Der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz Mainz, den 1. Februar 2011
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz, Bremen und Nordrhein-Westfalen haben beschlossen, beim Bundesrat den in der Anlage mit Begründung beigefügten Antrag für eine Entschließung des Bundesrates: "Bahndividende in Infrastruktur, Personal und Rollendes Material investieren" einzubringen.
Ich bitte Sie, den Entschließungsantrag gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung auf die Tagesordnung der 879. Sitzung des Bundesrates am 11. Februar 2011 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Kurt Beck
Entschließung des Bundesrates: "Bahndividende in Infrastruktur, Personal und Rollendes Material investieren"
Der Bundesrat möge beschließen:
- 1. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, gemeinsam mit der DB AG die hauptsächlich im Dezember 2010 aufgetretenen Winterschwierigkeiten genau zu untersuchen und hinsichtlich der aufgetretenen Störungen eine quantitative und qualitative Fehleranalyse durchzuführen. Daraus ist für zukünftige extreme Wettersituationen ein kurz- und mittelfristiger Maßnahmenkatalog abzuleiten, der schnellstmöglich die aufgetretenen Störungen für die Zukunft beseitigt.
- 2. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, hierfür so lange auf die ab dem Jahr 2011 von der DB AG an den Bund zu zahlende Dividende in Höhe von 500 Mio./Jahr zu verzichten, bis ein für extreme Wettersituationen zu definierender Mindeststandard hinsichtlich der Verkehrsbedienung im Personen- und Güterverkehr auf der Schiene und eine weitgehende Störungsfreiheit der Infrastruktur nachweislich gesichert ist.
- 3. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sicherzustellen, dass die Summe von 500 Mio. €/Jahr von der DB AG jährlich wiederkehrend investiert wird und dass die für den im Normalbetrieb erwarteten Qualitätsstandards sowie die für den in Extremsituationen definierten Mindeststandard notwendigen Finanzmittel dauerhaft bereitgestellt werden. Dies betrifft insbesondere die Verbesserung der Verfügbarkeit bei der Fahrleitung, den Weichen, Stellwerken und bei den Fahrzeugen sowie eine ausreichende Reservevorhaltung bei Fahrzeugen, Werkstätten und Personal und eine entsprechende Personalausstattung zur Beseitigung von Schnee und Eis. Die DB AG hat gegenüber dem Bund nachzuweisen, dass diese Mittel nicht zur Finanzierung ohnehin geplanter Maßnahmen ausgegeben werden. Außerdem muss vor diesem Hintergrund auch die Leistungsfähigkeit des Netzes durch die Wiedereinrichtung von aufgelassenen Überholungs-, Bahnhofs- und Kreuzungsgleisen verbessert werden.
Begründung:
Die Probleme der Bahn in den Wintern 2009/2010 und 2010/2011 haben gezeigt, dass die DB AG auf die aufgetretenen Schwierigkeiten nicht ausreichend vorbereitet war, weder im Personen-, noch im Güterverkehr und insbesondere nicht bei der S-Bahn Berlin.
Nach massiven Störungen im Fernverkehr mit zahlreichen Zugausfällen und stundenlangen Verspätungen vor Weihnachten und zwischen Weihnachten und Neujahr 2010 war auch vermehrt das Angebot im Nahverkehr betroffen gewesen. Insbesondere in Brandenburg, Sachsen, Berlin und Schleswig Holstein kam es zu massiven Einschränkungen des Zugangebotes und Qualitätsmängeln. Einige Strecken wurden tageweise überhaupt nicht mehr bedient. Die Ankündigungen der DB AG im Vorfeld des jetzigen Winters, sich sowohl auf infrastruktureller als auch fahrzeugtechnischer Seite gut vorbereitet zu haben, damit sich die Probleme des Winters 2009/2010 nicht wiederholen, haben sich somit als falsch erwiesen.
Es muss daher gefordert werden, dass Bund und DB AG den Ursachen der erneut aufgetretenen Probleme nachgehen und die notwendigen Maßnahmen treffen, um den Bahnverkehr insbesondere im Winter wieder zuverlässiger zu machen.
Der Bund kann sich hierbei auch nicht auf das formale Argument zurückziehen, dass er auf die Geschäftstätigkeit der DB AG als Aktiengesellschaft nicht direkt einwirken kann. Der Bund hat nach dem Grundgesetz die Aufgabe, dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes sowie den Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den SPNV betreffen, Rechnung zu tragen. Dies gilt für jede Wettersituation und auch für den Marktauftritt der DB Regio AG, denn der Bund ist alleiniger Eigentümer des Nahverkehrsunternehmens der DB AG.
Im höchsten Maße kontraproduktiv in dieser Situation ist, dass der Bund ab dem Jahr 2011 eine Betrag von jährlich 500 Mio. € von der DB AG als Gewinnabführung verlangt. Dieses Geld fehlt insbesondere für eine sachgerechte Reservevorhaltung in den Bereichen Infrastruktur, Fahrzeuge, Werkstätten und Personal, die notwendig ist, um mit schwierigen Wettersituationen fertig werden zu können. Der Bund soll daher auf diesen jährlichen Beitrag verzichtet, damit dieser gezielt für die Beseitigung von Qualitätsmängeln bei der DB AG verwendet wird.
Eine Diskriminierung anderer Eisenbahnverkehrsunternehmen ist insoweit nicht gegeben, als dass es sich bei den 500 Mio. €/Jahr um von der DB AG am Markt verdientes Geld handelt, welches ohne den Anspruch des Bundes auf Zahlung einer Dividende im Konzern verbleiben würde und dann gleichermaßen für die beschriebenen Maßnahmen eingesetzt werden könnte.