900. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2012
Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 gemäß Artikel 110 Absatz 3 des Grundgesetzes und zu dem Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016 gemäß § 9 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft und § 50 Absatz 3 Satz 1 des Haushaltsgrundsätzegesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Der Bundesrat ist der Auffassung, dass trotz aktueller konjunkturell bedingter Mehreinnahmen weiterhin auch eine Verbesserung der strukturellen Einnahmebasis von Bund, Ländern und Kommunen erforderlich ist. Vor dem Hintergrund erheblicher struktureller Defizite der Haushalte der Gebietskörperschaften als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise ist ansonsten die Erbringung der notwendigen staatlichen Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger bei gleichzeitiger Einhaltung der verfassungsrechtlich verankerten Schuldengrenzen nicht zu bewältigen. Der Bundesrat lehnt deshalb die von der Bundesregierung verfolgten Pläne zu weiteren umfangreichen Steuersenkungen ab. Neben der strikten Begrenzung der staatlichen Ausgaben hält es der Bundesrat vielmehr für geboten, Bezieher sehr hoher Einkommen und Vermögende stärker an der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zu beteiligen. Der Bundesrat ist deshalb der Auffassung, dass der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer von 42 auf 49 Prozent erhöht werden sollte, damit Besserverdienende einen höheren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Zusätzlich bedarf es der Wiedererhebung einer Vermögensteuer, um große Vermögen auch wieder an der Finanzierung staatlicher Leistungen zu beteiligen.
- b) Der Bundesrat hat erhebliche Zweifel, ob das Steuerabkommen mit der Schweiz - trotz partieller Verbesserungen im Vergleich zur ursprünglichen Fassung - den Anforderungen an eine gerechte und gleichmäßige Besteuerung genügt. Nach wie vor soll durch die einmalige Nachversteuerung unversteuerter Vermögenswerte nicht nur Straffreiheit, sondern auch Anonymität der Steuerpflichtigen gewährt werden. Dieses Zugeständnis an Steuerhinterzieher wiegt umso schwerer, als die pauschale Nachversteuerung in den meisten Fällen zu einer effektiven steuerlichen Belastung von weniger als 25 Prozent führen wird. Zudem sind noch bis 1. Januar 2013 Kapitalverlagerungen in andere Niedrigsteuerländer mit einem strikten Bankgeheimnis möglich, ohne dass diese gegenüber deutschen Behörden im Einzelfall offengelegt werden. Die Steuerflüchtigen können sich einer Besteuerung somit im Ergebnis unter Wahrung der Anonymität noch bis zum Inkrafttreten des geplanten Abkommens vollständig und risikolos entziehen.
- c) Der Bundesrat erneuert seine im Rahmen der Stellungnahme zum Entwurf für ein Jahressteuergesetz 2013 erhobene Forderung, schnellstmöglich und umfassend die Rechtsgrundlagen für eine Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Steuerrecht zu schaffen. Schwerpunkt muss dabei die Gleichsetzung von Lebenspartnern und Ehegatten in allen Vorschriften des Einkommensteuerrechts sein. Infolge der zivilrechtlichen Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe - insbesondere aufgrund der gleich gestalteten, wechselseitigen Unterhaltsansprüche - gibt es keine im Hinblick auf den Gleichheitssatz tragenden Rechtfertigungsgründe für eine steuerliche Ungleichbehandlung.
- d) Der Bundesrat lehnt das im Bundeshaushalt 2013 erstmals veranschlagte Betreuungsgeld ab. Das Betreuungsgeld ist nicht zuletzt unter finanz- und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten verfehlt. Internationale Erfahrungen zeigen, dass entsprechende Leistungen in der Tendenz zu einem Rückgang der Erwerbsbeteiligung von Müttern und bei der Nutzung frühkindlicher Bildungs- und Betreuungseinrichtungen führen. Eine sinkende Erwerbsbeteiligung ist vor allem bei Müttern mit geringerem Bildungsgrad zu erwarten, für die eine kontinuierliche Erwerbsbiographie im Interesse einer eigenständigen Alterssicherung besonders wichtig wäre. Zudem steht zu befürchten, dass von einer zurückgehenden Nutzung von Kindertageseinrichtungen insbesondere Kinder betroffen wären, die von einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Betreuung individuell besonders stark - und auch mit besonders positiven gesamtgesellschaftlichen Effekten - profitieren würden.
Der Bundesrat schlägt deshalb eine Umschichtung der für das Betreuungsgeld vorgesehenen Mittel vor. Diese Mittel sollten - über die in den Verhandlungen zum Fiskalpakt zugestandenen Mittel hinaus - zur Schaffung von U3-Plätzen den Ländern und Kommunen zur Verfügung gestellt werden.
- 2.
- a) Länder und Kommunen werden durch den Fiskalpakt in ihrer Konsolidierungspolitik vor besondere Herausforderungen gestellt. Im Rahmen der Verständigung mit den Ländern zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpakts hat der Bund finanzielle Zusagen in den Bereichen "Grundsicherung im Alter" und "Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen" gemacht sowie angekündigt, gemeinsam mit den Ländern ein neues Bundesleistungsgesetz zu erarbeiten, das die rechtlichen Vorschriften zur Eingliederungshilfe ersetzt. Zudem hat der Bund zugesagt, zusammen mit den Ländern die Voraussetzungen für eine gemeinsame Kreditaufnahme von Bund und Ländern im so genannten "Huckepackverfahren" zu schaffen.
- b) Der Bundesrat geht davon aus, dass die zusätzlichen Mittel für die Grundsicherung im Alter und für den Ausbau und Betrieb der Kinderbetreuungseinrichtungen im Bundeshaushalt im parlamentarischen Verfahren veranschlagt werden. Ferner stellt der Bundesrat fest, dass eine Einigung über eine Reform der Eingliederungshilfe nur gemeinsam mit der Schaffung eines Bundesleistungsgesetzes erfolgen kann; dabei sind die Haushalte der Länder und Kommunen durch eine Beteiligung des Bundes an den Kosten nachhaltig zu entlasten. Schließlich fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, die Vereinbarungen zu künftigen Bund-Länder-Anleihen im "Huckepackverfahren" - bei denen der Bund als Emittent am Kapitalmarkt auftritt und die Beteiligung der Länder freiwillig und nur im Innenverhältnis erfolgt - möglichst schnell und in enger Abstimmung mit den Ländern umzusetzen.
- 3.
- a) Die aktuell robuste Verfassung der Konjunktur und des Arbeitsmarktes in Deutschland zeigt auch erfreuliche Wirkungen für die öffentlichen Haushalte, insbesondere den Bundeshaushalt. Einerseits wirkt sie dämpfend auf viele Ausgabenbereiche, andererseits ergeben sich positive Effekte auf der Einnahmenseite. Dies könnte die Rückführung des gesamtstaatlichen strukturellen Defizits auf das mittelfristige Haushaltsziel von höchstens 0,5 Prozent im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt schon in diesem Jahr erleichtern.
Gleichwohl ist die Finanz- und Haushaltspolitik auch hohen Risiken ausgesetzt. So überschatten vor allem die internationale Finanz- und europäische Staatsschuldenkrise und ihre Folgen die aktuellen Konjunkturprognosen für Deutschland. Die Gefahr negativer Rückwirkungen der Krise auf Gesamtwirtschaft und öffentliche Haushalte ist noch nicht gebannt.
- a) Die aktuell robuste Verfassung der Konjunktur und des Arbeitsmarktes in Deutschland zeigt auch erfreuliche Wirkungen für die öffentlichen Haushalte, insbesondere den Bundeshaushalt. Einerseits wirkt sie dämpfend auf viele Ausgabenbereiche, andererseits ergeben sich positive Effekte auf der Einnahmenseite. Dies könnte die Rückführung des gesamtstaatlichen strukturellen Defizits auf das mittelfristige Haushaltsziel von höchstens 0,5 Prozent im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt schon in diesem Jahr erleichtern.
- 4.
- b) Vor dem Hintergrund gesamtwirtschaftlich großer Unsicherheiten kommt der Finanz- und Haushaltspolitik die Aufgabe zu, verlässlich zu agieren, um den Erwartungen nach Stabilität seitens der Unternehmen wie der privaten Haushalte gerecht zu werden. Weiterhin gilt die Bundesrepublik Deutschland als Stabilitätsanker. Dies zeigt sich vor allem in den gegenwärtig äußerst günstigen Refinanzierungsbedingungen von Bund und Ländern. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Herausforderungen mit erheblichen wirtschaftlichen Risiken ist jedoch nach Auffassung des Bundesrates die Beibehaltung des eingeschlagenen Konsolidierungskurses unverzichtbar. Nur so können die Neuverschuldung nachhaltig reduziert und die Vorgaben des Grundgesetzes zur Schuldenbegrenzung sowie die auf europäischer Ebene bestehenden Verpflichtungen des Fiskalpakts und des Stabilitäts- und Wachstumspakts erreicht und dauerhaft eingehalten werden. Vor diesem Hintergrund unterstützt der Bundesrat die Bundesregierung in ihrer Zielsetzung, einen nachhaltig ausgerichteten Konsolidierungskurs zu verfolgen, der aber nicht zu Lastenverlagerungen auf die Länder und Gemeinden führen darf.
- c) Der Bundesrat erwartet eine zusätzliche Stärkung zukunftsorientierter und nachhaltig wachstumsstärkender Maßnahmen. Dafür sollten alle Möglichkeiten für Umschichtungen innerhalb des Haushalts und Entlastungen an anderer Stelle genutzt werden. Der Bund muss seiner Verantwortung für gemeinsame Zielsetzungen aller staatlichen Ebenen gerecht werden. So erscheint es vor allem geboten, die Haushaltsansätze für die Städtebauförderung wieder auf das Niveau des Jahres 2010 anzuheben. Das bestehende CO₂-Gebäudesanierungsprogramm der KfW sollte deutlich besser ausgestattet werden. Auch die Umsetzung der Bedarfspläne für die Verkehrsinfrastruktur sollte durch zusätzliche Mittel unterstützt werden. Ferner sind die ambitionierten Ziele zur flächendeckenden Breitband-Grundversorgung durch eine entsprechende Mittelausstattung abzusichern.
- d) Zur Festlegung der Höhe der vom Bund zu leistenden Kompensation für die im Rahmen der Föderalismusreform I vorgenommenen deutlichen Reduzierung von Mischfinanzierungen für die Zeit ab 2014 ist eine rasche Lösung unerlässlich. Die Länder und die betroffenen Kommunen benötigen dringend Planungssicherheit. Die Kompensationsleistungen sind im Lichte weiterhin bestehender und teilweise gestiegener Anforderungen sowie der Kostenentwicklung anzupassen. Der Bundesrat fordert den Bund auf, den berechtigten Interessen der Länder nachzukommen und schnellstmöglich eine Einigung mit ihnen zu suchen.
- e) Der Bundesrat erwartet von der Bundesregierung weiterhin flankierende Maßnahmen zur Abfederung der mit der Bundeswehrreform verbundenen Schließung von Standorten. Geeignete Maßnahmen sind beispielsweise die Finanzierung zusätzlicher Infrastrukturprojekte, zusätzliche Städtebauförderungsmittel sowie Ausgleichszahlungen des Bundes. Darüber hinaus erwartet der Bundesrat, dass über geeignete Regelungen die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in die Lage versetzt wird, strukturpolitische Ziele des Bundes, der Länder und Kommunen ausdrücklich zu unterstützen.