Der Bundesrat hat in seiner 808. Sitzung am 18. Februar 2005 beschlossen, zu dem Bericht wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat nimmt den Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe zur Kenntnis und begrüßt die auf bundesrechtlicher Ebene unternommenen Anstrengungen zum Erreichen des Ziels einer umfassenden Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft.
- 2. Der Bundesrat teilt die Ansicht der Bundesregierung, dass die Bildungschancen behinderter Menschen von Beginn an unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Bedürfnisse erhöht und ihre Bildungsfähigkeit gefördert und unterstützt werden müssen.
- 3. Der Bundesrat ist jedoch nicht der Auffassung, dass Bildung in Sondereinrichtungen, wie Sonderkindergärten oder Sonderschulen, von behinderten Menschen und deren Angehörigen zunehmend als diskriminierend empfunden werde (s. S. 7, 60), da eine derartige Wertung von der spezifischen Ausstattung und den Angeboten der Sondereinrichtungen abhängt und deshalb eine solche Aussage nicht pauschal getroffen werden kann.
- 4. Der Bundesrat verwehrt sich auch gegen die pauschale Aussage, dass die Bemühungen der Länder um eine Erhöhung des integrativen Bildungsangebots häufig aus finanziellen Gründen nur zögerlich umgesetzt würden und deshalb die Nachfrage an integrativen Erziehungsangeboten größer sei als das derzeitige Angebot (s. S. 7, 60).
- 5. Der Bundesrat ist zwar wie die Bundesregierung der Auffassung, dass die Stellung der Schule als Ort von Rehabilitation und Teilhabe gefestigt und die integrativen Erziehungsangebote erweitert werden müssen, sieht jedoch keine Notwendigkeit, dass die Bundesregierung zur Erreichung dieser Ziele mit den Ländern in einen Dialog treten sollte (s. S. 7, 60), da eine solche Verfahrensweise der ausschließlichen Verantwortung der Länder für das Bildungswesen widerspricht.
- 6. Der Bundesrat stellt fest, dass die Förderung der Ausbildungs- und Berufsreife behinderter Jugendlicher in erster Linie der Zuständigkeit der Länder obliegt und teilt nicht die Auffassung der Bundesregierung, dass immer mehr nicht ausbildungsreife behinderte junge Menschen das Schulsystem verlassen. Im Übrigen merkt der Bundesrat an, dass die derzeitigen Fördermaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit in Form der Einrichtung von berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen hinter den bisherigen Fördermaßnahmen wie Förderklassen zurückbleiben (s. S. 7).
- 7. Der Bundesrat hat in seiner 763. Sitzung am 11.5.2001 zur Drucksache 278/01 - Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - die folgende Entschließung gefasst:
"Die Drucksache 278/01 weicht gegenüber der Entwurfsfassung des SGB IX, die den Beratungen des Bundesrates im Februar/März dieses Jahres zu Grunde lag, in einer Reihe von finanzwirksamen Regelungen für Teilhabeleistungen ab. Dies betrifft vor allem Leistungen, die seitens der Sozial- und Jugendhilfeträger zu finanzieren sind. Die von der Bundesregierung ursprünglich vorgelegten Kostenschätzungen sind daher nicht mehr aktuell.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, in dem lt. § 66 SGB IX zu erstattenden "Bericht über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung der Teilhabe" die tatsächlichen und finanziellen Folgewirkungen für die Träger der Sozialhilfe und Jugendhilfe, unter besonderer Berücksichtigung der erst im Laufe des Beratungsverfahrens aufgenommenen Teilhaberegelungen, ausführlich zu berichten und die Erhebungsvariablen sowie die Kosten-Refinanzierungsrechnung für die Jugend- und Sozialhilfeträger im Vorfeld mit den Vertretern der Länder im Beirat für die Teilhabe behinderter Menschen abzustimmen.
Ergeben sich nach den Ergebnissen der Evaluation infolge der gesetzlichen Neuregelungen nicht kompensierte finanzielle Mehraufwendungen für die Träger der Sozial- und Jugendhilfe, sind diese zwischen Bund und Ländern mit dem Ziel des Ausgleichs zu verhandeln."
Laut Drucksache 993/04 (PDF) - Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe - ergeben sich für die überörtlichen Träger der Sozialhilfe nicht kompensierte jährliche Belastungen von 67,3 Mio. € und für die örtlichen Träger der Jugend- und Sozialhilfe von 109,4 Mio. € (Bezugsjahr 2002).
Bei steigenden Zahlen von Beschäftigten in Werkstätten für behinderte Menschen einerseits und seelisch behinderten Kindern andererseits weisen beide Summen steigende Tendenz auf.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung in Umsetzung der damaligen Beschlusslage auf, auf die Länder zuzugehen und mit ihnen diese finanziellen Mehraufwendungen mit dem Ziel des Ausgleichs zu verhandeln.