Der Bundesrat hat in seiner 909. Sitzung am 3. Mai 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt im Grundsatz die Initiative der Kommission für Maßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus von Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetzen und zur Senkung der Kosten hierfür. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass kostensenkende Maßnahmen und Effizienzsteigerungen insbesondere vor dem Hintergrund, dass das von der Kommission vorgesehene Förderbudget bei dem Etatgipfel um rund acht Milliarden Euro auf eine Milliarde Euro zusammengestrichen wurde und die verbliebene eine Milliarde Euro ausschließlich für grenzüberschreitende Diensteinfrastrukturen und nicht für den Breitbandausbau zur Verfügung steht, dringend notwendig werden. Denn ohne die notwendigen finanziellen Mittel wird es ungleich schwieriger, die Ziele der digitalen Agenda bzw. die Ziele der nationalen Breitbandstrategie zu erreichen.
- 2. Der von der Kommission aufgezeigte Weg, durch die Mitnutzung vorhandener Infrastrukturen für unterschiedliche Dienste (z.B. Erzeugungs-, Leitungs- oder Verteilungsdienste für Gas, Strom, Fernwärme oder Wasser) auch für elektronische Kommunikationsdienste Kosten beim Ausbau von Hochgeschwindigkeitsinfrastrukturen zu verringern und Unternehmen zu Investitionen in die Bereitstellung von elektronischen Kommunikationsnetzen zu ermuntern, erscheint durchaus zielführend zu sein.
- 3. Bei den entsprechenden Überlegungen gilt es dessen ungeachtet zu berücksichtigen, dass im Bereich des Binnenmarktes gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a AEUV eine geteilte Zuständigkeit besteht und zudem dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Artikel 5 EUV Rechnung zu tragen ist.
- 4. Der Bundesrat weist zunächst darauf hin, dass die EU im Bereich Binnenmarkt nur tätig wird, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.
- 5. Vorliegend können die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten ausreichend verwirklicht werden. Die hohen Ausbaukosten und die sich daraus ergebenden unzureichenden Investitionen der Wirtschaftsunternehmen sind kein Problem, das seine Ursache in Hemmnissen für den zwischenstaatlichen Handel hat. Die Ursache der hohen Ausbaukosten ist hauptsächlich darin zu sehen, dass die Bauarbeiten (Erdaushub für die Kabel u. ä.) aufwändig und teuer sind. Hemmnisse für die Durchführung dieser Bauarbeiten durch Unternehmen anderer Mitgliedstaaten sind nicht ersichtlich. Im Vergleich zu den Bauarbeiten stellen die Genehmigungsverfahren keinen erheblichen Kostenfaktor dar, weshalb kein Regelungsbedürfnis für die Genehmigungsverfahren besteht.
Die Mitgliedstaaten können die Mitnutzung vorhandener Infrastrukturen für unterschiedliche Dienste (z.B. Erzeugungs-, Leitungs- oder Verteilungsdienste für Gas, Strom, Fernwärme oder Wasser) auch für elektronische Kommunikationsdienste durch entsprechende nationale Regelungen erreichen. Hierfür bedarf es keines Erlasses einer Harmonisierungsmaßnahme bzw. einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates.
- 6. Der Bundesrat ist des Weiteren der Auffassung, dass mit der Schaffung von unmittelbar geltenden Rechten und Pflichten für Telekommunikationsunternehmen, weitere Wirtschaftsunternehmen und staatliche Stellen eine erhebliche Bürokratisierung der Abläufe, verbunden mit einem Mehraufwand in der zeitlichen Bearbeitung, einhergehen wird, die die Ziele der Kommission nach mehr Effizienz konterkarieren würde. Zudem sind bereits im geltenden Telekommunikationsgesetz (TKG) Vorschriften zur Transparenz über vorhandene Infrastrukturen ( § 77a Absatz 3 TKG), über die Mitnutzung alternativer Infrastrukturen (§ 77b ff. TKG) als auch über den Zugang zu Gebäuden und Inhouseverkabelungen ( § 77a Absatz 1 TKG) enthalten.
- 7. Der Bundesrat sieht mit Sorge, dass der Mehraufwand insbesondere die kommunalen Unternehmen der Daseinsvorsorge betrifft, die Netzbetreiber im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags sind, auch wenn es sich bei ihnen nicht um Betreiber eines elektronischen Kommunikationsnetzes handelt. Diese kommunalen Unternehmen treffen zahlreiche Pflichten, die personelle Ressourcen binden, ohne dass sie hierfür einen Ersatz des damit einhergehenden Aufwands erhalten. Bei diesen Pflichten handelt es sich um Informationspflichten und um die sehr ressourcenbindende Verpflichtung zur Bearbeitung von schriftlichen Anträgen nach Artikel 3 des Verordnungsvorschlags. Zum Teil gehen die Verpflichtungen nach dem Verordnungsvorschlag weit über die Pflichten nach dem TKG hinaus. Der Bundesrat sieht hierin eine unverhältnismäßige Mehrbelastung für die kommunale Ebene.
- 8. Der Bundesrat lehnt die Regelungen des Artikels 3 des Verordnungsvorschlags insoweit ab, als die kommunalen Netzbetreiber letztlich dazu gezwungen werden können, auch gegen ihren Willen den Zugang zu ihren "physischen Infrastrukturen" zu gewähren. Dies stellt einen unangemessenen und unverhältnismäßigen Eingriff in die Eigentums- und Nutzungsrechte der kommunalen Versorgungsbetriebe dar, zumal es keinerlei Anhaltspunkte für willkürliche und böswillige Zugangsverweigerungen durch die kommunale Ebene gibt.
- 9. Der Bundesrat stellt daher fest, dass eine zusätzliche europäische Regelung in der Rechtsform einer Verordnung - auch vor dem Hintergrund der vielen unbestimmten Rechtsbegriffe im Verordnungsvorschlag - lediglich zu mehr Rechtsunsicherheit führen würde. Eine Vielzahl von Verwaltungsverfahren vor der neu zu schaffenden "nationalen Streitbeilegungsstelle" wäre zu befürchten.
- 10. Insbesondere die Einrichtung einer "zentralen Informationsstelle" sowie einer "nationalen Streitbeilegungsstelle" führen nicht nur zu einer weiteren personellen und kostenintensiven administrativen Aufblähung, sondern auch zu einer Zentralisierung und Formalisierung bürokratischer Abläufe, die in einem föderalen System mit einem hohen Kompetenzdefizit in Bezug auf regionale und lokale Kenntnisse und Besonderheiten verbunden wäre.
- 11. Vielmehr schaffen aus Sicht des Bundesrates die geltenden Leitlinien der EU für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau sowie bundes- und länderspezifische Richtlinien die Voraussetzungen für einen effizienten Breitbandausbau ohne die mit der vorgeschlagenen Verordnung einhergehenden Regelungen. Auf Basis der bestehenden Richt- und Leitlinien werden zum Beispiel bereits heute Breitbandatlanten geführt, die georeferenziert neben Ist- und Bedarfszustand der Versorgung auch die Infrastrukturen in Form von Baustellenatlanten und Leerrohrkataster darstellen. Der Bundesrat vermag insofern auch nicht zu erkennen, dass Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation auf europäischer Ebene besser durchzusetzen sind, als dieses bereits auf nationaler Ebene erfolgt bzw. erfolgen kann.
- 12. Der Bundesrat befürchtet ferner, dass eine rechtlich verpflichtende Inanspruchnahme bestehender Infrastrukturen zu Problemen der Kostenabgrenzung führt, die zu einer unsachgemäßen Belastung anderer Kunden, wie zum Beispiel der Strom-, Gas- und Wasserkunden, führen kann.
- 13. Die zahlreichen die kommunalen Versorgungsbetriebe betreffenden Informationspflichten und die Ermöglichung eines erzwungenen Zugangs zu ihren "physischen Infrastrukturen" lassen im Gegensatz zu den Regelungen des TKG, das eine ausgewogene - zumindest vertretbare - Lastenverteilung enthält, eine abzulehnende einseitige Lastenverteilung zu Gunsten der Betreiber von elektronischen Kommunikationsnetzen und zu Lasten der kommunalen Unternehmen erkennen.
- 14. Der Bundesrat ist des Weiteren der Auffassung, dass in folgenden Punkten des Verordnungsvorschlags eine Harmonisierung nicht erforderlich ist:
- - Artikel 6 des Verordnungsvorschlags ist entbehrlich. Es bestehen bereits auf nationaler Ebene ausreichende Regelungen zum Baugenehmigungsverfahren von Versorgungseinheiten. Bis zu zehn Kubikmeter sind Versorgungseinheiten verfahrensfrei, darüber hinaus unterliegen sie der Baugenehmigungspflicht nach den Bauordnungen der Länder. Eine weitere Regelung auf europäischer Ebene ist daher überflüssig.
- - Auf Artikel 7 des Verordnungsvorschlags sollte ebenfalls verzichtet werden. Die Verpflichtung zur Ausstattung neuer Gebäude wie auch gebrauchter Immobilien, die umfangreichen Renovierungsarbeiten unterzogen werden, mit einer hochgeschwindigkeitsfähigen gebäudeinternen physischen Infrastruktur sowie die Verpflichtung zur Ausstattung neuer Mehrfamilienhäuser wie auch gebrauchter Mehrfamilienhäuser, die umfangreichen Renovierungsarbeiten unterzogen werden, mit einem Konzentrationspunkt innerhalb oder außerhalb des Gebäudes greift in die Eigentumsrechte der Eigentümer ein und ist daher abzulehnen. Das Ziel der Senkung der Kosten des Ausbaus der Hochgeschwindigkeitsnetze, die eine nachträgliche Ausstattung der Gebäude mit physischen Infrastrukturen unnötig macht, stellt entgegen der Ansicht der Kommission keine Rechtfertigung des Eingriffs in das Eigentumsgrundrecht dar. Die verpflichtende Ausstattung mit einer hochgeschwindigkeitsfähigen gebäudeinternen physischen Infrastruktur steht im Interesse der Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze und steht mit der Belastung des Eigentümers, der nicht mehr frei über die Erforderlichkeit der hochgeschwindigkeitsfähigen gebäudeinternen physischen Infrastruktur für sein Gebäude entscheiden kann, nicht in einem angemessenen Verhältnis, sondern stellt eine einseitige Bevorzugung der Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze dar. Des Weiteren steht einer generellen Verpflichtung der Eigentümer zur Ausstattung gebrauchter Immobilien mit einer hochgeschwindigkeitsfähigen gebäudeinternen physischen Infrastruktur und mit einem Konzentrationspunkt innerhalb oder außerhalb des Gebäudes der aus der Eigentumsgarantie folgende grundsätzliche Schutz des rechtmäßigen Baubestands entgegen. Daneben wären Kosten für die Eigentümer zu erwarten. Anders als bei einer freiwilligen Maßnahme würde durch die Verpflichtung zur Ausstattung mit einer hochgeschwindigkeitsfähigen gebäudeinternen physischen Infrastruktur und mit einem Konzentrationspunkt innerhalb oder außerhalb des Gebäudes allein den am Bau und, da auch bestehende Gebäude und Mehrfamilienhäuser erfasst werden sollen, den am Betrieb von Mehrfamilienhäusern und Gebäuden Beteiligten Kosten auferlegt. Dies dürfte die Zielrichtung des Vorschlags nach Kostenreduzierung konterkarieren. Die Regelung berücksichtigt überdies nicht, ob die Eigentümer oder Nutzer des Gebäudes überhaupt selbst Interesse an der Ausstattung mit einer hochgeschwindigkeitsfähigen gebäudeinternen physischen Infrastruktur haben.
- - Der Bundesrat lehnt eine Verpflichtung zur Ausstattung neu errichteter und bestehender Gebäude mit hochgeschwindigkeitsfähigen gebäudeinternen physischen Infrastrukturen sowie Konzentrationspunkten über das Instrument der Baugenehmigung ab. Die Anforderungen des Bauordnungsrechts an Gebäude richten sich ausschließlich an die bauliche Beschaffenheit, die in der Regel so zu sein hat, dass die Nutzung eines Gebäudes auf der Grundlage der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie unter Vermeidung von Gefahren für Leben und Gesundheit möglich ist. Die auf dieser Basis in den Landesbauordnungen gestellten Anforderungen beschränken sich dabei auf ein aus öffentlichrechtlicher Sicht zwingend notwendiges Mindestmaß (Standsicherheit, Brandschutz, Rettungswege). Darüber hinausgehende Vorschriften an einen "Qualitätsstandard" (zum Beispiel die zwingende Versorgung mit bestimmten Einrichtungen oder Dienstleistungen wie Telefon, Fernsehen, Rundfunk oder Innenverkabelung für Breitbandnetze) sind kein Gegenstand des Bauordnungsrechts (Gefahrenabwehrrecht). In der Regel werden in der Baugenehmigung nur Neubauten erfasst. Die überwiegende Zahl der bestehenden Gebäude würde durch eine solche Vorschrift ohnehin nicht erfasst.
- - Ebenso sollte auf Artikel 8 des Verordnungsvorschlags verzichtet werden, da die Verpflichtungen in Artikel 8 Absatz 1, Absatz 2 und Absatz 4 einen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht darstellen. Eine Rechtfertigung für den Eingriff besteht aus Sicht des Bundesrates nicht. Das Ziel der Senkung der Kosten des Ausbaus der Hochgeschwindigkeitsnetze stellt keine Rechtfertigung dar. Da vorliegend keine Belange des Gemeinwohls, sondern Interessen Privater, nämlich der Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze, berührt werden, sind diese Interessen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit in ein ausgewogenes Verhältnis mit der Belastung der Eigentümer zu bringen, wobei die grundgesetzliche Anerkennung des Privateigentums durch Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes zu beachten ist. Die Regelungen des Artikels 8 des Verordnungsvorschlags bevorzugen jedoch einseitig die Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze und stehen daher mit der Belastung des Eigentümers nicht in einem angemessenen Verhältnis.
Die Formulierung "sofern dadurch der Eingriff in das Privateigentum minimiert wird" in Artikel 8 Absatz 1 und die Formulierung "unter nicht diskriminierenden Bedingungen" in Artikel 8 Absatz 2 stellen darüber hinaus einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der zu Auslegungsschwierigkeiten führt und befürchten lässt, dass in vielen Fällen nach Artikel 8 Absatz 3 die zuständige nationale Streitbeilegungsstelle zur Lösung von Streitigkeiten angerufen wird. Dies wiederum steht zu der von der vorgeschlagenen Verordnung angestrebten Effizienzsteigerung in Widerspruch.
- 15. Der Bundesrat lehnt daher eine Regelung in Form sowohl einer Verordnung als auch einer Richtlinie ab und spricht sich für eine Empfehlung der Kommission als "schonendere" Rechtsform gegenüber den Mitgliedstaaten aus.
- 16. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.