Der Bundesrat hat in seiner 914. Sitzung am 20. September 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Mitteilung der Kommission, die zusammengefasst die wesentlichen Meinungen wiedergibt, welche anlässlich der 2011 von der Kommission durchgeführten öffentlichen Konsultation unter dem Titel "Kollektiver Rechtsschutz: Hin zu einem kohärenten europäischen Ansatz" geäußert worden sind.
- 2. Ebenso wie die Kommission ist der Bundesrat der Auffassung, dass fehlende Mittel den Zugang zum kollektiven Rechtsschutz nicht beschränken dürfen. Nach Ansicht des Bundesrates kann das Kostenrisiko aber, insbesondere für gemeinnützig tätige Verbraucherverbände, ein Klagehemmnis darstellen. Denn für diese sind die Möglichkeiten zur Schaffung eigener Einnahmequellen zur Abmilderung von Prozesskostenrisiken begrenzt. Entgeltliche Geschäftsmodelle der Verbraucherarbeit sind nach der Aufgabenstellung von Verbraucherorganisationen nur in einem eingeschränkten Umfang sachgerecht und nach den konkreten Satzungsbedingungen von Verbraucherorganisationen nur begrenzt zulässig. Wenn Verbraucherverbände das Kostenrisiko eines Prozesses voll tragen müssen, gleichzeitig aber keinen eigenen geldwerten Vorteil aus einem gewonnen Prozess ziehen können, liegt es im staatlichen Interesse an einem funktionierenden System des kollektiven Rechtsschutzes, für eine solide Finanzbasis der Verbraucherverbände Sorge zu tragen. Die Kommission sollte daher ihre Empfehlung, kollektive Rechtsschutzverfahren nicht direkt mit öffentlichen Mitteln zu unterstützen, überdenken.
- 3. Zur Verringerung des Prozesskostenrisikos von klagebefugten Einrichtungen spricht sich der Bundesrat dafür aus, ein Sondervermögen bzw. einen öffentlichen Fonds zwecks Verwaltung der durch Gewinnabschöpfungsklagen entzogenen Unrechtsgewinne einzurichten. Ferner setzt sich der Bundesrat dafür ein, dass Bußgelder, die bei der öffentlichen Rechtsdurchsetzung wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen erhoben werden, ebenfalls anteilig diesem Sondervermögen zugewiesen werden. Die Erträge des Sondervermögens sollen wiederum für neue Verfahren zur Verfügung gestellt werden und somit einer effektiveren Rechtsdurchsetzung zugute kommen. Die Kommission wird gebeten, eine solche Fondslösung als sachgerechte Möglichkeit der Finanzierung kollektiver Rechtsschutzverfahren zu unterstützen.
- 4. Die Kommission weist darauf hin, dass es den Mitgliedstaaten überlassen bleiben soll, ob sie Kollektivklagen im Rahmen der privaten Durchsetzung des Wettbewerbsrechtes einführen oder nicht. Dementsprechend enthält auch der parallel von der Kommission vorgelegte Richtlinienvorschlag über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der EU (BR-Drucksache 514/13 (PDF) ) keine Regelungen zum kollektiven Rechtsschutz. Ungeachtet der Frage, auf welcher gesetzgeberischen Ebene (EU oder Mitgliedstaaten) weitere Aktivitäten in diesem Bereich angestoßen werden sollten, verweist der Bundesrat auf die besondere Bedeutung des kollektiven Rechtsschutzes im Bereich des Wettbewerbsrechts. Denn aus ordnungspolitischer Sicht kommt der Gesamtheit der Verbraucherinnen und Verbraucher als Funktionsträger einer informierten Marktentscheidung eine dem unternehmerischen Marktverhalten der anbietenden Wirtschaft gleichgewichtige Stellung zu. Auf der anderen Seite sind wettbewerbsrechtliche Verfahren durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet, welche eine private Rechtsdurchsetzung durch einzelne Verbraucherinnen und Verbraucher erheblich erschweren dürfte. Zur Stärkung der Marktposition von Verbraucherinnen und Verbrauchern hält der Bundesrat daher die Bereitstellung kollektiver Rechtsschutzinstrumente im Wettbewerbsrecht für notwendig.