3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in den Beratungen auf europäischer Ebene auf eine Änderung von Artikel 16 Absatz 3 des Verordnungsvorschlags hinzuwirken.
Nach Artikel 16 Absatz 3 des Verordnungsvorschlags sollen die Mitgliedstaaten auf die Einleitung von Verfahren in Fällen eines nicht vorsätzlichen Verstoßes gegen Rechtsvorschriften, von denen sie lediglich aufgrund einer Meldung gemäß den Artikeln 4 und 5 des Verordnungsvorschlags Kenntnis erlangen, verzichten, sofern nicht ein Fall grober Fahrlässigkeit vorliegt. Ausweislich der Erwägungsgründe 31 und 35 soll die Regelung dazu dienen, eine "Kultur des gerechten Umgangs" zu etablieren. Beschäftigte würden möglicherweise durch die Furcht vor einer strafrechtlich relevanten Selbstbelastung davon abgehalten, Ereignisse zu melden. Mit der Regelung soll sichergestellt werden, dass sie auf der Grundlage der Informationen, die sie gemäß dieser Verordnung übermittelt haben, nicht strafrechtlich verfolgt werden.
Die vorgesehene Regelung ist abzulehnen. Sie widerspricht dem der deutschen Strafprozessordnung zu Grunde liegenden Legalitätsprinzip ( § 152 Absatz 2 StPO). Danach sind die Staatsanwaltschaften verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte bestehen. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen besteht eine staatsanwaltschaftliche Pflicht zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Gründe, die vorliegend eine Einschränkung des für das deutsche Strafverfahrensrecht zentralen Legalitätsprinzips rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Weder der Begründung des Verordnungsvorschlags noch den Erwägungsgründen sind in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Hinweise auf bestehende Defizite zu entnehmen.
Das erklärte Ziel, ein möglichst umfassendes Aufkommen an Ereignismeldungen zu erzielen, kann jedenfalls einen generellen Verzicht auf die strafrechtliche Überprüfung möglicherweise fahrlässigen Verhaltens im Flugverkehr nicht rechtfertigen. Eine entsprechende Meldung des fahrlässig handelnden Bediensteten kann im Übrigen im Rahmen der Entscheidung über eine Einstellung eines Verfahrens bzw. bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden.
Es hat daher bei der derzeitigen Regelung in Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie 2003/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2003 über die Meldung von Ereignissen in der Zivilluftfahrt zu verbleiben, die einen Verzicht auf die Einleitung eines Verfahrens unbeschadet der geltenden strafrechtlichen Vorschriften bestimmt. Dann entfällt auch die sich ansonsten aus Artikel 21 des Verordnungsvorschlags ergebende, als sachwidrig zu bezeichnende Pflicht, Strafnormen für Bedienstete der Strafverfolgungsbehörden zu schaffen, die aufgrund einer Meldung gemäß den Artikeln 4 und 5 Ermittlungen wegen einfach fahrlässiger Straftaten von Informanten aufnehmen.