869. Sitzung des Bundesrates am 7. Mai 2010
A.
Der federführende Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a (§ 93 Absatz 2 GVG), Buchstabe c - neu - (§ 93 Absatz 4 - neu - GVG)
Artikel 1 Nummer 3 ist wie folgt zu ändern:
- a) In Buchstabe a § 93 Absatz 2 sind die Wörter "innerhalb eines Oberlandesgerichtsbezirks" zu streichen.
- b) Folgender Buchstabe c ist anzufügen:
- "c) Folgender Absatz 4 wird angefügt:
"(4) Mehrere Länder können die Einrichtung einer oder mehrerer gemeinsamer Kammern für internationale Handelssachen im Sinne des Absatzes 2 vereinbaren." "
- "c) Folgender Absatz 4 wird angefügt:
Folgeänderungen:
- a) In der allgemeinen Begründung Teil II, Nummer 3 Absatz 1 Satz 1 sind die Wörter "innerhalb eines Oberlandesgerichtsbezirks" zu streichen.
- b) Die Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 2 wird zur Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 3 und ist wie folgt zu ändern:
- aa) Absatz 4 ist wie folgt zu ändern:
- aaa) In Satz 1 sind die Wörter "innerhalb eines Oberlandesgerichtsbezirks" zu streichen.
- bbb) Folgende Sätze sind anzufügen:
"Der Entwurf lässt offen, ob die Länder bei der Bestimmung der Zuständigkeitsbereiche einer oder mehrerer Kammern für internationale Handelssachen die Grenzen des jeweiligen Oberlandesgerichtsbezirks überschreiten oder nicht."
- bb) Folgender Absatz ist anzufügen:
"Absatz 4 ermöglicht den Ländern, eine oder mehrere gemeinsame Kammern für internationale Handelssachen zu errichten. Dies wird sich anbieten, wenn sich abzeichnet, dass die in einem Land anfallenden Gerichtsverfahren zahlenmäßig für eine eigene Kammer für internationale Handelssachen nicht ausreichen. Hierdurch können sich Synergieeffekte ergeben."
- aa) Absatz 4 ist wie folgt zu ändern:
- c) Die Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 3 wird Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 4 und die Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 5 wird Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 6.
Begründung (nur für das Plenum):
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass für den Bezirk eines oder mehrer Landgerichte innerhalb eines Oberlandesgerichtsbezirks Kammern für internationale Handelssachen eingerichtet werden können. Dieser Beschränkung auf den Oberlandesgerichtsbezirk bedarf es nicht. Gibt es in einem Land mehrere Oberlandesgerichtsbezirke kann es sich dennoch anbieten, nur an dem zentralsten Landgericht entsprechende Kammern zu schaffen. Gleiches kann für das Gebiet mehrerer Länder gelten.
2. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 114b Satz 2 GVG), Nummer 5 Buchstabe b (§ 184 Absatz 2 Satz 4 - neu - GVG),
Artikel 2 Nummer 1 - neu - (§ 73 Absatz 2 - neu - ZPO), Nummer 2 - neu - (§ 253 Absatz 3a - neu - ZPO)
- a) Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- aa) In Nummer 4 § 114b Satz 2 sind die Wörter "ausdrücklich oder stillschweigend" zu streichen.
- bb) Nach Nummer 5 Buchstabe b § 184 Absatz 2 Satz 3 ist folgender Satz einzufügen:
"Erfolgt ein Beitritt nach § 74 Absatz 1 der Zivilprozessordnung, ist auf Antrag des Dritten ein Dolmetscher hinzuzuziehen oder das Verfahren in deutscher Sprache fortzuführen."
- b) Artikel 2 ist wie folgt zu fassen:
"Artikel 2
Änderung der Zivilprozessordnung
Die Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
- 1. § 73 wird wie folgt geändert:
- a) Der bisherige Wortlaut wird Absatz 1.
- b) Folgender Absatz 2 wird angefügt:
"(2) In einem nach § 184 Absatz 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes in englischer Sprache geführten Verfahren darf der Dritte die Annahme des in englischer Sprache abgefassten Schriftsatzes bei der Zustellung verweigern oder diesen binnen zwei Wochen dem Gericht zurücksenden. Auf die Rechte nach Satz 1 ist der Dritte durch das Gericht in deutscher Sprache hinzuweisen. Hat der Dritte seine Rechte nach Satz 1 ausgeübt, hat das Gericht den Streitverkünder hiervon unverzüglich in Kenntnis und diesem eine Frist zu setzen, innerhalb derer eine Übersetzung des Schriftsatzes in die deutsche Sprache beizubringen ist. Die Zustellung des Schriftsatzes zusammen mit der vor Ablauf der nach Satz 3 gesetzten Frist beigebrachten Übersetzung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, an dem der erste Schriftsatz zugestellt worden ist."
- 2. Nach § 253 Absatz 3 wird folgender Absatz 3a eingefügt:
"(3a) In Verfahren vor den Kammern für internationale Handelssachen nach § 114a des Gerichtsverfassungsgesetzes ist der Klageschrift die Vereinbarung der Parteien über die Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache oder die schriftliche Erklärung der Einwilligung der Gegenpartei zur Verhandlung in englischer Sprache beizufügen." "
Folgeänderungen:
- a) In Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe b § 184 Absatz 3 Satz 2 ist die Angabe "5" durch die Angabe "6" zu ersetzen.
- b) Nach der Einzelbegründung zu Nummer 1 wird folgende Einzelbegründung eingefügt:
"Zu Nummer 2 (Überschrift zum Siebenten Teil) Folgeänderung"
- c) Die Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 2 wird Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 3.
- d) Die Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 3 wird Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 4 und die Begründung zu § 114b GVG-E ist wie folgt zu ändern:
- aa) Dem Absatz 3 ist folgender Satz anzufügen:
"Aus diesem Grund ist es erforderlich, die Vereinbarung der Parteien über die Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache oder die schriftliche Erklärung der Einwilligung der beklagten Partei, den Prozess in englischer Sprache zu führen, bereits der Klageschrift beizufügen."
- bb) Absatz 6 ist wie folgt zu fassen:
"Wie die Willensübereinstimmung der Parteien hergestellt wird, ist grundsätzlich nicht von Belang. Dies kann vorab im Rahmen eines zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages geschehen, ähnlich einer Gerichtsstandvereinbarung. Die Übereinstimmung kann aber auch erst im Zusammenhang mit der Einleitung des Rechtsstreits hergestellt werden, z.B. indem der Kläger vor Einleitung des Verfahrens vor der Kammer für internationale Handelssachen das schriftliche Einverständnis des Beklagten zur Verfahrensführung in englischer Sprache einholt. Erforderlich ist jedoch, dass die Willensübereinstimmung zur Verhandlung in englischer Sprache bei Einreichung der Klageschrift hergestellt und entweder die Vereinbarung der Parteien über die Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache oder eine entsprechende schriftliche Erklärung der Einwilligung des Beklagten der Klageschrift beigefügt wird, vgl. § 253 Absatz 3a ZPO-E."
- aa) Dem Absatz 3 ist folgender Satz anzufügen:
- e) Die bisherige Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 4 wird Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 5 und ist wie folgt zu ändern:
- aa) Absatz 4 Satz 3 wird zu Absatz 7 und die Angabe "Satz 4" ist durch die Angabe "Satz 5" zu ersetzen
- bb) Absatz 4 Satz 4 wird zu Absatz 6.
- cc) Nach Absatz 4 ist folgender Absatz einzufügen:
"Auch in einem in englischer Sprache geführten Verfahren kann einem Dritten der Streit nach § 72 Absatz 1 ZPO mit der Folge verkündet werden, dass er nach § 74 Absatz 1 ZPO dem Rechtsstreit beitreten kann. Die Kammern für internationale Handelssachen werden nach § 114b Satz 1 GVG-E jedoch nur zuständig, wenn das Verfahren nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien in englischer Sprache durchgeführt werden soll. Der Dritte hingegen wird einen entsprechenden Willen vor der Zustellung des zum Zwecke der Streitverkündung eingereichten Schriftsatzes noch nicht geäußert haben. Tritt er dem Rechtsstreit nach § 74 Absatz 1 ZPO bei, darf er hinsichtlich der Gerichtssprache nicht anders behandelt werden als die Parteien. Dementsprechend wird das Gericht auf Antrag des Dritten nach Absatz 2 Satz 4 verpflichtet, einen Dolmetscher hinzuzuziehen oder das Verfahren in deutscher Sprache fortzuführen."
- dd) Im neuen Absatz 9 ist die Angabe "Satz 5" durch die Angabe "Satz 6" zu ersetzen.
- f) Die Einzelbegründung zu Artikel 2 ist wie folgt zu fassen:
"Zu Artikel 2 (Änderung der Zivilprozessordnung)
Zu Nummer 1 (§ 73 Absatz 2 - neu - ZPO)
Nach § 184 Absatz 2 Satz 1 GVG-E wird vor den Kammern für internationale Handelssachen und den für Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der Kammern für internationale Handelssachen zuständigen Senaten der Oberlandesgerichte das Verfahren in englischer Sprache geführt. Dies hat zur Folge, dass der nach dem bisherigen § 73 Satz 1 ZPO zum Zwecke der Streitverkündung einzureichende Schriftsatz in englischer Sprache zu verfassen ist. An die beklagte Partei kann demgegenüber die in englischer Sprache verfasste Klageschrift nur zugestellt werden, wenn ihr eine schriftliche Erklärung der Einwilligung beigefügt worden ist. Die Zustellung eines Schriftsatzes in einer anderen Sprache als der deutschen ist im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs bedenklich und dürfte daher grundsätzlich nicht zulässig sein. Diese Wertung ergibt sich auch aus Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates - EGZustVO, ABl. L 324 vom 10.12.2007, S. 79. Daher muss der Dritte vor der Zustellung einer in der englischen Sprache verfassten Streitverkündungsschrift geschützt werden, wenn er diese gegen sich nicht gelten lassen will. Diesem Schutz trägt der neue § 73 Absatz 2 ZPO in Anlehnung an die Regelung des Artikels 8 EGZustVO Rechnung. Nach § 73 Absatz 2 Satz 1 ZPO-E darf der Dritte die Annahme des in englischer Sprache abgefassten Schriftsatzes bei der Zustellung verweigern oder diesen binnen zwei Wochen dem Gericht zurücksenden. Auf diese Rechte ist der Dritte nach Satz 2 in deutscher Sprache durch das Gericht bei der Zustellung hinzuweisen. Dies kann beispielsweise durch einen Hinweis auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftsatzes erfolgen. Die Ausübung eines der Rechte nach Satz 1 hat das Gericht nach Satz 3 dem Streitverkünder unverzüglich bekannt zu machen und diesem eine Frist zu setzen, innerhalb derer er eine Übersetzung des Schriftsatzes in die deutsche Sprache beizubringen hat. Wird diese Übersetzung innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist beigebracht, wirkt nach Satz 4 die Zustellung des Schriftsatzes zusammen mit der Übersetzung in die deutsche Sprache auf den Zeitpunkt zurück, an dem der erste Schriftsatz zugestellt worden ist. Als Frist für die Beibringung der Übersetzung dürfte in der Regel ein Monat ausreichend sein (vgl. Zöller/Geimer, Zivilprozessordnung, 27. Aufl. 2009, Anh II EG-VO Zustellung Artikel 8 Rnr. 7). Die Regelung einer solchen Rückwirkung ist notwendig, da für den Streitverkünder bei Einreichung des in englischer Sprache verfassten Schriftsatzes nicht abzusehen ist, ob der Dritte von einem der Rechte nach Satz 1 Gebrauch macht. Und nur so kann sichergestellt werden, dass der Streitverkünder mittels eines in englischer Sprache abgefassten Schriftsatzes die in § 167 ZPO genannte Frist wahren und die dort genannten Wirkungen herbeiführen kann.
Zu Nummer 2 (§ 253 Absatz 3a - neu - ZPO)
§ 253 Absatz 3a ZPO-E setzt § 114b Satz 1 GVG-E im Hinblick auf das Erfordernis des übereinstimmenden Willens der Parteien zur Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache um. Bereits nach geltendem Recht ist nach § 96 GVG in der Klageschrift neben dem Gericht die Kammer für Handelssachen anzugeben, wenn vor dieser verhandelt werden soll (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl., 2010, § 253 Rnr. 9). Da konstituierende Voraussetzung für die Zuständigkeit der Kammer für internationale Handelssachen nach § 114b Satz 1 GVG-E der übereinstimmende Wille der Parteien ist, das Verfahren in englischer Sprache durchzuführen, sieht § 253 Absatz 3a ZPO-E zusätzlich vor, dass entweder die Vereinbarung der Parteien über die Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache oder das schriftliche Einverständnis der Gegenpartei zur Verhandlung in englischer Sprache der Klageschrift beizufügen ist. Das Einverständnis der klagenden Partei braucht hingegen nicht ausdrücklich erklärt zu werden; dieses ergibt sich konkludent aus dem Antrag der Partei nach § 114c Absatz 1 GVG-E in Verbindung mit § 96 GVG zur Verhandlung der Streitigkeit vor der Kammer für internationale Handelssachen."
Begründung (nur für das Plenum):
Der Gesetzentwurf ist hinsichtlich der Regelung zur Streitverkündung zu überarbeiten. Nach der bisherigen Regelung konnte der Dritte im Gegensatz zu den Parteien gegen seinen Willen an einem in englischer Sprache geführten Verfahren beteiligt werden. Die vorgeschlagene Regelung stärkt zum einen die Rechte des Dritten dadurch, dass er die Zustellung einer deutschen Übersetzung der Streitverkündungsschrift und im Falle des Beitritts zum Rechtsstreit verlangen kann, dass ein Dolmetscher hinzugezogen oder der Rechtsstreit in der deutschen Sprache fortgeführt wird. Zum anderen ermöglicht der Vorschlag die Fortführung des Verfahrens in der englischen Sprache auch bei einer Streitverkündung, wenn der Dritte nach erfolgtem Beitritt damit einverstanden ist.
Der Gesetzentwurf ist ferner um das Erfordernis der Beifügung der Vereinbarung der Parteien über die Durchführung des Verfahrens in englischer Sprache oder der entsprechenden schriftlichen Erklärung der Gegenpartei zur Verhandlung in englischer Sprache zu der Klageschrift zu ergänzen. Die vorgeschlagene Regelung stellt sicher, dass bereits bei Klageeinreichung fest steht, ob das insoweit als konstituierende Voraussetzung der Zuständigkeit der Kammer für internationale Handelssachen ausgestaltete Merkmal des übereinstimmenden Willens zur Verfahrensführung in englischer Sprache gegeben ist.
Im Übrigen werden mit dem Änderungsantrag offensichtliche Unrichtigkeiten in der Nummerierung der Einzelbegründungen berichtigt.
B.
- 3. Der Wirtschaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
C.
- 4. Der federführende Rechtsausschuss schlägt dem Bundesrat vor, Ministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (Nordrhein-Westfalen) gemäß § 33 der Geschäftsordnung des Bundesrates zur Beauftragten des Bundesrates für die Beratung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag und seinen Ausschüssen zu bestellen.