Der Deutsche Bundestag hat in seiner 211. Sitzung am 29. November 2012 zu dem von ihm verabschiedeten Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2012/6/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG des Rates über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich Kleinstbetrieben (Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz - MicroBilG) - Drucksachen 17/11292, 17/11353 - die beigefügte Entschließung unter Buchstabe b der Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/11702 angenommen.
Der Bundestag wolle beschließen:
- I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Mit dem Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) wurden im Jahre 2006 grundlegende Änderungen des Verfahrens zur Durchsetzung der Offenlegungspflicht geschaffen. Bis dahin waren die Registergerichte mit der Durchsetzung der Offenlegungspflichten betraut. Nur 7 Prozent der offenlegungspflichtigen Unternehmen hatten die notwendigen Unterlagen der Rechnungslegung offengelegt. Mit dem EHUG wurde dem Bundesamt für Justiz die Durchsetzung der Offenlegungspflichten übertragen. Das neue Verfahren hat sich im Grundsatz bewährt. Das zeigt sich auch darin, dass, nachdem technische Anlaufschwierigkeiten überwunden wurden, nun seit mehreren Jahren über 90 Prozent der betroffenen über 1,1 Millionen Kapitalgesellschaften ihre Rechnungslegungsunterlagen rechtzeitig offenlegen. Dieser für die Transparenz der Finanzberichterstattung für die Allgemeinheit - Geschäftspartner, Kreditgeber, Arbeitnehmer und Verbraucher - wichtige und vom Deutschen Bundestag beabsichtigte Erfolg beruht zu einem großen Teil auf dem neukonzipierten Ordnungsgeldverfahren.
Nachdem inzwischen fünf Jahre seit Einführung des EHUG verstrichen sind, ist es an der Zeit, zu prüfen, ob Änderungsbedarf an dem seit 2006 geltenden Ordnungsgeldverfahren besteht. Aus den Erfahrungen der letzten Jahre lassen sich einzelne Aspekte identifizieren, bei denen eine Änderung schon jetzt erfolgen und nicht auf eine später anzugehende Umsetzung der Reform der EU-Bilanzrichtlinien verschoben werden sollte.
Erste wesentliche Erleichterungen bei den Rechnungslegungsvorgaben und insbesondere der Offenlegungspflicht haben sich durch die sog. Micro-Richtlinie 2012/6/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG des Rates über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich Kleinstbetrieben ergeben.
Die Bundesregierung hat dazu den Gesetzentwurf für ein Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz (MicroBilG) vorgelegt, der die Entlastungsoptionen aus der Richtlinie im weitestmöglichen Umfang an die Kleinstkapitalgesellschaften weitergibt. Das betrifft beispielsweise die Option, auf den Anhang in einem Jahresabschluss ganz zu verzichten. Gerade das Fehlen des Anhangs ist bis heute häufig Auslöser für ein Ordnungsgeldverfahren, wenn Kleinstbetriebe ihre Offenlegungspflichten zwar erfüllen wollen, die Unterlagen wegen des fehlenden Anhangs aber nicht vollständig sind. Diese Fehlerquelle wird mit dem MicroBilG beseitigt. Dadurch wird ein beachtlicher Teil der Ordnungsgeldverfahren künftig entfallen und so Streit vermieden werden. Gleichzeitig wird den Kleinstbetrieben ermöglicht, ihre Offenlegungspflicht durch Hinterlegung der Bilanz beim Unternehmensregister zu erfüllen, solange Dritte auf Antrag eine Kopie der Bilanz erhalten können. Künftig werden Kleinstkapitalgesellschaften nur noch die Bilanz hinterlegen müssen.
Der Deutsche Bundestag begrüßt diese Erleichterungen. Sie sollten den Unternehmen nunmehr möglichst rasch zur Verfügung gestellt werden.
Gleichzeitig spricht sich der Deutsche Bundestag dafür aus, kurzfristig umsetzbare Maßnahmen zur Modernisierung des Ordnungsgeldverfahrens zur Durchsetzung der Offenlegungspflicht zu prüfen.
Der Umfang der Offenlegungspflichten ist nach dem Handelsgesetzbuch schon heute nach der Größe des Unternehmens abgestuft. Das MicroBilG knüpft daran an und sieht für Kleinstkapitalgesellschaften abgesenkte Offenlegungspflichten vor. Deshalb sollte auch bei den Sanktionen wegen nicht erfüllter Offenlegungspflichten danach differenziert werden, ob das Unternehmen Kleinstkapitalgesellschaft, kleine Kapitalgesellschaft oder eine größere Kapitalgesellschaft ist. Die Mindestordnungsgelder sollten für Kleinstkapitalgesellschaften von 2.500 Euro auf 500 Euro und für kleine Kapitalgesellschaften von 2.500 Euro auf 1.000 Euro substanziell abgesenkt werden. Dazu ist die Mithilfe des Unternehmens wichtig. Teilt das Unternehmen die Kennzahlen nicht mit, aus denen sich die Einordnung in die jeweilige Unternehmenskategorie ergibt, können die reduzierten Mindestordnungsgelder nicht greifen.
Das Ordnungsgeldverfahren muss auch flexibler auf Situationen reagieren können, in denen Unternehmen aus nachvollziehbaren Gründen nicht in der Lage waren, ihre Offenlegungspflicht rechtzeitig zu erfüllen. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes sollte deshalb nur erfolgen, wenn das Versäumnis der Offenlegungspflicht verschuldet ist. Damit würden insbesondere Fälle höherer Gewalt ausgeschlossen.
Darüber hinaus sollten Unternehmen das Recht erhalten, beim Bundesamt für Justiz bei einer unverschuldeten Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Damit können unbillige Härten knapper Fristen aufgefangen werden. Das Instrument der Wiedereinsetzung ist flexibler als eine bloße Fristverlängerung. Es würde dem Bundesamt die Möglichkeit geben, den Besonderheiten des Einzelfalles gerecht zu werden. Eine zielgenaue Wiedereinsetzung vermeidet zudem, dass das Ordnungsgeldverfahren als typisches Massenverfahren durch zusätzliche Verwaltungsschritte überladen wird und damit die Funktionsfähigkeit des Verfahrens insgesamt in Frage gestellt würde. Denn ohne ein funktionsfähiges Verfahren könnten weder die wichtigen Interessen der Allgemeinheit an der frühzeitigen Offenlegung der Jahresabschlussdaten der Unternehmen noch die Interessen der Unternehmen an der Vermeidung überlanger Ordnungsgeldverfahren gewährleistet werden.
Schließlich sollte auch der Aspekt der Rechtssicherheit für Unternehmen und Behörden weiter gestärkt werden. Das EHUG sieht zwar schon vor, dass nur das für den Sitz des Bundesamtes für Justiz zuständige Landgericht Bonn über Beschwerden gegen Ordnungsgeldentscheidungen des Bundesamtes zu entscheiden hat.
Die große Zahl der Verfahren und dadurch bedingte Befassung mehrerer Kammern des Landgerichts hat in den vergangenen Jahren in teilweise wichtigen Einzelfragen allerdings zu einer divergierenden Rechtsprechung geführt. Ziel sollte daher sein, ein Verfahren zu schaffen, durch das beispielsweise bei einer Divergenz zwischen einzelnen Kammern eine einheitliche Entscheidung erreicht wird. Das hilft insbesondere den Unternehmen, die sich auf eine möglichst einheitliche Rechtsprechung verlassen können.
- II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf, bis zum März 2013 Vorschläge für gesetzliche Regelungen vorzulegen, die folgende Regelungen beinhalten:
- 1. die Höhe der Ordnungsgelder, insbesondere aber den Mindestbetrag nach der Unternehmensgröße zu staffeln und für Kleinstkapitalgesellschaften einen Mindestbetrag von 500 Euro und für kleine Kapitalgesellschaften von 1.000 Euro vorzusehen, wobei die Inanspruchnahme der Erleichterungen die Mitwirkung des Unternehmens voraussetzt,
- 2. ausdrücklich vorzusehen, dass Ordnungsgelder nur bei Verschulden festgesetzt werden und ggf. notwendige Kriterien festzulegen,
- 3. eine Regelung zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einzuführen, um zu gewährleisten, dass im Einzelfall unbillige Härten durch versäumte Fristen abgemildert werden,
- 4. ein Verfahren vorzusehen, um bei Abweichungen in grundsätzlichen Rechtsfragen des Ordnungsgeldverfahrens eine einheitliche Rechtsprechung zu erreichen und so die Rechtssicherheit für die Beteiligten zu erhöhen.