A. Problem und Ziel
Das Problem der Vaterschaftsanerkennung zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit wird zunehmend diskutiert. Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) hat am 18./19. November 2004 die Auffassung geäußert, dass aus Anlass von Vaterschaftsanerkennungen zu den oben genannten Zwecken "ein befristetes Anfechtungsrecht für einen Träger öffentlicher Belange bei Vaterschaftsanerkennungen im Bürgerlichen Gesetzbuch geschaffen werden muss". Die Konferenz der Justizministerinnen und -minister (JuMiKo) hat daraufhin die Bundesministerin der Justiz am 17. November 2005 gebeten, ein entsprechendes Gesetz vorzubereiten.
Durch die Einführung eines Anfechtungsrechts für solche Fälle wird die Akzeptanz der unverändert richtigen Grundentscheidung der Kindschaftsrechtsreform von 1998 gewahrt. Die Reform hat die Elternautonomie gestärkt, indem sie das Zustandekommen einer wirksamen Anerkennung allein an formgebundene Erklärungen des Vaters (Anerkennung) und der Mutter (Zustimmung) knüpft. Nach der alten Rechtslage war im Regelfall für die Anerkennung die Zustimmung des Jugendamts als Amtspfleger für das nichteheliche Kind erforderlich. Darauf hat der Gesetzgeber bewusst verzichtet und damit auch die rechtliche Anerkennung sozialer Vater-Kind-Verhältnisse ermöglicht. Dies trägt der sozialen Realität Rechnung und entspricht der Wertung des Grundgesetzes: Die Abstammung wie die sozialfamiliäre Verantwortungsgemeinschaft machen gleichermaßen den Gehalt von Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003, NJW 2003, S. 2151, 2154).
Mit der Vaterschaftsanerkennung zeigt der Anerkennende in der Regel Verantwortungsbereitschaft für das Kind und wird u.a. unterhaltspflichtig. Es gibt jedoch gerade im Zusammenhang mit dem Aufenthaltsstatus der beteiligten Personen Fälle, in denen Männer eine Vaterschaft anerkennen, die nicht die biologischen Väter der Kinder sind, auch kein soziales Vater-Kind-Verhältnis anstreben und oft die aus der Vaterschaft folgende Unterhaltspflicht mangels Leistungsfähigkeit nicht fürchten. Dann dient die Anerkennung weder der rechtlichen Anerkennung des biologischen Vaters noch der Gründung einer sozialen Familie. Solche Vaterschaftsanerkennungen sind vom Schutzzweck der Kindschaftsrechtsreform nicht gedeckt und können deren Akzeptanz gefährden.
Die Innenminister der Länder haben für die Zeit vom 1. April 2003 bis zum 31. März 2004 bei ihren Ausländerbehörden Fallzahlen erhoben. Danach wurde 1.694 unverheirateten ausländischen Müttern eines deutschen Kindes, die im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig waren, aufgrund der Vaterschaftsanerkennung ein Aufenthaltstitel erteilt. Die Zahlen können zwar nicht belegen, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen handelt, d.h. eine Anerkennung ohne dass eine leibliche oder soziale Beziehung zum Kind gegeben ist. Sie zeigen aber einen nicht unerheblichen Rahmen, in dem missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen stattfinden können. IMK und JuMiKo fordern deshalb zu Recht ein zielgenau auf die missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen gerichtetes Anfechtungsrecht.
Durch die Schaffung eines Anfechtungsrechts besteht für solche Fälle in Zukunft eine Abhilfemöglichkeit, die sowohl die Akzeptanz der Kindschaftsrechtsreform stärkt als auch der Entstehung eines "Generalverdachts" gegen binationale Familien vorbeugt.
B. Lösung
Der Entwurf sieht die Einführung eines Anfechtungsrechts durch eine öffentliche Stelle vor. Dadurch sollen Vaterschaftsanerkennungen mit Folgen für den Aufenthaltsstatus gerichtlich überprüft werden können, bei denen weder eine sozialfamiliäre Vater-Kind-Beziehung noch eine biologische Vaterschaft vorliegt.
C. Alternativen
Keine
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Unmittelbar durch das Gesetz entstehen keine Kosten.
2. Vollzugsaufwand
Für die öffentlichen Haushalte könnten durch die Einrichtung der anfechtungsberechtigten Behörde sowie die Vorbereitung und Durchführung von Anfechtungsverfahren zusätzliche Kosten entstehen. Die Einführung des Anfechtungsrechts für eine öffentliche Stelle wird zu zusätzlichen Verfahren bei den Familiengerichten, Oberlandesgerichten und - unter den engen Voraussetzungen der §§ 621e, 543 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) - eventuell auch beim Bundesgerichtshof führen. In welchem Umfang dadurch Mehrkosten für Bund, Länder und Kommunen entstehen, ist nicht abschätzbar, da derzeit keine Einschätzung über die genaue Zahl missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen möglich ist. Soweit beim Bund Mehrkosten entstehen, werden diese im Rahmen der vorhandenen Haushaltsansätze finanziert.
Diesen Kosten dürfte aber jedenfalls auch eine Kostenersparnis im Bereich der Sozialleistungen gegenüberstehen. Bei den Fällen, in denen eine Anfechtung der Vaterschaft vor allem in Betracht kommt, handelt es sich um im Zeitpunkt der Anerkennung ausreisepflichtige Mütter, die ohne die Anerkennung nicht mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) und den damit ggf. verbundenen Sozialleistungen rechnen könnten, sondern eine Abschiebung erwarten müssten.
E. Sonstige Kosten
Für die Wirtschaft, insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen, entstehen keine Kosten. Auswirkungen des Gesetzes auf Einzelpreise, auf das Preisniveau und insbesondere das Verbraucherpreisniveau sind nicht zu erwarten.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft
Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 1. September 2006
Die Bundeskanzlerin
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Harry Carstensen
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 13.10.06
Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs
Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909, 2003 I S. 738), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
- 1. § 1600 wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:
- aa) Im Satzteil vor Nummer 1 werden die Wörter "folgende Personen" gestrichen.
- bb) In Nummer 3 wird das Wort "und" durch ein Komma und in Nummer 4 der Punkt am Ende des Satzes durch das Wort "und" ersetzt.
- cc) Es wird folgende Nummer 5 angefügt:
"5. die zuständige Behörde (anfechtungsberechtigte Behörde) in den Fällen des § 1592 Nr. 2."
- b) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 eingefügt:
(3) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 5 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozialfamiliäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteiles geschaffen werden."
- c) Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 4 und in seinem ersten Satz wie folgt gefasst:
"Eine sozialfamiliäre Beziehung nach Absatz 2 und 3 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat."
- d) Der bisherige Absatz 4 wird Absatz 5.
- e) Folgender Absatz 6 wird angefügt:
(6) Die Landesregierungen werden ermächtigt, die Behörden nach Absatz 1 Nr. 5 durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Die Landesregierungen können diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die zuständigen obersten Landesbehörden übertragen. Ist eine örtliche Zuständigkeit der Behörde nach diesen Vorschriften nicht begründet, so wird die Zuständigkeit durch den Sitz des Gerichts bestimmt, das für die Klage zuständig ist."
- a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:
- 2. In § 1600b wird folgender Absatz 1a eingefügt:
(1a) Im Fall des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 kann die Vaterschaft binnen eines Jahres gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt, wenn die anfechtungsberechtigte Behörde von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ihr Anfechtungsrecht vorliegen. Die Anfechtung ist spätestens nach Ablauf von fünf Jahren seit der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft für ein im Bundesgebiet geborenes Kind ausgeschlossen; ansonsten spätestens fünf Jahre nach der Einreise des Kindes."
- 3. § 1600e wird wie folgt geändert:
- a) Abs. 1 wird wie folgt gefasst:
(1) Das Familiengericht entscheidet über die Feststellung oder Anfechtung der Vaterschaft
- 1. auf Klage des Mannes gegen das Kind,
- 2. auf Klage der Mutter oder des Kindes gegen den Mann,
- 3. im Fall der Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 auf Klage gegen das Kind und den Vater im Sinne von § 1600 Abs. 1 Nr. 1 oder
- 4. im Fall der Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 auf Klage gegen das Kind und den Vater im Sinne von § 1592 Nr. 2.
Ist eine Person, gegen die die Klage im Fall der Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 oder 5 zu richten wäre, verstorben, so ist die Klage nur gegen die andere Person zu richten."
- b) In Absatz 2 werden nach dem Wort "Person" die Wörter "oder der Behörde" eingefügt.
- a) Abs. 1 wird wie folgt gefasst:
Artikel 2
Änderung sonstigen Bundesrechts
- (1) Dem § 29a Abs. 1 des Personenstandsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1957 (BGBl. I S. 1125), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird folgender Satz angefügt:
"Der Standesbeamte soll die Beurkundung ablehnen, wenn offenkundig ist, dass die Anerkennung der Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anfechtbar wäre."
- (2) Das Aufenthaltsgesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:
- 1. § 79 Absatz 2 wird wie folgt gefasst:
(2) Beantragt ein Ausländer,
- 1. gegen den wegen des Verdachts einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit ermittelt wird oder
- 2. der in einem Verfahren, welches die Anfechtung der Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Gegenstand hat, Partei, Beigeladener, Beteiligter oder gesetzlicher Vertreter des Kindes ist, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels, ist die Entscheidung über den Aufenthaltstitel bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle einer gerichtlichen Entscheidung bis zu deren Rechtskraft auszusetzen, es sei denn, über den Aufenthaltstitel kann ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens entschieden werden. Im Fall des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist das Verfahren ab Eingang der Mitteilung nach § 87 Abs. 5 oder nach § 90 Abs. 4 auszusetzen."
- 2. § 87 wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:
(2) Öffentliche Stellen haben unverzüglich die zuständige Ausländerbehörde zu unterrichten, wenn sie Kenntnis erlangen von
- 1. dem Aufenthalt eines Ausländers, der keinen erforderlichen Aufenthaltstitel besitzt und dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
- 2. dem Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung,
- 3. einem sonstigen Ausweisungsgrund oder
- 4. konkreten Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; in den Fällen der Nummern 1 und 2 und sonstiger nach diesem Gesetz strafbarer Handlungen kann statt der Ausländerbehörde die zuständige Polizeibehörde unterrichtet werden, wenn eine der in § 71 Abs. 5 bezeichneten Maßnahmen in Betracht kommt; die Polizeibehörde unterrichtet unverzüglich die Ausländerbehörde; das Jugendamt ist zur Mitteilung nach der Nummer 4 nur verpflichtet, soweit dadurch die Erfüllung der eigenen Aufgaben nicht gefährdet wird."
- b) Folgender Absatz 5 wird angefügt:
(5) In den Fällen des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs besteht gegenüber der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung eine Mitteilungspflicht
- 1. der anfechtungsberechtigten Behörde über die Vorbereitung oder Erhebung einer Klage oder die Entscheidung, dass von einer Klage abgesehen wird und
- 2. der Familiengerichte über die gerichtliche Entscheidung."
- 3. Dem § 90 wird folgender Absatz 4 angefügt:
(4) Erhält die Ausländerbehörde oder die Auslandsvertretung Kenntnis von konkreten Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ein Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen, hat sie diese der anfechtungsberechtigten Behörde mitzuteilen."
- a) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:
- 1. § 79 Absatz 2 wird wie folgt gefasst:
- (3) Die Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 BGBl. I S. 3202), zuletzt geändert durch..., wird wie folgt geändert:
- 1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 640d wie folgt gefasst:
" § 640d Einschränkung des Untersuchungsgrundsatzes; Beteiligung des Jugendamts"
- 2. § 640d wird wie folgt gefasst:
" § 640d Einschränkung des Untersuchungsgrundsatzes; Beteiligung des Jugendamts
- (1) Ist die Vaterschaft angefochten, so kann das Gericht gegen den Widerspruch des Anfechtenden Tatsachen, die von den Parteien nicht vorgebracht sind, nur insoweit berücksichtigen, als sie geeignet sind, der Anfechtung entgegengesetzt zu werden.
- (2) Das Gericht hört das Jugendamt vor einer Entscheidung im Fall der Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs an. § 49a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt entsprechend."
" § 15
Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom [einzusetzen: Ausfertigungsdatum dieses Gesetzes]
Im Fall der Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beginnt die Frist für die Anfechtung gemäß § 1600b Abs. 1a des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht vor dem [einsetzen: Tag des Inkrafttretens nach Artikel 3]."
- 1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 640d wie folgt gefasst:
Artikel 3
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Probleme des geltenden Rechts
Das Problem der Vaterschaftsanerkennung zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit wird zunehmend diskutiert: Die Innenministerkonferenz hat am 18./19. November 2004 gefordert, "dass ein befristetes Anfechtungsrecht für einen Träger öffentlicher Belange bei Vaterschaftsanerkennungen im Bürgerlichen Gesetzbuch geschaffen werden muss" und u.a. die Konferenz der Justizministerinnen und -minister um Unterstützung des Vorhabens gebeten.
Die Konferenz der Justizministerinnen und -minister hat daraufhin die Bundesministerin der Justiz am 17. November 2005 gebeten, "zur Bekämpfung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen zu Zwecken der Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches vorzubereiten, die einem Träger öffentlicher Belange in diesen Fällen ein befristetes Anfechtungsrecht gewährt."
Mit der Vaterschaftsanerkennung zeigt der Anerkennende in der Regel Verantwortungsbereitschaft für das Kind und wird u.a. unterhaltspflichtig. Es gibt jedoch gerade im Zusammenhang mit dem Aufenthaltsstatus der beteiligten Personen Fälle, in denen Männer eine Vaterschaft anerkennen, die nicht die biologischen Väter der Kinder sind, auch kein soziales Vater-Kind-Verhältnis anstreben und oft die aus der Vaterschaft folgende Unterhaltspflicht mangels Leistungsfähigkeit nicht fürchten. Dann dient die Anerkennung weder der rechtlichen Anerkennung des biologischen Vaters noch der Gründung einer sozialen Familie und entspricht häufig auch nicht den Interessen des Kindes. So kann sein biologischer Vater, der möglicherweise Kontakt zum Kind hat oder aufnehmen möchte, nicht ohne Anfechtung als Vater festgestellt werden (§§ 1594 Abs. 2, 1600d Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB).
II. Änderungsbedarf
1. Geltendes Recht
a) Rechtslage seit dem 1. Juli 1998
Durch das Beistandschaftsgesetz wurde mit Wirkung zum 1. Juli 1998 die bis dahin für nichtehelich geborene Kinder bestehende gesetzliche Amtspflegschaft des Jugendamtes (§ 1706 BGB a. F.) durch die Beistandschaft des Jugendamtes (§§ 1712 ff. BGB n. F.) ersetzt, die nur auf Antrag des das Kind betreuenden Elternteils eintritt. Nach der alten Rechtslage bedurfte die Anerkennung der Vaterschaft für ein nichteheliches Kind gemäß § 1600c BGB a. F. der Zustimmung des Kindes, welche bei einem noch nicht 14jährigen Kind gemäß § 1600d Abs. 2 BGB a. F. durch den gesetzlichen Vertreter, also im Regelfall durch das Jugendamt als Amtspfleger, erklärt werden musste.
Gemäß § 1595 BGB in der Fassung des ebenfalls zum 1. Juli 1998 in Kraft getretenen Kindschaftsrechtsreformgesetzes muss grundsätzlich nicht mehr das Kind, sondern die Mutter der Anerkennung zustimmen. Anerkennung und Zustimmung müssen öffentlich beurkundet werden (§ 1597 BGB). Zuständig für die Beurkundung ist u.a. der Standesbeamte ( § 29a Abs. 1 des Personenstandsgesetzes - PStG) und die Urkundsperson beim Jugendamt (§ 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VIII). Eine über die Beurkundung hinausgehende Mitwirkung des Jugendamtes an der Vaterschaftsfeststellung findet nur statt, wenn die Mutter eine Beistandschaft beantragt (§§ 1712 ff. BGB).
Ziel der Neuregelungen durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz und das Beistandsschaftsgesetz war es, die bisherige "Bevormundung" der Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes durch die Amtspflegschaft des Jugendamtes abzuschaffen und die Rechte der Mutter zu stärken. Nach der alten Rechtslage war im Regelfall für die Anerkennung die Zustimmung des Jugendamts als Amtspfleger für das nichteheliche Kind erforderlich. Die Begründung des Regierungsentwurfs zum Kindschaftsrechtsreformgesetz (BT-Drs. 013/4899, S. 54) enthält hierzu folgendes:
"Die Stellung der Mutter soll sowohl bei der Anerkennung als auch bei der Anfechtung der Vaterschaft gestärkt werden.
Die Mitwirkung der Mutter am Zustandekommen einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung ist vom Gesetz in diesen Fällen nicht vorgesehen. Dies erklärt sich aus dem System der Amtspflegschaft und dem darin liegenden Misstrauen gegenüber der Mutter eines nichtehelichen Kindes.
Der Entwurf sieht dagegen vor, dass die Anerkennung der Zustimmung der Mutter - und zwar aus eigenem Recht und nicht als gesetzliche Vertreterin des Kindesbedarf (§ 1595 Abs. 1 BGB-E). ..."
Gesetzgeberisches Ziel war mithin die Stärkung der rechtlichen Stellung der Mutter eines nichtehelichen Kindes, der anstatt des früheren Misstrauens nunmehr grundsätzliches Vertrauen in die Richtigkeit ihrer in Übereinstimmung mit dem anerkennenden Vater abgegebenen Erklärung entgegen gebracht wird (so auch Kammergericht Berlin, Beschluss vom 11. Dezember 2001, Das Standesamt 2002, S. 241).
In engem Zusammenhang mit dieser Zielsetzung steht die im Gesetz vorgesehene Beschränkung der Unwirksamkeit der abstammungsrechtlichen Erklärungen auf die in § 1598 Abs. 1 BGB genannten Gründe und die Begrenzung der Vaterschaftsanfechtungsberechtigungen auf den in § 1600 BGB genannten Personenkreis. Das Abstammungsrecht regelt als Statusrecht die Abstammung und die Verwandtschaft von Personen. An diesen rechtlichen Tatbestand ist eine Vielzahl von Folgen geknüpft. So gilt dies für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Abs. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG). Auch familienrechtliche Rechtspositionen wie das Sorgerecht, das Umgangsrecht und Ansprüche auf Unterhalt (§§ 1601 ff. BGB) hängen von der Abstammung bzw. Verwandtschaft ab. Darüber hinaus entstehen Auswirkungen im Erbrecht. Aber auch im Sozialrecht hat die Abstammung Bedeutung etwa für Fragen der Hinterbliebenenversorgung.
Das Abstammungsrecht entfaltet somit grundsätzliche Tatbestandswirkung in einer Vielzahl von Rechtsgebieten und bedarf damit eines besonders hohen Maßes an Rechtssicherheit. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass sehr häufig einer entsprechenden Erklärung auch ein tatsächliches Zusammenleben von Mutter, Vater und Kind zugrunde liegt und somit eine Familie gegeben ist. Auch dieses Zusammenleben soll vor möglichen Angriffen von außen geschützt werden (vgl. hierzu auch die Ausführungen in der Begründung des Regierungsentwurfs für ein Kindschaftsrechtsreformgesetz zum Ausschluss eines Anfechtungsrechts des biologischen Vaters, BT-Drs. 013/4899, S. 57 f.).
Daher hat sich der Gesetzgeber des Kindschaftsrechtsreformgesetzes in § 1598 BGB ganz bewusst auf die in § 1598 Abs. 1 BGB abschließend aufgeführten Unwirksamkeitsgründe beschränkt und im Übrigen gemäß § 1598 Abs. 2 BGB auch eine Heilungsvorschrift für formunwirksame Vaterschaftsanerkenntnisse geschaffen, die ebenfalls insbesondere der Rechtssicherheit dient (BT-Drs. 013/4899, S. 85). Diese Beschränkung der Unwirksamkeitsgründe schließt nach ganz überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur eine Berufung auf die allgemeinen Vorschriften über Willensmängel und die Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften aus (vgl. LG Krefeld, Beschluss vom 21. Dezember 1973, Der Amtsvormund 1974, S. 261; BGH, Urteil vom 19. Dezember 1984, FamRZ 1985, S. 271; Palandt/Diederichsen, 65. Aufl. 2006, Rn. 1 zu § 1598 BGB; Münchener Kommentar/Wellenhofer-Klein, 4. Aufl. 2006, Rn. 1 und 26 ff. zu § 1598 BGB). Das OLG Köln hat dementsprechend mit Urteil vom 25. Oktober 2001 (FamRZ 2002, S. 629) festgestellt, dass gemäß § 1600c BGB die Vaterschaft im Anfechtungsverfahren auch in den Fällen der bewusst wahrheitswidrige Vaterschaftsanerkennung vermutet wird.
Aufgrund dieser Umstände ist auch der Standesbeamte nicht berechtigt, die entsprechende Beischreibung des anerkennenden deutschen Staatsangehörigen als Vater des Kindes im Geburtenbuch zu verweigern (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 11. Dezember 2001, a.a. O.).
Mit dieser Beschränkung der Unwirksamkeitsgründe korrespondiert die Beschränkung der Vaterschaftsanfechtungsberechtigten. Gemäß § 1600 BGB sind nur der rechtliche Vater i.S.d. §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593 BGB, die Mutter, das Kind und unter eingeschränkten Voraussetzungen auch der biologische Vater anfechtungsberechtigt. Aus den dargelegten Gründen der Rechtssicherheit und des Schutzes des Zusammenlebens von Familien sollte Außenstehenden nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, die Abstammung eines Kindes in Frage zu stellen.
b) Auswirkungen der Vaterschaftsanerkennung in verschiedenen Rechtsgebieten
aa. Im Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht
Die IMK hat zum Thema "Vaterschaftsanerkennungen zu Zwecken der Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit" eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die in ihrem (Zwischen)Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6. Dezember 2002 in Bremen folgende Fallgruppen identifiziert hat:
- (1) Ein deutscher Mann erkennt die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter an.
Als Kind eines deutschen Staatsangehörigen erwirbt das Kind mit der wirksamen Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 1 StAG). Eine Überprüfung, ob der Vaterschaftsanerkennung "biologische Tatsachen" zugrunde liegen, ist im Gesetz nicht vorgesehen.
Für die Mutter des Kindes, die beispielsweise als Bürgerkriegsflüchtling oder Asylbewerberin keinen auf Dauer gesicherten Aufenthalt hat oder z.B. wegen Nichtverlängerung des Aufenthalttitels oder nach Ablehnung eines etwaigen Asylantrags bereits ausreisepflichtig ist, ergibt sich in dieser Fallkonstellation gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als ausländischem Elternteil eines minderjährigen ledigen deutschen Kindes zur Ausübung der Personensorge. Gemäß § 28 Abs. 2 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis nach drei Jahren befristet verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem deutschen Kind im Bundesgebiet fortbesteht. Wenn nach Ablauf der drei Jahre darüber hinaus kein Ausweisungsgrund vorliegt und die Mutter sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann, hat sie in der Regel Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis. Im Ergebnis erhält die Mutter also zunächst für die Dauer von drei Jahren und solange das Kind sich im Bundesgebiet aufhält, einen gesicherten Aufenthalt. Eine etwaige bis dahin bestehende Ausreisepflicht erlischt.
- (2) Ein ausländischer Mann mit gesichertem Aufenthalt erkennt die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten Ausländerin an.
Wird das Kind aufgrund der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 4 Abs. 3 StAG deutscher Staatsangehöriger, erwirbt die Mutter einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis aus § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge.
- (3) Ein ausländischer Mann ohne gesicherten Aufenthalt erkennt die Vaterschaft für das Kind einer Deutschen oder das Kind einer Ausländerin mit verfestigtem Aufenthalt an.
Ist das Kind deutscher Staatsangehöriger gemäß § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 StAG, erwirbt der ausländische Mann, der die Vaterschaft anerkennt, im Falle seiner Sorgeberechtigung einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis aus § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge.
bb. Infolge der Vaterschaftsanerkennung und des daraus resultierenden Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes treten auch im Bereich sozialer Leistungsgesetze verschiedene Folgen ein:
- (1) Zunächst erwirbt das Kind einen Anspruch gemäß § 1 Abs. 1 des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG), sofern die weiteren Voraussetzungen (Altersgrenze, Höchstbezugsdauer etc.) gegeben sind. Die Einschränkungen des § 1 Abs. 2a UVG für ausländische Kinder greifen bei dem nunmehr die deutsche Staatsangehörigkeit besitzenden Kind nicht mehr ein.
- (2) Asylbewerber oder Bürgerkriegsflüchtlinge sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) und nicht nach dem SGB XII leistungsberechtigt (§ 9 AsylbLG). Als Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG erhalten sie im Regelfall nur ein geringes Taschengeld und die Sozialleistungen im Übrigen regelmäßig in Form von Sachleistungen (Gutscheine etc.). Zumindest Asylbewerber sind gemäß §§ 47, 53 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) auch verpflichtet, zunächst in zugewiesenen Sammelunterkünften und im Anschluss im Regelfall in Gemeinschaftsunterkünften zu wohnen. Sie sind grundsätzlich nicht berechtigt, sich frei eine Wohnung zu suchen und im Falle einer fehlenden eigenen finanziellen Leistungsfähigkeit hierfür Leistungen nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) in Anspruch zu nehmen. Auch dies ändert sich durch die beschriebene Vaterschaftsanerkennung und den damit eintretenden Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch das Kind. In diesem Fall unterliegt weder das Kind noch die Mutter dem persönlichen Anwendungsbereich des AsylbLG bzw. die Mutter als Angehörige eines deutschen Staatsangehörigen der Beschränkung der §§ 44, 47 AsylVfG. Die Mutter ist somit berechtigt, sich selbst eine Wohnung zu suchen und eine bislang zugewiesene Sammelunterkunft zu verlassen. Sie kann, sofern die übrigen Voraussetzungen hierfür gegeben sind, auch Leistungen nach dem WoGG in Anspruch nehmen. Für sich selbst und, sofern nicht das UVG eingreift, für das Kind kann sie Leistungen nach dem SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe in besonderen Lebenslagen etc.) ohne die Beschränkungen des AsylbLG in Anspruch nehmen.
2. Rechtstatsachen
Die erwähnte Arbeitsgruppe der IMK ist in ihrem (Zwischen)Bericht zu folgendem Ergebnis gekommen:
"Die Einführung eines befristeten Anfechtungsrechts für einen Träger öffentlichen Interesses bietet nach Auffassung der Arbeitsgruppe einen sachgerechten Lösungsansatz."
Ferner wurde in dem Bericht der Mangel an empirischen Erkenntnissen kritisiert. In dem (Abschluss)Bericht für die Sitzung des Arbeitskreises I der IMK am 7./8. Oktober 2004 in Lübeck wurden sodann die Ergebnisse einer Erhebung zu o.g. Thematik auf der Basis eines Musterfragebogens vorgestellt. Die Erhebung wurde als Folge des Zwischenberichts initiiert, von den Innenministerien der Länder bei ihren Ausländerbehörden durchgeführt und erstreckte sich vom 1. April 2003 bis zum 31. März 2004. Danach wurde u.a. 1694 unverheirateten ausländischen Müttern eines deutschen Kindes, die im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig waren, ein Aufenthaltstitel erteilt.
Ergebnis der Erhebung bei den Ausländerbehörden 1. April 2003 - 31. März 2004
unverheiratete ausländische Mütter mit deutschem Kind | Davon aus reisepflichtig vor der Vaterschaftsanerkennung | Kind deutsch durch deutschen Vater | Kind deutsch durch ausländischem Vater mit gesichertem Aufenthaltstatus | |
Aufenthaltstitel | 2.338 | 1.694 | 1.449 | 245 |
ausreisepflichtig vor Vaterschaftsanerkennung | Kind ist deutsch oder hat Aufenthaltstitel | Aufenthaltstitel oder Duldung für Vater | Kein Aufenthaltstitel oder Duldung für Vater | |
Ausländische Anerkennende | 1.935 | 1.935 | 1.414 | 521 |
Die Zahlen können zwar nicht belegen, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen handelt, d.h. eine Anerkennung ohne dass eine leibliche oder soziale Beziehung zum Kind gegeben ist. Sie zeigen aber einen nicht unerheblichen Rahmen, in dem missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen stattfinden können. Es besteht zudem die Gefahr, dass sich organisierte Strukturen für solche Vaterschaftsanerkennungen entwickeln.
III. Lösung
In § 1600 BGB wird ein Anfechtungsrecht einer öffentlichen Stelle bei Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung eingefügt:
- - Die Anfechtung setzt voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozialfamiliäre Beziehung besteht und durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteiles geschaffen werden (können).
- - Der Entwurf schlägt die Einführung eines Anfechtungsrechts durch eine öffentliche Stelle vor, die von den Ländern zu bestimmen ist.
- - Entsprechend seinem besonderen Auftrag zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie zum Beistand für die betroffenen Familien wird die Beteiligung des Jugendamtes am Anfechtungsverfahren in der ZPO verankert.
Dadurch bleibt die unverändert richtige Grundentscheidung des Kindschaftsrechtsreformgesetzes gewahrt. Der Gesetzgeber hat die Stellung von Mutter, Kind und Anerkennendem ganz bewusst durch die Abschaffung der Amtspflegschaft für nichteheliche Kinder (§§ 1706 BGB a. F.) gestärkt und damit die Entstehung sozialfamiliärer Beziehungen akzeptiert. Die soziale Familie ist eine von Artikel 6 GG geschützte gesellschaftliche Realität. Die Abstammung wie die sozialfamiliäre Verantwortungsgemeinschaft machen gleichermaßen den Gehalt von Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 GG aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003, NJW 2003, S. 2151, 2154).
Das Bundesverfassungsgericht hat die Reform des Kindschaftsrechts von 1998 zum Anlass genommen, in einem Beschluss auf die Rolle der gewachsenen Einsicht in die Bedeutung des Umgangsrechts eines Kindes mit beiden Elternteilen für die Auslegung und Anwendung des Ausländerrechts hinzuweisen. Es hat an gleicher Stelle aber auch bekräftigt, dass Artikel 6 GG nicht schon aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfaltet (Beschluss der 2. Kammer des zweiten Senats vom 8. Dezember 2005, FamRZ 2006, S. 187).
Dementsprechend wird das Recht der Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung nur auf Fälle der Anerkennung erweitert, die nicht mit den Wertungen des Kindschaftsrechts in Einklang stehen. Anfechtbar sollen nur die Fälle sein, in denen weder aufgrund der Abstammung, noch aufgrund einer sozialfamiliären Beziehung eine Familie im Sinne von Artikel 6 GG vorliegt. In diesen Fällen gebührt dem öffentlichen Interesse an der Anfechtung der Vorrang.
Im Hinblick auf die an die Abstammung geknüpften Rechtsfolgen im Bereich des öffentlichen Rechts, insbesondere des Staatsangehörigkeits- und Aufenthaltsrechts besteht ein überwiegendes Gemeininteresse an der Anfechtung einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung. Der Gesetzgeber hat insbesondere in § 4 StAG und § 28 AufenthG Regelungen geschaffen, die dem Schutz der Familie Rechnung tragen. Diese Regelungen sollen nicht durch die Anerkennung von Vaterschaften umgangen werden können, die nicht in den Schutzbereich von Artikel 6 GG fallen.
Der vorgelegte Entwurf zielt durch die Einführung eines Anfechtungsrechts im BGB auf die Stärkung des Grundsatzes, familienrechtliche Statusentscheidungen auch für das Staatsangehörigkeits- und Ausländerrecht gelten zu lassen. Das Abstammungsrecht bedarf wegen seiner Tatbestandswirkung in einer Vielzahl von Rechtsgebieten eines besonders hohen Maßes an Rechtssicherheit. Der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung hat hier eine besondere Bedeutung.
IV. Kosten
Kostenbelastungen für die Wirtschaft sowie Auswirkungen des Gesetzes auf Einzelpreise, auf das Preisniveau und insbesondere das Verbraucherpreisniveau sind nicht zu erwarten.
Für die öffentlichen Haushalte könnten durch die Einrichtung der anfechtungsberechtigten Behörde sowie die Vorbereitung und Durchführung von Anfechtungsverfahren zusätzliche Kosten entstehen. Die Einführung des Anfechtungsrechts für eine öffentliche Stelle wird zu zusätzlichen Verfahren bei den Familiengerichten, Oberlandesgerichten und - unter den engen Voraussetzungen der §§ 621e, 543 Abs. 2 ZPO - eventuell auch beim Bundesgerichtshof führen. In welchem Umfang dadurch Mehrkosten für Bund, Länder und Kommunen entstehen, ist nicht abschätzbar, da derzeit keine Einschätzung über die genaue Zahl missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen möglich ist. Soweit beim Bund Mehrkosten entstehen, werden diese im Rahmen der vorhandenen Haushaltsansätze finanziert.
Den entstehenden Kosten dürfte eine Kostenersparnis im Bereich der Sozialleistungen gegenüberstehen. Bei den Fällen, in denen eine Anfechtung der Vaterschaft vor allem in Betracht kommt, handelt es sich um im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtige Mütter, die ohne die Anerkennung nicht mit einer Aufenthaltserlaubnis und den damit ggf. verbundenen Sozialleistungen rechnen könnten, sondern eine Abschiebung erwarten müssten. Ohne Vaterschaftsanerkennung erhalten Mutter und Kind vielmehr auch bei Verbleib im Bundesgebiet lediglich die eingeschränkten Leistungen nach dem AsylbLG.
V. Gesetzgebungszuständigkeit
Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes folgt aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Grundgesetzes (Bürgerliches Recht, Personenstandswesen).
VI. Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung
Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung sind nicht zu erwarten. Der Gesetzentwurf will die Akzeptanz der Kindschaftsrechtsreform fördern, die durch die Abschaffung der Amtspflegschaft auch die Rolle der unverheirateten Mutter gestärkt hat.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
Zu Nummer 1 (§ 1600 BGB)
Zu Buchstabe a (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB-E)
- (1) Anfechtungsberechtigte Behörde
Der Katalog der Anfechtungsberechtigten in § 1600 Abs. 1 BGB wird um die anfechtungsberechtigte Behörde erweitert. Die zuständige Behörde ist entsprechend dem verfassungsrechtlichen Regelfall von den Ländern zu bestimmen (vgl. Artikel 84 Abs.1 Halbsatz 1 GG, den die Föderalismusreform nicht verändert hat). Entsprechend § 1316 Nr. 1 Satz 2 BGB (Antragsberechtigung zur Aufhebung der Ehe) soll dies durch Rechtsverordnung der Landesregierungen erfolgen. Die meisten einschlägigen Stellungnahmen der beteiligten Länder, Fachkreise und Verbände haben dies begrüßt.
Dem Beschluss der Konferenz der Justizministerinnen und -minister vom 17. November 2005 liegen zu den Anforderungen an diese Behörde bei der Ausübung des Anfechtungsrechts gemäß der Antragsbegründung folgende Erwägungen zugrunde:
"Bei der Ausübung des Anfechtungsrechtes durch den Träger öffentlicher Gewalt müssten objektive Kriterien zur Begründung der Schlüssigkeit vorgetragen werden, etwa die fehlende soziale Beziehung zwischen Vater und Kind oder die fehlende Bereitschaft des anerkennenden Vaters, für das Kind zu sorgen. Damit wäre zugleich sichergestellt, dass Väter, die Kinder ausländischer Mütter anerkennen, nicht generell der missbräuchlichen Anerkennung verdächtigt werden."
Diesen Erwägungen entsprechen auch die Stellungnahmen der beteiligten Länder, Fachkreise und Verbände, wobei die Landesjustizverwaltungen auch die Stellungnahmen der Innenverwaltung sowie aus dem Geschäftsbereich für Arbeit, Soziales, Familien und Frauen eingeholt haben. Eine beachtliche Zahl von Stellungnahmen - darunter auch die der Innenministerien mehrerer Länder - weist darauf hin, dass es sich bei der anfechtungsberechtigten Behörde um eine zentrale und besonders qualifizierte Behörde handeln sollte. Beispielhaft erwähnt werden deshalb staatliche Mittelbehörden wie die Regierungspräsidien und Bezirksregierungen. Mehrere Stellungnahmen nennen aber auch Landräte und Oberbürgermeister, weil sie die Aufgabe von Jugendamt und Ausländerbehörde sowie die Aufsicht über die Standesbeamten wahrnehmen. Andere nennen die gemäß § 36 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bestimmten Vertreter des öffentlichen Interesses als denkbare anfechtungsberechtigte Behörden. Bezüglich der Ausländerbehörde wird vielfach ihre Sachkompetenz für den ausländerrechtlichen Teil des Tatbestands und damit ihre Bedeutung für die Sachverhaltsaufklärung hervorgehoben. Als anfechtungsberechtigte Behörde halten sie insbesondere mehrere Innenministerien für denkbar. Nur vereinzelt Zustimmung finden der Standesbeamte und das Jugendamt.
Zahlreiche Stellungnahmen befürworten, dass das Jugendamt im Anfechtungsverfahren zwar eine wichtige Rolle spielen, aber nicht die Aufgabe der anfechtungsberechtigten Behörde übernehmen sollte. Dies wird nachvollziehbar insbesondere mit der unterstützenden Aufgabe des Jugendamtes durch Beratung und Beistandschaft begründet, die in Konflikt mit der Anfechtungssituation geraten kann.
Zu den Aufgaben des Jugendamtes gehört bereits nach geltendem Recht insbesondere auch die Hilfe bei der Feststellung der Vaterschaft, und zwar sowohl durch Beratung (§ 52a SGB VIII) als auch durch die Beistandschaft (§§ 55, 56 SGB VIII, § 1712 BGB). Gerade diese unterstützende Aufgabe des Jugendamtes spricht aber dagegen, dem Jugendamt daneben auch noch die Rolle der anfechtungsberechtigten Behörde gegen eine bereits beststehende Vaterschaft zu geben. Das Jugendamt sollte vielmehr ausschließlich im Hinblick auf die schützenswerten Interessen des Kindes in das Verfahren eingebunden werden.
- (2) Geltungsbereich
§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB-E ist eine international zwingende Eingriffsnorm.
Jeder Staat ist in den Grenzen des Völkerrechts frei, bestimmte Normen für international zwingend zu erklären. Im deutschen Kollisionsrecht gilt deshalb, dass inländische Normen bei einem Sachverhalt mit Inlandsbezug immer dann Anwendung finden, wenn sie - ausdrücklich oder nach ihrer Ratio - gelten wollen. Dies gilt unabhängig davon, ob Artikel 20 EGBGB im konkreten Fall für die Anfechtung der Abstammung deutsches Recht zur Anwendung beruft.
International zwingend sind Normen, deren Tatbestand eine Rechtsfolge auslöst, die unmittelbar ein überindividuelles Gemeininteresse gewährleistet (Münchener Kommentar/Sonnenberger, EGBGB/IPR, 4. Aufl. 2006, Einl. IPR, Rn. 56). So ist etwa unabhängig von dem durch Artikel 6 Abs. 2 GG begründeten Wächteramt des Staates schon lange unstrittig, dass § 1666 BGB auch bei ausländischem Sorgerechtsstatut gegenüber Eltern anzuwenden ist, deren Kind in Deutschland lebt (Münchener Kommentar/Sonnenberger, a.a. O., Rn. 56). Ebenfalls als international zwingend wird das Adoptionsverbot eines Staates zur Unterbindung des Kinderhandels angesehen (Münchener Kommentar/Sonnenberger, a.a. O., Rn. 62). Das Anfechtungsrecht einer Behörde bei missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung betrifft ebenfalls den Bereich des Kindschaftsrechts. Im Hinblick auf die an die Abstammung geknüpften Rechtsfolgen im Bereich des öffentlichen Rechts, insbesondere des Staatsangehörigkeits- und Aufenthaltsrechts, besteht ein überindividuelles Gemeininteresse an der Anfechtung einer oft auch den Interessen des Kindes zuwiderlaufenden Vaterschaftsanerkennung. In diesen Bereichen der Nationalstaatlichkeit hat die Bundesrepublik Deutschland insbesondere in § 4 StAG und § 28 AufenthG Regelungen geschaffen, die dem Schutz der Familie Rechnung tragen. Diese Regelungen sollen nicht durch die im Ausland erfolgte Anerkennung von Vaterschaften ohne sozialfamiliären Bezug umgangen werden können.
Zu Buchstabe b (§ 1600 Abs. 3 [neu] BGB-E: besondere Anfechtungsvoraussetzungen)
- (1) Tatbestand
Das erste Tatbestandsmerkmal knüpft die Anfechtung daran, dass "zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozialfamiliäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder des Todes des Anerkennenden bestanden hat". Dies stellt zunächst wie beim Anfechtungsrecht des biologischen Vaters (Absatz 3 in der geltenden Fassung) sicher, dass durch die Anfechtung keine von Artikel 6 Abs. 1 GG geschützte soziale Familie auseinander gerissen wird. Es würde nicht genügen, allein an die missbräuchliche Anerkennung im Hinblick auf Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsrecht anzuknüpfen. Entsprechend den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 9. April 2003 zum Anfechtungsrecht des biologischen Vaters ist für die Annahme einer sozialfamiliären Beziehung maßgeblich, dass der Anerkennende für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt (vgl. die Legaldefinition in § 1600 Abs. 3 BGB - Absatz 4 in der Neufassung). Die Abstammung wie die sozialfamiliäre Verantwortungsgemeinschaft machen gleichermaßen den Gehalt von Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 GG aus (BVerfG, Beschluss vom 9. April 2003, NJW 2003, S. 2151, 2154).
Eine Anfechtung kommt außerdem nicht in Betracht, wenn jedenfalls zum Zeitpunkt der Anerkennung eine sozialfamiliäre Beziehung bestanden hat, die später beendet worden ist. Ein die Anfechtung rechtfertigender Missbrauch der Anerkennung zu Zwecken des Aufenthaltsrechts liegt auch hier nicht vor.
Entsprechend der Regelung für die Anfechtung durch den biologischen Vater ist auch die sozialfamiliäre Beziehung schutzwürdig, die bis zum Tod des rechtlichen Vaters bestanden hat.
Wie sich aus § 1600b Abs. 2 Satz 1 ("Die Frist beginnt nicht vor der Geburt des Kindes") ergibt, gilt das behördliche Anfechtungsrecht auch für diese Fälle. Die Anerkennung wird erst mit Geburt wirksam, da es vorher kein Kind im Sinne von § 1592 BGB gibt (vgl. Palandt/ Diederichsen, a.a. O., Rn. 9 zu § 1594 BGB zur Erledigung der Anerkennung bei Fehl- und Totgeburt). Der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Anerkennung ist dann der Zeitpunkt der Geburt. Es kann auch im Zeitpunkt der Geburt eine sozialfamiliäre Beziehung bestehen, insbesondere wenn der Anerkennende hinreichend intensiv an Schwangerschaft und Geburt Anteil genommen und den Kontakt zum Kind in seine Lebensplanung aufgenommen hat (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2004, S. 290, wo es im entschiedenen Fall nur an dieser Intensität fehlte). Das Anfechtungsrecht gilt darüber hinaus auch in den Fällen, in denen die Anerkennung erst später wirksam wird, insbesondere, wenn die Zustimmung der Mutter erst später vorliegt.
Lebt der Anerkennende mit dem Kind bereits längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammen, spricht bereits die Regelvermutung des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB (Abs. 4 in der Neufassung) für die Übernahme tatsächlicher Verantwortung und damit für eine sozialfamiliäre Beziehung. Die Übernahme tatsächlicher Verantwortung kann sich aber auch aus der Wahrnehmung weiterer typischer Elternrechte und -pflichten ergeben: Dazu zählen z.B. der regelmäßige Umgang mit dem Kind, seine Betreuung und Erziehung sowie die Leistung von Unterhalt.
Die für eine sozialfamiliäre Beziehung erforderliche Übernahme tatsächlicher Verantwortung ist auch in Fällen möglich, in denen ein Elternteil sich im Ausland befindet und im Visumsverfahren ein Aufenthaltsrecht aufgrund einer Vaterschaftsanerkennung geltend macht. Die 2. Kammer des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 8. Dezember 2005 festgestellt:
"Eine verantwortungsvoll gelebte und dem Schutzzweck des Artikel 6 GG entsprechende Eltern-Kind-Gemeinschaft lässt sich nicht allein quantitativ etwa nach Daten und Uhrzeiten des persönlichen Kontakts oder genauem Inhalt der einzelnen Betreuungshandlungen bestimmen. Die Entwicklung eines Kindes wird nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt" (FamRZ 2006, S. 187, 188).
Das zweite Tatbestandsmerkmal macht die Anfechtung davon abhängig, dass für das Kind oder einen Elternteil ein ausländerrechtlicher Vorteil entstanden ist. Durch die Anerkennung müssen "rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteiles" geschaffen werden. Diese Voraussetzungen liegen bei Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes durch Geburt vor, weil das Kind als Deutscher ein Grundrecht auf Einreise und Aufenthalt (Artikel 11 GG) hat. Sie liegen außerdem aufenthaltsrechtlich bei der Mutter (bei deutscher Mutter ggf. beim ausländischen Vater) vor, weil dann zur Ausübung der Personensorge ein Anspruch auf Familiennachzug zu einem deutschen Kind besteht (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG).
Die Anknüpfung an das Ausländerrecht ist bewusst objektiv gehalten. Sie orientiert sich an den von der Arbeitsgruppe der IMK ermittelten Fallgruppen (vgl. oben unter A II 1 b):
- (a) Ein deutscher Mann erkennt die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter an. Als Kind eines deutschen Staatsangehörigen erwirbt das Kind mit der wirksamen Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 1 StAG). Damit werden rechtliche Voraussetzungen für die "erlaubte Einreise" oder den "erlaubten Aufenthalt" im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB-E für das Kind geschaffen. Für die Mutter des Kindes erfüllt sich durch die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes ein Teil des Tatbestands des § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, wodurch rechtliche Voraussetzungen für ihre "erlaubte Einreise" oder ihren "erlaubten Aufenthalt" im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB-E geschaffen werden.
- (b) Ein ausländischer Mann mit gesichertem Aufenthaltsstatus erkennt die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten Ausländerin an. Wird das Kind aufgrund der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 4 Abs. 3 StAG deutscher Staatsangehöriger, werden wiederum rechtliche Voraussetzungen für die "erlaubte Einreise" oder den "erlaubten Aufenthalt" im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB-E für das Kind geschaffen. Für die Mutter des Kindes erfüllt sich durch die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes wiederum ein Teil des Tatbestands des § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, wodurch rechtliche Voraussetzungen für ihre erlaubte Einreise oder ihren erlaubten Aufenthalt im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB-E geschaffen werden.
- (c) Ein ausländischer Mann ohne gesicherten Aufenthaltsstatus erkennt die Vaterschaft für das Kind einer Deutschen oder das Kind einer Ausländerin mit verfestigtem Aufenthalt an. Ist das Kind deutscher Staatsbürger gemäß § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 StAG, erfüllt sich durch seine deutsche Staatsangehörigkeit ein Teil des Tatbestands des § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, wodurch rechtliche Voraussetzungen für die "erlaubte Einreise" oder den "erlaubten Aufenthalt" des Anerkennenden geschaffen werden. Der Tatbestand des § 1600 Abs. 3 BGB-E deckt auch diese Fallgruppe ab, indem er nicht von Vater oder Mutter, sondern vom "Elternteil" spricht.
Die Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung ergibt sich bereits daraus, dass durch sie ausländerrechtliche Vorteile begründet werden, obwohl weder eine sozialfamiliäre Beziehung zwischen Vater und Kind noch eine biologische Vaterschaft bestehen. Die Erforschung des Zwecks der Vaterschaftsanerkennung ist demgegenüber weder der Behörde zuzumuten, noch den Betroffenen, die ihr ausgesetzt wären.
Keiner besonderen Erwähnung im Tatbestand bedarf der allgemeine Anfechtungsgrund der objektiven Unrichtigkeit der bestehenden Vaterschaft (rechtlicher Vater ist nicht der biologische Vater). Sie ist nach § 1599 Abs. 1 BGB Voraussetzung für alle Anfechtungsklagen.
- (2) Gerichtliches Verfahren; Sachverhaltsermittlung
Im gerichtlichen Verfahren gilt gemäß §§ 640 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 616, 617 ZPO der Untersuchungsgrundsatz. Das Gericht muss also grundsätzlich bis zu seiner vollen Überzeugung alle angetretenen und/oder erreichbaren Beweise erheben, es sei denn, dass das Vorbringen des Klägers keine hinreichenden Indizien ergibt (Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 64. Aufl. 2006, Rn. 11 zu § 640 m.w. N.). Dieser Rahmen erscheint auch für die Anfechtung durch eine Behörde sachgerecht:
Für eine schlüssige Klage muss der Anfechtungskläger nämlich nach der Rechtsprechung einerseits Umstände vortragen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Abstammung zu wecken - es muss ein begründeter Anfangsverdacht vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1998, FamRZ 1998, S. 955, NJW 1998, S. 2976 und Urteil vom 30. Oktober 2002, FamRZ 2003, S. 155). Sein Vortrag muss substantiiert sein, ohne dass übertriebene Anforderungen gestellt werden. Der BGH hat die Anforderungen in seinem erwähnten Urteil vom 22. April 1998 mit Blick auf den Beginn der Anfechtungsfrist des § 1594 Abs. 1 BGB a.F. (= § 1600b Abs. 1 BGB n. F.) wie folgt entwickelt:
Da die Anfechtungsfrist mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Anfechtungsberechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen, muss der Anfechtungskläger diese Umstände darlegen. Er darf sich nicht auf die Behauptung beschränken, das Kind stamme nicht von ihm ab. Andernfalls könnten Ehelichkeitsanfechtungen ohne jede zeitliche Beschränkung ins Blaue hinein erhoben werden (Urteilsgründe 3 b, FamRZ 1998, S. 956).
Der BGH hat hier zu Lasten des Anfechtungsklägers den Grundsatz über die sekundäre Darlegungslast greifen lassen, weil der Gesetzestext an sich keinen substantiierten Vortrag des Anfechtungsklägers fordert. Dieser Grundsatz kommt zur Anwendung, wenn die nicht darlegungs- und beweispflichtige Partei die wesentlichen Umstände kennt und in zumutbarer Weise vortragen kann, während die andere Partei diese Umstände regelmäßig nicht kennt (BGH, FamRZ 1998, S. 956 m.w. N.). Der Grundsatz der sekundären Darlegungslast greift bei der Partei, für die die Voraussetzungen vorliegen (Kläger oder Beklagter). Er greift deshalb vorliegend zugunsten der anfechtungsberechtigten Behörde. Sie muss nur die ihr bekannten und in zumutbarer Weise zu ermittelnden Umstände, die gegen die Vaterschaft sprechen, vortragen.
Im Rahmen des Vortrags des Anfechtungsklägers werden insbesondere Umfang und Grenzen der Darlegungspflicht zur sozialfamiliären Beziehung von Bedeutung sein. Die anfechtungsberechtigte Behörde kann nämlich mit Rücksicht auf die Privatsphäre der Betroffenen das (Nicht)vorliegen einer sozialfamiliären Beziehung vielfach nur eingeschränkt ermitteln und darlegen. Sie kann insbesondere das (Nicht)vorliegen des Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft vortragen und diesen Umstand in Beziehung zur ausländerrechtlichen Situation der Beteiligten setzen. Es ist in diesen Fällen Sache von Vater und Kind als den Anfechtungsgegnern, im Einzelnen zu ihrer Beziehung vorzutragen.
In der Praxis kann die Erfüllung des Tatbestandes auch festgestellt werden. Gerade im Eltern-Kind-Verhältnis stellt sich angesichts der Pflicht und des Rechts zur elterlichen Sorge die Frage der Übernahme von Verantwortung. Die tatsächliche Übernahme der Verantwortung für ein Kind dürfte damit in den objektiven Lebensumständen sichtbar sein. Dementsprechend knüpft die Regelvermutung des § 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB an den objektiven Sachverhalt des Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft über längere Zeit an.
Das Vorliegen der Regelvermutung kann z.B. bejaht werden, wenn leiblicher Vater, Mutter und Kind über ein Jahr zusammengewohnt haben und keine Umstände ersichtlich sind, dass der Vater keine tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2005, FamRZ 2005, S. 705). Keine sozialfamiliäre Beziehung liegt dagegen nach einer OLG-Entscheidung z.B. dann vor, wenn der leibliche Vater nur eine vorübergehende Beziehung zu der Kindesmutter unterhielt und zwischen dem Kind und ihm nur sporadische und vereinzelte Kontakte stattfanden (OLG Düsseldorf, FamRZ 2004, S. 290, zu einem Fall von neun vereinzelten persönlichen Kontakten über einen Zeitraum von drei Monaten).
Zu Buchstabe c (§ 1600 Abs. 4 [neu] BGB-E)
Durch die Verweisung auf die geltende Legaldefinition des Merkmals "sozialfamiliäre Beziehung" ist sichergestellt, dass die Praxis sich auch bei der Anfechtung von Scheinvaterschaften durch eine Behörde an der sich entwickelnden Auslegung dieses Merkmals in Rechtsprechung und Literatur orientieren kann (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2004, S. 290; BGH FamRZ 2005, S. 705; Palandt/Diederichsen, a.a. O., Rn. 7 zu § 1600, Rn. 6 zu § 1685).
Zu Buchstabe d (§ 1600 Abs. 5 [neu] BGB-E)
Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.
Zu Buchstabe e (§ 1600 Abs. 6 [neu] BGB-E - Behördenzuständigkeit)
Die Ermächtigung in Satz 1 und 2 soll den Ländern die flexible Reaktion auf besondere örtliche Bedürfnisse ermöglichen.
Bei Satz 3 handelt es sich um eine Auffangzuständigkeit für die örtliche Zuständigkeit. Sie knüpft an die gerichtliche Zuständigkeit an, die bereits in § 640a ZPO geregelt ist. Die Auffangzuständigkeit ist insbesondere für die Fälle von Bedeutung, in denen die Beteiligten keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Die zuständige anfechtungsberechtigte Behörde bestimmt sich dann nach dem Amtsgericht Schöneberg in Berlin. Diese Auffangzuständigkeit ist insbesondere für die Auslandsvertretungen im Hinblick auf die Erfüllung ihrer Mitteilungspflicht gegenüber der anfechtungsberechtigten Behörde von Bedeutung.
Zu Nummer 2 (§ 1600b Abs. 1a [neu] BGB-E)
Mit der Regelung wird Beginn und Dauer der Frist an die besonderen Tatbestandsvoraussetzungen für die Vaterschaftsanfechtung durch eine Behörde im Unterschied zur Anfechtung durch eine Privatperson angepasst.
Der Wortlaut der Sätze 1 und 2 orientiert sich an dem vergleichbaren Fall des § 48 Abs. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG - Frist zur Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes). Die Befristung trägt dem Umstand Rechnung, dass vorbehaltlich der Rechtsbeständigkeit der Vaterschaftsanerkennung das betroffene Kind deutscher Staatsbürger ist und der sorgeberechtigte Elternteil einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels hat. Diesen Anspruch verliert er nur und erst dann, wenn eine Anfechtungsklage erhoben wird und diese Erfolg hat. Es ist im Interesse der Betroffenen sowie der Ausländerbehörden und Auslandsvertretungen, dass die Frage der Rechtsbeständigkeit der Vaterschaftsanerkennung möglichst schnell geklärt wird. Die auf die Tätigkeit von Behörden zugeschnittene Jahresfrist hat sich seit dem Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder vor knapp 30 Jahren bewährt.
Die Sätze 3 und 4 legen im Einklang mit der Wertung vergleichbarer Fälle und im Interesse des Vertrauensschutzes eine absolute Ausschlussfrist für die Anfechtung von fünf Jahren fest. Das betroffene Kind ist bis zu einer erfolgreichen Anfechtung der Vaterschaft deutscher Staatsbürger und hält sich damit rechtmäßig in Deutschland auf. § 24 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (StAngRegG) enthält die Fünfjahresfrist für die Feststellung der Unwirksamkeit von Einbürgerungen Volksdeutscher wegen durch Verschulden des Antragstellers den Behörden nicht bekannter Tatsachen, die der Einbürgerung entgegengestanden hätten. Auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - (NVwZ 2006, S. 807; DVBl 2006, S. 910; ZAR 2006, S. 246; StAZ 2006, S. 200) zur Rücknahme einer Einbürgerung legt es nahe, für den Fall des rückwirkenden Wegfalls der deutschen Staatsangehörigkeit durch erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft eine Anfechtungshöchstfrist festzulegen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hebt die besonderen grundrechtsbezogenen Probleme hervor, die der Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit gerade für Kinder aufwirft (in den Urteilsgründen C. III. am Ende). Das Gericht hat dem Gesetzgeber insbesondere aus Gründen des Vertrauensschutzes Befristungsregelungen oder Altersgrenzen nahe gelegt. Für das Vertrauen des Kindes macht es keinen Unterschied, ob es seine Staatsangehörigkeit von einer Einbürgerung des Vaters oder einer Vaterschaftsanerkennung herleitet.
Zu Nummer 3 (§ 1600e BGB)
Da sich die neu eingeführte Anfechtungsklage nach § 1600b Abs. 1 Nr. 5 sowohl gegen das Kind als auch gegen den Anerkennenden als rechtlichen Vater im Sinne von §§ 1600 Abs. 1 Nr. 1, 1592 Nr. 2 richten muss, ist § 1600e Abs. 1 um diese spezielle Ausgestaltung der Passivlegitimation zu ergänzen. Die Berechtigung zur Anfechtung der Vaterschaft ergibt sich aus § 1600. Bei dieser Gelegenheit wird der Absatz insgesamt sprachlich präziser gefasst.
Absatz 2 wird zur Klarstellung ergänzt, weil nicht jede Behörde eine (juristische) Person ist.
Die erfolgreiche Anfechtungsklage beseitigt die Wirkungen der Vaterschaftsanerkennung rückwirkend (vgl. BGH, FamRZ 1994, S. 694, 695; Baumbach/Hartmann, 64. Aufl. 2006, Rn. 11 Grundzüge § 253 ZPO). Die gerichtliche Feststellung ändert deshalb auch den Personenstand des Kindes mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Geburt (Hepting/Gaaz, Personenstandsrecht, Rn. 40 zu § 30 PStG). Ein bereits erteilter Aufenthaltstitel kann dementsprechend gemäß §§ 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, 48 VwVfG zurückgenommen werden (vgl. Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Zimmermann-Kreher/Storr, Kommentar zum Zuwanderungsgesetz 2005, Rn. 11 zu § 51 AufenthG). Im Staatsangehörigkeitsrecht entfällt die für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erforderliche Abstammung von einem deutschen Vater, das Kind ist aufgrund der erfolgreichen Anfechtung nicht deutscher Staatsbürger geworden.
Zu Artikel 2 (Änderung sonstigen Bundesrechts)
Zu Absatz 1 ( § 29a PStG)
Die Ergänzung ist erforderlich, weil das Ablehnungsrecht des § 4 Beurkundungsgesetz (BeurkG) wegen § 58 BeurkG nicht für Standesbeamte gilt.
Alle anderen Urkundspersonen sollen bereits jetzt gemäß § 4 BeurkG (ggf. i. V.m. § 1 Abs. 2 BeurkG) die Beurkundung ablehnen, wenn mit ihr erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden. Ein solcher unredlicher Zweck wird z.B. mit der Vaterschaftsanerkennung verfolgt, bei der die Erlangung ausländerrechtlicher Vorteile im Vordergrund steht und die familienrechtlichen Wirkungen von den Beteiligten erkennbar nicht gewollt sind (Knittel, Beurkundungen im Kindschaftsrecht, 6. Aufl. 2005, Rn. 22, 24a, 25).
Zu Absatz 2 (Aufenthaltsgesetz)
Zu Nummer 1 ( § 79 AufenthG)
Durch die Neufassung wird die Regelung auf Fälle ausgeweitet, in denen ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren in Vorbereitung oder anhängig ist. Die Neuregelung trägt dem Umstand Rechnung, dass eine zivilrechtlich wirksame Vaterschaftsanerkennung auch für aufenthaltsrechtliche Verfahren Bindungswirkung entfaltet, die jedoch durch ein Anfechtungsverfahren aufgehoben werden kann. Von der Behörde kann nicht verlangt werden kann, sehenden
Auges ein Verfahren zu betreiben, bei dem die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung eine zentrale Rolle spielt, ohne dass die Rechtsbeständigkeit dieser Anerkennung geklärt ist. Dies betrifft regelmäßig die Fälle, in denen eine Mitteilung nach §§ 87 Abs. 5 oder 90 Abs. 4 AufenthG erfolgt ist.
Die Personenaufzählung in Absatz 2 Nr. 2 trägt dem Umstand Rechnung, dass sowohl die Mutter als auch der Vater des Kindes Antragsteller im Verfahren auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels sein können und beide im Vaterschaftsanfechtungsverfahren verschiedene Rollen haben können. Während der Vater stets Partei ist (vgl. § 1600e BGB-E), kann die Mutter als gesetzliche Vertreterin des Kindes oder als Beigeladene am Verfahren beteiligt sein (vgl. Zöller/Philippi, 25. Aufl. 2005, Rn. 2 zu § 640e ZPO).
Die Aussetzung der Entscheidung über den Aufenthaltstitel führt im Einklang mit den §§ 60a, 81 AufenthG, nicht zu einem Rechtsverlust: Personen, die sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, ist gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG eine Duldung (vorübergehende Aussetzung der Abschiebung) zu erteilen. Danach ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. In den relevanten Fallgruppen handelt es sich um Personen, die sich aufgrund der Vaterschaftsanerkennung auf § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG berufen. Die Vorschrift sieht einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den ausländischen Elternteil eines minderjährigen Deutschen vor, dem das Personensorgerecht zusteht und der deshalb beabsichtigt, die Personensorge auszuüben. Der Abschiebung des Elternteils wird daher Art. 6 Abs. 1 GG entgegenstehen, so dass die Voraussetzungen für eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG vorliegen. Für die Personen, die sich bereits rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, gilt § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG.
Zu Nummer 2 ( § 87 AufenthG)
Zu Buchstabe a (Absatz 2)
Dem § 87 Abs. 2 Satz 1 AufenthG soll eine neue Nummer 4 angefügt werden, wonach öffentliche Stellen die zuständige Ausländerbehörde unverzüglich zu unterrichten haben, wenn sie von konkreten Tatsachen Kenntnis erlangen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB vorliegen.
Die neue Mitteilungspflicht ergänzt die Mitteilungspflicht aus dem Absatz 1 des § 87 AufenthG, die in Fällen missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen ebenfalls zur Anwendung kommen kann. Danach haben öffentliche Stellen (vgl. die Legaldefinition in § 2 des Bundesdatenschutzgesetzes) den mit der Ausführung des AufenthG betrauten Behörden auf Ersuchen die ihnen bekannten Umstände mitzuteilen, die die Behörden für die Ausführung dieses Gesetzes benötigen.
Zu den Aufgaben der Ausländerbehörden und der Auslandsvertretungen gehört die Erteilung von Aufenthaltstiteln (§ 71 Abs. 1 und 2 AufenthG). Wesentliches Tatbestandsmerkmal für die Erteilung des Aufenthaltstitels ist z.B. im Fall der ausländischen Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes, die durch die Vaterschaftsanerkennung vermittelt wird. Die Ausländerbehörde kann hier insbesondere die Stelle, die die Vaterschaftsanerkennung und die Zustimmung der Mutter beurkundet hat, um Mitteilung etwaiger Anhaltspunkte für einen Missbrauch ersuchen. Solche Anhaltspunkte können sich etwa daraus ergeben, dass der anerkennende Vater bereits mehrfach Kinder verschiedener ausländischer Mütter anerkannt hat oder der Urkundsbeamte von Dritten über eine Geldzahlung anlässlich der Vaterschaftsanerkennung unterrichtet wird. Neben den beurkundenden Stellen können auch die Einwohnermeldeämter über sachdienliche Informationen verfügen. So ist die Meldung eines gemeinsamen Wohnsitzes ein Indiz für eine sozialfamiliäre Beziehung, während das Getrenntleben Anlass für weitere Sachverhaltsermittlung sein kann.
Die Mitteilungspflicht auf Ersuchen der Ausländerbehörde nach § 87 Abs. 1 AufenthG reicht jedoch nicht in allen Fällen missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen aus. Insbesondere gibt es Fälle, in denen die Ausländerbehörde eine Person, die ohne die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig wäre, gar nicht im Blick hat. Dies gilt etwa für Ausländer, die einen Aufenthaltstitel nicht beantragt haben oder denen er verweigert wurde. Es gibt auch keine Gewähr dafür, dass die Betroffenen hier nach erfolgter Vaterschaftsanerkennung alsbald die Ausländerbehörde aufsuchen, um einen Aufenthaltstitel zu beantragen. Ebenfalls nicht im Blick der Ausländerbehörden werden häufig die Fälle sein, in denen die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis, die durch eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung ermöglicht wurde, vor Inkrafttreten der vorliegenden Neuregelung erteilt hat. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG wird in der Regel für drei Jahre erteilt. Innerhalb dieses Zeitraums besteht für die Ausländerbehörde grundsätzlich kein Anlass, sich mit dem Vorgang des Ausländers zu befassen, so dass bei ihr keine konkreten Verdachtsmomente auftreten können. Dies gilt erst recht für die Fälle, in denen die Ausländerbehörde eine Niederlassungserlaubnis, d.h. eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, erteilt hat. Nach § 28 Abs. 2 AufenthG ist einem Ausländer, der sich auf den Familiennachzug zu Deutschen, etwa nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG beruft, bereits nach drei Jahren eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.
Die neue Mitteilungspflicht von öffentlichen Stellen bei konkreten Tatsachen nach § 87 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG-E ist außerdem geeignet zu vermeiden, dass die Ausländerbehörden im Hinblick auf das neu geschaffene öffentliche Anfechtungsrecht gleichsam "auf Verdacht" in allen Fällen von Vaterschaftsanerkennungen mit Auslandsbezug von ihrem nach § 87 Abs. 1 AufenthG bestehenden Recht auf Auskunftsersuchen Gebrauch machen müssen, um Kenntnis von möglichen Missbrauchsfällen erlangen zu können.
Für das Jugendamt kann die Mitteilungspflicht des § 87 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG-E in Konflikt insbesondere mit seinem Auftrag aus dem SGB VIII treten, Eltern in Angelegenheiten ihrer Kinder Hilfe und Unterstützung anzubieten. § 87 Abs. 2 letzter Halbsatz AufenthG-E sieht daher - entsprechend der Regelung des § 87 Abs. 3 AufenthG für die Bundesbeauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration - vor, dass das Jugendamt zur Mitteilung nur verpflichtet ist, soweit dadurch die Erfüllung der eigenen Aufgaben nicht gefährdet wird. Eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung des Jugendamts wird in der Regel insbesondere dann anzunehmen sein, wenn zwischen dem Jugendamt und den betroffenen Eltern ein über die Beurkundung der Vaterschaft hinausgehendes Hilfeverhältnis besteht.
Die Auslandsvertretungen teilen ihnen bekannt werdende Anfechtungstatsachen nach § 90 Abs. 4 AufenthG-E unmittelbar der anfechtungsberechtigten Behörde mit; § 90 Abs. 4 AufenthG-E ist insoweit lex specialis zu § 87 Abs. 2 AufenthG-E.
Die Anknüpfung an konkrete Tatsachen greift einen Ansatz aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht auf. Durch die Formulierung wird sichergestellt, dass bloße Vermutungen oder Hypothesen nicht ausreichen (vgl. Karlsruher-Kommentar/Wache, 3. Aufl. 2006, Rn. 39 vor § 53 OWiG).
Geht eine Mitteilung nach § 87 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG-E bei der Ausländerbehörde ein, muss die Ausländerbehörde sie im Rahmen ihrer eigenen Zuständigkeit überprüfen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen des behördlichen Anfechtungsrechts (Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt i.S.d. § 1600 Abs. 3 BGB-E). Gelangt die Ausländerbehörde ebenfalls zu dem Ergebnis, dass konkrete Anfechtungstatsachen vorliegen, muss sie diese nach § 90 Abs. 4 AufenthG-E der anfechtungsberechtigten Behörde mitteilen.
Zu Buchstabe b (Absatz 5 neu)
Die Mitteilungspflichten der anfechtungsberechtigten Behörde und der Familiengerichte werden mit Rücksicht auf die Bedeutung der Entscheidungen für das Verwaltungsverfahren eingeführt.
Zu Nummer 3 ( § 90 AufenthG)
Die Mitteilungspflicht der Ausländerbehörde ist erforderlich, weil die Ausländerbehörde regelmäßig mit Anträgen auf Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln befasst ist, zu deren Begründung auf Vaterschaften aufgrund von Anerkennungen verwiesen wird. Die Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft erfolgt mit Blick auf die Fälle, in denen die Vaterschaftsanerkennung nicht wegen der Abstammung des Kindes oder einer sozialfamiliären Beziehung, sondern zum Zwecke der Erteilung eines Aufenthaltstitels durch die zuständige Behörde erfolgt.
Der Tatbestand verlangt in Abwägung zwischen dem Gebot effektiver Sachverhaltsermittlung einerseits und der Vermeidung bloßer Verdachtsmeldungen andererseits das Vorliegen konkreter Tatsachen, die aus Sicht der mitteilenden Behörde die Annahme eines Anfechtungstatbestands rechtfertigen. Der Wortlaut orientiert sich an dem § 48 Abs. 4 VwVfG, der die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts betrifft und damit einen Fall regelt, der mit der Anfechtbarkeit der Vaterschaft vergleichbar ist.
Zur Anknüpfung an konkrete Tatsachen wird auf die Begründung zu Artikel 2, Absatz 2, Nummer 2a (§ 87 Abs. 2 AufenthG-E) verwiesen. Die Mitteilung dieser Tatsachen soll dazu beitragen, dass die anfechtungsberechtigte Behörde ggf. eine schlüssige Klage erheben kann (vgl. die Begründung zu Artikel 1, Nummer 1, Buchstabe b, (2) Gerichtliches Verfahren, Sachverhaltsermittlung).
Die Einbeziehung der Auslandsvertretungen ist schon deshalb gerechtfertigt und notwendig, da diese in eigener Zuständigkeit Anträge auf Visumerteilung ablehnen können. Die interne Zustimmung der jeweiligen Ausländerbehörde gemäß § 31 Abs. 1 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) ist nur im Fall der Erteilung des Visums erforderlich. Nur insoweit erhält die Ausländerbehörde ggf. von konkreten anfechtungsrelevanten Tatsachen seitens der Auslandsvertretung Kenntnis.
Zu Absatz 3 ( § 640d ZPO)
Die Änderung von § 640d ZPO erstreckt sich neben der gebotenen redaktionellen Umstellung auf das Anfügen eines neuen Absatzes 2. Dieser schreibt die Anhörung des Jugendamts durch das Gericht in einem Anfechtungsverfahren nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB-E vor. Wenn eine sozialfamiliäre Beziehung des Kindes zu dem nach § 1592 Nr. 2 BGB legitimierten Vater besteht, wird das Jugendamt vielfach aufgrund seiner Beratungstätigkeit (vgl. § 52a SGB VIII) oder im Rahmen der Beistandschaft (vgl. §§ 55, 56 SGB VIII, § 1712 BGB) Kenntnis davon haben. Außerdem kann das Jugendamt seine Bewertung der vorhandenen Fakten gemäß seinem Aufgabenverständnis in das Gerichtsverfahren einbringen. Damit besteht neben dem Untersuchungsgrundsatz eine weitere Absicherung, dass die Anfechtung nur in den Fällen zum Erfolg führt, in denen der Vaterschaftsanerkennung keine sozialfamiliäre Beziehung zugrunde liegt.
Die Vorschrift orientiert sich an der in § 49a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) geregelten Anhörungspflicht. Da es sich bei Kindschaftssachen nach §§ 640 ff. ZPO, mithin auch bei Anfechtungsverfahren nach § 640 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, um "ZPO-Familiensachen" handelt, sind die Verfahrensvorschriften in die Zivilprozessordnung zu integrieren. Eine vergleichbare Vorschrift ist im Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgesehen (Artikel 1 § 184).
Zu Absatz 4 (Artikel 229 § [15] EGBGB)
Wegen der weit reichenden Auswirkungen der Abstammung im privaten und öffentlichen Bereich (Erbrecht, Steuerrecht, Sozialrecht etc.) besteht ein großes Bedürfnis nach baldiger Rechtssicherheit. Die Anfechtung der Vaterschaft wird daher vom Gesetz befristet. Da der anfechtungsberechtigten Behörde erst mit Inkrafttreten dieses Gesetzes die Anfechtung der Vaterschaft ermöglicht wird, sie aber gleichwohl schon vorher von den die Anfechtung rechtfertigenden Tatsachen erfahren haben kann, besteht die Gefahr der Verfristung. Artikel 229 § [15] EGBGB-E schreibt daher vor, dass die Anfechtungsfrist nicht vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zu laufen beginnt. Zum Schutz des betroffenen Kindes gilt die absolute Ausschlussfrist von fünf Jahren auch in diesen Fällen.
Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Der Praxis soll ein angemessener Vorlauf für die Umsetzung dieses Gesetzes gegeben werden.