Hans Martin Bury Berlin, den B. November 2005
Staatsminister für Europa
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Harry Carstensen
Sehr geehrter Herr Präsident,
beigefügt finden Sie den vom Bundesrat erbetenen Bericht der Bundesregierung zu europäischen Agenturen*) mit einer aktuellen Übersicht.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Martin Bury
*) siehe Drucksache 168/05(B)
Bericht der Bundesregierung zum Beschluss des Bundesrates zum Entwurf für eine interinstitutionelle Vereinbarung zur Festlegung von Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen
Der Bundesrat hat in seiner 811. Sitzung am 27. Mai 2005 im Rahmen seiner Stellungnahme zum Entwurf einer interinstitutionellen Vereinbarung zur Festlegung von Rahmenbedingungen für die Europäischen Regulierungsagenturen folgende Bitte geäußert:
- Der Bundesrat bittet die Bundesregierung um einen Bericht, wie sie die Kompetenzen, Aufgaben und Tätigkeiten der bisher bestehenden Europäischen Agenturen (Exekutivagenturen, Regulierungsagenturen und sonstigen Agenturen) beurteilt, welche Auswirkungen der Tätigkeit der Agenturen sie auf die Tätigkeit der Bundes- und Landesbehörden sieht und wie sie die mögliche Schaffung weiterer Exekutivinstitutionen beurteilt.
Derzeit gibt es in der EU 18 aktive und 3 im Aufbau befindliche Regulierungsagenturen, die sich mit vergemeinschafteter Materie beschäftigen, 3 Agenturen im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik und 4 Agenturen im Bereich Justiz und Inneres (Auflistung siehe Anlage). Teilweise existieren Agenturen schon sehr lange, teilweise sind sie erst kürzlich gegründet worden. Die Aufgaben und Kompetenzen von Agenturen werden jeweils in ihrem Gründungsrechtsakt festgelegt und richten sich nach den Erfordernissen des jeweiligen Sachgebiets. Zu einem großen Teil sammeln Agenturen Informationen, bereiten sie auf, bewerten sie und stellen sie den Mitgliedstaaten bzw. der Öffentlichkeit zur Verfügung. Teilweise beschränken Sie sich auf diese Tätigkeit und haben keinerlei exekutive Aufgaben wie z.B. die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die Europäische Stelle zur Beobachtung von Drogen und Drogensucht oder das Europäische Zentrum für die Förderung der Berufsbildung. Die Agenturen werden generell durch die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten kontrolliert: Im Verwaltungsrat der Agenturen ist jeder Mitgliedstaat grundsätzlich mit mindestens einer Person vertreten und hat dort Einfluß auf das Arbeitsprogramm, den Haushalt und andere grundlegende Bereiche der Agentur.
Von diesen Regulierungsagenturen zu unterscheiden sind sog. Exekutivagenturen nach Art. 55 der Haushaltsordnung, deren Aufgabe es ist, unter Aufsicht der Kommission ein gemeinschaftliches Programm oder Vorhaben ganz oder teilweise durchzuführen. Derzeit bestehen 3 Exekutivagenturen, und zwar für intelligente Energie, für Bildung und Kultur sowie für öffentliche Gesundheit, die ihre Tätigkeit bereits aufgenommen haben bzw. bald aufnehmen werden.
Die Bundesregierung beurteilt die Tätigkeit der bisher bestehenden Agenturen insgesamt positiv, da sie innerhalb des jeweils vorgesehenen Rechtsrahmens einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung und Umsetzung der Politiken der Europäischen Union leisten. Negative Auswirkungen auf die Tätigkeit der Bundes- oder Landesbehörden sind nicht bekannt. Die EU-Agenturen bedürfen z.T. der Zuarbeit durch nationale Stellen.
Als innovatives Instrument einer kohärenten EU Governance können Agenturen wertvolle Dienste bei der effizienten und effektiven Umsetzung von Gemeinschaftspolitiken oder Einzelprogrammen leisten, insbesondere im Zusammenhang mit dem Ausbau des Europäischen Binnenmarktes. Bei der Schaffung eventueller weiterer Agenturen oder der Ausweitung der Kompetenzen bestehender Agenturen muß neben einer ausreichenden Rechtsgrundlage im Gemeinschaftsrecht stets die Notwendigkeit neuer oder erweiterter Agenturen auch unter den Gesichtspunkten Subsidiarität und Finanzierbarkeit nachgewiesen werden. Es entstehen Risiken wie die Duplizierung und Unübersichtlichkeit von Zuständigkeiten, eine mögliche Eigendynamik der Politikentwicklung und ein zu großes Anwachsen der Finanzausstattung und der Personalbestände.
Wie den entsprechenden Haushaltslinien zu entnehmen ist, sind die Budgets einiger Agenturen zwar stabil, größtenteils aber im Wachsen begriffen. Auch die Finanzausstattung für neue Agenturen hat erhebliche Auswirkungen auf den Gemeinschaftshaushalt. Verschiedene Mitgliedstaaten hinterfragten die Steigerung der für die Agenturen veranschlagten Mittel für 2006 um 22% bei gleichzeitiger Erhöhung des Verwaltungshaushalts der Kommission um 6%. Die Erklärung der Kommission hierfür war, daß sich mehrere Agenturen im Aufbau befänden (z.B.: Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs, Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, Europäische Polizeiakademie) oder das Mandat von Agenturen erweitert werde (z.B.: Europäische Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln, Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, demnächst Agentur faür Menschenrechte). Der Personalaufwand im Haushaltsplan 2005 betrug 2735 Bedienstete. 2006 kommen über 400 zusätzliche Stellen für Regulierungsagenturen hinzu.
Direkte Entlastungen für den Verwaltungshaushalt der Kommission gibt es nach Aussage der Kommission nur durch Exekutivagenturen, die unmittelbar mit der Verwaltung von Gemeinschaftsprogrammen beauftragt sind. Das Prinzip, bestimmte Aufgaben aus dem unmittelbaren Arbeitsbereich der Kommission auszulagern, kann unter Kosten- und Verwaltungsgesichtspunkten sinnvoll sein. Regulierungsagenturen können mittelbar Entlastungen für nationale Behörden mit sich bringen.
Der Errichtung einer Agentur werden in der Regel eine Kosten-Nutzen-Analyse und eine Folgeabschätzung vorgeschaltet. Hierbei sind folgende Kriterien zu beachten:
- - alternative Optionen müssen geprüft werden (z.B. Übernahme der Aufgaben und Aktivitäten durch die Kommission, Erweiterung einer bestehenden Agentur, externe Vergabe);
- - die Auslagerung von Verwaltungsaufgaben aus der Kommission muss Synergie oder Effizienzgewinne zeitigen bzw. zu Einsparungen an anderer Stelle führen (nationale Behörden, weitere Dienststellen der Kommission) führen; der europäische Mehrwert muss konkret nachgewiesen werden. Mitgliedstaaten, die schon nationale Programme oder eigene Maßnahmen ergriffen haben, dürfen nicht benachteiligt werden;
- - Duplizierungen und Überschneidungen mit Zuständigkeiten in anderen Kommissionsdienststellen, Behörden der Mitgliedstaaten oder internationalen Organisationen sind zu vermeiden; dem Entstehen einer möglichen europäischnationalen "Mischverwaltung" ist entgegenzuwirken;
- - wenn Struktur und Aufgabengebiet der Agentur dies erlauben, sollten die Kosten durch zu erhebende Gebühren gedeckt werden.
Der Kommissions-Entwurf einer Interinstitutionellen Vereinbarung zur Festlegung von Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen (KOM2005/59 endgültig) bietet hierfür Ansätze, enthält jedoch zugleich eine Reihe von Vorschlägen, die die Rolle der Mitgliedstaaten in den Agenturen erheblich schwächen würden. Zudem ist die Frage einer gültigen Rechtsgrundlage für eine solche Vereinbarung noch ungeklärt.
Die Anwendung des Beamtenstatuts (inkl. des Protokolls über Vorrechte und Befreiungen) auf alle Beschäftigten von Agenturen sollte restriktiv gehandhabt werden. Zeitverträge für die Bediensteten der Agenturen sind zu bevorzugen. Es ist auf eine möglichst kohärente Struktur und einheitliche Bedingungen für die in den Agenturen Beschäftigten zu achten.
Autonome Einrichtungen der EU (Agenturen) Stand: 31.10.2005 |
Agentur | Sitz |
CEDEFOP - Europ. Zentrum f. d. Förderung d. Berufsbildung | Thessaloniki |
EUROFOUND - Europ.Stiftung z. Verbesserung d. Lebens- und Arbeitsbedingungen | Dublin |
EEA - Europ. Umweltagentur | Kopenhagen |
ETF - Europ.Stiftung f. Berufsbildung | Turin |
EBBD -Europ. Stelle zur Beobachtungs v. Drogen u. Drogensucht | Lissabon |
EMEA - Europ. Agentur f. d. Beurteilung v. Arzneimitteln | London |
HABM - Harmonisierungsamt f. d. Binnenmarkt | Alicante |
EU-OSHA - Europ.Agentur f. Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz | Bilbao |
OCVV - Gemeinschaftliches Sortenamt | Angers |
CdT - Übersetzungszentrum f. d. Einrichtungen d. EU | Luxemburg |
EUMC - Europ. Stelle zur Beobachtung v. Rassismus u. Fremdenfeindlichkeit | Wien |
EAR - Europ. Agentur f. d. Wiederaufbau | Thessaloniki |
EFSA - Europ. Behörde f. Lebensmittelsicherheit | Parma |
EMSA - Europ. Agentur f. d. Sicherheit d. Seeverkehrs | Lissabon |
EASA - Europ. Agentur f. Flugsicherheit | Köln |
ENiSA - Europ. Agentur f. Sicherheit in der Informationstechnik | Heraklion |
ECDC - Europ. Zentrum f. d. Prävention u. Kontrolle v. Krankheiten | Stockholm |
ERA - Europ. Eisenbahnagentur | Lille- Valenciennes |
EUFA-Europ. Fischereiaufsichtsbehörde | Spanien |
Europ. Chemikalienagentur | Helsinki |
Europ. Gleichstellungsinstitut | |
Einrichtungen in den Bereichen polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit im Strafrechtsbereich sowie im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik:
Einrichtung | Sitz |
Europol | Den Haag |
Eurojust | Den Haag |
Europ. Grenzschutzagentur | Warschau |
Europ. Polizeiakademie | London |
EUiSS = institut für Sicherheitsstudien | Paris |
EUSC (SATCEN) = Satellitenzentrum | Torrejön |
Europäische Verteidigungsagentur | Brüssel |
* kursivgeschreibene Agenturen sind noch im Aufbau befindlich.