956. Sitzung des Bundesrates am 31. März 2017
A
Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt ausdrücklich das mit dem Gesetzgebungspaket der Kommission verfolgte Ziel, die für global systemrelevante Institute (G-SRI) auf internationaler Ebene eingeführten Regeln über die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit (Total Loss Absorbing Capacity - TLAC) von Instituten in europäisches Recht umzusetzen. Die Institute werden dadurch gezwungen, eigenkapitalähnliche Papiere zusätzlich zum Eigenkapital vorzuhalten, die im Sanierungs- oder Abwicklungsfall entweder zur Deckung der Verluste abgeschrieben oder zur Auffüllung der Eigenkapitalquote in Eigenkapital umgewandelt werden können, ohne dass die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte beeinträchtigt wird. Die damit verbundenen zusätzlichen Eigenkapitalanforderungen sollen mit den Änderungen der sogenannten Bankenabwicklungsrichtlinie (BRRD-E, BR-Drucksache 047/17 (PDF) ), die für die gesamte EU gilt, und der Änderung der sogenannten Bankenabwicklungsverordnung (SRMR-E, BR-Drucksache 046/17 (PDF) ), die ergänzend nur für den Euroraum gilt, in das Bankenabwicklungsrecht integriert werden.
- 2. Dadurch wird aus Sicht des Bundesrates im Bankenabwicklungsrecht das zentrale Element der Bankenabwicklung, nämlich der "Bail-In", gestärkt. Mit dem "Bail-In" sollen vorrangig private Gläubiger bei Schieflage einer Bank herangezogen werden. Der Bankenabwicklungsfonds bzw. die Steuerzahler sollen geschont werden. Damit wird dem Grundgedanken einer marktwirtschaftlichen Ordnung Rechnung getragen, dass Investoren mit ihrem Kapital stets an das Schicksal ihrer Investition gebunden sind. Bei den Banken war dieser Mechanismus in der Finanzkrise außer Kraft gesetzt worden. Seitdem wird versucht, einen Weg zu finden, auch global systemrelevante Banken nicht mehr nach dem Grundsatz "too big to fail" zu retten, sondern möglichst ohne Schäden abwickeln zu können. Die mit der TLAC eingeführten Eigenkapitalanforderungen sollen dieses Ziel erreichen.
- 3. Die EU hatte in diesem Bereich mit der Mindestanforderung an Eigenmittel und mit der Abwicklung berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten (Minimum Requirement for own funds and Eligible Liabilities - MREL) bereits ein vergleichbares Instrument geschaffen, um "Bailin"-fähiges Kapital bei den Instituten sicherzustellen. Während MREL für alle Institute gilt, gilt TLAC nur für global systemrelevante Banken. Deshalb schlägt die Kommission eine Vereinheitlichung der Anforderungen an das "Bail-In" fähige Kapital vor. Der Bundesrat begrüßt, dass dadurch zwei unabhängig nebeneinander stehende Anforderungen an Eigenmittel vermieden und das Regulierungsregime der Finanzmärkte übersichtlicher und weniger aufwändig wird.
- 4. Dringenden Nachbesserungsbedarf sieht der Bundesrat in Artikel 45 Absatz 1 BRRD-E bzw. Artikel 12a Absatz 1 SRMR-E. Danach unterliegen sämtliche Institute in der EU unabhängig von Größe und Gefahr für die Finanzstabilität im Fall ihrer Abwicklung der Festsetzung einer MREL-Quote. Der Bundesrat hält stattdessen eine Differenzierung zwischen den Instituten nach dem Risiko für die Finanzstabilität für geboten. Bei Instituten, die einem Institutssicherungssystem unterliegen, ist eine Abwicklung des einzelnen Instituts ausgeschlossen. Es sollte deshalb im weiteren Gesetzgebungsverfahren geprüft werden, wie die betroffenen Institute über eine Artikel 45a BRRD-E bzw. Artikel 12b SRMR-E vergleichbare Ausnahmeregelung zumindest dann ausgenommen werden können, wenn sie nicht systemrelevant sind, also ihre Bilanzsumme unter dem Schwellenwert von 30 Milliarden Euro für die EZB-Aufsicht liegt.
- 5. Eine Differenzierung hält der Bundesrat auch bei der im Richtlinienentwurf vorgesehenen Verpflichtung für erforderlich, den Abwicklungsbehörden für jeweils einen bestimmten Zeitraum über MREL-fähige Kapitalinstrumente Bericht zu erstatten bzw. diese offenzulegen (umfassendes Offenlegungs- und Meldewesen). Dieser Verpflichtung unterliegen nach Artikel 45i BRRD-E des Vorschlags sämtliche Institute. Dabei wird wiederum nicht nach Größe und Bedeutung für die Finanzstabilität differenziert.
- 6. Der Bundesrat bittet im Übrigen, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu diesen beiden Vorschlägen und zum Vorschlag zur Änderung der Insolvenzrangfolgenrichtlinie (BR-Drucksache 777/16 (PDF) ) zu prüfen, wie die Regelung über die Anforderungen an MREL so angepasst werden kann, dass Schuldtitel mit festen Konditionen wie etwa Schuldverschreibungen von kleinen und mittleren Unternehmen oder kleinen und mittleren Banken nicht benachteiligt werden. Er erinnert insoweit an seine Stellungnahme vom 12. Juni 2015 (BR-Drucksache 193/15(B) ). Die vorgesehene Regelung privilegiert strukturierte Finanzprodukte wie Derivate und strukturierte Schuldtitel, die im Investmentbanking generiert werden. Damit fördert die Regelung genau die Produkte, die maßgeblich zum Ausbruch der Finanzkrise beigetragen haben, während solides Bankgeschäft benachteiligt wird.
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- 7. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten, der Rechtsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.