920. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2014
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich das Ziel der Kommission, den Ausstoß schädlicher Emissionen zu begrenzen und einheitliche Grenzwerte einzuführen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt den Richtlinienvorschlag, da dieser die Ziele der Luftreinhaltung unterstützt.
- 3. Eine EU-weite Festlegung ambitionierter und verbindlicher Grenzwerte ist ein geeignetes Instrument.
- 4. Allerdings sind im Hinblick auf die Ziele des Klimaschutzes die für die Anlagen zur Nutzung regenerativer Energien (Biomasse) vorgeschlagenen Grenzwerte zu hinterfragen.
- 5. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass hauptsächlich Primärmaßnahmen zur Emissionsminderung zum Einsatz kommen sollten. Gegenüber Primärmaßmaßnahmen sind Sekundärmaßnahmen (z.B. nachgeschaltete Apparaturen zur Entfernung von Partikeln, NOx und SO2) aufwändig und mit hohen Kosten verbunden.
- 6. Der Bundesrat weist darauf hin, dass eine umfassende Folgenabschätzung unerlässlich ist. Die vorliegende Begründung lässt nicht erkennen, dass eine solche weitreichende Abschätzung vorgenommen wurde. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, inwieweit im Hinblick auf Biomassefeuerungsanlagen sowohl der derzeitige Stand der Technik und die Entwicklungsfortschritte in den letzten Jahren analysiert als auch der vorhandene Anlagenbestand und die Folgen für die energiepolitischen Ziele (vgl. Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen) in die Abschätzung miteinbezogen wurden.
- 7. Die Herleitung der vorgeschlagenen Emissionsgrenzwerte für biogene Festbrennstoffe ist nicht nachvollziehbar. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, auf welcher Basis die Festlegung der Emissionswerte erfolgte und eine eigene Bewertung vorzunehmen.
- 8. Der Bundesrat sieht bei dem Richtlinienvorschlag jedoch noch erheblichen Prüf- und Änderungsbedarf.
- 9. Er bittet die Bundesregierung, die nachfolgenden Aspekte in die Verhandlungen auf EU-Ebene einzubringen.
- 10. Die in Anhang II und in Anhang III für feste Biomasse vorgeschlagenen Grenzwerte sind für NOx und Feinstaub ohne aufwändige Sekundärmaßnahmen (z.B. Gewebefilter oder Apparaturen zur Entfernung von NOx aus Rauch- und Abgasen) nicht einzuhalten. Ohne kapitalintensive Investitionen wird die energetische Nutzung von Rest- und Abfallstoffen (z.B. Waldrestholz mit Rindenanteilen) in kleinen dezentralen Anlagen zukünftig nicht mehr möglich sein. Es ist zu befürchten, dass bei Einführung der verschärften Grenzwerte das erreichte Niveau der Biomassenutzung nicht nur stagnieren, sondern mittelfristig einbrechen wird.
- 11. Die im Anhang II vorgeschlagenen Grenzwerte für Biomassebrennstoffe sind zu überprüfen. Es ist davon auszugehen, dass die Werte in den meisten Fällen ohne aufwändige Sekundärmaßnahmen (z.B. Gewebefilter für Feinstaub oder Apparaturen zur Entfernung von NOx und SO2 aus Rauch- und Abgasen) nicht einzuhalten sind. Ohne kapitalintensive Investitionen würde gerade die energetische Nutzung von Rest- und Abfallstoffen (z.B. Waldrestholz mit Rindenanteilen, Landschaftspflegeholz) sowie von Anbaubiomasse (z.B. Holz aus Kurzumtriebsplantagen, Halmgut) zukünftig nicht mehr möglich sein. Es wäre zu befürchten, dass das erreichte Niveau der Biomassenutzung nicht nur stagnieren, sondern kurz- bis mittelfristig einbrechen würde.
- 12. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass die in Deutschland bewährten Emissionsbegrenzungen für NOx und Feinstaub beibehalten und diese anstelle der von der Kommission vorgeschlagenen Grenzen gegebenenfalls europaweit eingeführt werden. Zudem ist die Begrenzung der SO2-Emissionen bei der Verbrennung von Biomasse nicht erforderlich, da die meisten nachwachsenden Brennstoffe nur einen geringen Schwefelgehalt aufweisen.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Beratungen dafür einzusetzen, dass keine Grenzwerte für SO2 festgelegt werden und somit kostenintensive Messverfahren zur Bestimmung der SO2-Emissionen, die regelmäßig nur geringe Emissionen registrieren werden, entfallen können. Für Halmgut sollte der bestehende SO2-Grenzwert der TA Luft beibehalten werden.
- 13. Zur Berücksichtigung der Ziele zur Luftreinhaltung einerseits und der Ziele zum Einsatz erneuerbarer Energien andererseits sollten differenzierte Anforderungen nach Größe (z.B. 1-5 MW und 5-50 MW) und Brennstoffen gestellt werden.
- 14. Einheitliche Grenzwerte für Anlagen mit einer Feuerungswärmeleistung von 1 bis 50 MW (Anhang II) werden den technischen Gegebenheiten nicht gerecht. Hier ist entweder eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Richtlinie (z.B. auf Anlagen mit einer Feuerungswärmeleistung von 20 bis 50 MW) oder eine Differenzierung der Anlagen in Leistungsklassen mit damit einhergehenden unterschiedlichen Grenzwerten notwendig. Zusätzlich sind die Grenzwerte weiter nach den Brennstoffen zu differenzieren.
- 15. Durch unterschiedlich strenge Emissionsbegrenzungen sollte dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung getragen werden, so dass eine weitere positive Entwicklung des Einsatzes erneuerbarer Energieträger nicht verhindert wird.
- 16. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Beratungen des Richtlinienvorschlags auf eine kritische Überprüfung der geplanten Emissionsgrenzwerte für Stickstoffoxide bei neuen Biomassefeuerungsanlagen, insbesondere im Bereich von 1 bis 5 MW, hinzuwirken. Es ist davon auszugehen, dass in vielen Fällen die Installation einer aufwändigen Entstickungsanlage erforderlich werden würde. Dies ist weder aus Gründen der Luftreinhaltung geboten noch wirtschaftlich zumutbar.
- 17. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die in Artikel 5 Absatz 4 in Verbindung mit Anhang III vorgesehenen Emissionsgrenzwerte abzulehnen. Für Gebiete, die immissionsseitig noch nicht die europäischen Luftqualitätsgrenzwerte einhalten, werden dort deutlich anspruchsvollere Emissionsgrenzwerte für alle von der Richtlinie erfassten Feuerungsanlagenarten vorgesehen. Diese verschärften Anforderungen dürften in vielen Fällen nur mit der Installation aufwändiger Entstickungsanlagen einhaltbar sein. In Gebieten, die lediglich Feinstaub-Grenzwertüberschreitungen zu überwinden haben, sind die strengen Grenzwerte für Stickstoffoxide überhaupt nicht zu begründen. Übergangsfristen für die mittelgroßen Feuerungsanlagen in diesen Gebieten sind in der vorgeschlagenen Richtlinie nicht genannt. Dies ist weder aus Gründen der Luftreinhaltung geboten noch wirtschaftlich zumutbar. Darüber hinaus wirft diese Vorgehensweise Fragen bei der Gebietsabgrenzung auf.
- 18. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Beratungen des Richtlinienvorschlags auf die Einführung von angemessenen Begrenzungen der Emissionen von Kohlenmonoxid CO als Leitparameter für eine emissionsarme Verbrennung organischer Stoffe anlagenspezifisch entsprechend der TA Luft 2002 hinzuwirken. Bislang sind nur Emissionsgrenzwerte für die Luftschadstoffe Schwefeldioxid SO2, Stickstoffoxide NOx und [Fein-]Staub bei mittelgroßen Feuerungsanlagen vorgesehen.
- 19. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die in Artikel 5 vorgesehenen Fristen für Bestands- und Neuanlagen nicht ausreichend sind, um die notwendigen technischen Fortschritte und Weiterentwicklungen in der Anlagentechnik zu erreichen.
- 20. Außerdem ist auf ausreichende Übergangsfristen für Bestands- und Neuanlagen zu achten, um einen angemessenen Investitionsschutz zu wahren und die notwendigen technischen Fortschritte und Weiterentwicklungen in der Anlagentechnik zu erreichen.
- 21. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Beratungen dafür einzusetzen, dass die Übergangsfristen auf fünf Jahre angehoben bzw. bei Bestandsanlagen einheitlich der Stichtag 1. Januar 2030 festgelegt wird.
- 22. Gleichzeitig sollen Anreize geschaffen werden für eine Weiterentwicklung des Standes der Technik und deren beschleunigter Umsetzung.
Begründung zu Ziffern 2, 4, 9, 13, 15 und 22 (nur gegenüber dem Plenum):
Das bereits bestehende deutsche Recht trägt den sehr unterschiedlichen Ausgestaltungen von Feuerungsanlagen im Bereich 1 bis 50 Megawatt durch nach Größe und Brennstoff gestaffelte Grenzwerte Rechnung. Dies fehlt in der vorgeschlagenen Richtlinie.
Die vorgeschlagenen Grenzwerte für NOx können von Biomassefeuerungen im Bereich 1 bis 5 Megawatt nur durch sekundäre Reinigungseinrichtungen eingehalten werden. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen hat Messwerte von Feuerungen mit unterschiedlichen Brennstoffen ausgewertet, die das bestätigen.
Die vorgeschlagenen Grenzwerte für SO2 sind gerade für Anlagen, die halmgutartige Brennstoffe oder Holzbrennstoffe minderer Qualitäten verwenden, nicht mit Primärmaßnahmen einzuhalten.
Gerade bei kleineren Biomassefeuerungen (1 bis 5 Megawatt) ist die Anschaffung von sekundären Reinigungseinrichtungen oft nicht verhältnismäßig, da die Investition in derselben Größenordnung läge wie für die Anlage selbst. Bei Bestandsanlagen fehlen häufig zusätzlich die benötigten Flächen zur Aufstellung der Reinigungseinrichtungen.
Deshalb würden durch die vorgeschlagenen Grenzwerte die gewünschten Investitionen in Biomasseanlagen als erneuerbare Energieträger gebremst.