollzugstätigkeit der Marktüberwachungsbehörden und widerspricht damit der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung. Wird hierzu eine Bundesbehörde berufen, besteht die Gefahr einer unzulässigen Mischverwaltung zwischen Bund und Ländern. Landesbehörden sind in ihrer Aufgabenwahrnehmung ausschließlich auf das jeweilige Land beschränkt und schon deshalb nicht befugt, Tätigkeiten in anderen Ländern zu koordinieren. Im Bundesstaat erfolgt die Koordinierung der Durchsetzungs- und Marktüberwachungstätigkeiten daher über entsprechend besetzte Gremien, die den jeweiligen getrennten Verantwortungsbereichen Rechnung tragen. Eine zentrale Verbindungsstelle dürfte daher keine eigenverantwortliche Koordinationsaufgabe haben und es müsste insoweit geregelt werden, dass die Mitgliedstaaten die Koordinierung der Durchsetzungs- und Marktüberwachungstätigkeiten ihrer Marktüberwachungsbehörden sicherstellen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob es für den praktischen Vollzug der Marktüberwachung vorzugswürdig ist, wenn nur eine einzige zentrale Verbindungsstelle pro Mitgliedstaat für alle betroffenen Harmonisierungsrechtsbereiche vorhanden sein darf.
Der Bundesrat lehnt die Schaffung einer zentralen Verbindungsstelle, die die Durchsetzungs- und Marktüberwachungsaktivitäten der Marküberwachungsbehörden koordiniert (Artikel 11 Absatz 3), für den Bereich des gesetzlichen Mess- und Eichwesens ab.
- 22. Er ist der Auffassung, dass die im Verordnungsvorschlag enthaltenen Neuerungen und Erweiterungen der Informations- und Durchführungsverpflichtungen kritisch zu hinterfragen sind. Eine Vielzahl dieser Pflichten ist zum einen im Detail unklar, zum Beispiel inwieweit das Informations- und Kommunikationssystem für die Marktüberwachung (ICSMS) als Informationsweiterleitungssystem im Kontext mit dem Schutzklauselverfahren beibehalten werden soll. Zum anderen sind die Pflichten, so wie sie angelegt sind, von der Marktüberwachung nicht erfüllbar. Dies betrifft zum Beispiel die in Artikel 12 Absatz 2 Buchstaben(v) Ziffer i) vorgesehene Marktanalyse zur Anzahl der auf dem Markt befindlichen Produkte und sämtlicher von ihnen ausgehender Gefahren oder die in Artikel 15 Absatz 1 geregelte Durchführung repräsentativer statt wie bisher risikoorientierter Stichproben.
Diese umfassenden Verpflichtungen führen zu einem ganz erheblichen Bürokratieaufwand, der zu Lasten marktüberwachungsrechtlicher Vollzugstätigkeit der Behörden und damit zu Lasten eines sichereren Binnenmarkts geht.
- 23. Fassung der Regelungen zu Tätigkeiten bzw. Maßnahmen der Marktüberwachungsbehörden (zu Kapitel IV und V, Artikel 12 und Artikel 15).
Die Regelungen des Artikels 12 Absatz 2 knüpfen an verschiedene Faktoren an, die nicht in jedem Fall vollständig von den Marktüberwachungsbehörden ermittelbar und für eine angemessene und effektive Marktüberwachung auch nicht zwingend erforderlich sind. So werden sich auch bei sorgfältiger Marktanalyse die Anzahl der auf dem Markt befindlicher Produkte und sämtliche Gefahren mit vertretbarem Aufwand nicht vollständig ermitteln lassen. Auch existiert angesichts der nur stichprobenhaften Tätigkeit der Marktüberwachungsbehörden keine verlässliche und seriöse Datengrundlage zur Erstellung eines Risikoprofils für jeden einzelnen Wirtschaftsakteur. Zudem sind die Regelungen des Artikel 12 Absatz 2 umfassender und praxisgerechter in Artikel 15 Absatz 1 enthalten.
Artikel 15 Absatz 1 entspricht im Wesentlichen den in der Praxis bereits bewährten Formulierungen in Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008
.
Artikel 12 Absatz 2 sollte daher gestrichen werden.
Artikel 15 Absatz 1 Unterabsatz 2 müsste dann jedoch noch um "sonstige Informationen" im Sinne von Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008
bzw. um die in Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe x des vorliegenden Vorschlags geregelten Informationen ergänzt werden. Außerdem sollte in Satz 1 die bewährte Formulierung "anhand angemessener Stichproben" beibehalten werden. "Repräsentative" Stichproben würden einen Überblick der Marktüberwachungsbehörde über sämtliche gehandelten vergleichbaren Produkte erfordern. Dieser ist nicht in jedem Fall mit zumutbarem Aufwand herstellbar.
Artikel 12 Absatz 4 Satz 2 enthält Anforderungen an die Einstellung von Informationen in das System nach Artikel 34. Diese sollten ausschließlich und umfassend in Artikel 34 geregelt werden.
Artikel 12 Absatz 4 Satz 2 ist dann entbehrlich.
Es sollte eine Befugnis der Marktüberwachungsbehörde zur Verpflichtung der Wirtschaftsakteure eingefügt werden, dieser Daten zu ihren Namen, Tätigkeiten und Betriebsstätten mitzuteilen. Da keine Pflicht zur Betriebsregistrierung besteht, benötigen die Marktüberwachungsbehörden diese Daten als Grundlage für die Erstellung des Risikoprofils des Wirtschaftsakteurs.
Der Bundesrat hält es für dringend erforderlich, dass in Fällen der Nichtkonformität eines Produkts ein abgestuftes, maßvolles und verhältnismäßiges Vorgehen der Marktüberwachungsbehörde möglich ist. Der Vorschlag sieht jedoch in Artikel 12 Absatz 3 bei jeder Nichtkonformität, also auch in geringfügigsten Fällen, vor, die Bereitstellung eines Produkts auf dem Markt mindestens einzuschränken. Dies ist unverhältnismäßig und gegenüber den Wirtschaftsakteuren auch kaum vermittelbar. Die Regelung muss durch eine offene und generalklauselartige Formulierung, die ein abgestuftes Vorgehen ermöglicht, ersetzt werden.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, die im Grundsatz bewährten Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 765/2008
stärker einzubeziehen und der Chemikaliensicherheit stärker Rechnung zu tragen. Die Konformitätsprüfung ist zusätzlich zur risikobasierten Überprüfung in der Verordnung stärker zu verankern. Die Marktüberwachungsbehörden müssen zusätzlich zum risikobasierten Ansatz (Artikel 12) Konformitätskontrollen auch ohne Risikobewertung durchführen können. Dabei ist zu überprüfen, inwieweit der Verordnungsentwurf selbst dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht.
- 24. Die Bundesregierung wird um Prüfung gebeten, ob die skizzierten Vorgaben zur Erteilung von Befugnissen und Pflichten der Marktüberwachungsbehörden nach Artikel 14 und die Vorgaben für die Bußgeld- und Strafbemessung mit dem nationalen Verwaltungsrecht bzw. dem Grundgesetz in Einklang stehen. Die Befugnisse und Pflichten der Marktüberwachungsbehörde werden stark erweitert, diese müssen zum Teil inhaltlich wie auch vom Umfang deutlich abgegrenzt werden. Die Marktüberwachungsbehörden werden nach Artikel 14 Absatz 5 zwar unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit tätig. Dieser Grundsatz ist bei den genannten Regelungen jedoch nicht durchgängig berücksichtigt und bietet teilweise keinen Mehrwert für den Verbraucherschutz. Kritisch gesehen werden insbesondere
- - Artikel 14 Absatz 3 Buchstabe qq [korrekt: d] mit der Befugnis, von jeder Behörde, Einrichtung oder Stelle innerhalb des Mitgliedstaats der Markt-überwachungsbehörde - also auch den Justiz-, Polizei- oder Finanzbehörden - oder von jeder natürlichen oder juristischen Person zu verlangen, alle Dokumente, Daten oder Informationen, unabhängig von Form, Format, Speichermedium oder Speicherort, bereitzustellen, damit die Marktüberwachungsbehörde untersuchen kann, ob eine Nichtkonformität bestanden hat oder besteht, und um die Einzelheiten dieser Nichtkonformität zu ermitteln, insbesondere einschließlich jener Informationen, Daten oder Dokumente, die zur Identifizierung und Verfolgung von Finanz- und Datenströmen, zur Feststellung der Identität und der Kontaktdaten der an den Daten- und Finanzströmen beteiligten Personen und zur Ermittlung der Bankverbindung und des Besitzes von Webseiten erforderlich sind, - Artikel 14 Absatz 3 Buchstabe aaa [korrekt: n] mit der Befugnis, alle endgültigen Entscheidungen, endgültigen Maßnahmen, vom Wirtschaftsakteur gegebenen Zusagen oder gemäß dieser Verordnung getroffenen Entscheidungen - einschließlich der Identität des Wirtschaftsakteurs, der für die Nichtkonformität verantwortlich war - zu veröffentlichen,
- - Artikel 14 Absatz 4 mit der Vorgabe, dass die Marktüberwachungsbehör-den jede vom Wirtschaftsakteur ihnen gegenüber gemachte Zusage, die Einzelheiten jeder Korrekturmaßnahme, die von einem Wirtschaftsakteur in ihrem Hoheitsgebiet ergriffen wurde, und die Einzelheiten der befristeten Maßnahmen, die von der Marktüberwachungsbehörde gemäß dieser Verordnung ergriffen wurden, veröffentlichen. Nach dieser Formulierung gibt es bei dieser Vorgabe kein Ermessen.
- 25. Der Bundesrat hält eine Regelung für sinnvoll, wonach mit der Benennung der jeweiligen Marktüberwachungsbehörde durch den Mitgliedstaat sämtliche nach dem Vorschlag erforderlichen Befugnisse (Artikel 14) auf diese Behörde übertragen sind. Damit könnten in allen Mitgliedstaaten dieselben Befugnisse für Überwachungs- und Durchsetzungsmaßnahmen der Marktüberwachungsbehörden gelten. Die derzeitige Fassung des Artikels 14 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 geht offensichtlich davon aus, dass jede in Absatz 3 genannte Befugnis der zu benennenden Marktüberwachungsbehörden noch im Einzelnen im Wege nationaler Rechtsetzung übertragen werden muss. Das Ziel des Verordnungsvorschlages, die Kontrolltätigkeiten der Marktüberwachungsbehörden und deren Befugnisse EU-weit zu vereinheitlichen, kann so nicht sicher erreicht werden und es ist zu befürchten, dass die Umsetzung des Vorschlags in den Mitgliedstaaten im Detail unterschiedlich erfolgen wird. Die Regelung sollte daher angepasst werden.
- 26. Außerdem enthält Artikel 14 zwar eine sehr detaillierte Auflistung vielfältiger Befugnisse im Zusammenhang mit der Ermittlung von Nichtkonformität, nicht jedoch die Übertragung aller erforderlichen Befugnisse zum Erlass vorläufiger und endgültiger Maßnahmen, die nach Feststellung der Nichtkonformität erforderlich sein können. Hier sollten die wesentlichen Befugnisse im Einzelnen aufgeführt und zusätzlich durch eine Generalklausel sichergestellt sein, dass den benannten Marktüberwachungsbehörden alle erforderlichen Befugnisse zustehen. Zudem sollte eine Kostenrückerstattung bei verdeckten Testkäufen vorgesehen werden, um die kostenlose Probenahme bei allen Produktprüfungen der Marktüberwachungsbehörden zu gewährleisten und die Gleichbehandlung aller betroffener Wirtschaftsakteure sicherzustellen.
- 27. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob die im Verordnungsentwurf vorgesehenen Vorgaben zur Erteilung von Befugnissen und Pflichten der Marktüberwachungsbehörden (Artikel 14) und die Vorgaben für die Bußgeldbemessung mit dem nationalen Verwaltungsrecht im Einklang stehen und ob grundgesetzliche Regelungen hiervon berührt sind. Geprüft werden sollte auch, ob die vorgesehenen Regelungen zur Kontrolle von Finanz- und Datenströmen (Artikel 14 (3)qq) zielführend sind.
- 28. Der Bundesrat stellt fest, dass die Vorgaben für die Meldung von nicht konformen Produkten beträchtlich geändert wurden. Dies führt aus seiner Sicht zu einer unübersichtlichen Datenflut und bedeutet außerdem einen erheblichen Mehraufwand im Bereich der Bedarfsgegenstände- und Kosmetiküberwachung. Der Verordnungsvorschlag sollte dahingehend überarbeitet werden, dass nur Meldungen zu sicherheits- und gesundheitsrelevanten Aspekten und dann ausschließlich über das RAPEX-System erfolgen sollten.
- 29. Veröffentlichung von Informationen (zu Kapitel IV, Artikel 12 Absatz 4 Satz 1, Artikel 14 Absatz 3 und Absatz 4).
Veröffentlichungen von Informationen müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und die in Artikel 16 genannten Geheimhaltungserfordernisse wahren. Dies sollte bei den Regelungen zur Veröffentlichung jeweils deutlich gemacht werden.
- 30. Erstellung, Evaluierung und Mitteilung der nationalen Marktüberwachungsstrategie (zu Kapitel IV, Artikel 13).
Es ist nicht ersichtlich, weshalb der bisherige 4-Jahresrhythmus nach Artikel 18 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008
auf drei Jahre im Rahmen der Regelungen zur nationalen Marktüberwachungsstrategie verkürzt werden soll. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die im Verordnungsvorschlag enthaltenen Neuerungen und Erweiterungen der Informations- und Durchführungsverpflichtungen grundsätzlich kritisch zu hinterfragen sind. So ist eine Vielzahl dieser Pflichten im Detail unklar, zum Beispiel inwieweit das Informations- und Kommunikationssystem für die Marktüberwachung (ICSMS) als Informationsweiterleitungssystem im Kontext mit dem Schutzklauselverfahren beibehalten werden soll.
- 31. Maßnahmen bei Produkten, mit denen ein ernstes Risiko verbunden ist (zu Kapitel V, Artikel 18 Absatz 1).
Nach Artikel 18 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags ergreifen die Marktüberwachungsbehörden in jedem Fall eines ernsten Risikos Maßnahmen. Dies ist nach Ansicht des Bundesrates nicht erforderlich, wenn der Wirtschaftsakteur selbst geeignete Maßnahme auf freiwilliger Basis trifft.
Artikel 18 sollte daher wie schon Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008
dahingehend formuliert werden, dass die Marktüberwachungsbehörden sicherstellen, dass Produkte, mit denen ein ernstes Risiko verbunden ist, vom Markt genommen werden.
- 32. Artikel 18 (Produkte, mit denen ein ernstes Risiko verbunden ist):
Bauprodukte sind in der Regel keine Verbraucherprodukte. Sie müssen zusätzlich zu den eventuellen Anforderungen an das Produkt selbst auch solche Merkmale ausweisen, anhand derer beurteilt werden kann, dass die bauliche Anlage, für welche sie verwendet werden sollen, die wesentlichen Grundanforderungen an Bauwerke gemäß Anhang I der Bauproduktenverordnung erfüllt. Für Bauprodukte können unterschiedliche Verwendungen innerhalb baulicher Anlagen sowie eine Vielzahl potentieller Interaktionsmöglichkeiten mit anderen Bauprodukten in Betracht kommen.
- 33. Aufgaben von Unionsprüfeinrichtungen (zu Kapitel V, Artikel 20).
Es ist nicht klar, worum es sich bei einer Unionsprüfeinrichtung (Artikel 20 des Verordnungsvorschlags) handeln soll und ob es sich um eine Prüfstelle oder eine Stelle, die Prüfergebnisse bewertet, handelt. Unterschiedliche Akkreditierungen wären jeweils erforderlich.
Es ist abzulehnen, dass diese Prüfeinrichtungen an der Streitbeilegung zwischen den Marktüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten, den Wirtschaftsakteuren und den Konformitätsbewertungsstellen mitwirken. Dies impliziert, dass die Prüfergebnisse der von Marktüberwachungsbehörden beauftragten anderen Prüfstellen (zum Beispiel staatliche Prüfeinrichtungen) durch Unionsprüfeinrichtungen überprüft und diese dadurch zu Schiedsstellen werden.
Bezüglich der in Artikel 20 Absatz 2 des Verordnungsvorschlags als verpflichtend geregelten Akkreditierung ist zu beachten, dass die Akkreditierung im Bausektor im Zusammenhang mit der Notifizierung von Stellen für das konkrete Produkt und den diesbezüglichen produktspezifischen Prüfverfahren erfolgt.
Über Bedenken bezüglich der Praktikabilität von Unionsprüfeinrichtungen hinausgehend stellen sich Fragen, inwieweit von den von Unionsprüfeinrichtungen festgestellten Prüfergebnissen Bindungswirkungen ausgehen und ob dies zu einem Eingriff in die Beurteilungskompetenz der Mitgliedstaaten führt. Während Artikel 20 des Verordnungsvorschlags diesbezüglich keine Festlegung trifft, enthält Artikel 25 Absatz 3 eine systematisch wohl dem Verfahrensrecht zuzuordnende Vorschrift, die zu einer Fiktion der Nichtkonformität führt und dadurch in die Beurteilungskompetenz mitgliedstaatlicher Marktüberwachungsbehörden eingreift.
- 34. Verfahren zur Amtshilfe (zu Kapitel VI, Artikel 22 und 23).
Der Bundesrat begrüßt die Aufnahme von bereits in der Verordnung (EG) Nr. 882/2004
festgelegten und in der Verordnung (EU) Nr. 2017/625
fortgeführten bewährten Verfahren zur Zusammenarbeit und Amtshilfe. Bei der Ausgestaltung der Regelungen ist darauf zu achten, dass die proaktiven Handlungsspielräume der Marktüberwachungsbehörden gewährleistet bleiben.
- 35. Zur Unterstützung der Marktüberwachungsbehörden bei Anwendung der Verfahren nach Artikel 22 bis 24 wird die Einrichtung eines Übersetzungsdienstes bei der Kommission vorgeschlagen.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich für einen zentralen Übersetzungsdienst auf EU-Ebene einzusetzen, um die Marktüberwachungsbehörden bei den grenzüberschreitenden Aufgaben zeitnah zu unterstützen (unter anderem Artikel 22 fortfolgende).
Er regt weiter an, eine Regelung zur Übernahme der Kosten von erforderlichen Übersetzungen in der Verordnung zu treffen.
- 36. Die Information über Einschränkung der Bereitstellung auf dem Markt von Produkten, die nicht den geltenden Anforderungen der Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union entsprechen, sind nicht pauschal an die Kommission, das Netzwerk, die anderen Mitgliedstaaten und die Endnutzer zu melden. Beispielsweise bei Prüfungen zur Kennzeichnung nach der CLP-Verordnung, auch wenn Konformität festgestellt wurde, käme es sonst zu einer Flut von Meldungen ohne Effizienzgewinn in der Überwachung. Auch die Regelung zur Eingabe von Daten in das System ist nochmals auf Praxistauglichkeit zu prüfen. Beispielsweise wird es nicht als sinnvoll angesehen, detaillierte Informationen zu Produkten, für die das Verfahren für die Überführung in den zollrechtlichen freien Verkehr nach Artikel 27 ausgesetzt wurde, in das System einzugeben.
- 37. Der in Artikel 29 Absatz 3 des vorliegenden Verordnungsvorschlags auf die Produktsicherheit eingeschränkte Informationsaustausch zwischen den Zoll-und Marktüberwachungsbehörden bezüglich der Konformitätsbilanz zugelassener Wirtschaftsakteure ist zu eng gefasst und um den Bereich des Bausektors zu erweitern.
- 38. Aufgaben der Kommission in Verbindung mit der Koordinierung der zentralen Verbindungsstellen der Mitgliedstaaten (zu Kapitel VIII, Artikel 33).
Nach Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c des Verordnungsvorschlags erhält die Kommission die Aufgabe, die Tätigkeiten der in Artikel 11 genannten zentralen Verbindungsstellen zu koordinieren. Nachdem den Verbindungsstellen im Bundesstaat keine vollständige eigene Koordinationsbefugnis zukommen kann, muss Artikel 33 des Verordnungsvorschlags dahingehend geändert werden. Zudem steht der Kommission auch keine Koordinierungsfunktion gegenüber den Behörden der Mitgliedstaaten zu.
Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c des Verordnungsvorschlags sollte daher dahingehend geändert werden, dass die Kommission die Mitgliedstaaten bei der Koordinierung unterstützt.
- 39. Vorgehensweise bei erforderlicher Aussetzung/Verweigerung der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr (zu Kapitel VII, Artikel 27 Absatz 3, 30).
Die vorgesehene Weisungsbefugnis gegenüber dem Zoll (Artikel 30) ist dahingehend zu ändern, dass die ermittelnde Zollbehörde aufgrund der Entscheidung der Marktüberwachung das weitere Verfahren gestaltet. In Deutschland kommt den Marktüberwachungsbehörden gegenüber den Zollbehörden kein Weisungsrecht zu.
- 40. Die Kommission legt entsprechend den Artikeln 31 bis 33 für alle im Anhang der vorgeschlagenen Verordnung genannten Harmonisierungsrechtsvorschriften Gruppen zur administrativen Koordinierung fest. Die dabei vorgesehene sehr weitgehende Koordinierung sollte nach Auffassung des Bundesrates auf das für die Schutzziele zwingend erforderliche Maß beschränkt bleiben. Daher sind Kennzeichnungsverstöße ohne Sicherheitsbezug hiervon generell auszunehmen.
- 41. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, ein europäisches Markt-überwachungsforum ("Unionsnetz für Produktkonformität") einzurichten (Artikel 31). Eine Einbindung von Wirtschaftsakteuren vor allem in den nach Artikel 32 Ziffer 3 des Verordnungsvorschlags vorgesehenen Gruppen zur administrativen Koordinierung, die Aufgaben zur Gewährleistung der Durchsetzungsmaßnahmen, der Effizienzsteigerung sowie der Festlegung und Koordinierung gemeinsamer Aktionen, Methoden und Verfahren nationaler Markt-überwachungsbehörden (Artikel 33 Ziffer 3) übernehmen, wird jedoch entschieden abgelehnt. Die Beteiligung von Stakeholdern ist auf einzelne Workshops oder Konsultationen und Ähnliches zu begrenzen.