A. Problem
Mit Urteil vom 17. Januar 2017, Az. 2 BvB 1/13, hat das Bundesverfassungsgericht den Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) abgelehnt und sich damit gegen ein Parteiverbot nach Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes ausgesprochen.
Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Ziele der NPD und das Verhalten ihrer Anhänger gegen die Menschenwürde und den Kern des Demokratieprinzips verstoßen und dass sie Elemente der Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus aufweisen. Zudem sei die Programmatik der NPD auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet (vgl. Rn. 634 des Umdrucks). Im Ergebnis ist die Partei wegen ihres eigenen politischen Misserfolgs und der derzeit geringen politischen Einflussnahme nicht verboten worden.
Auch wenn das Bundesverfassungsgericht die NPD mit seinem jüngsten Urteil nicht als Partei verboten hat, gibt es andere Reaktionsmöglichkeiten, um aufzuzeigen, dass in Parteien kein Platz für Rassismus, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit ist.
Das kann wirkungsvoll mithilfe eines Ausschlusses extremistischer Parteien von der Parteienfinanzierung erreicht werden. Eine wehrhafte Demokratie muss es nämlich nicht hinnehmen, dass die Grundprinzipien der Verfassung mit ihren eigenen Mitteln untergraben werden. Die verfassungsrechtlich gebotene Toleranz anderer Meinungen und Ziele endet dort, wo konkrete extremistische
Bestrebungen zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung genutzt werden.
Solche konkreten Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sollen zukünftig Tatbestandsvoraussetzung für einen Ausschluss politischer Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung sein. Die Parteienfinanzierung soll für verfassungsfeindliche Parteien so weit wie möglich, insbesondere über eine Änderung des Grundgesetzes, eingeschränkt werden.
Gemäß Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes sind Änderungen des Grundgesetzes nur zulässig, wenn nicht die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 des Grundgesetzes niedergelegten Grundsätze berührt werden. Einige wichtige Grundprinzipien des Grundgesetzes sind somit einer Verfassungsänderung entzogen. Die Chancengleichheit der Parteien, die durch einen Ausschluss extremistischer Parteien von der Parteienfinanzierung beeinträchtigt wäre, ist indes weder ein Grundsatz des Artikels 1 des Grundgesetzes noch des Artikels 20 des Grundgesetzes. Es handelt sich dabei vielmehr um eine Konkretisierung des durch Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes absolut geschützten Demokratiegrundsatzes. Die Chancengleichheit der Parteien ist insofern einer systemimmanenten Modifizierung zugänglich, die durch besondere zwingende Gründe getragen sein muss. Einen solchen zwingenden Grund stellt die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine wehrhafte Demokratie dar, die in den Entscheidungsgründen des jüngsten Urteils des Bundesverfassungsgerichts eindringlich belegt wird.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich unmittelbarer gesetzgeberischer Handlungsbedarf.
B. Lösung
Durch eine Grundgesetzänderung und entsprechende Folgeänderungen einfachgesetzlicher Normen wird die staatliche Teilfinanzierung für verfassungsfeindliche Parteien ausgeschlossen.
Zu den Einzelheiten wird auf den beigefügten Gesetzesantrag an den Bundesrat Bezug genommen.
C. Alternativen
Keine.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Der Gesetzentwurf hat auf die öffentlichen Haushalte keine näher bezifferbaren
Auswirkungen.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger entsteht nicht.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft entsteht nicht.
E.3 Erfüllungsaufwand für die Verwaltung
Erfüllungsaufwand für die Verwaltung entsteht nicht.
F. Sonstige Kosten
Es sind keine Auswirkungen zu erwarten.
Gesetzesantrag des Landes Niedersachsen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes zum Zweck des Ausschlusses extremistischer Parteien von der Parteienfinanzierung
Der Niedersächsische Ministerpräsident Hannover, 16. Februar 2017
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Niedersächsische Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes zum Zweck des Ausschlusses extremistischer Parteien von der Parteienfinanzierung zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen und die Beratung des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen des Bundesrates in der 8. Kalenderwoche 2017 sicherzustellen.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Weil
Entwurf
Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes zum Zweck des Ausschlusses extremistischer Parteien von der Parteienfinanzierung
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Absatz 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:
Artikel 1
Änderung des Grundgesetzes
Artikel 21 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
- 1. Dem Absatz 1 wird folgender Satz 5 angefügt:
"Eine Teilfinanzierung der allgemeinen Tätigkeit der Parteien aus staatlichen Mitteln ist zulässig."
- 2. Dem Absatz 3 wird folgender Satz 2 angefügt:
"Parteien, die Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland verfolgen, können auf Grund eines Gesetzes von der staatlichen Teilfinanzierung der Parteien ausgeschlossen werden."
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung:
A. Allgemeines
Mit Urteil vom 17. Januar 2017, Az. 2 BvB 1/13, hat das Bundesverfassungsgericht den Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) abgelehnt und sich damit gegen ein Parteiverbot nach Artikel 21 Absatz 2 GG ausgesprochen.
Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Ziele der NPD und das Verhalten ihrer Anhänger gegen die Menschenwürde und den Kern des Demokratieprinzips verstoßen und dass sie Elemente der Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus aufweisen. Zudem sei die Programmatik der NPD auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet (vgl. Rn. 634 des Umdrucks). Im Ergebnis ist die Partei wegen ihres eigenen politischen Misserfolgs und der derzeit geringen politischen Einflussnahme nicht verboten worden.
Mit diesem Gesetzesantrag wird ein entsprechender Hinweis des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts aufgegriffen und die Parteienfinanzierung für verfassungsfeindliche Parteien so weit wie möglich, insbesondere über eine Änderung des Grundgesetzes, eingeschränkt.
Angesichts der Verortung sowohl der Parteienfinanzierung als auch der Parteiengleichheit in Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes, ist ein Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien aus der staatlichen Parteienfinanzierung nur über eine Verfassungsänderung möglich. Gemäß Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes sind Änderungen des Grundgesetzes wiederum nur zulässig, wenn nicht die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 des Grundgesetzes niedergelegten Grundsätze berührt werden. Damit werden wichtige Grundprinzipien des Grundgesetzes einer Verfassungsänderung entzogen. Die durch einen Ausschluss extremistischer Parteien von der Parteienfinanzierung beeinträchtigte Chancengleichheit der Parteien ist indes weder ein Grundsatz des Artikel 1 des Grundgesetzes noch des Artikel 20 des Grundgesetzes. Es handelt sich vielmehr um eine Konkretisierung des durch Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes absolut geschützten Grundsatzes der Demokratie bzw. des Grundsatzes der Parteienfreiheit. Die Chancengleichheit der Parteien ist einer systemimmanenten Modifizierung zugänglich, die durch besondere zwingende Gründe getragen sein muss. Einen solchen zwingenden Grund stellt die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine wehrhafte Demokratie dar, die in den Entscheidungsgründen des jüngsten Urteils des Bundesverfassungsgerichts eindringlich belegt wird. Die Aufrechterhaltung einer wehrhaften Demokratie erlaubt eine Durchbrechung der grundsätzlich zu gewährleistenden Chancengleichheit der Parteien.
Das einfache Recht bedarf der Ergänzung in Folge einer Verfassungsänderung.
B. Einzelbegründung
Zu Artikel 1 (Änderung des Grundgesetzes):
Mit den Änderungen im Grundgesetz wird eine Rechtsgrundlage zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Parteienfinanzierung geschaffen.
Zu Nummer 1:
Die Einfügung des Satzes 5 in Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes hat klarstellende Bedeutung. Es wird ausdrücklich formuliert, dass eine staatliche Teilfinanzierung von Parteien grundsätzlich zulässig ist. Die Ergänzung dient der besseren Verständlichkeit der weiteren Ergänzung in Artikel 21 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes (neue Fassung; im Folgenden: n. F.), indem sie ihr den notwendigen Bezugspunkt liefert.
Zu Nummer 2:
Artikel 21 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes n.F. enthält die Regelung für den Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der Parteienfinanzierung. Tatbestandlich sind Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung erforderlich. Beide Begriffe juristisch ausreichend vorgeprägt, sodass sie eine Abgrenzung ermöglichen, ohne dass eine Neudefinition notwendig wäre. Nur auf der Basis einer entsprechenden gesetzlichen Regelung kann durch die Exekutive ein Ausschluss derjenigen Parteien erfolgen, die Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgen. Die Einbeziehung der Bestrebungen gegen "den Bestand der Bundesrepublik Deutschland" erfolgt in Anlehnung an Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten):
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.