1. Der Bundesrat lehnt grundsätzlichen alle drei Optionen für die Emission von Stabilitätsanleihen im Rahmen der Grünbuchinitiative der Kommission ab:
- - den vollständigen Ersatz nationaler Emissionen durch die Emission von Stabilitätsanleihen mit gesamtschuldnerischer Garantie,
- - den teilweisen Ersatz nationaler Emissionen durch die Emission von Stabilitätsanleihen mit gesamtschuldnerischer Garantie und - den teilweisen Ersatz nationaler Emissionen durch die Emission von Stabilitätsanleihen mit teilschuldnerischer Garantie.
Der Bundesrat ist der Ansicht, dass Stabilitätsanleihen nicht dazu geeignet sind, das Finanzsystem des Euroraums widerstandsfähiger zu machen und somit die Stabilität des Euroraums insgesamt zu steigern. Die Schuldenproblematik des Euroraums wird durch die Begebung gemeinsamer Anleihen der Mitgliedstaaten keineswegs beseitigt, sondern lediglich verschleiert.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Einführung von Stabilitätsanleihen die erheblichen Solvenzprobleme einiger Eurostaaten nicht beheben wird. Er befürchtet, dass der Ausfall einiger dieser Länder bei der Rückzahlung von aufgenommenen Krediten zu einem entsprechendem Hineinwachsen Deutschlands in die Rückzahlungsverpflichtungen führen könnte, die in ihrer Höhe zusätzlich zur eigenen Verschuldung Deutschlands die Schuldentragfähigkeit Deutschlands und des deutschen Steuerzahlers überfordern. Das gilt insbesondere für den Fall, dass bisher stabilere Euroländer auf Grund zunehmender eigener Probleme an den Finanzmärkten als Retter schwächerer Länder an der Seite Deutschlands ausfallen sollten.
Die Herabstufung von neun Staaten der Eurozone - unter anderem Frankreich, Italien und Spanien - ist eine Warnung.
Stabilitätsanleihen stellen nach Auffassung des Bundesrates eine Vergemeinschaftung der Zinsrisiken dar. Die gemeinsame Haftung aller Euro-Länder würde die Schuldenstaaten vor dem disziplinierenden Druck der Märkte schützen und den ökonomischen Anreiz für solide Staatsfinanzen beseitigen. Bestraft würden volkswirtschaftlich und haushalterisch robuste Staaten. Eine solche Entwicklung zu einer Transferunion wird vom Bundesrat abgelehnt.
Der Bundesrat lehnt dauerhafte Mechanismen, die keine Anreize zu solider Haushaltspolitik setzen, ab. Sie schwächen die finanzpolitische Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten und den vertraglich festgelegten Haftungsausschluss. Nach Auffassung des Bundesrates muss an den zentralen Ursachen der Probleme der Mitgliedstaaten angesetzt werden. Neben der hohen Verschuldung müssen die strukturellen Probleme gelöst werden.
Nur wenn die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Euroländer nachhaltig gestärkt wird, können nach Auffassung des Bundesrates ähnliche Krisen verhindert werden. Dabei geht es nicht darum, erfolgreiche Länder zu sanktionieren, sondern Ländern mit geringer Wettbewerbsfähigkeit einen Anreiz zu geben, sich zu verbessern.
Der Bundesrat betont die Notwendigkeit einer glaubhaften Konsolidierungspolitik aller Mitgliedstaaten der Eurozone und begrüßt, dass der Europäische Rat am 8. und 9. Dezember 2011 einen neuen "fiskalpolitischen Pakt" beschlossen hat. Der Bundesrat unterstützt ausdrücklich, dass sich die an der Einigung beteiligten Mitgliedstaaten dazu verpflichten, auf Verfassungs- oder vergleichbarer Ebene eine nationale Schuldenbremse einzuführen und deren Etablierung durch den Europäischen Gerichtshof als unabhängige Instanz kontrollieren zu lassen. Ebenso bewertet es der Bundesrat positiv, dass sich die Staats- und Regierungschefs auf quasiautomatische Sanktionen im Falle von Verstößen gegen die Stabilitätskriterien einigen konnten.
2. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission mit ihrem Grünbuch über die Durchführbarkeit der Einführung von Stabilitätsanleihen und der damit verbundenen Konsultation die Grundlage für eine Diskussion auf breiter Basis geschaffen hat.
Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass Stabilitätsanleihen sowohl Chancen als auch Risiken in sich bergen. Der Möglichkeit, hochverschuldeten Staaten über geringere Zinssätze eine finanzwirtschaftliche Unterstützung zu bieten, steht die Gefahr nachlassender finanzpolitischer Disziplin gegenüber, welche die Haftungsrisiken der Mitgliedstaaten erhöhen könnte.
Nach Auffassung des Bundesrates müsste die Einführung von Stabilitätsanleihen deshalb mit Maßnahmen einhergehen, die eine dauerhafte Rückführung der Staatsverschuldung, aber auch das Setzen von Wachstumsimpulsen und eine Umsetzung von Strukturreformen in den Mitgliedstaaten beinhalten. Es muss gelingen, die Rückführung der Staatsverschuldung in ihren Wirkungen so zu begrenzen, dass es nicht zu einer nachhaltigen Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Mitgliedstaaten kommt.
Der Bundesrat sieht wie die Kommission, dass im Falle einer Emission von Stabilitätsanleihen auf der Grundlage gesamtschuldnerischer Garantien gegen das Bailout-Verbot verstoßen würde und insoweit wesentliche Vertragsänderungen erforderlich wären. Auch wären dann Änderungen im nationalen Recht notwendig.
Eine abschließende Bewertung wird der Bundesrat vornehmen, sofern es zu einer Konkretisierung der Einführung von Stabilitätsanleihen kommen sollte.
In diesem Zusammenhang weist der Bundesrat darauf hin, dass die Frage, ob die Finanzierung der Länderhaushalte in ein solches System eingebunden werden sollte, von der Kommission offen gelassen wurde. Wegen der zu erwartenden Folgen für die Finanzierung der Länderhaushalte durch die Einführung von Stabilitätsanleihen fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, die Länder bei der genannten Konkretisierung von Anfang an eng zu beteiligen.
Der Bundesrat weist abschließend darauf hin, dass auch die Länder ungünstigeren Kreditkonditionen als der Bund ausgesetzt sind. Eine Emission von "Deutschlandbonds" unter der Führung des Bundes könnte den Ländern erhebliche Zinsvorteile sichern und einen Beitrag zur Einhaltung der Schuldenbremsen leisten. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung deshalb auf, die Emission von "Deutschlandbonds" in Zukunft in Erwägung zu ziehen.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, seine Auffassung in den weiteren Verhandlungen im Zusammenhang mit der Finanzkrise in gebührender Weise zu berücksichtigen.