Der Bundesrat hat in seiner 802. Sitzung am 9. Juli 2004 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Zusammenfassung verschiedener Richtlinien im Bereich der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Arbeits- und Beschäftigungsfragen. Die Vereinfachung und Modernisierung des Gemeinschaftsrechts in diesem Bereich kann einen Beitrag zur Rechtssicherheit und Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft, die Sozialpartner und Verbände leisten.
- 2. Der Bundesrat befürwortet grundsätzlich auch die Einbeziehung der aktuellen und umfangreichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in diesem Bereich.
- 3. Der Bundesrat ist allerdings der Auffassung, dass sich die Richtlinie auf eine Konsolidierung beschränken sollte. Soweit Regelungen aus einer der zu Grunde liegenden Richtlinien auf den gesamten Anwendungsbereich der geplanten Richtlinie übertragen werden sollen, ist daher eine sorgfältige Prüfung der Auswirkungen einer Erweiterung des Anwendungsbereichs geboten. Das Gleiche gilt bei der Übernahme der Rechtsprechung des EuGH. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, bei den Verhandlungen insbesondere Folgendes zu berücksichtigen:
- - Der in Artikel 3 des Richtlinienvorschlags vorgesehene, aus der Richtlinie 96/97/EG übernommene weite persönliche Anwendungsbereich erscheint nicht für alle sachlichen Anwendungsbereiche der Richtlinie geeignet. Vielmehr sollte der persönliche Anwendungsbereich auf den jeweiligen Regelungsgegenstand zugeschnitten werden (z.B. indem der derzeit vorgesehene Artikel 3 des Richtlinienvorschlags in das entsprechende Kapitel 2 eingefügt wird).
- - Im Sinne der Rechtssicherheit sollte klargestellt werden, dass die Richtlinie sich nicht auf die gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit, die von Richtlinie 79/7/EWG erfasst werden, erstreckt.
- - Der im letzten Halbsatz des Artikels 4 Abs. 1 enthaltene Satzteil "die auf ein und dieselbe Quelle zurückzuführen ist" sollte gestrichen werden. Diese Änderung geht auf zwei Urteile des EuGH zurück, die sehr spezielle Konstellationen betrafen; es erscheint daher zweifelhaft, ob eine derartige Verallgemeinerung der Aussage angemessen ist. Dieser Satzteil geht zudem über die negative Aussage der zu Grunde liegenden Entscheidungen Lawrence (Rs. C-320/00) und Allonby (Rs. C-256/01) hinaus. Dort hatte der EuGH das Kriterium "nicht dieselbe Quelle" als Ausschlussgrund der Anwendbarkeit des Lohngleichheitsgebots angesehen, aber nicht umgekehrt das Vorliegen einer gemeinsamen Quelle als dessen Voraussetzung. Die im Richtlinienvorschlag enthaltene Formulierung ist also mit einer Ausweitung und Verallgemeinerung verbunden, deren juristische Konsequenzen nicht absehbar sind. Daher sollte diese Ergänzung gestrichen werden.
- - Die Erstreckung des in Artikel 18 des Richtlinienvorschlags enthaltenen grundsätzlichen Verbots einer Höchstgrenze für den Schadensersatz auf die Bereiche der Entgeltgleichheit und vor allem der betrieblichen Systeme der sozialen Sicherheit geht über die bisherige Regelung und die Rechtsprechung des EuGH hinaus. Sie ist in ihren Folgen gerade für die betriebliche soziale Sicherung nicht absehbar. Die Bundesregierung wird daher gebeten dieser Ausweitung nicht zuzustimmen, bevor eine entsprechende Folgenabschätzung vorliegt.
- - Der Bundesrat kritisiert die mit Artikel 21 des Richtlinienvorschlags geplante Ausdehnung des Zuständigkeitsbereichs der Gleichstellungsstellen auf die Entgeltgleichheit und die betrieblichen Systeme der sozialen Sicherung. Dies geht über eine Konsolidierung hinaus und wird vor allem im Hinblick auf die betrieblichen Sozialsysteme - anders als von der Kommission behauptet - durchaus höheren Aufwand verursachen.
- 4. Der Bundesrat begrüßt, dass das in Artikel 17 Abs. 2 des Richtlinienvorschlags vorgesehene unechte Verbandsklagerecht den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lässt zu bestimmen, dass Verbände und Organisationen sich zur "Unterstützung" der Betroffenen "und mit ihrem Einverständnis" an den Verfahren zur Durchsetzung der vorgesehenen Rechte beteiligen können.
- 5. Der Bundesrat unterstützt die Aufnahme des Gender Mainstreaming Konzepts in Artikel 29 des Richtlinienvorschlags.