Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 3322 - vom 7. Juli 2005. Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 9. Juni 2005 angenommen.
Entschließung des Europäischen Parlaments zu Aserbaidschan
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Aserbaidschan und zum Südkaukasus und insbesondere seine Empfehlung vom 26. Februar 2004 an den Rat zu der Politik der EU gegenüber dem Südkaukasus1,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. November 2003 zu dem Thema "Größeres Europa - Nachbarschaft: Ein neuer Rahmen für die Beziehungen der EU zu ihren östlichen und südlichen Nachbarn"2,
- - in Kenntnis des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens mit Aserbaidschan, das am 1. Juli 1999 in Kraft getreten ist und worin die Achtung der Demokratie, die Grundsätze des Völkerrechts und die Menschenrechte verankert sind,
- - in Kenntnis des Länderberichts der Kommission über Aserbaidschan vom 2. März 2005,
- - in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen vom 25. und 26. April 2005 sowie der Erklärung des Ratsvorsitzes der Europäischen Union vom 24. Mai 2005 zu den Ereignissen in Baku,
- - in Kenntnis der gemeinsamen Empfehlungen der Venice-Kommission und der OSZE/ODIHR vom 1. Juni 2005 zum Wahlrecht und zur Wahladministration in Aserbaidschan sowie des OSZE-Berichts vom 4. Februar 2005 über die Prozessbeobachtung in Aserbaidschan,
- - in Kenntnis der Empfehlungen des Sechsten Treffens des Parlamentarischen Kooperationsausschusses EU-Aserbaidschan, das am 18. und 19. April 2005 in Baku stattfand,
- - unter Hinweis auf die Einbeziehung Aserbaidschans in die europäische Politik der Nachbarschaft und den Beschluss zur Umsetzung der Aktionspläne für die drei Länder des Südkaukasus,
- - in Kenntnis der Mitgliedschaft Aserbaidschans im Europarat, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der zahlreichen Entschließungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zu der Lage in Aserbaidschan,
- - in Kenntnis des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und insbesondere dessen Artikel 19 und 21, die das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung garantieren,
- - in Kenntnis der Erklärung des Ratsvorsitzes der Europäischen Union vom 19. Mai 2005 zu Aserbaidschan, worin das Dekret von Präsident Ilham Alijew zur Verbesserung des Wahlverfahrens in Aserbaidschan begrüßt wird,
- - gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
1 AB1. C 98 E vom 23.4.2004, S. 193.
2 AB1. C 87 E vom 7.4.2004, S. 506.
A. in der Erwägung, dass den Oppositionsparteien vom Bürgermeister der Stadt Baku die Genehmigung verweigert wurde, am 21. Mai 2005 in Baku eine Versammlung abzuhalten, was dem Geist des Dekrets des Präsidenten vom 12. Mai 2005 widerspricht, worin die örtliche Verwaltung angewiesen wurde, politische Versammlungen zu genehmigen und geeignete Räumlichkeiten dafür zu finden,
B. in der Erwägung, dass ein Versuch der Opposition, die Versammlung am 21. Mai 2005 in Baku abzuhalten, auf Gewalt und brutales Vorgehen der Polizei gegen Journalisten und Personen stieß, die an der Versammlung teilnahmen und von denen einige tagelang inhaftiert wurden,
C. in der Erwägung, dass die aserbaidschanischen Behörden am 31. Mai 2005 Dutzende jugendlicher Aktivisten wegen der Verteilung von Flugblättern inhaftierten,
D. in der Erwägung, dass am 4. Juni 2005 eine erneute Demonstration der Opposition in Baku ohne Zwischenfälle stattfand, nachdem eine Einigung mit den Behörden erzielt worden war,
E. in der Erwägung, dass die EU-Vertreter ihre Besorgnis darüber geäußert haben, dass Demonstranten und Oppositionsführer bei der Wahrnehmung ihres Versammlungsrechts festgenommen wurden, eines Grundrechts in jeder demokratischen Gesellschaft, seine politischen Ansichten frei zu äußern,
F. in der Erwägung, dass die Behörden damit nicht zum ersten Mal übermäßige Gewalt angewandt haben, um die Opposition zu unterdrücken; im Oktober 2003 wurden nach Unruhen im Zusammenhang mit den weithin kritisierten Präsidentschaftswahlen sieben Oppositionsmitglieder verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren verurteilt, später jedoch begnadigt,
G. mit der Feststellung, dass nach den Schlussfolgerungen der OSZE zu den Kommunalwahlen vom Dezember 2004 dabei eine Reihe internationaler Standards für demokratische Wahlen nicht erfüllt waren, wenngleich der Wahltag generell als akzeptabel bewertet wurde und einige technische Verbesserungen gegenüber den Präsidentschaftswahlen von 2003 festgestellt wurden,
H. in der Erwägung, dass Präsident Ilham Alijew am 11. Mai 2005 im Hinblick auf die Parlamentswahlen im November 2005 eine Verfügung zur Verbesserung des Wahlverfahrens in der Republik Aserbaidschan erlassen hat,
I. in der Erwägung, dass aus den Schlussfolgerungen des OSZE-Berichts über die Prozessbeobachtung in Aserbaidschan hervorgeht, dass die Gerichtsverfahren in einigen wichtigen Punkten den geltenden Rechtsvorschriften Aserbaidschans und den internationalen Verpflichtungen des Landes zur Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit nicht entsprechen,
J. in der Erwägung, dass Journalisten eine anhaltende und beunruhigende Einschränkung der Pressefreiheit in dem Land erfahren haben,
K. in Anbetracht der insgesamt schwierigen sozialen und politischen Situation in Zusammenhang mit dem ungelösten Berg-Karabach-Konflikt, die auf die riesige Belastung des Landes durch Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge zurückzuführen ist,
- 1. bedauert den Beschluss des Bürgermeisters von Baku, die Genehmigung für die Versammlung der Opposition zu verweigern, die am 21. Mai 2005 stattfinden sollte, und verurteilt nachdrücklich den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt durch die Polizei gegen Mitglieder der Opposition und Aktivisten von Jugendbewegungen, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung wahrgenommen haben;
- 2. stellt fest, dass die Verhaftung und Inhaftierung von Aktivisten der Opposition politisch motiviert war, begrüßt die Freilassung aller Verhafteten und fordert eine umfassende Untersuchung der Vorfälle, einschließlich der Verantwortung der Polizei;
- 3. verurteilt nachdrücklich die Ermordung des Journalisten Elmar Husejnow im März 2005 und bekräftigt sein Eintreten für Pluralismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; fordert die Behörden auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Täter vor Gericht zu bringen; fordert die Regierung nachdrücklich auf, die gegen die Medien verhängten Restriktionen aufzuheben, die Schikanierung, Einschüchterung und Festnahme von Journalisten zu stoppen, die es wagen, die Regierung zu kritisieren, und die persönliche Sicherheit und berufliche Integrität der Journalisten, die ihre Pflicht erfüllen, zu schützen;
- 4. fordert Aserbaidschan auf, die Unabhängigkeit der Justiz sicherzustellen und die naturgegebenen, unveräußerlichen Grundrechte der Inhaftierten zu gewährleisten; fordert die Behörden auf, Schritte zu unternehmen, um die bei Gerichtsverfahren festgestellten Mängel zu beseitigen, und fordert die Regierung diesbezüglich auf, die Empfehlungen des Europarats zur Behandlung politischer Gefangener umzusetzen, nachdem umfassende, glaubwürdige Beschuldigungen hinsichtlich Folter und Misshandlung erhoben wurden;
- 5. begrüßt den Beschluss der aserbaidschanischen Behörden, die 114 Personen zu begnadigen, die im Zusammenhang mit den öffentlichen Unruhen unmittelbar nach den Präsidentschaftswahlen von 2003 inhaftiert worden waren, einschließlich der vom Europarat als politische Gefangene bezeichneten Personen sowie der sieben Oppositionsführer, die wegen Teilnahme an der Massendemonstration verurteilt worden waren; vertritt die Ansicht, dass dies ein positiver Schritt in Richtung auf politischen Pluralismus in Aserbaidschan sein könnte und fordert die Freilassung aller verbliebenen politischen Gefangenen;
- 6. begrüßt das Dekret des Präsidenten, worin die Vollzugsbehörden angewiesen werden, die Versammlungsfreiheit und die Aufstellung genauer Wählerlisten sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass jeder Kandidat gleichen Zugang zu den Medien hat und dass Bürger nicht wegen ihrer politischen Überzeugung verfolgt werden; fordert die Behörden auf, sicherzustellen, dass dieses Dekret und weitere Reformen entsprechend den internationalen Standards auf allen Ebenen uneingeschränkt umgesetzt werden;
- 7. fordert die Regierung auf, sicherzustellen, dass die kommenden Parlamentswahlen im November 2005 frei und fair verlaufen und dass Aktivisten und Kandidaten der Opposition in keiner Weise unterdrückt werden;
- 8. fordert, dass in den Diskussionen am Runden Tisch zwischen der Regierungspartei und den Oppositionsparteien alle Seiten erneute Anstrengungen unternehmen, um das Vertrauen in das Wahlverfahren zu stärken und das Betrugsrisiko zu minimieren;
- 9. fordert, dass für die Wahlen eine ausreichende Zahl internationaler Beobachter in dem Land eingesetzt wird, einschließlich einer Delegation des Europäischen Parlaments;
- 10. vertritt die Ansicht, dass der Aktionsplan für Aserbaidschan schwerpunktmäßig auf die Entwicklung einer echten Demokratie und die Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit ausgerichtet werden sollte; fordert die Kommission diesbezüglich auf, ihr Vorgehen mit dem Europarat zu koordinieren und alle Anstrengungen zur Förderung und Entwicklung der fragilen Zivilgesellschaft in Aserbaidschan zu unternehmen;
- 11. unterstützt den anhaltenden Dialog zwischen der Regierung Aserbaidschans und der OSZE/ODIHR und der Venice-Kommission des Europarats und begrüßt den Bericht der "Needs Assessment Mission" des ODIHR vom Juni 2005;
- 12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten, dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Republik Aserbaidschan und den Parlamentarischen Versammlungen der OSZE und des Europarats zu übermitteln.