A. Problem
- Eine Verbesserung der Position der Opfer im Strafverfahren konnte zuletzt durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren (Opferrechtsreformgesetz - OpferRRG -) vom 24. Juni 2004, BGBl. I 2004, S. 1354, erreicht werden. Es hat die Entschädigung des Verletzten, §§ 403-406c StPO, durch ein Recht des Antragstellers zur sofortigen Beschwerde durch § 406a Abs. 1 Satz 1 StPO gegen den Beschluss, mit dem das Gericht gemäß § 405 Abs. 1 Satz 3 und 4 StPO von einer Entscheidung über den Antrag § 405 Abs. 5 Satz 2 StPO abgesehen hat, gestärkt. Hilfe für Opfer von Straftaten, wie sie die 74. Konferenz der Justizministerinnen und -minister vom 11. bis 12. Juni 2003 in Glücksburg gefordert hat, verlangt weitergehende Änderungen im Bereich der Entschädigung des Verletzten.
- Dass die Entschädigung des Verletzten im Rahmen des Strafverfahrens "totes Recht" (so Jescheck, JZ 1958, 591, 593) ist, hängt gerade auch damit zusammen, dass in Verfahren bei Strafbefehl die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen durch das Opfer nicht zulässig sein soll (vgl. BGH NJW 1982, 1047, 1048; OLG Tübingen GA 1953, 159; KK-Engelhardt 5. Aufl., § 403 Rn 12; LR-Gössel 25. Aufl., vor § 407 Rn 9; Granderath NStZ 1984, 399, 400; LR-Hilger 25. Aufl., § 403 Rn 20; HK-StPO-Kurth 3. Aufl., § 403 Rn 15; Meyer-Goßner 47. Aufl., § 406 Rn 1; Pfeiffer StPO 4. Aufl., § 403 Rn 5; AK-StPO-Schöch 1. Aufl., § 403 Rn 17; KMR-Stöckel § 406 Rn. 4; LR-Wendisch 24. Aufl., § 403 Rn. 15 - a.A. Sommerfeld/Guhra NStZ 2004, 420, 424; Kuhn JR 2004, 397, 400). Dabei erfolgt die Erhebung der öffentlichen Klage mittlerweile überwiegend nach §§ 170 Abs. 1, 407 Abs. 1 S. 4 StPO (vgl. Böttcher in FS Odersky, S. 299, 323).
- Hilfe für Opfer von Straftaten durch Verbesserung der Position der Opfer im Verfahren ist demnach durch den Abbau von Anwendungshemmnissen bei der Entschädigung des Verletzten zu erreichen.
B. Lösung
- Änderung der Strafprozessordnung durch eine klarstellende Ergänzung des § 407 StPO, wonach die Vorschriften über die Entschädigung des Verletzten bei Ansprüchen bis zu 1500,- Euro im Verfahren bei Strafbefehlen entsprechende Anwendung finden.
C. Alternativen
D. Finanzielle Auswirkungen
- Es ist ein nicht näher bestimmbarer finanzieller Mehraufwand seitens der Staatsanwaltschaften und Strafgerichte durch vermehrte Anwendung der Vorschriften über die Entschädigung des Verletzten im Strafverfahren zu erwarten, der nach vorsichtiger Schätzung - durch Übertragung der derzeit bestehenden insgesamt geringen Anwendungsquote des Adhäsionsverfahrens für Urteile auf die Strafbefehlsverfahren - nicht erheblich sein dürfte. Es kommt hinzu, dass diesem Mehraufwand ein nicht näher bestimmbarer finanzieller Minderaufwand durch die dadurch bedingte Reduzierung der Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche im Zivilprozess gegenüber stehen dürfte.
E. Sonstige Kosten
Gesetzesantrag des Landes Schleswig-Holstein
Entwurf eines ... Gesetzes zur Verbesserung der Position der Opfer im Strafverfahren (... StPOÄndG)
Der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein Kiel, den 6. November 2007
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust
Sehr geehrter Herr Präsident,
die schleswigholsteinische Landesregierung hat in ihrer Sitzung am 6. November 2007 beschlossen, dem Bundesrat den anliegenden
- Entwurf eines ... Gesetzes zur Verbesserung der Position der Opfer im Strafverfahren (... StPOÄndG)
zuzuleiten.
Ich bitte Sie, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Harry Carstensen
Anlage
Entwurf eines ... Gesetzes zur Verbesserung der Position der Opfer im Strafverfahren (... StPOÄndG)
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 07. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327), wird wie folgt geändert:
§ 407 wird wie folgt geändert:
- 1. Nach Absatz 2 wird der folgende Absatz 3 eingefügt:
- "(3) Die Vorschriften über die Entschädigung des Verletzten, §§ 403 bis 406c, finden im Verfahren bei Strafbefehlen entsprechende Anwendung, sofern der vermögensrechtliche Anspruch nicht mehr als 1.500,- Euro beträgt."
- 2. Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 4.
Artikel 2
Inkrafttreten
- Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Begründung:
A. Allgemeiner Teil
Da nach bisheriger Rechtsprechung und herrschender Literaturmeinung die Entschädigung des Verletzten im Strafbefehlsverfahren nicht zulässig sein sollte und diese daher in der Praxis nicht zur Anwendung kam, soll die Ergänzung der Vorschriften über das Strafbefehlsverfahren klarstellen, dass die Geltendmachung von Entschädigung durch die jeweiligen Opfer auch im Strafbefehlsverfahren zulässig und erwünscht ist. Durch die Änderung sollen weiterhin konsequent die Opferrechte gestärkt und dem Opfer die Entscheidung überlassen werden, vor welchem Gericht der aus der vorhergegangenen Straftat erwachsene Anspruch geltend gemacht wird (vgl. Kuhn, a. a. O. - mit dem Hinweis auf den eindeutig hierauf abzielenden Willen des Gesetzgebers in BT-Drucks. 15/1976, S. 15 f.). Eine konsequente und sinnvolle Stärkung der Opfer setzt daher voraus, dass auch im Strafbefehlsverfahren Entschädigungen geltend gemacht werden können. Andernfalls blieben bereits pauschal mehr als die Hälfte aller Strafverfahren einer Entschädigung für das Opfer nicht zugänglich (Böttcher, a. a. O.).
Zudem ist das Verfahren bei Strafbefehlen ein summarisches Verfahren zur Erledigung einfach gelagerter Fälle von geringer Tat- und Schuldschwere (KK-Fischer, 5. Aufl., vor 407 Rn. 1), während geeignete Fälle für die Entschädigung von Verletzten im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens vorliegen, wenn nicht über schwierige bürgerlichrechtliche Rechtsfragen zu entscheiden ist. Beiden Verfahren ist insoweit gemeinsam, dass die zu Grunde liegenden Sachverhalte einfacher Natur sein müssen, woraus resultiert, dass die für das jeweilige Verfahren in Frage kommenden Fallgestaltungen untereinander eine große Schnittmenge aufweisen.
Sind diese Sachverhalte aber wie bisher entweder nur dem Strafbefehls- oder dem Adhäsionsverfahren zugänglich, ist das Adhäsionsverfahren bei überwiegender Anwendung des Strafbefehlsverfahrens durch die Praxis faktisch nahezu bedeutungslos.
Sinn und Zweck beider Verfahren besteht aber gerade darin, Verfahrensabläufe in rechtlich einfach gelagerten Fälle zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Um diesem Sinn und Zweck daher für beide Verfahren gerecht zu werden ist die Anwendung der Entschädigungsvorschriften auf das Strafbefehlsverfahren unerlässlich.
Im Ergebnis liegt bei einer Anwendung der Vorschriften über die Entschädigung des Opfers im Strafbefehlsverfahren keine unzulässige Durchbrechung des Mündlichkeitsgrundsatzes vor. Bereits das Strafbefehlsverfahren für sich genommen durchbricht aufgrund seines summarischen Charakters den allgemeinen Grundsatz der Mündlichkeit (KK-Fischer, a. a. O.). Auch dem Zivilprozessrecht ist die Durchbrechung des Mündlichkeitsgrundsatzes nicht fremd, so zum Beispiel bei Mahnverfahren oder bei Versäumnisurteilen im schriftlichen Vorverfahren.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1
Artikel 1 regelt die Einführung des neuen § 407 Abs. 3 StPO, wonach die Vorschriften über die Entschädigung des Verletzten, §§ 403-406c StPO, auch auf das Strafbefehlsverfahren anwendbar sind.
Die Verfahrensvorschriften im Strafbefehlsverfahren finden hierbei gleichzeitig entsprechende Anwendung auf das Adhäsionsverfahren. Dies ist unproblematisch möglich und gesonderte Regelungen bezüglich des Ablaufs des Verfahrens der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen in Strafbefehlsverfahren sind daher nicht erforderlich. Das Adhäsionsverfahren wird bei Anwendung im Strafbefehlsverfahren insoweit vollständig an die Verfahrensvorschriften des Strafbefehlsverfahrens angepasst.
Durch die Begrenzung der Möglichkeit, Entschädigungsansprüche im Rahmen eines Strafbefehlsverfahrens geltend zu machen, auf Beträge von nicht mehr als 1500.- Euro, wird sichergestellt, dass schwerwiegendere Verletzungen und komplizierter gelagerte Fälle einer mündlichen Verhandlung und ausführlichen Erörterung zugeführt werden. Ähnlich der im Zivilprozessrecht gem. § 495a ZPO für Verfahren nach billigem Ermessen gewählten Grenze von 600.- Euro wird somit die Verfahrensvereinfachung auf hierfür auch tatsächlich geeignete Fälle beschränkt.
Allerdings ist die Grenze für Entschädigungen im Strafrecht deutlich höher anzusetzen, da die Entschädigungsforderungen in Strafverfahren üblicherweise schnell die Summe von 600.- Euro übersteigen und eine zu niedrige Grenze daher zu einer faktischen Unanwendbarkeit der Entschädigungsvorschriften auf das Strafbefehlsverfahren führen würde.
Zu Artikel 2
Artikel 2 regelt das Inkrafttreten.