Der Bundesrat hat in seiner 884. Sitzung am 17. Juni 2011 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:*
1. Zu den Gesetzentwürfen allgemein
Der Bundesrat begrüßt, dass jetzt die Chance zu einem echten und dauerhaften Energiekonsens in Deutschland besteht, der der Notwendigkeit einer stabilen, sicheren, bezahlbaren und umweltfreundlichen Energieversorgung Rechnung trägt.
Durch verstärkte Anstrengungen zur Energieeinsparung und Steigerung der Energieeffizienz sowie durch eine Kombination aus Erneuerbaren Energien und hocheffizienten Kraftwerken müssen eine sichere Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen, Klimaschutz, Ressourcenschonung und die nationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und der mittelständischen Wirtschaft sichergestellt werden.
- a) Der Atomausstieg ist schnellstmöglich, unumkehrbar und geordnet zu vollziehen. Die sieben ältesten Atomkraftwerke sowie das AKW Krümmel bleiben endgültig abgeschaltet.
- b) Die übrigen Atomkraftwerke werden stufenweise bis spätestens Ende 2022 abgeschaltet, wobei jedem AKW ein endgültiges Abschaltdatum verfassungsgemäß gesetzlich zugeordnet wird. Die in Betrieb befindlichen Kraftwerke und die weiteren kerntechnischen Anlagen müssen einen hohen Sicherheitsstandard gewährleisten.
- c) Etwaige Entschädigungsverpflichtungen gegenüber den Kernkraftwerksbetreibern durch die neuen, gesetzlich festgelegten Abschaltdaten für einzelne Anlagen sind durch den Bund zu tragen.
- d) Die Bundesregierung sieht in der 13. Novelle zur Änderung des Atomgesetzes die Vorhaltung einer Kaltreserve bis zum 31. März 2013 durch eines der acht im Jahr 2011 endgültig abzuschaltenden Kernkraftwerke vor. Sofern eine Kaltreserve nach Maßgabe der Bundesnetzagentur überhaupt erforderlich sein sollte, soll sie nach Möglichkeit durch konventionelle Kraftwerke und nicht über ein "stand by - Atomkraftwerk" sichergestellt werden. Den Import von Atomstrom zu diesem Zweck lehnt der Bundesrat ab. Die Berechnung einer Kaltreserve findet transparent unter Einbeziehung der Länder statt.
- e) Die Finanzierung des Rückbaus stillgelegter Kernkraftwerke (soweit nicht von den Betreibern zu finanzieren) und Forschungsreaktoren muss durch den Bund erfolgen; das muss auch gelten für die sichere Entsorgung des damit verbundenen gesamten radioaktiven Inventars.
- f) Die ergebnisoffene bundesweite Suche (unter Einbeziehung von Gorleben) nach alternativen Endlageroptionen und geeigneten geologischen Formationen ist in einem transparenten Verfahren durchzuführen. Erforderlich ist ein neuer Konsens auf gesetzlicher Grundlage.
- g) Erforderlich ist eine Erhöhung des Anteils der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung. Hierzu gehören der weitere Ausbau der Windenergienutzung onshore und offshore; keine Abstriche bei der Vergütungsregelung bei Onshore-Anlagen (u.a. keine Erhöhung der Degression, keine Beschränkung des Repowering-Bonus); keine Schlechterstellung von Klein-Biomasseanlagen in der Förderung im Vergleich zu industriellen Biomasseanlagen sowie keine Verschlechterung in der Solarförderung.
Das EEG ist in seinen bewährten Grundstrukturen zu erhalten, um Investoren beim weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien Planungssicherheit zu geben.
- h) Es ist Planungssicherheit herzustellen für Investitionen in konventionelle Kraftwerke und Kraftwärmekopplungsanlagen. Dazu wird die Bundesregierung aufgefordert, im Anschluss an das Gesetzespaket zur Energiewende auch eine Novelle des KWK-Gesetzes unter Berücksichtigung folgender Aspekte mit folgenden Eckpunkten vorzulegen: Beibehaltung der Anschluss-, Abnahme- und Vergütungspflicht für KWK-Strom, attraktive Förderangebote u.a. für industrielle KWK, Mikro-KWK, virtuelle Kraftwerke, Nah- und Fernwärmeausbau und Speichertechnologien. Darüber hinaus sind Anreize für Ersatzinvestitionen in flexibel einsetzbare konventionelle Energieerzeugung auf der Grundlage der regional benötigten Erzeugungskapazitäten erforderlich.
- i) Energieintensive Unternehmen dürfen nicht benachteiligt werden. Es ist zu gewährleisten, dass diese Unternehmen nicht in ihrer Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt und zur Standortverlagerung gezwungen werden. Es darf keine Verschlechterung der Konditionen beim Eigenverbrauch geben. Negative Regelenergie zur Erhaltung der Netzstabilität ist durch Anpassungen des EnWG marktgerecht zu vergüten. Ziel muss es sein, dass auch Unternehmen, deren Stromverbrauch weit unterhalb der bisherigen Grenze liegt, in den Genuss einer verminderten EEG-Umlage gelangen können, sofern diese alle Anstrengungen unternommen haben, um ihre Einspar- und Effizienzpotenziale zu heben. Die Bundesregierung wird gebeten, die vorgesehenen Mittel für den finanziellen Ausgleich für emissionshandelsbedingte Kostensteigerungen der Unternehmen in Höhe von 500 Mio. Euro durch Haushaltsmittel so aufzustocken, dass Standortverlagerungen und Betriebsschließungen aufgrund von Strompreissteigerungen ausgeschlossen werden. Sie wird außerdem aufgefordert, initiativ zu werden, um die notwendigen Regelungen auf europäischer Ebene beihilferechtlich abzusichern.
- j) Die Optimierung und der Ausbau der Netze muss auf allen Spannungsebenen beschleunigt werden.
Zu berücksichtigende Faktoren sind z.B. Klimaschutz und Energieversorgungssicherheit. Eine Bundesnetzplanung zur Bedarfsfeststellung ist erforderlich. Die Länder müssen die Möglichkeiten haben, den Trassenverlauf zu bestimmen. Der Bundesrat lehnt die Übertragung der Planfeststellung für größere länderübergreifende Leitungsprojekte ohne Zustimmung des Bundesrates auf die Bundesnetzagentur ab. Die Länder sind bereit, mit der Bundesregierung zu Vereinbarungen zu kommen, wie die Planungsverfahren deutlich beschleunigt werden können - ohne die Beteiligungsrechte der Bürger oder die Planungskompetenzen der Länder einzuschränken. Der Einsatz z.B. von Erdkabeln und innovativen Netzentwicklungen soll der Akzeptanz und damit der Beschleunigung des Netzausbaus dienen. Die Kosten des Netzausbaues erfordern eine faire Lastenteilung.
- k) Die finanzielle Ausstattung des KfW-Programms zur Gebäudesanierung muss über die vom Bund vorgeschlagenen 1,5 Mrd. Euro hinaus signifikant erhöht werden, um eine angemessene Sanierungsrate zu erreichen. Der Bundesrat begrüßt die Ankündigung der Bundesregierung, energetische Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden zu fördern. Er hält dafür neben der steuerlichen Förderung und verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten auch Zuschüsse für erforderlich.
Die Kostenbelastungen für Mieter und Vermieter müssen ausgewogen und sozialverträglich sein. Die Belastung der Mieter durch umlagefähige Sanierungskosten sollte den Betrag der damit verbundenen Nebenkosteneinsparungen nicht überschreiten.
- l) Die Forschungspolitik des Bundes auf den Gebieten der Erneuerbaren Energien, der Speichertechnologien und der Integration der Erneuerbaren Energien in die Netze muss intensiviert werden. Die Bundesregierung wird gebeten, sich auf EU-Ebene für eine entsprechende Neuausrichtung der EU-Forschungsprogramme einzusetzen.
- m) Steuermindereinnahmen bei Ländern und Gemeinden sind zu kompensieren. Dies gilt insbesondere für die durch die Finanzierung des Energie- und Klimafonds entstehenden Mindereinnahmen.
- n) Der Energie- und Klimafonds muss unter Beteiligung der Länder so ausgestaltet werden, dass die Erlöse aus dem Emissionshandel und ihre Rückflüsse fair und regional ausgewogen verwendet werden. Die Erlöse müssen in Abstimmung mit den Ländern für zusätzliche Maßnahmen der Energiewende und des Klimaschutzes sowie auch in energieintensiven Unternehmen genutzt werden.
2. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe d (§ 7 Absatz 1 e)
- a) Der Bundesrat fordert für das weitere Gesetzgebungsverfahren, auf Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe d (§ 7 Absatz 1e - neu) des Regierungsentwurfs zum 13. Änderungsgesetz des Atomgesetzes (sog. Kaltreserve) zu verzichten.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung hilfsweise auf darauf hinzuwirken, dass die Bundesnetzagentur von der Bestimmungsmöglichkeit nach dem § 7 Absatz 1 e entsprechend dem Regierungsentwurf zum 13. Änderungsgesetz des Atomgesetzes (sogenannte Kaltreserve) keinen Gebrauch macht.
Begründung:
Die Haltung der Betriebsbereitschaft eines Kernkraftwerks entsprechend den Anforderungen des § 7 Absatz 1 e bedeutet ein gleich hohes, wenn nicht höheres Risiko wie bei einem in Betrieb befindlichen Kernkraftwerk. Voraussetzung für die schnelle Einsatzbereitschaft eines Kernkraftwerks ist der Zustand "heiß unterkritisch", aus dem heraus die Anlage zeitnah der Netzanforderung folgen kann.
- b) Der Bundesrat stellt fest, dass zur Verhinderung von Gefahren oder Störungen der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems oder zur Verhinderung einer Gefährdung oder Störung der Energieversorgung für den lebenswichtigen Bereich eine ausreichende Reserve durch nicht nukleare Stromerzeugungsanlagen bereit gestellt werden sollte. Nach Angaben der Bundesnetzagentur sind in Süddeutschland mit dem im Jahr 2011 betriebsbereiten Gaskraftwerk Irsching vier mit 530 MW und einer erst späteren als derzeit geplanten Außerbetriebnahme der Heizölkraftwerke Pleinting 1 und 2 mit zusammen 740 MW Reserven, vergleichbar der eines 1200 MW Kernkraftwerks, verfügbar.
- c) Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf darauf hinzuwirken, dass die Elektrizitätsversorger eine ausreichende Reserveleistung durch Kraftwerke, die auf CO₂-armen Brennstoffen basieren, zügig bereitstellen. Weitere im Bau oder Inbetriebnahme befindliche Gaskraftwerke könnten durch forcierte Anstrengungen bei der Inbetriebsetzung noch vor dem Winter 2011/2012 zur Reserveleistung beitragen.
3. Zu Artikel 1 Nummer 1a - neu - und 1b - neu - (§ 7d und § 12a0 - neu -)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- a) Nach Nummer 1 ist folgende Nummer 1a einzufügen:
'1a. § 7d wird wie folgt gefasst:
" § 7d Dynamische Risikovorsorge
Der Inhaber einer Genehmigung zum Betrieb einer Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität hat entsprechend dem jeweils neuesten Stand von Wissenschaft und Technik und den sich ändernden Erkenntnissen zum Risikopotenzial dafür zu sorgen, dass die Sicherheitsvorkehrungen verwirklicht werden, die zur Vorsorge und zum Schutz für Leben, Gesundheit und Sachgüter geeignet sind. Dies schließt auch die Vorsorge und den Schutz gegen auslegungsüberschreitende Ereignisse ein."'
- b) Nach Nummer 1a ist folgende Nummer 1b einzufügen:
'1b. Nach § 12 wird folgender § 12a0 eingefügt:
" § 12a0 Ermächtigungsvorschrift (dynamische Risikovorsorge)
Die Bundesregierung wird ermächtigt, zur Konkretisierung der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu stellenden Anforderungen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates unter Beteiligung der für Fragen der Reaktorsicherheit zuständigen Sachverständigengremien festzulegen, welche Sicherheitsvorkehrungen der Inhaber einer Genehmigung zum Betrieb einer Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen nach § 7d, insbesondere zur Abwehr von Gefahren aus terroristischen Angriffen, Flugzeug- und Schiffsunfällen, Erdbeben und Hochwasser, verwirklichen muss." '
Begründung:
Ausgehend von den Überprüfungen der Reaktorsicherheitskommission des Bundes sind auf der Grundlage von Wissenschaft und Technik die bundeseinheitlichen Sicherheitsstandards der Kernkraftwerke fortzuschreiben.
Ob § 7 eine Nachrüstungspflicht im Sinne einer dynamischen Risikovorsorge begründet, wird von Seiten der Kernkraftwerksbetreiber bestritten. Die Rechtsprechung hat dies bislang nicht entschieden. Durch die vorliegende Änderung des § 7d soll in diesem streitigen Punkte Rechtsklarheit geschaffen werden. Die geltende Vorschrift wird zu diesem Zwecke entscheidend verändert. In der gegenwärtigen Fassung bleiben die Betreiberpflichten unklar. Auch schließt die gegenwärtige Fassung nach ihrem Wortlaut und der Begründung den Schutz gegen terroristische Gefahren nur unzureichend ein. Des Weiteren beschränkt sie die Drittklagemöglichkeit in nicht vertretbarer Weise. Die den Betreiber treffenden Pflichten werden durch die Neufassung geklärt und die Möglichkeit einer Drittklage eröffnet.
Die Ereignisse in Japan bedeuten eine deutliche Änderung der Erkenntnisse zum Risikopotenzial. Die Verpflichtung der Betreiber, die technischen Vorrichtungen der Anlagen nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik an die sich ändernden Erkenntnisse zum Risikopotenzial anzupassen, wird mit dieser Vorschrift klargestellt. Beispielhaft sind dies Erkenntnisse zu neuen terroristischen Bedrohungen und Flugzeugabstürzen oder zu Wahrscheinlichkeiten und Auswirkungen von Naturgewalten wie Erdbeben und Überflutungen. Diese Geschehnisse sind nicht dem hinzunehmenden Restrisiko zuzuordnen. Gegenstand der Anpassungspflicht sind aber auch neue Erkenntnisse zur Betriebsgefahr. Die mit der Vorschrift begründete Verpflichtung zu Investitionen in die Ertüchtigung der Kernkraftwerke ist als inhaltliche Beschränkung des Eigentums nicht entschädigungspflichtig.
§ 12a0 ermächtigt die Bundesregierung zur Konkretisierung der nach § 7d den Anlagenbetreiber treffenden Nachweispflicht durch Rechtsverordnung. Die Konkretisierung hat unter Beteiligung der für die Reaktorsicherheit zuständigen Sachverständigengremien, insbesondere der Reaktorsicherheitskommission, zu erfolgen. Die Regelung benennt beispielhaft auf ein Kernkraftwerk einwirkende Gefahrenquellen, deren Risikopotenzial neu einzuschätzen ist und die deshalb in der Rechtsverordnung zu berücksichtigen sind.
4. Zu Artikel 1 Nummer 1a - neu - (§ 9a Absatz 4 - neu -)
In Artikel 1 ist nach Nummer 1 folgende Nummer 1a einzufügen:
'1a. Dem § 9a wird folgender Absatz 4 angefügt:
- (4) Soweit der Betreiber einer Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität seiner Verpflichtung nach Absatz 1 nicht nachkommt, trägt der Bund die Kosten für die Durchführung der nach Absatz 1 erforderlichen Maßnahmen. Der Bund trägt die Kosten der sich aus Absatz 1 ergebenden Verpflichtungen hinsichtlich der Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zu Forschungszwecken." '
Begründung:
Das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes soll die gewerbliche
Erzeugung von Elektrizität in Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen unumkehrbar beenden. Dies erfordert eine Regelung über die Tragung der Lasten aus dem Rückbau und der sicheren Entsorgung des radioaktiven Inventars. Diese trägt nach § 9a der Betreiber der Anlage. Für den Fall des Ausfalls des Betreibers ist über den nach Absatz 1a geforderten Entsorgungsvorsorgenachweis hinaus keine Regelung getroffen. Diese Regelungslücke wird durch den vorliegenden Absatz 4 ausgefüllt. Da die Verwendung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität im gesamtstaatlichen Interesse lag, entspricht die subsidiäre Verantwortung des Bundes der Billigkeit. Auf Grund der ursprünglichen Konzeption des Atomgesetzes als Fördergesetz im gesamtstaatlichen Interesse erfordert die Billigkeit auch die Tragung der Kosten für den Rückbau und die sichere Entsorgung der Forschungsreaktoren durch den Bund.
5. Zu Artikel 1 Nummer 2a - neu - (§ 57c - neu -)
In Artikel 1 ist nach Nummer 2 folgende Nummer 2a einzufügen:
'2a. Nach § 57b wird folgender § 57c eingefügt:
" § 57c Kostentragung beim Umgang mit Kernbrennstoffen aus Forschungsreaktoren
Der Bund trägt die Kosten für den Rückbau von deutschen Forschungsreaktoren sowie die Kosten für den Umgang mit Kernbrennstoffen aus deutschen Forschungsreaktoren ab dem Zeitpunkt der Beendigung der forschungsbedingten Nutzung der Kernbrennstoffe. Dies umfasst insbesondere die Kosten für Transport, Behandlung sowie Zwischen- bzw. Endlagerung der Kernbrennstoffe." '
Begründung:
Die Bundesregierung hat sich im Rahmen ihres Vorschlages zum schrittweisen Ausstieg aus der Stromerzeugung durch Kernkraftwerke bis Ende 2022 dazu bekannt, dass die Generationen, die die Kernenergie nutzen, sich auch um die anfallenden radioaktiven Abfälle sorgen müssen. In ein solches Konzept sind auch der Rückbau von Forschungsreaktoren und der Umgang mit den nicht gewerblich genutzten radioaktiven Kernbrennstoffen aus deutschen Forschungsreaktoren ab dem Zeitpunkt der Beendigung der zielgerichteten Nutzung der Kernbrennstoffe in diesen Forschungsreaktoren einzubeziehen. Diese Kernbrennstoffe müssen bei den Planungen zur Errichtung eines deutschen Endlagers berücksichtigt werden. Da die Länder insoweit keine eigenen Kompetenzen haben, ist es sachgerecht, dass der Bund diese Entsorgungskosten insgesamt übernimmt.
Zum Gesetzentwurf insgesamt
- 6. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, entsprechend dem Vorschlag der Ethik-Kommission ein nationales Forum "Energiewende" einzurichten.
Der Bundesrat bittet den Bundestag, einen parlamentarischen Beauftragten für die Energiewende zu benennen.
Begründung:
Für eine hohe öffentliche Akzeptanz der Energieversorgung sind die Transparenz der Entscheidungen von Parlament und Regierung sowie eine Beteiligung der gesellschaftlichen Gruppen an den Entscheidungen Voraussetzung. Hierfür sind Kreativität und neues Denken erforderlich, um die Chancen des Ausstiegs aus der Kernenergie in vollem Umfang zu nutzen.
Wie von der Ethikkommission vorgeschlagen, sollen zur Unterstützung der für die Energiewende erforderlichen Prozesse ein Nationales Forum Energiewende gebildet und ein parlamentarischer Beauftragter für die Energiewende eingesetzt werden.
Nationales Forum Energiewende
Das Nationale Forum Energiewende soll den öffentlichen Diskurs zur Energiewende organisieren, an dem sich alle Interessierten und Betroffenen beteiligen können. Hierzu dienen insbesondere öffentliche Veranstaltungen. Das Forum soll die Anregungen und Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger aufgreifen und den politisch Verantwortlichen zuleiten. Das Forum soll den Austausch von Argumenten für die Energiewende ermöglichen, neue Vorschläge und Fragen sowie neue Lösungsansätze aufgreifen und zur Diskussion stellen.
Parlamentarischer Beauftragter für die Energiewende
Der Parlamentarische Beauftragte für die Energiewende soll das Monitoring und Controlling des Energieprogramms der Bundesregierung organisieren und kontrollieren. Er soll prüfen, ob die getroffenen Maßnahmen tatsächlich zu den gewünschten Zielen führen und die Beendigung der Nutzung der Atomkraftwerke in Deutschland mit allen flexiblen Möglichkeiten zur sicheren Energieversorgung überwachen. Die Meilensteine sollen mit Indikatoren, definierten Datenanforderungen und Verantwortlichkeiten für die Datenerfassung konkretisiert werden. Der Parlamentarische Beauftragte für die Energiewende soll mit den gleichen Rechten wie andere vom Deutschen Bundestag benannte Beauftragte eingesetzt werden. Der Parlamentarische Beauftragte für die Energiewende soll mindestens jedes Jahr oder in ihm zweckmäßig erscheinenden, kürzeren Zeiträumen einen Energiewende-Bericht vorlegen, der veröffentlicht wird. Er soll frühzeitig warnen, wenn zu befürchten ist, dass die Maßnahmen zur Energiewende nicht die gesetzten Ziele erreichen oder wenn der Eindruck entsteht, dass der Umbau der Energieversorgung nicht im erwarteten Umfang erreicht wird.
- 7. Um eine vorbehaltslose Analyse und die Neubewertung der mit der Kernenergienutzung verbundenen Risiken auf einer breiten Datengrundlage zu ermöglichen, hat die Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Länder, in denen Kernkraftwerke betrieben werden, vereinbart, die Sicherheit aller deutschen Kernkraftwerke durch die Reaktor-Sicherheitskommission überprüfen zu lassen. Diese Sicherheitsüberprüfung sollte auf alle übrigen kerntechnischen Anlagen wie Urananreicherung, Brennelementefertigung, Zwischenläger, Konditionierungsanlagen etc. ausgedehnt werden.
Begründung:
Die Neubewertung der zu unterstellenden Sicherheitsszenarien einschließlich des tolerierbaren Restrisikos muss neben den Leistungsreaktoren auch die anderen kerntechnischen Anlagen wie Urananreicherung, Brennelementefertigung, Zwischenläger etc. erfassen. Verständlicherweise ist dabei aus Prioritätsgründen je nach Risikopotenzial zeitlich gestuft vorzugehen, aber auf Grund des vorhandenen Gefahrenpotenzials ist ein "Stresstest" auch für diese Anlagen erforderlich.
- 8. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, im Sinne der Vollendung eines konsequenten und glaubwürdigen Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie zur Elektrizitätserzeugung die gesetzlichen Voraussetzungen zur Stilllegung aller Anlagen des Kernbrennstoffkreislaufs (außer den für die inländische Entsorgung erforderlichen Zwischen- und Endlagern) zu schaffen. Dies gilt in Nordrhein-Westfalen insbesondere für die Urananreicherungsanlage Gronau.
Begründung:
Die Anlage in Gronau betreibt schon jetzt in erheblichem Umfang die Kernbrennstofferzeugung für ausländische Abnehmer. Nach Vollendung des Ausstiegs aus der Nutzung der Atomenergie in Deutschland werden die erheblichen Kapazitäten in Gronau für die Atomkraftnutzung im Ausland arbeiten. Die Unterstützung der Atomenergienutzung im Ausland bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Atomenergienutzung im Inland aus dem Bewusstsein der Unverantwortbarkeit der Atomenergie ist politisch und moralisch widersprüchlich und nicht hinnehmbar. Ergänzend ist auf mit der Aufrechterhaltung des Brennstoffkreislaufs verbundene Gefahren, zum Beispiel durch Transporte, hinzuweisen.
- 9. Der Bundesrat geht davon aus, dass die 13. Änderung des Atomgesetzes (AtG) das Erlöschen der Betriebsgenehmigung der Kernkraftwerke abschließend regelt und es insbesondere keiner Verwaltungsakte der Länder mehr bedarf, um den Ausstieg aus der Kernenergie umzusetzen. Etwaige Entschädigungspflichten und Haftungsrisiken durch die 13. Änderung des AtG würden mithin allein den Bund treffen. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Länderhaushalte durch etwaige Entschädigungspflichten und Haftungsrisiken überfordert wären.