Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates KOM (2010) 94 endg.


Fristablauf für die Subsidiaritätsstellungnahme: 25.05.10
Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen werden an den Beratungen beteiligt.


Hinweis: vgl.
Drucksache 384/01 = AE-Nr. 011621


Europäische Kommission, B-1049 Brüssel
Telefon: (32-2) 299 11 11.
EUROPÄISCHE KOMMISSION
GENERALSEKRETARIAT
Brüssel, den 30.3.2010
SG-Greffe(2010) D/ 4625


Bundesrat
Leipziger Str. 3-4
D - 10117 Berlin


Übermittlung gemäß dem im Protokoll (Nr. 2) zum Vertrag über die Europäische Union und zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehenen Verfahren über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit
Betreff: COM (2010)94 final, 29.3.2010

Die Kommission teilt hiermit mit, dass alle Sprachfassungen des genannten Entwurfs eines Gesetzgebungsakts den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten und den Kammern der nationalen Parlamente zugeleitet wurden.

Mit dem vorliegenden Schreiben wird das im Protokoll (Nr. 2) vorgesehene Verfahren über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit eröffnet.

Sie können innerhalb von acht Wochen1 ab dem Datum dieses Schreibens in einer begründeten Stellungnahme an die Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission darlegen weshalb der Entwurf Ihres Erachtens nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist.


Für die Generalsekretärin Jordi AYET PUIGARNAU
Direktor


EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 29.3.2010
KOM (2010) 94 endgültig
2010/0064 (COD)

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates

Begründung

1. Kontext des Vorschlags

- Gründe für den Vorschlag und Zielsetzung

Sexueller Missbrauch und sexuelle Ausbeutung von Kindern sind besonders schwere Verbrechen, da sie sich gegen Kinder richten, die Anspruch auf Schutz und Fürsorge haben.

Diese Vergehen verursachen langfristig körperliche, psychische und soziale Schäden bei den Opfern; die Tatsache, dass sie nach wie vor verübt werden, höhlt die Kernwerte einer modernen Gesellschaft in Bezug auf den besonderen Schutz von Kindern aus und untergräbt das Vertrauen in die zuständigen staatlichen Einrichtungen. Obwohl zu diesen Straftaten keine präzisen und zuverlässigen Statistiken vorliegen, hat es einschlägigen Studien zufolge den Anschein, dass eine nicht unerhebliche Minderheit von Kindern in Europa während ihrer Kindheit sexuellen Übergriffen ausgesetzt ist;

Forschungsarbeiten zu diesem Thema lassen zudem darauf schließen, dass das Phänomen nicht abnehmen wird, sondern dass bestimmte Formen sexueller Gewalt eher zunehmen werden.

Gemäß Artikel 67 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verfolgt die Union auf diesem Gebiet das übergeordnete Ziel, durch Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Kriminalität, worunter auch der sexuelle Missbrauch und die sexuelle Ausbeutung von Kindern fallen, ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Gemäß Artikel 83 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sollte dies in erster Linie durch die Festlegung von Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen auf dem Gebiet der sexuellen Ausbeutung von Kindern erfolgen. Die spezifischen Ziele würden die wirksame Strafverfolgung umfassen, den Schutz der Rechte der Opfer und die Prävention der sexuellen Ausbeutung und des sexuellen Missbrauchs von Kindern.

- Allgemeiner Kontext

Die Hauptursache von sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern ist die Verletzbarkeit von Kindern, die auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist: Inadäquate Strafverfolgungsverfahren tragen zum Fortbestehen von Kindesmissbrauch und anderen Formen sexueller Gewalt gegen Kinder bei, und die Probleme werden dadurch verschärft, dass bestimmte Formen von Straftaten an den nationalen Grenzen nicht haltmachen. Die Opfer zögern häufig, den Missbrauch zu melden. Unterschiedliche Strafrechtsvorschriften und Strafverfahren der Mitgliedstaaten können unterschiedliche Ermittlungs- und Strafverfolgungsverfahren zur Folge haben, und rechtskräftig verurteilte Sexualstraftäter können nach Abbüßen ihrer Strafe weiterhin gefährlich sein. Die Entwicklungen im Bereich der Informationstechnologie haben diese Probleme weiter verschärft; es ist für die Straftäter leichter geworden, Bilder von Kindesmissbrauch zu produzieren und zu verbreiten und dabei ihre Anonymität der zu wahren und sich dank unterschiedlicher gerichtlicher Zuständigkeiten der Verantwortung zu entziehen. Billigflugtickets und Unterschiede in den sozialen Verhältnissen verstärken den sogenannten Kinder-Sex-Tourismus und führen dazu, dass die Käufer sexueller Dienstleistungen von Kindern im Ausland häufig unbestraft bleiben. Unter anderem dank der Schwierigkeiten bei der Strafverfolgung kann das organisierte Verbrechen relativ risikolos beträchtliche Gewinne erzielen.

Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften lösen einige dieser Probleme in unterschiedlichem Maße. Doch sie sind weder streng noch kohärent genug, als dass die Gesellschaft eindeutig und entschlossen auf diese schweren Straftaten reagieren könnte.

Das jüngste Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Sammlung der Europaratsverträge Nr. 201) stellt den derzeit höchsten internationalen Standard zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch dar. Auf internationaler Ebene ist das Fakultativprotokoll zum UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie aus dem Jahre 2000 die wichtigste Norm.

Allerdings sind noch nicht alle Mitgliedstaaten dem Übereinkommen beigetreten.

- Bestehende Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet

Auf EU-Ebene trägt der Rahmenbeschluss 2004/68/JI des Rates zu einer Mindestangleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bei und stellt sicher, dass die schwersten Formen von sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern unter Strafe gestellt werden die innerstaatliche gerichtliche Zuständigkeit erweitert und ein Mindestmaß an Operschutz gewährleistet wird. Nachdem die Verpflichtungen im Großen und Ganzen umgesetzt worden sind, zeigen sich die Defizite des Rahmenbeschlusses. Er sorgt nur bei einer begrenzten Anzahl von Straftaten für die Angleichung der Rechtsvorschriften; er erfasst nicht die neuen Formen des Missbrauchs und der Ausbeutung mittels neuer Informationstechnologien; er beseitigt nicht die Elemente, die die Strafverfolgung außerhalb des nationalen Hoheitsgebiets behindern; er wird nicht allen besonderen Bedürfnissen der Opfer von Kindesmissbrauch gerecht und sieht keine adäquaten Maßnahmen zur Verhinderung von Sexualstraftaten vor.

Neben dem Rahmenbeschluss weisen unter anderem die folgenden bereits geltenden oder geplanten EU-Initiativen einen Bezug zur Problematik von Sexualstraftaten gegen Kinder auf:

Der Beschluss 2000/375/JI des Rates vom 29. Mai 2000 zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet, der Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, der Rahmenbeschluss 2005/222/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über Angriffe auf Informationssysteme, der Beschluss Nr. 854/2005/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über ein mehrjähriges Gemeinschaftsprogramm zur Förderung der sichereren Nutzung des Internet und neuer Online-Technologien und der Rahmenbeschluss 2008/947/JI des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen.

- Kohärenz mit den anderen Politikbereichen und Zielen der Union

Die mit dem Rahmenbeschluss verfolgten Ziele sind mit der Politik der EU zur Förderung, zum Schutz und zur Wahrung der Kinderrechte in ihren internen und externen Politikbereichen uneingeschränkt vereinbar. Die EU hat die Kinderrechte ausdrücklich in der Europäischen Charta der Grundrechte, namentlich in Artikel 24, anerkannt. Außerdem hat sich die Kommission in ihrer Mitteilung "Zu einer EU-Kinderrechtsstrategie" das Ziel gesetzt die vorhandenen Maßnahmen und Instrumente so weit wie möglich auszuschöpfen, um unter anderem Kinder vor Gewalt und sexueller Ausbeutung inner- und außerhalb der EU zu schützen. Die Ziele der Kommission stehen auch im Einklang mit dem Programm zur Förderung der sicheren Nutzung des Internet und der neuen Online-Techniken, insbesondere durch Kinder, und zur Bekämpfung illegaler Inhalte. Das Programm zur Förderung der sicheren Nutzung des Internet trägt durch eine Reihe von Maßnahmen - Stärkung der Handlungsfähigkeit der Betroffenen, Schutz von Minderjährigen, Bewusstseinsschärfung und Öffentlichkeitsarbeit, Selbstregulierung und Einführung von Sicherheitsinstrumenten - zur Verhütung des sexuellen Missbrauchs von Kindern bei.

Diese Maßnahmen stehen im Einklang mit dem Vorschlag der Kommission zur Verhütung und Bekämpfung von Menschenhandel und zum Opferschutz.

Die Ziele der vorgeschlagenen Richtlinie entsprechen denen der neuen EU-Strategie für die Jugend (Entschließung des Rates vom 27. November 2009), die auf Kinder und junge Menschen zwischen 13 und 20 Jahren abstellt und die die Zusammenarbeit in der europäischen Jugendpolitik fest im internationalen System der Menschenrechte verankert. In der EU-Strategie für die Jugend wird herausgestellt, dass das Leben und die künftigen Lebensaussichten junger Menschen wesentlich davon abhängen, welche Möglichkeiten ihnen in ihrer Kindheit geboten wurden und welche Unterstützung und welchen Schutz sie erfahren haben die auf lokaler Ebene zuständigen Stellen werden aufgefordert, gefährdete junge Menschen zu erkennen und ihnen zu helfen oder sie gegebenenfalls an andere Stellen weiterzuleiten und den Zugang junger Menschen zur Gesundheitsversorgung zu erleichtern.

Dieser Vorschlag ist gründlich daraufhin geprüft worden, dass seine Bestimmungen mit den Grundrechten und insbesondere der Würde des Menschen, dem Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, den Rechten des Kindes, dem Recht auf Freiheit und Sicherheit, der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit, dem Schutz personenbezogener Daten, dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht sowie den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen in vollem Einklang stehen.

Besondere Aufmerksamkeit galt Artikel 24 der EU-Charta, der die Mitgliedstaaten verpflichtet ihr Handeln auf die Gewährleistung des nötigen Kinderschutzes auszurichten.

Laut Artikel 24 haben Kinder Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind. Darüber hinaus ist in dem Artikel in Anlehnung an das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes festgeschrieben, dass bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher oder privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss.

Die Bestimmungen, wonach neue Formen des Missbrauchs mittels Internet unter Strafe zu stellen sind, spezielle Ermittlungstechniken anzuerkennen sind, die Straftäter von bestimmten Aktivitäten auszuschließen sind und der Informationsaustausch zu erlauben ist, um die EU weite Durchführung zu gewährleisten, wurden daraufhin untersucht, ob sie mit dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und dem Schutz personenbezogener Daten (Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, Artikel 7 und 8 der EU-Charta) in Einklang stehen. Die Bestimmungen zur Verschärfung der Strafverfolgung bei Veröffentlichung und Verbreitung von kinderpornografischem Material, bei Werbung für Kinderpornografie oder der Ermunterung zu Kindesmissbrauch sowie die Einführung von Verfahren zur Sperrung des Zugangs zu Kinderpornografie-Webseiten wurden insbesondere auf ihre Vereinbarkeit mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention, Artikel 11 der EU-Charta) untersucht.

Die auf Ebene der Europäischen Union verfügbaren Finanzierungsmöglichkeiten zur Unterstützung der Anstrengungen der Mitgliedstaaten können gegebenenfalls genutzt werden, um den Vorschriften dieser Richtlinie nachzukommen.

2. Konsultation der interessierten Kreise und Folgenabschätzung

- Konsultation der interessierten Kreise

Konsultationsmethoden, angesprochene Sektoren und allgemeines Profil der Befragten Es fanden drei Treffen zu den Themen "Sexueller Missbrauch und sexuelle Ausbeutung von Kindern" und "Menschenhandel" statt, an denen Sachverständige unterschiedlicher Provenienz teilnahmen wie Regierungsvertreter der Mitgliedstaaten, Mitglieder der Sachverständigengruppe der Europäischen Kommission für Menschenhandel, Mitglieder von internationalen Organisationen, insbesondere Europarat und UNICEF, NRO, Vertreter von Hochschulen, Forschungszentren und anderen öffentlichen Einrichtungen. Eine Reihe von Sachverständigen und Organisationen haben im Anschluss an die Treffen Beiträge und einschlägige Informationen übermittelt.

Im Zuge der im Rat geführten Erörterungen über den Vorschlag der Kommission für einen Rahmenbeschluss zu diesem Thema wurden Informationen zu den Rechtsvorschriften und gängigen Vorgehensweisen der Mitgliedstaaten zusammengetragen. Dabei wurde die Notwendigkeit eines neuen EU-Rahmens zur Annäherung der nationalen Rechtsvorschriften weitgehend bekräftigt.

Zusammenfassung der Beiträge und Erläuterung, wie sie im Vorschlag berücksichtigt wurden Die wichtigsten Anliegen im Anschluss an die Konsultation waren:

Die während der Konsultation eingegangenen Beiträge sind in die Folgenabschätzung eingeflossen. Die Vorschläge, die einige Interessengruppen im Rahmen des Konsultationsverfahrens unterbreitet haben, wurden aus unterschiedlichen Gründen (siehe

Folgenabschätzung) nicht in den Vorschlag aufgenommen.

- Einholung und Nutzung von Expertenwissen

Externes Expertenwissen war nicht erforderlich.

- Folgenabschätzung SEK(2009) 355 und Zusammenfassung der Folgenabschätzung (SEK)2009) 356

Im Rahmen des vorherigen Vorschlags für einen Rahmenbeschluss wurden verschiedene Optionen zur Verwirklichung der angestrebten Ziele geprüft.

Die geltenden Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI würden durch EU-Maßnahmen ergänzt die das materielle Strafrecht und die Bestimmungen für Strafverfahren ändern den Opferschutz ausbauen und auf die Prävention von Straftaten zielen würden (wie unter Option 3 plus die nichtlegislativen Maßnahmen unter Option 2 zur Verbesserung der Durchführung der nationalen Rechtsvorschriften).

Eine Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen sowie der Auswirkungen auf die Grundrechte ergab, dass sich die Probleme am wirkungsvollsten mit den Optionen 3 und 4 angehen lassen, die zur Verwirklichung der Ziele des Vorschlags führen dürften. Vorzuziehen wäre die Option 4, gefolgt von Option 3.

Zu dem ursprünglichen Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates vom 25. März 2009 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie erstellte die Kommission eine Folgenabschätzung, die mutatis mutandis für den vorliegenden Richtlinienvorschlag gilt. Die Folgenabschätzung der Kommission ist abrufbar unter: http://ec.europa.eu/governance/impact/ia_carried_out/cia_2009_en.htm#jls

3. Rechtliche Aspekte des Vorschlags

- Zusammenfassung der vorgeschlagenen Maßnahme

Die neue Richtlinie wird den Rahmenbeschluss 2004/68/JI des Rates aufheben, einen Teil seiner Bestimmungen übernehmen und neue Bestimmungen zu folgenden Teilgebieten enthalten:

- Materielles Strafrecht im Allgemeinen

Schwere Formen des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern, die derzeit nicht von den EU-Rechtsvorschriften erfasst sind, würden unter Strafe gestellt. Dazu gehört beispielsweise die Organisation von Reisen, die mit dem Ziel der Begehung sexuellen Missbrauchs durchgeführt werden - ein insbesondere, aber nicht ausschließlich, im Sextourismus mit Kindesmissbrauch anzutreffendes Phänomen. Die Definition des Tatbestands der Kinderpornografie wird der im Übereinkommen des Europarats und im Fakultativprotokoll zum UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes verwendeten Definition angenähert. Besonderes Augenmerk gilt Straftaten gegen Kinder in einer besonders schwachen Position.

In diesem Zusammenhang sollte insbesondere das Strafmaß so erhöht werden, dass die Strafen verhältnismäßig, wirksam und abschreckend sind. Um die Schwere der Straftat zu bestimmen und die Strafen im Verhältnis dazu festzulegen, sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen die bei verschiedenen Arten von Straftaten eine Rolle spielen können, wie das Ausmaß des Schadens, der dem Opfer zugefügt wurde, das Ausmaß der Schuld des Straftäters und der Grad der Gefahr für die Gesellschaft.

Dementsprechend lässt sich eine Abstufung der verschiedenen Arten von Straftaten vornehmen. Im allgemeinen sind Handlungen mit sexuellen Kontakten schwerwiegender als Handlungen ohne sexuelle Kontakte; das Vorliegen des Tatbestands der Ausbeutung erhöht die Schwere der Straftat; die Anwendung von Nötigung, Gewalt oder Drohungen wiegt schwerer als die Ausnutzung einer Machtposition durch den Straftäter oder einer Schwächeposition des Opfers, was wiederum schwerer wiegt als eine Straftat, die mit dem Einverständnis des Opfers begangen wird. Prostitution, zu der sexuelle Handlungen und Geld gehören wiegt schwerer als pornografische Darbietungen, die auch ohne sexuelle Handlungen ablaufen können. Kinder zum Zwecke der Prostitution anzuwerben wiegt schwerer als Kinder zur Mitwirkung zu veranlassen, da das Anwerben die aktive Suche nach der Ware "Kind" impliziert. Die Herstellung von Kinderpornografie impliziert in der Regel das Anwerben und sexuelle Kontakte mit dem Kind und wiegt daher schwerer als die Verbreitung oder der Vertrieb von Kinderpornografie, was wiederum schwerer wiegt als der Besitz oder der Zugang zu Kinderpornografie.

Aus der Kombination dieser Kriterien ergibt sich, dass zwischen fünf Gruppen von Straftaten zu unterscheiden ist, die je nach Schweregrad mit unterschiedlichen Strafen für die "Basisstraftaten" bedroht sind.

- Neue Straftaten mittels Informationstechnologie

Neue Formen des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung, die durch Informationstechnologie erleichtert werden, sollen unter Strafe gestellt werden. Darunter fallen pornografische Online-Darbietungen sowie der bewusste Zugriff auf Kinderpornografie, um Fälle zu erfassen, in denen das Anschauen von Kinderpornografie auf Webseiten, ohne die Bilder herunterzuladen oder zu speichern, nicht den Straftatbestand des "Besitzens" oder "Beschaffens" von Kinderpornografie erfüllt. Auch die neue Straftat des "Grooming" (Kontaktaufnahme zu Kindern zum Zwecke des sexuellen Missbrauchs) wird in enger Anlehnung an den Wortlaut des Übereinkommens des Europarats aufgenommen.

- Strafermittlung und Einleitung von Strafverfahren

Der Richtlinienvorschlag soll um eine Reihe von Bestimmungen erweitert werden, die die Strafermittlung und Anklageerhebung erleichtern sollen.

- Verfolgung von im Ausland begangenen Straftaten

Die Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit sollen geändert werden, um zu gewährleisten dass Straftäter aus der EU - sowohl solche mit der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats als auch solche mit gewöhnlichem Wohnsitz in einem Mitgliedstaat -, die Kinder missbrauchen oder ausbeuten, auch dann verfolgt werden, wenn sie die Straftat außerhalb der EU, im Rahmen des sogenannten Kinder-Sex-Tourismus, begehen.

- Opferschutz

Es werden neue (breit gefasste) Opferschutzbestimmungen in den Richtlinienvorschlag aufgenommen die gewährleisten, dass die Opfer leichten Zugang zu Rechtsbehelfen haben und ihre Teilnahme an Strafverfahren ihnen nicht zum Nachteil gerät. Die neuen Bestimmungen umfassen die Unterstützung, Betreuung und den Schutz von Opfern insbesondere bei strafrechtlichen Ermittlungen und Verfahren.

- Prävention von Straftaten

Es sollen Änderungen in die Richtlinie aufgenommen werden, die die Prävention von Straftaten wie sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern durch ein Maßnahmenpaket fördern sollen; die Maßnahmen sollen sich auf frühere Straftäter konzentrieren um Wiederholungstaten zu verhindern, und den Zugang zu Kinderpornografie im Internet beschränken. Durch die zunehmende Erschwerung des Zugangs zu öffentlichen Webseiten soll die Verbreitung von Kinderpornografie eingeschränkt werden. Allerdings ist diese Maßnahme kein Ersatz für die Entfernung der Inhalte an der Quelle oder für die Verfolgung der Straftäter.

Der Vorschlag würde in mehrfacher Hinsicht einen Mehrwert hinsichtlich des im Übereinkommen des Europarats festgelegten Schutzniveaus bewirken. Inhaltlich enthält der Vorschlag Elemente, die im Übereinkommen des Europarats nicht enthalten sind wie die Durchsetzung eines EU-weiten Verbots für Sexualstraftäter, Tätigkeiten im Kontakt mit Kindern auszuüben, die Sperrung des Zugangs zu Kinderpornografie im Internet, die strafrechtliche Verfolgung der Nötigung eines Kindes zu sexuellen Handlungen mit Dritten; der sexuelle Missbrauch von Kindern durch pornografische Online-Darbietungen, und eine Straffreiheitsklausel für Opfer von Kindesmissbrauch. Der Vorschlag geht auch über die im Übereinkommen des Europarats enthaltenen Verpflichtungen in Bezug auf das Strafmaß, die unentgeltliche Rechtsberatung für Opfer von Kindesmissbrauch und die Bekämpfung von Missbrauch und Kinder-Sex-Tourismus fördernden Aktivitäten hinaus. Formal gesehen wird die Aufnahme von Bestimmungen des Übereinkommens des Europarats in EU-Recht die Verabschiedung einzelstaatlicher Maßnahmen im Vergleich zu nationalen Ratifizierungsverfahren beschleunigen und erleichtern und eine bessere Durchführungskontrolle gewährleisten.

- Rechtsgrundlage

Artikel 82 Absatz 2 und Artikel 83 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

- Subsidiaritätsprinzip

Das Tätigwerden der Europäischen Union unterliegt dem Subsidiaritätsprinzip.

Die Ziele des Vorschlags können aus folgenden Gründen nicht von den Mitgliedstaaten allein ausreichend verwirklicht werden:

Die sexuelle Ausbeutung und der sexuelle Missbrauch von Kindern hat eine beträchtliche grenzübergreifende Dimension, die in der Kinderpornografie und dem Kinder-Sex-Tourismus am deutlichsten sichtbar, aber auch in der Notwendigkeit erkennbar ist, den Schutz von Kindern in allen Mitgliedstaaten vor Straftätern aus allen Mitgliedstaaten, die leicht von einem Land ins andere reisen können, zu gewährleisten. Dies erfordert Maßnahmen auf EUEbene; insbesondere sind Folgemaßnahmen zum Rahmenbeschluss 2004/68/JI des Rates und zum Beschluss 2000/375/J11 des Rates notwendig, da die Mitgliedstaaten das Ziel eines wirksamen Kinderschutzes weder auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene allein ausreichend verwirklichen können.

Die Ziele des Vorschlags können aus folgenden Gründen besser durch Maßnahmen der Europäischen Union erreicht werden:

Durch den Vorschlag werden das materielle Strafrecht und die Verfahrensvorschriften der Mitgliedstaaten stärker als durch den derzeitigen Rahmenbeschluss angenähert, was sich positiv auf die Bekämpfung dieser Straftaten auswirken wird. Zum einen wird auf diese Weise verhindert, dass sich Straftäter für die Begehung ihrer Taten Mitgliedstaaten mit weniger strengen Vorschriften aussuchen. Zum Zweiten wird durch eine gemeinsame Definition des Straftatbestands der Austausch sachdienlicher Daten und Erfahrungen sowie die Vergleichbarkeit der Daten gefördert, und zum Dritten wird auf diese Weise die internationale Zusammenarbeit erleichtert. Der Vorschlag würde zudem zu einem höheren Schutzniveau für die Opfer von Kindesmissbrauch und Kindesausbeutung beitragen. Das ist ein Gebot der Menschlichkeit und eine Voraussetzung dafür, dass die Opfer die zur Strafverfolgung notwendigen Beweise beibringen. Darüber hinaus würde der Vorschlag zu wirksameren Präventivmaßnahmen in der EU beitragen.

Der Vorschlag steht daher mit dem Subsidiaritätsprinzip im Einklang.

- Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Der Vorschlag steht aus folgendem Grund im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit:

Die Richtlinie beschränkt sich auf das zur Erreichung dieser Ziele auf europäischer Ebene erforderliche Mindestmaß und geht nicht über das dazu erforderliche Maß hinaus; dabei trägt sie der Notwendigkeit präziser Strafrechtsvorschriften Rechnung.

- Wahl des Instruments

Vorgeschlagenes Instrument: Richtlinie Im Zuge der Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern ist die Angleichung der Strafrechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erforderlich, um die Zusammenarbeit in Strafsachen zu verbessern. Zu diesem besonderen Zweck sieht der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union nur die Annahme von Richtlinien vor.

4. Auswirkungen auf den Haushalt

Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den EU-Haushalt.

5. Zusätzliche Angaben

- Aufhebung geltender Rechtsvorschriften

Durch die Annahme des Vorschlags werden die bestehenden Rechtsvorschriften aufgehoben.

- Geografischer Anwendungsbereich

Der angenommene Vorschlag wird sich an die Mitgliedstaaten richten. Die Anwendung der Richtlinie auf das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark richtet sich nach den Bestimmungen der Protokolle (Nr. 21 und Nr. 22) zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates

Das Europäische Parlament und der Rat der europäischen Union -gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 82 Absatz 2 und Artikel 83 Absatz 1, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Entwurfs des Rechtsakts an die nationalen Parlamente, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses2, nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen3, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren4, in Erwägung nachstehender Gründe:

Haben folgende Richtlinie erlassen:

Artikel 1
Gegenstand

Ziel der Richtlinie ist die Festlegung von Mindestvorschriften zur Definition von Straftaten und Strafen auf dem Gebiet der sexuellen Ausbeutung von Kindern. Des Weiteren sollen gemeinsame Bestimmungen zur Stärkung der Prävention und des Opferschutzes eingeführt werden.

Artikel 2
Begriffsbestimmungen

Artikel 3
Straftaten im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch

Artikel 4
Straftaten im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung

Artikel 5
Straftaten im Zusammenhang mit Kinderpornografie

Artikel 6
Kontaktaufnahme zu Kindern für sexuelle Zwecke

Artikel 7
Anstiftung, Beihilfe und Versuch der Begehung und Vorbereitung von Straftaten

Artikel 8
Auf gegenseitigem Einverständnis beruhende sexuelle Handlungen Gleichaltriger

Artikel 10
Verbot der Ausübung bestimmter Tätigkeiten aufgrund von Verurteilungen wegen Sexualstraftaten

Artikel 11
Verantwortlichkeit juristischer Personen

Artikel 12
Sanktionen gegen juristische Personen

Artikel 13
Verzicht auf Strafverfolgung oder Straffreiheit der Opfer

Artikel 14
Ermittlung und Strafverfolgung

Artikel 15
Meldung des Verdachts sexueller Ausbeutung oder sexuellen Missbrauchs

Artikel 16
Gerichtliche Zuständigkeit und Koordinierung der Strafverfolgung

Artikel 17
Allgemeine Bestimmungen für Unterstützungs-, Betreuungs- und Schutzmaßnahmen

für Opfer

Artikel 18
Unterstützung und Betreuung von Opfern

Artikel 19
Schutz von Opfern im Kindesalter in Strafermittlungen und Strafverfahren

Artikel 20
Interventionsprogramme oder -maßnahmen

Artikel 21
Sperrung des Zugangs zu Webseiten, die Kinderpornografie enthalten

Artikel 22
Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI

Artikel 23
Umsetzung

Artikel 24
Berichterstattung

Artikel 25
Inkrafttreten

Artikel 26
Adressaten


Geschehen zu Brüssel am
Im Namen des Europäischen Parlaments
Der Präsident
Im Namen des Rates
Der Präsident