Das Bundesministerium der Justiz hat mit Schreiben vom 25. Juni 2009 zu den o. g. Entschließungen des Bundesrates wie folgt Stellung genommen:
Im Jahr 2008 hat der Bundesrat zwei Entschließungen zum Schutz geistigen Eigentums in Drittstaaten gefasst.*
Dabei handelt es sich um die Entschließungen des Bundesrates zum Schutz geistigen Eigentums in Drittstaaten vom 15. Februar 2008 (BR-Drs. 034/08(B) ) und die Entschließung des Bundesrates zu Maßnahmen der EU zum verbesserten Schutz geistigen Eigentums vom 10. Oktober 2008 (BR-Drs. 598/08(B) ).
Anliegend übersende ich den vom Wirtschaftsausschuss des Bundesrates erbetenen Bericht der Bundesregierung zu den beiden Entschließungen.
Bericht zu den Entschließungen des Bundesrates vom 15. Februar und 10. Oktober 2009 - BR-Drs. 034/08(B) und 598/09(Beschluss)
Die Bundesregierung setzt sich gegenüber der EU-Kommission nachdrücklich für den Schutz und die effektive Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums ein.
Sie begrüßt insofern, dass die EU-Kommission in der Europäischen Strategie für gewerbliche Schutzrechte vom 16. Juli 2008 (KOM (2008) 465 endgültig) ihr Engagement zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums in Drittstaaten erneut bekräftigt hat. Die Kommission wird regelmäßig Erhebungen über die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums außerhalb der EU durchführen, einen wirksamen Schutz und eine effektive Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums in bilateralen Handelsabkommen anstreben, die Durchsetzung und Zusammenarbeit vor allem in Drittländern mit ausgeprägter Produkt- und Markenpiraterie durch den Dialog über Normsetzungsinitiativen verbessern und auf ein multilaterales Abkommen zur Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie hinarbeiten (vgl. Ziff. 6.3).
Weiterhin hat sich die Bundesregierung gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedstaaten mit der Entschließung des Rates vom 25. September 2008 über einen europäischen Gesamtplan zur Bekämpfung von Nachahmungen und Piraterie (ABl. C 253 vom 4. Oktober 2008, S. 1) gegenüber der Kommission nachdrücklich für die Bekämpfung der Produktpiraterie eingesetzt. In der Entschließung fordern die Mitgliedstaaten die Kommission zu einer Reihe von Maßnahmen auf diesem Gebiet auf. Speziell zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums auf internationaler Ebene nennt die Entschließung insbesondere folgende Aktivitäten: Förderung der Aufnahme von diese Rechte betreffenden Maßnahmen in bilaterale und multilaterale Übereinkünfte der EU, aktive Beteiligung an den Verhandlungen über ein plurilaterales Handelsabkommen zur Bekämpfung von Nachahmungen sowie Förderung dieses Themas im Rahmen des Dialogs zwischen der EU und Drittstaaten und im Rahmen der Kooperationsmaßnahmen mit Drittstaaten.
Zu den einzelnen vom Bundesrat angesprochenen Maßnahmen ist im Übrigen folgendes zu berichten:
1. Maßnahmen des Zolls und der Zollzusammenarbeit der EU mit Drittstaaten
1.1. Maßnahmen des Zolls:
Im Rahmen der VO (EG) Nr. 1383/2003 wird der Zoll tätig, wenn Waren unter zollamtlicher Überwachung im Verdacht stehen ein Recht geistigen Eigentums zu verletzen. Im Verdachtsfall wird die Überlassung der Waren ausgesetzt bzw. werden die Waren von den Zollbehörden zurückgehalten. Der Zeitraum der jeweiligen Maßnahme beträgt zunächst 10 Arbeitstage, kann aber im Bedarfsfall um weitere 10 Arbeitstage verlängert werden. Der betroffene Rechtsinhaber wird über die Maßnahme informiert und kann auf Antrag u. a. ein Muster der in Frage stehenden Waren zur Begutachtung erhalten. Bestätigt sich der Verdacht, so ist der Rechtsinhaber grundsätzlich aufgefordert, innerhalb der Fristen ein Gerichtsverfahren in die Wege zu leiten, in dessen Verlauf die Schutzrechtsverletzung festgestellt wird. Allerdings können die Waren in einem vereinfachten Verfahren ohne Gerichtsbeteiligung vernichtet werden, wenn der Rechtsinhaber dies beantragt.
1.2. Maßnahmen der Zollzusammenarbeit der EU mit Drittstaaten
In der unter deutscher Präsidentschaft verabschiedeten G8-Gipfelerklärung von Heiligendamm 2007 wurde ein verbesserter Informationsaustausch im Bereich der Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie gefordert. Aus dieser Forderung resultierte das Projekt INFO_IPR zur Entwicklung und Implementierung eines elektronischen Informationssystems zur besseren Vernetzung der Zollverwaltungen der G8-Staaten.
Eine erste Version von INFO_IPR wurde unter Koordinierung des Zollkriminalamts und der Weltzollorganisation im Jahr 2008 mit G8-Staaten getestet (Operation Pilot INFO_IPR). Im Dezember 2008 wurde im Bundesministerium der Finanzen eine Evaluierung durchgeführt, in der die gemachten Erfahrungen ausgewertet und eingehend analysiert wurden. Die daraus resultierenden Ergebnisse sind Grundlage für die weitere Optimierung des Systems in einer zweiten Pilotphase (April bis Ende Juli 2009), an der alle G8-Staaten teilnehmen. Im Oktober 2009 wird die Evaluierung dieser zweiten Phase stattfinden, bei der auch eine Entscheidung über die Einbindung von Schwellenländern ab 2010 getroffen werden soll.
2. Bilaterale Freihandelsabkommen der EU mit Drittstaaten
Die Bundesregierung setzt sich im Rahmen der Handelspolitik nachdrücklich für einen verbesserten Schutz und Durchsetzung von geistigen Eigentumsrechten ein. In den im April 2007 unter deutscher EU-Präsidentschaft verabschiedeten Mandaten für Freihandelsabkommen (FHA) mit Südkorea, Indien und den ASEAN-Ländern sowie dem Ende März 2009 verabschiedeten Mandat für ein FHA mit Kanada sind entsprechende Vorgaben für die Verhandlungsführung der EU-Kommission und - im Hinblick auf strafrechtliche Bestimmungen - der Mitgliedstaaten (Ratspräsidentschaft) enthalten. Demnach sollen die späteren Abkommen beide Parteien zu einem wirksamen Schutz und Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte verpflichten sowie die Einhaltung internationaler Verpflichtungen sicherstellen. Besonders hervorgehoben wird der gemeinsame Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie. Die Bundesregierung befürwortet die Erarbeitung von Musterkapiteln zum geistigen Eigentum, um insofern eine noch größere Kohärenz zu gewährleisten.
Verhandlungen zum Schutz und zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums in bilateralen FHA mit Drittstaaten werden von der Europäischen Union auf der Grundlage des Acquis geführt. Hierzu zählt im Patentrecht die Möglichkeit, durch ergänzende Schutzzertifikate die Laufzeit von Patenten für zulassungspflichtige Produkte zu verlängern. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass eine patentgeschützte Erfindung so lange nicht wirtschaftlich genutzt werden kann, wie es keine Zulassung für diese Produkte gibt. Ergänzende Schutzzertifikate gleichen diese Verkürzung der effektiven Patentnutzungsmöglichkeit (teilweise) aus. Entsprechende EG-Verordnungen gibt es für Arzneimittel (Nr. 1768/62 vom 18. Juni 1992) und für Pflanzenschutzmittel (Nr. 1610/96 vom 23. Juli 1996). Zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums bilden die Bestimmungen der Richtlinie 2004/48/EGB vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157 vom 30. April 2004, S. 45 ff.) regelmäßig die Grundlage der Verhandlungen. Effektive zivilrechtliche Schadensersatz- und Beseitigungsansprüche, Beweisführungs- und Beweissicherungsregeln, Auskunftsansprüche sowie Regelungen über einstweilige Maßnahmen sind daher regelmäßig Gegenstand der Verhandlungen.
Im Bereich des Zollrechts umfasst der aquis communautaire die VO (EG) Nr. 1383/2003. Sie bildet die Grundlage für Maßnahmen der Zollbehörden in den Fällen, in denen Waren unter zollamtlicher Überwachung im Verdacht stehen, ein Recht geistigen Eigentums zu verletzen.
Sie beinhaltet die Möglichkeit für den Rechtsinhaber, falls sich der Verdacht der Schutzrechtsverletzung bestätigt, die schutzrechtsverletzenden Waren in einem vereinfachten Verfahren vernichten zu lassen oder ein zivilgerichtliches Verfahren zur Feststellung der Schutzrechtsverletzung einzuleiten.
Auch im Rahmen der WTO setzt sich die Bundesregierung für eine Einhaltung der Regeln aus dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) ein. In den zuständigen Gremien (TRIPS-Rat) thematisiert die EU-Kommission mit Unterstützung der EU-Mitgliedstaaten mögliche Verletzungen dieser Vorschriften.
Eine Verpflichtung, bei der vorsätzlichen Nachahmung von Markenwaren oder vorsätzlicher unerlaubter Herstellung urheberrechtlich geschützter Waren in gewerbsmäßigen Umfang Strafverfahren und Strafen vorzusehen, ist bereits jetzt für alle WTO-Mitgliedstaaten in Artikel 61 TRIPS enthalten. In letzter Zeit wurden von der EU-Kommission und der Ratspräsidentschaft eine Reihe von Verhandlungstexten vorgelegt, die eine Verpflichtung der Vertragsparteien enthalten, eine Strafbarkeit von Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums sowie damit verbundene Durchsetzungsmaßnahmen vorzusehen. Die Bundesregierung befürwortet grundsätzlich, in bilaterale FHA der EU, die Regelungen zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums enthalten, auch eine Verpflichtung der Vertragsparteien aufzunehmen, wonach im jeweiligen nationalen Recht eine Strafbarkeit von Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums sowie damit verbundene Durchsetzungsmaßnahmen vorzusehen sind. Dies gilt insbesondere für Abkommen mit Staaten, die von der Europäischen Kommission in ihrem Überblick über die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (Intellectual Property Enforcement Survey) als prioritäre Länder (Priority Countries) eingestuft werden. Aus Sicht der Bundesregierung ist bei derartigen Verhandlungen jedoch die Kompetenzverteilung zwischen der europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten im Bereich des Strafrechts zu beachten. Die Bundesregierung setzt sich im Hinblick auf strafrechtliche Bestimmungen zum geistigen Eigentum in FHA für die Erarbeitung eines einheitlichen Ansatzes durch die Mitgliedstaaten ein.
Eine vereinfachte gegenseitige Anerkennung von ausländischen Urkunden (insb. Anwaltsvollmachten) ist nicht Gegenstand der Verhandlungen zu FHAs. In den FHA wird auch die Liberalisierungen von Dienstleistungen verhandelt. Bezüglich der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen wird in diesem Zusammenhang auf bilaterale Vereinbarungen zwischen den entsprechenden Berufsverbänden verwiesen. Eine entsprechende Regelung in bilateralen FHAs würde überdies nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit auch die Mitgliedstaaten verpflichten, in dem jeweiligen Vertragsstaat ausgestellte Urkunden anzuerkennen. Die Vereinfachung der Anerkennung ausländischer Urkunden erfordert aber zwingend ein ausreichend zuverlässiges Urkundenwesen, was nicht in allen Ländern vorausgesetzt werden kann.
3. Einrichtung eines EU-Koordinators für geistiges Eigentum und stärkere Bewusstseinsbildung für die Werte des geistigen Eigentums
Die Einrichtung eines EU-Koordinators für geistiges Eigentums wird von der Bundesregierung im Hinblick auf die allgemeinen Bemühungen um einen Abbau von Bürokratie kritisch gesehen. Die Koordination zwischen den verschiedenen Dienststellen der Kommission, die Drucksache 625/09 (PDF) sich mit dem Thema geistiges Eigentum befassen, kann auch ohne die spezielle Einrichtung eines derartigen Koordinators einfacher und kostengünstiger gewährleistet werden.
Die Bundesregierung begrüßt insofern, dass die EU-Kommission am 16. Juli 2008 die bereits genannte europäische Strategie für gewerbliche Schutzrechte (KOM (2008) 465 endgültig) beschlossen hat, die einen horizontalen Ansatz verfolgt und alle relevanten Gebiete abdeckt. Durch die Erstellung einer derartigen Strategie ist ein einheitliches Vorgehen der verschiedenen Dienststellen gewährleistet.
Wie bereits ausgeführt, hat die Bundesregierung weiterhin die Entschließung des Rates vom 25. September 2008 über einen europäischen Gesamtplan zur Bekämpfung der Nachahmung von Piraterie (2008/C 253/01) aktiv unterstützt. Die Mitgliedstaaten haben die Kommission darin aufgefordert, eine europäische Beobachtungsstelle für Nachahmungen und Piraterie innerhalb der bestehenden Strukturen aufzubauen (vgl. Ziff. 15). Eine solche Nutzung der bestehenden Strukturen der EU-Kommission ist aus Sicht der Bundesregierung ein kostengünstigerer und effektiverer Weg, um zu einer verbesserten Koordination sowie einer besseren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu gelangen. Aufgabe der Beobachtungsstelle wird voraussichtlich neben der Datensammlung und Datenauswertung, dem Erfahrungsaustausch und der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten auch die Sammlung und das Zugänglichmachen erfolgreicher Kampagnen zur Verbesserung der Bewusstseinsbildung für die Werte des geistigen Eigentums sein. Derartige Kampagnen werden von der Bundesregierung außerordentlich begrüßt. Sie wird sich auch weiterhin für eine verbesserte Bewusstseinsbildung für die Werte geistigen Eigentums - auch auf europäischer Ebene - einsetzen.