Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, 31. Mai 2013
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Antrag für eine Entschließung des Bundesrates zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie den USA andererseits (Transatlantic Trade and Investment Partnership - TTIP) zuzuleiten.
Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung mit dem Ziel der sofortigen Sachentscheidung in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 7. Juni 2013 aufzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angelica Schwall-Düren
Anlage
Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz
Entschließung des Bundesrates zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie den USA andererseits (Transatlantic Trade and Investment Partnership - TTIP)
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Absicht, ein transatlantisches Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union, ihren Mitgliedstaaten und den USA auszuhandeln, um auf diese Weise wirtschaftliche Potentiale auf beiden Seiten des Atlantiks zu heben und im globalen Rahmen gemeinsame wirtschafts-, wettbewerbs- und handelspolitische Interessen noch wirkungsvoller vertreten zu können.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass audiovisuelle Dienstleistungen ungeachtet des Wegs ihrer Verbreitung die kulturelle Identität jedes einzelnen Mitgliedstaates widerspiegeln und daher wesentlich auch Kulturgüter, keineswegs allein Wirtschaftsgüter sind. Sie sind für die demokratische Willensbildung, die Integration und die Erhaltung der kulturellen Vielfalt und sprachlichen Vielfalt in Deutschland und in Europa von zentraler Bedeutung.
- 3. Der Bundesrat kritisiert vor diesem Hintergrund den vorliegenden Mandatsentwurf und lehnt eine generelle Aufhebung der bisher verfolgten Ausnahme des Medienbereichs sowie von audiovisuellen und kulturellen Dienstleistungen aus derartigen Abkommen ab, sofern eine solche Aufhebung über bereits eingegangene Verpflichtungen der EU und Deutschlands im Bereich der kulturellen Dienstleistungen durch das GATS-Abkommen von 1994 (General Agreement on Trade in Services, z.B. im Bereich "News Agencies") hinausgehen würde.
- 4. Der Bundesrat bemängelt in diesem Zusammenhang, dass sich der bisherige Mandatsentwurf allein auf die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) ohne Rücksicht auf die mit der Unterzeichnung des UNESCO-Abkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen eingegangenen Verpflichtungen bezieht. Auf diese Weise wird das Risiko eingegangen, dass künftige Verpflichtungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten aus dem transatlantischen Freihandelsabkommen mit den bestehenden Verpflichtungen aus dem UNESCO-Abkommen kollidieren können.
- 5. Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass das Mandat in der aktuellen Fassung bestehende oder künftige Regelungen der Kulturförderung oder für Rundfunk oder Telemedien, die der Sicherung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt dienen, einer Liberalisierungslogik unterwerfen könnte, die dem bisherigen europäischen Grundkonsens, Kulturgüter nicht allein den Gesetzen des Marktes zu überlassen, widersprechen würde.
- 6. Der Bundesrat verweist auf die Erklärung zum Vertrag von Amsterdam, in der das duale System eines Nebeneinanders aus öffentlichrechtlichen und privaten Hörfunk- und Fernsehanbietern europarechtlich ausdrücklich verankert ist.
- 7. Der Bundesrat betont in diesem Zusammenhang, dass im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sowie im Gesetz über die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG) festgelegt ist, dass die Länder die Leitlinien der Medien- und Kulturpolitik sowohl innerstaatlich als auch im Rahmen der Vertretung auf europäischer Ebene bestimmen. Durch das Lindauer Abkommen von 1957 ist zudem festgelegt, dass die Bundesregierung völkerrechtliche Verträge, die ausschließlich Landeskompetenzen betreffen, nur mit vorherigem Einverständnis der Länder schließen kann. Zudem ist für das Inkrafttreten eines solchen Abkommens auch die Zustimmung des Bundesrats nach Art. 59 Absatz 2 Satz 1, 78, 84 Absatz 1 Satz 5 und 6 GG erforderlich.
- 8. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, die Kultur- und Medienhoheit der Länder durch eine klare Kultur- und Medienausnahme im Verhandlungsmandat zu wahren und schon jetzt auf eine entsprechende Mandatsgestaltung im Rat hinzuwirken, auch um später eine unproblematische Umsetzung des ausverhandelten Abkommens auf nationaler Ebene zu ermöglichen.